Die Elektronische Gesundheitskarte, einst vermeintliches Vorzeigeprojekt der deutschen Gesundheitspolitik, wird vorerst auf eine Modernisierung der Versichertenkarte eingedampft. Das ‚elektronische Rezept‘ steht vor dem völligen ‚Aus‘.
Einst war die umfassende Elektronisierung Ziel und Vorzeigeprojekt deutscher Gesundheitspolitik. Langfristige Einsparungen im Milliardenbereich versprachen sich Gesundheitspolitik und Krankenkassen, eine Effizienzsteigerung der Abläufe die Ärzteschaft – und lukrative Aufträge die Industrie. Doch nun kommt einiges auf den Prüfstand, anders steht direkt vor dem ‚Aus‘.
Wie im Koalitionsvertrag ausgehandelt, soll zum Themenbereich „elektronische Gesundheitskarte“ zunächst eine Bestandsaufnahme erfolgen, bevor weitere Entscheidungen getroffen werden. Dabei sollen
„der mögliche Leistungsumfang der Gesundheitskarte sowie das Geschäftsmodell und die Organisationsstrukturen … sowie die bisherigen Erfahrungen in den Testregionen überprüft und bewertet werden.“
Dazu Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler:
„Wir gehen den Aufbau der Telematikinfrastruktur schrittweise an und beginnen mit einer erweiterten und datenschutzrechtlich sichereren Krankenversichertenkarte. Die Realisierung weiterer medizinischer Anwendungen wird so lange mit einem unbefristeten Moratorium belegt, bis praxistaugliche, höchsten datenschutzrechtlichen Anforderungen entsprechende Lösungen vorgelegt werden.“
Für die nahe Zukunft konkretisiert das Bundesministerium für Gesundheit:
„Die Erweiterung der Krankenversichertenkarte zu einer elektronischen Gesundheitskarte soll deshalb zunächst auf ein modernes, sicheres Versichertendatenmanagement sowie die Notfalldaten konzentriert werden.“
Das elektronische Rezept, das bisher als eines der Kernstücke einer umfassenden „Elektronisierung“ des Gesundheitswesens geplant war, wird es Medienberichten zufolge so nicht geben. Ein Vertreter des BMG kommentiert dazu trocken „wir müssen eine neue Sicht der Dinge entwickeln“.
Die elektronische Gesundheitskarte ist seit langem in der Kritik. Sylvia Urban, Vorstand der Deutschen Aids-Hilfe, hatte schon auf dem111. Deutschen Ärztetag 2008 in Ulm betont
„Meine Daten gehören zu mir als Mensch und sie müssen bei mir bleiben. Ich muss entscheiden können, wer sie bekommt. Es ist gegen mein informationelles Selbstbestimmungsrecht, wenn so intime Daten gezielt gewonnen werden und vielleicht bald von Kassen, Arbeitgebern und anderen interessierten Gruppen ausgewertet werden dürfen. Menschen mit schweren Erkrankungen wie Aids müssen eine Chance behalten“.
Neben vielen anderen Organisationen ist auch die Deutsche Aids-Hilfe einer der zahlreichen Partner der Initiative „Stoppt die e-Card“.
Fortschritt durch Einschränkungen? Röslers Worte klingen vermeintlich nach schrittweisem Aufbau – jedoch von etwas (elektronische Gesundheitskarte, elektronisches Rezept, …), das längst beschlossen wurde. Worum geht es de facto? Im Gespräch ist eine „ergebnisoffene Bestandsaufnahme“ – mit Moratorium und vorheriger Einschränkung auf eine Versichertenkarte. So wird, was als umfassende Elektronifizierung des Gesundheitswesens konzipiert wurde, zunächst zu kaum mehr als einer Modernisierung der lang bekannten Versicherten-Karte. Verklausuliert ein Ausstieg auf Raten aus einem nicht nur aus Sicht von Patientenvertretern und Datenschützern fragwürdigen Projekt?
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weitere Informationen:
BMG 18.11.2009: Bestandsaufnahme für den Aufbau der Telematikinfrastruktur aufgenommen
heise 19.11.2009: Elektronische Gesundheitskarte: Abgespeckt bis aufs Gerippe
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