Klagenfurt: 3 Monate Haft für Sex ohne Kondom

Das Landesgericht Klagenfurt verurteilte am 17. April 2012 einen 32-jährigen HIV-positiven Mann zu drei Monaten unbedingter Haft wegen Sex ohne Kondom. Seine 27-jährige Partnerin hatte gegen ihn geklagt. Der Mann sagt, er habe die Frau bei dem Treffen Ende September 2011 auf seine Infektion hingewiesen; die Frau bestreitet dies. Die Frau wurde nicht mit HIV infiziert.

Der Mann aus Wien, der auch mit Hepatitis C infiziert ist, wurde wegen vorsätzlicher Gefährdung durch übertragbare Krankheiten angeklagt. Der Mann erklärte sich Presseberichten zufolge mit dem Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, einverstanden.

Die Deutsche Aids-Hilfe fordert “Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!“, ebenso die “Deklaration von Oslo über die Kriminalisierung von HIV“. Diese betont

“Es gibt immer mehr Belege dafür, dass die Kriminalisierung der Nichtoffenlegung der HIV-Infektion, der potenziellen Exposition und der nicht vorsätzlichen Übertragung von HIV mehr Schaden anrichtet, als dass sie der öffentlichen Gesundheit und den Menschenrechten nutzt.”

LokalesHeute.at 19.04.2012: Partnerin klagte 32-Jährigen – Haft für Aids-Kranken wegen ungeschütztem Sex
Vienna.at 17.04.2012: HIV-kranker Wiener zu drei Monaten Haft verurteilt
KleineZeitung 17.04.2012: HIV-Kranker für ungeschützten Sex bestraft

Hamburg-Harburg: 1 Jahr 8 Monate Haft plus Schmerzensgeld wegen HIV-Übertragung

Ein 32-jähriger HIV-positiver Mann wurde am 12. April 2012 vom Amtsgericht Hamburg-Harburg zu einer Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung sowie zur Zahlung eines Schmerzensgelds in Höhe von 10.000 € verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, seine gleichaltrige Freundin beim Sex ohne Kondom mit HIV infiziert zu haben. Auch als diese hinterher Symptome einer möglichen akuten HIV-Infektion zeigte, habe er abgestritten, HIV-infiziert zu sein.

Eine Boulevard-Zeitung zitiert den Richter in seinem Urteil: „Die Schädigung ist gravierend. Der Rest des Lebens ist geprägt durch die Krankheit. Angst davor, dass sie ausbricht und Angst vor Isolation. Es liegt eine deutliche Schuld beim Angeklagten.“

Die Deutsche Aids-Hilfe fordert „Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!„, ebenso die „Deklaration von Oslo über die Kriminalisierung von HIV„. Diese betont

„Es gibt immer mehr Belege dafür, dass die Kriminalisierung der Nichtoffenlegung der HIV-Infektion, der potenziellen Exposition und der nicht vorsätzlichen Übertragung von HIV mehr Schaden anrichtet, als dass sie der öffentlichen Gesundheit und den Menschenrechten nutzt.“

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Bild.de 13.04.2012: Aids-Kranker steckt Frau mit HIV an

Kanada: Mann des Totschlags an HIV-positivem Freund für schuldig befunden

Ein 43-jähriger Mann wurde heute in Kanada für schuldig befunden des Totschlags an seinem 36-jährigen Freund. Im Januar 2007 tötete er seinen Freund, nachdem er verärgert darüber gewesen sei, als er von dessen HIV-Infektion erfuhr. Er stellte sich damals selbst der Polizei und teilte seine Tat mit.

Die Höhe der Strafe wird im Verlauf des Jahres entschieden.

Winnipeg Free Press 12.04.2012: Pearce found guilty of manslaughter in death of boyfriend

USA: Gericht bestätigt 50 Jahre Haft für HIV-Positiven

Ein US- Bundesrichter in Iowa bestätigte heute eine 50-jährige Haftstrafe für einen HIV-positiven Mann aus Iowa City. Ihm wurde vorgeworfen, 2002 und 2003 Sex ohne Benutzung von Kondomen mit mehreren Frauen gehabt zu haben, obwohl er von seiner HIV-Infektion wusste.

Nach erfolgloser Berufung vor dem Obersten Gerichtshof von Iowa legte der Mann Berufung vor dem Bundesgerichtshof ein, dort unterlag er heute. Die Strafe sei angemessen, seine Rechte seien nicht verletzt worden, so der Bundesrichter.

USA Today 13.04.2012: US judge upholds 50-year term for spreading HIV

Österreich: Oberlandesgericht bestätigt 3 Jahre Haft für HIV-Positiven

Berufung erfolglos: das Oberlandesgericht Wien hat die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung eines 35jährigen HIV-Positiven verworfen. Das Urteil ‚drei Jahre unbedingte Haft‘ bleibt bestehen.

Der 35-Jährige war im November 2011 zu drei jahren Haft verurteilt worden wegen ‚absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Dauerfolgen‘. Ihm war vorgeworfen worden, zwei junge Männer ‘wissentlich mit HIV infiziert’ zu haben. Dabei soll er seine HIV-Infektion, die ihm seit Jahren bekannt sei, bewusst verschwiegen und mit seinen Sex-Partnern ungeschützten Sex gehabt haben. Der Mann hatte die Vorwürfe vehement bestritten.

