In Wien findet vom 18. bis 23. Juli 2010 die XVIII. Welt-Aids-Konferenz statt. Im Folgenden Kurzberichte über einige wichtige Themen, die auf der Konferenz behandelt wurden. Diese Übersicht wird im Verlauf der Konferenz fortlaufend aktualisiert – Tag 2, 20. Juli 2010:
HIV ist eine Armuts-Frage – auch in Industriestaaten
In den USA ist in von größerer Armut geprägten Viertel der Anteil HIV-infizierter Heterosexueller bei 2,1 Prozent – deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung (0,45%). Entsprechende Daten der US-Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control), die auf der XVIII. Welt-Aids-Konferenz vorgestellt wurden, zeigen einen eindeutigen Zusammenhang zwischen HIV-Verbreitung und Armut in den USA. Prävention müsse sich an Menschen aus auf ökonomisch schlecht gestellte Gruppen wenden, folgerten die Forscher.
USA News Health 19.07.2010: Poverty Driving HIV’s Spread Among Urban Heterosexuals: Report
HIV-positive Kinder in ärmeren Staaten besonders gefährdet
Die Entwicklung von Kindern mit HIV wird in Staaten mit begrenzten Ressourcen durch einen späten Therapiebeginn beeinträchtigt. Dadurch haben Kinder in diesen Staaten ein signifikant höheres Risiko von Entwicklungsschäden, sowohl was ihr Wachstum als auch neurokognitive Funktionen angeht.
Dieses Problem tritt nicht nur in Staaten Afrikas südlich der Sahara auf. Auch in Rumänien wurde in einer Kohorte HIV-infizierter Kinder ein hoher Grad an neurokognitiven Störungen (43,7%) sowie Aids-definierenden opportunistischen Erkrankungen festgestellt.
Der Therapieerfolg bei Kindern mit HIV variiert in Staaten mit niedrigem oder mittlerem Durchschnittseinkommen stark, stellte eine multiregionale Analyse an 13.611 Kindern unter 15 Jahren in Asien, Ost-, West- sowie Südafrika fest. Faktoren, die bei Kindern das Risiko einer niedrigen Überlebensrate erhöhen, seien u.a. für das Alter zu niedriges Gewicht, fortgeschrittene Erkrankung, sowie ein Lebensalter von weniger als 12 Monaten.
aidsmap 20.07.2010: Child development affected by late treatment start in resource-limited settings
aidsmap 20.07.2010: Success of treatment in children varies across low and middle-income countries
Heranwachsende mit HIV haben komplexe psychosoziale Bedürfnisse
Die Zahl junger Menschen mit HIV steigt. Sowohl junger Menschen im Heranwachsenden-Alter, die sich gerade erst mit HIV infiziert haben, als auch besonders Jugendlicher, die bereits seit vielen Jahren, seit ihrer Geburt HIV-positiv sind. Diese Heranwachsenden benötigen neue innovative Wege, über Sexualität zu sprechen, über die Frage wie offen sie mit ihrem HIV-Status umgehen wollen, und über ihre gesundheitlichen Bedürfnisse. Dies wurde bei einer Panel-Veranstaltung auf der XVIII. Welt-Aids-Konferenz deutlich. Heranwachsende hätten spezifische eigene Probleme und Bedürfnisse – und müssten sich gleichzeitig auch mit den Problemen jedes Erwachsenen mit HIV herumschlagen.
aidsmap 20.07.2010: Adolescents living with HIV face complex psychosocial concerns: require targeted, comprehensive services
Mindestens 31 Staaten deportieren HIV-Positive
Mindestens 31 Staaten weltweit deportieren immer noch Menschen mit HIV. Dies brachte eine Untersuchung an 197 Staaten zutage, die die Deutsche Aids-Hilfe gemeinsam mit Human Rights Watch am 20. Juli 2010 auf der XVIII. Internationalen Aids-Konferenz in Wien vorstellte. Die genaue Anzahl Staaten sei, so Peter Wiessner, unbekannt, da ein einheitliches weltweites Berichtssystem fehle. Die Staaten, die heute immer noch Menschen mit HIV deportieren, sind Armenien, Bahrain, Bangladesh, Brunei, Ägypten, Äquatorial Guinea, Ungarn, Indien, Irak, Jordanien, Kazachstan, Korea (Volksrepublik Nord ebenso wie Demokratische Republik Süd), Kuwait, Malaysia, Moldawien, Mongolei, Oman, Panama, Katar, Russland, Saudi Arabien, Singapur, Solomon Islands, Sri Lanka, Syrien, Taiwan, Turkmenistan, Vereinte Arabische Emirate, Usbekistan und Jemen.