Das OLG sprach den beiden Männern je eine Entschädigung zu. Das Urteil ist rechtskräftig, es sind keine weiteren Rechtsmittel mehr möglich.

ORF 12.04.2012: Burschen mit HIV infiziert: Haft bestätigt
der Standard 12.04.2012: Männer wissentlich mit HIV infiziert: Drei Jahre Haft
ondamaris 25.07.2011 / 04.11.2011: Österreich: HIV-Positiver wegen “wissentlicher HIV-Infizierung” vor Gericht (akt.)

Kurz notiert … März 2012

23. März 2012: US-Präsident Obama nominiert Jim Yong Kim, Präsident der Elite-Universität Dartmouth und früher Direktor für Aids-Bekämpfung bei der Weltgesundheitsorganisation WHO, als neuen Chef der Weltbank.

21. März 2012: Die Aids-Hilfe Mannheim stellte 2010 ihre Arbeit ein, befindet sich in Insolvenz. Nun gründete sich neu das „Kompetenzzentrum zu sexuell übertragbaren Infektionen. Mannheim“ KOSI.MA

19. März 2012: „“Man muss auch mal ein Risiko eingehen“, sagt Michael Stich – in Zusammenhang mit Geldanlage..

14. März 2012: In mehreren Studien wurden Wechselwirkungen zwischen HIV-Medikamenten und neuen Medikamenten gegen Hepatitis C untersucht.

10. März 2012: Die Zertifizierungsstelle für gemeinnützige, Spenden sammelnde Organisationen in der Schweiz entscheidet am 19. März über einen etwaigen Entzug des ZEWO-Gütesiegels für die Aids-Hilfe Schweiz. Fiala erklärt am 17.3., sie sei bereit auf ihr Salär zu verzichten. ZEWO und AHS erzielten am 19.3.2012 eine Einigung unter Reduzierung des Gehalts von Fiala auf 30.000 sFr. Kommentatoren konstatieren denoch einen „Reputationsschaden für die Aids-Hilfe“ Schweiz.

09. März 2012: HIV-Infizierte sollen in der Schweiz nicht mehr wegen „vorsätzlicher oder fahrlässiger Verbreitung einer gefährlichen übertragbaren menschlichen Krankheit“ angeklagt werden können, dies sieht ein Entwurf zum neuen Schweizer Epidemiegesetz vor.

Nach einem Führungswechsel beim GFATM gibt Entwicklungsminmister Niebel einen Teil der Mittel frei.

07. März 2012: In den USA ist das Early Access Program für den experimentellen Integrasehememr Dolutegravir gestartet.

Richard Lugner ist nach dessen Aussagen zu Homosexualität und HIV von Keszler vom Life Ball 2012 ausgeladen worden.

05. März 2012: Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat ihre Richtlinien für die Verwendung von Statinen bei gleichzeitger Einnahme von HIV- oder HCV- Proteasehemmern aktualisiert.

01. März 2012: Das Amt des Präsidenten der Aids-Hilfe Schweiz war einst ehrenamtlich. Die neue Präsidentin Fiala trat das Amt unter der Bedingung einer ‚Entschädigung‘ von 50.000 Franken an – und gerät in die Kritik. Ihre Vorgängerin erhielt 15.000 sFr. Die Aids-Hilfe Schweiz reagierte mit einer Pressemitteilung.

NRW: Justizminister Kutschaty kündigt Aus für „Zwangsouting“ an – Persönlichkeitsrechte Inhaftierter mit HIV müssen gewahrt werden

NRW-Justizminister Thomas Kutschaty kündigte an, dass die Einwilligungserklärung bei gemeinschaftlicher Unterbringung oder Umschluss von Gefangenen und damit das sogenannte „Zwangsouting“ Inhaftierter mit HIV in nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten zukünftig entfällt. „Aus meiner Sicht erscheint durch die Neufassung des sogenannten AIDS-Erlasses von 1988 zukünftig ein unter vollzuglichen Verhältnissen optimaler Umgang mit HIV- und auch Hepatitis-Infizierten gewährleistet“, sagte Kutschaty vor der Aids-Fachöffentlichkeit, die zum Jahresempfang der AIDS-Hilfe NRW nach Düsseldorf gekommen war. „Die Gefangenen erhalten eine adäquate Information hinsichtlich der Vermeidung von Infektionskrankheiten, die Persönlichkeitsreche werden gewahrt und dem Schutz der Bediensteten wird Rechnung getragen.“

Dies wäre aus Sicht der AIDS-Hilfe NRW nach langwierigen Diskussionen mit dem Justizministerium und allen Fraktionen des Landtags sowie einer Anhörung im Rechtsausschuss ein Durchbruch für die Selbstbestimmungsrechte der Menschen mit HIV. Klaus-Peter Schäfer, Landesvorsitzender der AIDS-Hilfe NRW, gab der Hoffnung Ausdruck, dass „die Aufhebung der bisherigen Praxis beim Umschluss mit anderen Gefangenen“ in allen Justizvollzugsanstalten des Landes ohne Zeitverzögerung umgesetzt wird“.

Der Minister äußerte sich auch zu der Frage der Kriminalisierung von HIV-Übertragungen. „Das Wissen HIV-Positiver um die Infektion und die damit verbundenen vielfältigen Belastungen sollten nicht noch durch die Befürchtung einer ungerechtfertigten oder pauschalen Kriminalisierung verstärkt werden“, erklärte Kutschaty. Der Minister äußerte sich überzeugt davon, dass Strafverfolgungsbehörden und Gerichte für die Problematik sensibilisiert seien und mit dem Thema behutsam umgingen.

Kutschaty sprach sich für eine weiterhin vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Justiz und Aidshilfe aus. Insbesondere bei der „Sicherung der im Vollzug eingeleiteten Maßnahmen nach Entlassung“ Inhaftierter, vor allem Drogen konsumierender Gefangener, komme den Aidshilfen eine wichtige Rolle zu.

(Pressemitteilung Aids-Hilfe NRW)

Niederlande: Groningen-HIV-Fall soll erneut verhandelt werden

Der ‚Groninger HIV-Fall‘, der 2008 für große Aufmerksamkeit auch außerhalb der Niederlande sorgte, soll erneut vor Gericht verhandelt werden. Es gebe berechtigte Zweifel am kausalen zusammenhang, so der Oberste Gerichtshof.

„Absichtliche HIV-Infektion“, langjährige Haftstrafen – der ‚Groninger HIV-Fall‘ sorgte 2008 für großes Aufsehen. Zwei Männer wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Doch nun ordnete der Oberste Gerichtshof in Den Haag an, den Fall erneut zu verhandeln – es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die HIV-Infektionen auch anders erworben wurden.

Besondere mediale Aufmerksamkeit erfuhr im Jahr 2008 und bereits seit seinem Bekanntwerden im Mai 2007 ein recht spezieller Fall in den Niederlanden: In Groningen wurde im Oktober 2008 das Verfahren gegen drei 39, 48 und 49 Jahre alte Männer eröffnet. Ihnen wurde vorgeworfen, zwischen 2005 und 2007 mindestens 14 junge schwule Männer bei über Dating-Portalen organisierten Sex-Parties mit GHB betäubt und ohne Kondom vergewaltigt zu haben. Anschließend sollen sie ihnen ihr Blut injiziert haben. 12 der 14 Männer sind inzwischen HIV-positiv.

Der Staatsanwalt forderte damals Haftstrafen zwischen acht und fünfzehn Jahren. Zwei der Männer wurden 2008 zu neun bzw. fünf Jahren Haft verurteilt. In einer Berufungs-Verhandlung 2010 wurden die Haftstrafen sogar auf zwölf bzw. neun Jahre erhöht.

Hoge Raad, Lange Voorhout , Den Haag (Foto: M.Minderhoud)
Hoge Raad, Lange Voorhout , Den Haag (Foto: M.Minderhoud)

Doch nun ordnete der Oberste Gerichtshof (Hoge Raad) in Den Haag nach Berufung durch die beiden Angeklagten an, dass der Fall erneut vor Gericht verhandelt werden soll. Er hob das Urteil des Gerichts in Leuwaarden auf. Der Grund: es sei nicht zweifelsfrei erweisen, dass die HIV-Infektionen durch die verurteilten Männer verursacht wurden. Vielmehr bestünden berechtigte Zweifel am kausalen Zusammenhang; die Opfer hätten sich auch über andere Wege infiziert haben können.

Die Verteidiger einiger der Betroffenen hatten für den Fall einer Verurteilung bereits 2008 Zivilklagen auf Schadenersatz angekündigt. Mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, den Fall neu zu verhandeln, sind etwaige Schadenersatz-Leistungen weiterhin für längere Zeit offen.

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weitere Informationen:
DutchNews 27.03.2012: Deliberate HIV infection case should be retried: supreme court
Poz&Proud 28.03.2012: Hoge Raad: Groningse hiv-zaak moet over

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Chemnitz: HIV-Positiver wegen Missbrauch eines Jungen zu zwei Jahren Haft verurteilt (akt.)

Ein HIV-positiver Mann zwang im Erzgebirge einen 8-jährigen Jungen zum Oralverkehr. Das Landgericht Chemnitz verurteilte ihn heute (26.03.2012) zu zwei Jahren und neun Monaten Haft.

Er habe am 12. November 2011 mit dem achtjährigen Jungen an der Rutsche eines Spaßbads im Erzgebirge herumgetobt, berichtete der 33-jährige Mann im Prozeß. Er habe einige Bier getrunken, anschließend habe er den Jungen auf die abschließbare Toilette gelockt. Dort habe er ihn zum Oralverkehr gezwungen. Es sei zu keinem Austausch von Körperflüssigkeiten gekommen. Noch in der Schwimmhalle wurde der Mann festgenommen.

Der Angeklagte, der seit der Tat in Untersuchungshaft sitzt, legte vor Gericht ein umfassendes Geständnis ab. Unter Tränen betonte er „Ich wünschte, ich könnte es rückgängig machen.“ Er entschuldigte sich mehrfach bei dem Jungen und seiner Familie (die beim Prozeß nicht anwesend waren).
Der Junge wurde nicht mit HIV infiziert. Nach Aussagen des Vorsitzenden Richters Josef Bauer habe er das Geschehen gut verarbeitet.