In weiteren 66 Staaten weltweit bestehen Reise- und Aufenthalts-Restriktionen für Menschen mit HIV.
Unterdessen forderte die US-Regierung unter Präsident Obama, bundesstaatliche Gesetze, die spezifisch aufgrund von HIV kriminalisieren, abzuschaffen.
Der Gesundheitsminister Namibias, Dr. Richard Nchabi Kamwi, erläuterte in einer Rede in Wien die Gründe seiner Regierung, das Einreiseverbot für HIV-Positive abzuschaffen. Nach ausgiebigem Dialog mit der Zivilgesellschaft sowie Entwicklungs-Organisationen sie die Regierung zu dem Schluss gekommen, dass nur Reisefreiheit es Menschen mit HIV erlaube, eine wichtige Rolle in der nationalen Gesundheitspolitik zu spielen. Die frühere Regelung (des Einreiseverbots) sei ein eindeutiger Verstoß gegen die Verfassung Namibias gewesen. Namibia hat bei 2 Millionen Einwohnern eine HIV-Prävalenz von 15,3%.
UNAIDS 20.07.2010: Namibian Minister of Health shares words of advice for countries with HIV travel restrictions
POZ 20.07.2010: At Least 31 Countries Deporting People Living With HIV
Criminal HIV Transmission 20.07.2010: US: Obama administration calls for end to HIV-specific criminal laws
aidsmap 21.07.2010: Deportations of people with HIV widespread; activists’ tactics differ
Tenofovir als Gel wirksam
Die antiretrovirale Substanz Tenofovir (Handelsname Viread®) ist vorläufigen Studienergebnissen zufolge auch in einer Formulierung als Gel in der Verhinderung der Übertragung von HIV und Herpes wirksam. Damit eröffnet sich die Chance, Tenofovir als Mikrobizid einzusetzen. Dies zeigte eine am 20. Juli auf der Wiener Welt-Aids-Konferenz vorgestellte Sicherheits und Wirksamkeits-Studie. Untersucht wurden 889 Frauen in KwaZulu Natal (Südafrika) mit einem 1% Tenofovir enthaltenden Mikrobizid. Es zeigte über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren eine 39%ige Wirksamkeit in der Senkung des Risikos einer HIV-Infektion und eine 51%ige Wirksamkeit bei Herpes. UNAIDS bezeichnete das Ergebnis der ‚proof-of-concept Studie‘ als ‚Durchbruch‘.
Weitere Studien sind vor einer etwaigen Zulassung erforderlich. Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt, aber noch kein Durchbruch“, erklärt Armin Schafberger, Medizinreferent der Deutschen AIDS-Hilfe, zu der Studie.
EurekAlert 19.07.2010: Study of microbicide gel shows reduced risk of HIV and herpes infections in women
aidsmap 19.07.2010: Tenofovir-based microbicide gel reduces risk of infection for women by 39%
UNAIDS 19.07.2010: WHO and UNAIDS welcome ground breaking proof of concept study results for vaginal gel showing reduced risk of HIV infections in women
SpON 20.07.2010: Vaginalgel senkt Aids-Risiko für Frauen
aidsmap 20.07.2010: Microbicides can work, CAPRISA trial shows, but more trials needed before approval
DAH 20.07.2010: Durchbruch in der Mikrobizid-Forschung?
Zeit online 20.07.2010: Verfrühte Hoffnungen auf ein Gel gegen Aids
aidsmap 21.07.2010: Tenofovir microbicide halves genital herpes infections and appears safe
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siehe auch: XVIII. Welt-Aids-Konferenz Wien: Kurzberichte 19.07.2010