Das Landgericht Chemnitz verurteilte den Mann nach vorhergehender Absprache zwischen den Prozeßbeteiligten zu zwei Jahren und neun Monaten Haft wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs und versuchter schwerer Körperverletzung.

Aufgrund der HIV-Infektion des Angeklagten habe für das Kind eine Infektionsgefahr bestanden, so das Gericht. Staatsanwalt Thomas Müller-Gründel hatte betont, der Angeklagte „nahm billigend in Kauf, dass eine Virusübertragung möglich war“. Die Verteidigung hingegen betonte, aufgrund der medizinischen Situation sowie des geschilderten Ablaufs habe keine Infektionsgefahr bestanden.

Der 33-jährige Mann weiß seit September 2010 von seiner HIV-Infektion. Er befindet sich in regelmäßiger medizinischer Behandlung.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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Aktualisierung
26.03.2012 17:15: Der öffentlich-rechtliche Sender MDR lässt in seinem TV-Bericht in der Sendung „dabei ab 2“ unter dem Titel „Milde Strafe für Kindesmissbrauch“ ‚Bürger‘ zu Wort kommen mit Äußerungen wie „da braucht man sich nicht zu wundern, wenn da manche irgendwann Selbstjustiz machen“ oder „härteste Strafe, ich sage lieber nicht was für eine“.
Entgegen der Aussage des Richters, der Junge habe das geschehen gut verarbeitet, formuliert der MDR-Bericht „Vom Trauma dieser Tat wird sich das Kind wohl nie wieder erholen“.

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weitere Informationen:
SZ 26.03.2012: Chemnitz: Knapp drei Jahre Haft für HIV-Infizierten wegen Kindesmissbrauchs
Sächsische Zeitung 26.03.2012: HIV-Positiver wegen Kindesmissbrauchs verurteilt
Focus 26.03.2012: Zwei Jahre HaftHIV-Infizierter missbraucht Jungen in Schwimmbad
MDR Sachsen 26.03.2012: Haftstrafe für HIV-infizierten Mann
Freie Presse 26.03.2012: Annaberg-Buchholz: Ex-Rettungssanitäter zwang Achtjährigen zum Oralsex
LVZ online 26.03.2012: HIV-positiver Mann in Chemnitz wegen Kindesmissbrauchs zu Haft verurteilt
Stern 26.03.2012: HIV-Infizierter muss hinter Gitter – Opfer hat sich nicht angesteckt
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Schweiz: HIV-positive Frau zu zwei Jahren Haft verurteilt (akt.2)

Das Obergericht Zürich hat heute (23.03.2012) eine HIV-positive Frau zu zwei Jahren Haft verurteilt. Die 33-jährigen Frau wurde wegen mehrfach versuchter schwerer Körperverletzung und mehrfach versuchten Verbreitens von menschlicher Krankheit verurteilt.

Die aus Kenia stammende Frau soll ab 2005 mit zwei Männern über einen Zeitraum von drei Jahren Sex ohne Verwendung von Kondomen gehabt haben. Ein heute 30 Jahre alter aus Sierra Lerone stammender Mann sowie ein heute 34-jähriger Mann aus Dominica sollen sich dabei mit HIV infiziert haben.

In erster Instanz war die Frau bereits im Juli 2011 vom Bezirksgericht zu drei Jahren bedingter Freiheitsstrafe verurteilt worden. Sie habe von ihrer HIV-Infektion gewusst, ihre Sexpartner jedoch nicht informiert. Damals drohte ihr die Abschiebung – das Urteil wurde jedoch nicht rechtskräftig, da sie Berufung einlegte.

Das Obergericht Zürich vermeldet auf seiner Internetseite zu der Verhandlung (Geschäftszeichen SB110627-O):

„Die Beschuldigte habe den Geschädigten 1 nicht über ihre HIV-Infektion aufgeklärt, obwohl sie mit ihm regelmässig ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt habe. Den Geschädigten 2 habe sie durch ungeschützten Geschlechtsverkehr mit HIV angesteckt, obwohl sie um ihre Infektion gewusst habe.
Berufung der Beschuldigten gegen ein Urteil des Bezirksgerichtes Zürich, 10. Abteilung, vom 7. Juli 2011 (DG110018)“

Die Frau hatte im Oktober 2005 bei einem Krankenhaus-Aufenthalt von ihrer HIV-Infektion erfahren. Es tue ihr leid, dass die Männer mit HIV infiziert seien, betonte sie im Prozess erneut. Allerdings habe sie ihre Sexpartner aufgefordert, Kondome zu benutzen, dies hätten diese jedoch unterlassen.

Ob die Frau antiretrovirale Medikamente einnimmt, und ob diese Therapie erfolgreich (Viruslast unter der Nachweisgrenze) ist, wird in den bisherigen Medienberichten nicht erwähnt.

In der aktuellen Verhandlung vor dem Obergericht wurde nur der ‚zweite‘ Fall des Mannes aus Dominica verhandelt.

Erst jüngst hatte die Deutsche Aids-Hilfe gefordert, die Strafbarkeit der HIV-Übertragung zu beenden und eine Resolution mit dem Titel “Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!”verabschiedet. Internationale Experten hatten Anfang März 20121 die Deklaration von Oslo verfasst, die inzwischen von annähernd 1.300 Personen und Organisationen (darunter auch die Deutsche Aids-Hilfe) unterzeichnet wurde.

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Aktualisierung
23.03.2012: Laut Artikel des ‚Tagesanzeiger‘ haben sich beide Männer schon vor Oktober 2005 mit HIV infiziert – demnach bevor die Frau selbst von ihrer HIV-Infektion erfuhr.
24.03.2012: Die NZZ bemerkt „Der Infizierte hatte mehrere Male geltend gemacht, er wünsche nicht, dass seine Partnerin bestraft werde. Vermutlich ist ihm bewusst, was auch in Rechtsschriften zum Thema HIV und Strafrecht nachzulesen ist: «It takes two to tango.»“
20 minuten online bemerkt „Für eine günstige Prognose sprach vor allem die Tatsache, dass die Frau ihr Sexualverhalten seit der Strafuntersuchung radikal geändert hat.“
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weitere Informationen:
Tagesanzeiger 23.03.2012: Zwei Jahre Haft wegen Ansteckung mit Aids
Berner Zeitung 23.03.2012: Zwei Jahre Haft wegen Ansteckung mit Aids
NZZ 24.03.2012: HIV-Übertragung bestraft: Infizierte Frau beharrt nicht auf Kondomgebrauch – bedingte Freiheitsstrafe
termabox 24.03.2012: Wenn das ungewollte „Kind“ plötzlich HIV heißt
29 minuten online 24.03.2012: Frau steckt Liebhaber mit HIV an
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Kondome – ein verblassender Mythos?

„Kondome sind nicht die niedlich geredeten „flutschigen Dinger“ aus den frühen Anzeigen der Deutschen Aids Hilfe. Sie sind nicht „in“, schick, schrill oder der letzte Schrei. Soviel Spaß kann das gegenseitige Überstreifen nicht machen, wir wären sonst früher darauf gekommen“ wettert der leider an den Folgen von Aids früh gestorbene Detlev Meyer 1988 in einem Leporello für die Deutsche Aids Hilfe, um dann allerdings zu konstatieren, dass es aber zu ihnen keine Alternative gibt.

Auch wenn das Kondom lange als Goldstandard der Prävention galt, sind, wie Martin Dannecker immer wieder feststellt, die Vorbehalte gegen das Kondom geblieben, sei es aus der Sicht der Positiven die Erinnerung an die eigene Infektion, sei es allgemein in der Behinderung sich im Akt unkontrolliert treiben zu lassen, den Impulsen des Augenblicks zu folgen, sich zu verschmelzen, zu verströmen, den anderen aufzunehmen.

Daneben gab es immer die ideologischen Vorbehalte etwa der katholischen Kirche. Der Münchener Aids Hilfe wurde untersagt, Kondome in Kneipen zu verteilen, weil dies gegen das Ladenschlussgesetz verstoßen sollte, Saunen für schwule Männer wurde wegen der Bereitstellung von Kondomen die Schließung angedroht. Die Zerschlagung der schwulen Szene wurde gefordert.

Als nächstes erlebten wir einen Diskurs, schwule Kneipen und Saunen zu belangen, wenn sie keine Kondome zur Verfügung stellen. Gebots- und Verbotsphantasien sind für das schwule Leben und für den Bereich der gewerblichen Sexarbeit ständiger Begleiter seit den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts.

Der Bundes Zentrale für gesundheitliche Aufklärung und der Deutschen Aids Hilfe verdanken wir, dass Kondome heute nicht mehr nur im Zwielicht der Herrentoiletten aus dem Automaten zu beziehen sind sondern als ganz alltägliche Gebrauchsartikel angesehen werden, die neben der Schwangerschaftsverhütung vor allem ihre Bedeutung in der Verhütung sexuell übertragbarer Krankheiten haben.

Dabei ist für das schwule Leben das Kondom erst einmal auf die Vermeidung der HIV-Übertragung fokussiert worden und so getan worden, als könne man jede Infektion vermeiden, als sei das mit dem Safer Sex doch ganz einfach. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt postulierte dann auch, dass man von 50 Jährigen doch wohl erwarten könne, dass sie wissen, wie es geht. Merkwürdigerweise richteten sich diese Erwartungen der Politik nur an die schwulen. Männer.

Es gibt ja ein Paradox. Auf dem Hintergrund der unterschiedlichen Prävalenz infizieren sich mehr schwule als heterosexuelle Männer mit HIV, obwohl sie sich im Schnitt wesentlich besser schützen als die heterosexuellen. Von Kondomquoten von etwa 70 % bei insertivem Sex im Rahmen flüchtiger Begegnungen kann man für das heterosexuelle Leben doch nur träumen. Würden schwule Männer das heterosexuelle Verhalten übernehmen, hätten wir deutlich höhere Infektionsraten. Dennoch wurde bei jeder Veröffentlichung des RKI darüber spekuliert, was denn schon wieder mit den schwulen Männern los ist. So entdeckte man – darauf bezog sich der Kommentar der Ministerin – die besonders riskierten Älteren. Bei genauerem Hinsehen stellte sich heraus, dass lediglich geburtenstarke Jahrgänge aufgerückt waren.

Martin Dannecker erkennt hinter der Frage, wie man sich heute noch infizieren kann, einen gewissen Pathologieverdacht, eine Schuldzuweisung, das Konstatieren eines Scheiterns. Dabei wird übersehen, dass es sich bei kondomfreier Sexualität im Grunde um ein völlig natürliches Verhalten handelt, das den Heterosexuellen ganz selbstverständlich zugestanden wird. Trotzdem wird das Kondom von schwulen Männern, wie Michael Bochows Studien belegen, in breitem Maße angewendet. Es ist für Dannecker eines der beeindruckendsten Ergebnisse der Präventionspolitik und der Individuen, wie sehr Verhalten geändert wurde.

Als schwuler Mann ist man im Austarieren von Nähe und Distanz gut beraten, sich die Auswirkungen der unterschiedlichen Prävalenzen klar zu machen, was bei flüchtigen Kontakten zur Sinnhaftigkeit des Kondomgebrauches führen kann. Aber man muss doch auch verstehen können, dass Individuen sich situativ oder habituell anders entscheiden, andere Bedürfnisse nach Nähe, Verschmelzung und Verströmen haben.

In diese seelische Gemengelage, die mit dem Kondom jedenfalls nicht wirklich für alle befriedigend aufzulösen war, geriet nun die Erkenntnis, dass der gut therapierte HIV infizierte Mann das ideale Gegenüber für völlig ungeschützten Sex ist. Sie wurde aber durch Bilder überdeckt, die immer noch die Gefahren an einer epidemiologisch völlig unbedeutenden Ecke theoretischer Restrisiken auch beim gut Therapierten betonte und damit auch verortete. Und dann gibt es unterschiedliche Wissensstände, Vertrautheiten, Bilder von HIV, Aids und seiner Übertragung. Das macht die Sehnsucht nach einfachen Lösungen erklärlich. Das Leben hält nur keine einfachen Lösungen bereit und ungefährlich, seelisch oder körperlich, war Sexualität noch nie.

Getrieben war der Diskurs nicht etwa von dem Bemühen, den Menschen mehr Handlungsoptionen zu geben sondern von der Angst, jetzt nehme niemand mehr ein Kondom. Alle sexuell übertragbaren Krankheiten würden nun fröhliche Urstände feiern. Und weiss nicht jede Schwerpunktpraxis von den wiederholten Syphilis und Hepatitis C Infektionen ihrer positiven Patienten zu berichten? Und war nicht vor Jahren eine Barebackdebatte im Gang, die mal wieder zu übelsten Verbotsphantasien führte? Dabei geht es im Kern darum, dass im wesentlichen Positive in relativ geschlossenen Zirkeln untereinander wegen HIV keinen Schutz mehr brauchen und den Rest als tolerierbar für ihr Leben ansehen, jedenfalls als den geringeren Preis gegenüber dem Triebverzicht. Anders ist die statistische Verteilung, die die Syphilis und Hepatitis C -Infektionen im wesentlichen bei den positiven Männern zeigt, nicht zu erklären.

Vielen Menschen gelingt es, eine Kompromisslösung zwischen dem Gesundheitsdiktat, mit dem sie ständig auf Risiken hingewiesen werden und dem, was sie individuell wollen, zu finden. Das Aushandeln der Rahmenbedingungen der Sexualität im Rahmen der negotiated Safety ist eine Antwort der Seelen. Da hat sich erfreulicherweise etwas Bahn gebrochen, worauf die Seele nicht ohne Schaden verzichten konnte. Die strikten Ge- und Verbote vorher haben den Menschen individuell nicht gut getan.

Nach der CROI 2012 in Seattle erwartet uns ein neuer Diskurs. Pietro Vernazza stellt auf Infekt.ch eine Studie vor, die belegt, dass die PrEP mit 4 x wöchentlich Truvada sicher ist. Wir lassen jetzt mal die ethischen Fragen beiseite, ob es vertretbar ist, HIV Medikamente zur Prävention einzusetzen, solange weltweit – und übrigens auch in Deutschland für Nicht Krankenversicherte – der Zugang zu medizinisch notwendigen Therapien nicht gesichert ist. Wir lassen beiseite das alte Phänomen, dass Gesundheitsschutz auch eine Frage des Geldes ist. Mit etwa 400 € im Monat ist die pharmazeutische Prophylaxe nicht gerade billig. Aber vielleicht wird sich erweisen, dass die Pille davor und danach, oder vielleicht nur davor, oder vielleicht mit billigeren Substanzen auch reicht.

Interessant daran ist zweierlei. Es verweist darauf, dass Schutz vor HIV eine ganz egoistische Triebfeder hat. Die Verantwortungsdebatte der letzten Jahre, die die Gefahr beim wissenden Positiven verortete, ging an dem Problem vorbei, dass die weitaus überwiegende Mehrzahl der HIV Infektionen zwischen Menschen stattfindet, die mehr oder weniger guten Gewissens davon ausgehen, nicht positiv zu sein. Ebenso wie die schädlichen Strafverfahren verstärkte die falsche Zuschreibung der Verantwortung an die Positiven die Möglichkeit, HIV als etwas zu betrachten, dass nicht mit dem eigenen Lebensstil verbunden ist sondern als etwas Außenstehendes.

Zum zweiten ist schon bemerkenswert, dass dieselben Forscher, die sich vehement auf die Restrisiken bei der Erklärung der EKAF zur Nichtinfektiosität unter Therapie gestürzt haben und sie nicht laut genug und wider besseres Wissen verkünden konnten, jetzt erhebliche Energien in die Erforschung der doch eher elitären PREP investieren.

Wenn jetzt endlich in diesem Zusammenhang breit öffentlich kommuniziert wird, dass die Therapien hoch wirksam sind, nicht nur in der Verhinderung der Progression der Krankheit sondern auch im Liebesleben, soll es mir recht sein. Denn nur eine wahrhaftige und realistische Schilderung dessen was HIV und Aids heute in unseren Breiten sind, bereitet den Boden für einen unaufgeregten Umgang.

Und der beinhaltet für Paarungen im Rahmen eines vertrauensvollen Umgangs möglicherweise die ART als Schutz vor der Übertragung von HIV, für den Selbstschutz für einige wenige die PrEP, für viele das Praktizieren nicht HIV-relevanter Praktiken und für die vielen flüchtigen Begegnungen das Kondom oder das Femindom. Mancher entscheidet sich habituell oder situativ dafür mit dem Risiko einer Infektion zu leben. Das darf er auch, so wie andere das Risiko von Sportverletzungen eingehen oder sich überhaupt den Gefahren des Alltags aussetzen.

Es kann einem aber auch in der Berliner Scheune passieren, dass ein Mann erklärt: „Hier muss man es ja extra sagen. Ich bin negativ und möchte es auch bleiben“. Da ist es doch sehr komfortabel antworten zu können. „Das ist doch kein Problem. Es gibt Gummis und Handschuhe. Ich bin positiv, seit langem unter der Nachweisgrenze. Da wäre es noch nicht mal tragisch, wenn irgendetwas mit einem Pariser schief geht.“ Die Verkaufszahlen für Kondome steigen übrigens immer noch an. Es ist halt ein bewährtes Hilfsmittel gegen sexuell übertragbare Infektionen und gegen die Ängste.

Ich jedenfalls bin der Forschung, der Pharmaindustrie und den Ärzten dankbar, dass die Bandbreite der Verhaltensmöglichkeiten erweitert wurde und dies inzwischen auch endlich offen kommuniziert wird.

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(Bernd Aretz)

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Auch 2015 kann ‚Safer Sex ohne Kondom‚ noch Aufregungen verursachen …

Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!

Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!

Positionspapier der Deutschen Aids-Hilfe

Berlin, im März 2012

Zusammenfassung – Die Strafbarkeit der HIV-Übertragung begünstigt die Verbreitung von HIV

Nach wie vor werden in Deutschland Menschen mit HIV verurteilt, nachdem es beim Sex zu einer Übertragung des Virus gekommen ist. Sogar wenn nur die Möglichkeit dazu bestanden hat, ohne dass es tatsächlich zu einer Übertragung gekommen ist („HIV-Exposition“), kann das zu einer Verurteilung führen.
Die Deutsche AIDS-Hilfe lehnt die strafrechtliche Sanktionierung der HIVÜbertragung beziehungsweise -Exposition bei selbstbestimmten sexuellen Handlungen ab. Diese bürdet Menschen mit HIV die alleinige Verantwortung auf und schadet zugleich der HIV-Prävention. HIV-Übertragungen werden so nicht verhindert, sondern begünstigt.

Die Kriminalisierung der HIV-Übertragung und -Exposition erfolgt über den Straftatbestand der Körperverletzung. Nach vorherrschender Rechtsprechung müssen HIV-Positive auf dem Gebrauch von Kondomen bestehen oder ihre Partnerinnen beziehungsweise Partner über die Infektion informieren. (Ausführliche Informationen: www.aidshilfe.de)

Diese Auslegung des geltenden Rechts ist keineswegs zwangsläufig, sondern gründet oft auf der Annahme, auf diese Weise zur Verhinderung von HIV-Infektionen beizutragen. Die Deutsche AIDS-Hilfe fordert die Justiz auf, ihre Anwendung der genannten Gesetze zu überdenken und fortan auf die daraus resultierende Kriminalisierung von Menschen mit HIV zu verzichten.

Solange die HIV-Übertragung und -Exposition noch kriminalisiert werden, müssen Gerichte zumindest berücksichtigen, dass eine gut funktionierende HIV-Therapie mindestens genauso wirksam vor der Übertragung des Virus schützt wie Kondome.

Keine einseitige Zuweisung von Verantwortung – Für den Schutz vor einer HIV-Übertragung sind alle Beteiligten verantwortlich.

Nicht die HIV-Infektion an sich führt zur Übertragung, sondern sexuelle Handlungen, die zwei Menschen gemeinsam vollziehen. Dabei sind beide voll für ihr Handeln und damit für den Schutz vor einer HIV-Übertragung verantwortlich.
Die Täter-Opfer-Logik des Strafrechts passt nicht zu sexuellen Begegnungen. Sie deutet eine Situation zu einer einseitigen Handlung von HIV-Positiven um, die Verantwortung der Partner wird ignoriert.

Kriminalisierung schadet der Prävention – Die Strafbarkeit vermittelt ein falsches Sicherheitsgefühl.

Wer die Verantwortung vor allem HIV-Positiven zuweist, unterhöhlt den Grundansatz der erfolgreichen Prävention in Deutschland: Jeder Mensch kann sich selbst schützen, sofern er über die nötigen Informationen und Mittel verfügt und ihn äußere Umstände nicht daran hindern.

Indem die Verantwortung beim HIV-Positiven verortet wird, kann die Illusion entstehen, der Staat habe HIV unter Kontrolle. Menschen könnten sich darauf verlassen, dass allein HIV-Positive für Schutz verantwortlich seien. Das ist schon allein deswegen fatal, weil bei vielen HIV-Übertragungen Menschen beteiligt sind, die gar nichts von ihrer Infektion wissen.

Da nur verurteilt werden kann, wer von seinem HIV-Status weiß, kann die Kriminalisierung Menschen vom HIV-Test abhalten. Das ist kontraproduktiv: HIV-Übertragungen werden unter anderem dann wirkungsvoll verhindert, wenn möglichst viele Menschen von ihrer Infektion wissen und sich rechtzeitig behandeln lassen. Mit einer gut wirksamen Therapie schützen sie auch ihre Partner vor einer HIV-Übertragung (siehe unten: „Die Bedeutung der Viruslast
einbeziehen“).

Manchmal wird argumentiert, die Strafandrohung motiviere HIV-Positive, ihre Partner zu schützen. Dafür gibt es keine Belege. Untersuchungen zeigen, dass Strafandrohungen das sexuelle Verhalten kaum beeinflussen.

Die Strafandrohung ist in keinem Fall hilfreich. Ganz im Gegenteil: Sie steigert die Angst, über HIV und Schutz zu reden und sich damit möglicherweise als HIV-positiv zu offenbaren. Je größer der Druck auf Menschen mit HIV, desto größer die Angst vor Ablehnung.

Sicherheit und Wahrhaftigkeit sind nicht einklagbar – Hilfreich ist ein Klima, in dem man offen über HIV und Sexualität sprechen kann.

Wenn es um Sexualität geht, ist es oft nicht leicht, offen zu reden. Ängste und Hemmungen spielen ebenso eine Rolle wie Sehnsüchte und Projektionen. Die eigene HIV-Infektion zu thematisieren ist besonders schwierig, da oft Angst vor Ablehnung und Schuldgefühle damit verbunden sind.

Bei sexuellen Begegnungen kann es aus diesen Gründen kein Recht auf Wahrheit geben. Einklagbare Wahrheit – dieses Denken suggeriert, das Strafrecht könne Sicherheit herbeiführen. Hundertprozentige Sicherheit gibt es im Bereich der Sexualität aber nicht, auch nicht in auf Dauer angelegten Partnerschaften. Dies gilt es in alle Überlegungen zur Prävention einzubeziehen und nicht durch unrealistische Vorstellungen zu negieren.

Die Deutsche AIDS-Hilfe fordert darum ein Ende der rechtlichen Sanktionierung auch für Fälle, in denen HIV-Positive ihre Infektion verschwiegen oder fälschlicherweise erklärt haben, HIVnegativ zu sein. Weil in aller Regel nicht böse Absicht, sondern Angst zugrunde liegt, sind strafrechtliche Drohungen auch hier schädlich. Hilfreich ist ein Klima, das es ermöglicht, offen über HIV und Sexualität zu sprechen.

Die Deutsche AIDS-Hilfe plädiert zugleich für eine deutliche Unterscheidung zwischen moralischen und juristischen Fragen. Psychische Verletzungen und gesundheitliche Schäden, die durch das Verschweigen einer HIV-Infektion und eine eventuelle Übertragung des Virus entstehen, dürfen nicht bagatellisiert werden. Diese erfordern aber andere Formen der Bearbeitung als juristische Sanktionen.

Die Bedeutung der Viruslast einbeziehen – Auch HIV-Therapien sind ein geeigneter Schutz vor der Übertragung.

Immer noch erkennen zu wenige Gerichte an, dass auch HIV-Therapien ein wirksamer Schutz vor der Übertragung sein können, weil sie die Vermehrung von HIV im Körper reduzieren. Bei einer gut funktionierenden Therapie ist die Übertragung nahezu unmöglich, die Schutzwirkung mindestens so hoch wie die von Kondomen.

Die Deutsche AIDS-Hilfe plädiert für die Abschaffung der Kriminalisierung von Menschen mit HIV. So lange die HIV-Exposition aber noch kriminalisiert wird, müssen Gerichte zumindest die Frage der Viruslast berücksichtigen. Lassen sich im Blut eines HIV-positiven Menschen dauerhaft keine HI-Viren mehr nachweisen, hat er damit faktisch für den Schutz des Partners gesorgt.

Fazit

Das Strafrecht wird zurzeit missbraucht, um moralische Vorstellungen durchzusetzen. In der Gesellschaft herrscht die Auffassung vor, HIV-Positive seien in besonderem Maße für den Schutz der HIV-Negativen verantwortlich. Zugrunde liegt offenbar das Bedürfnis, die Verantwortung von sich zu weisen und sie an andere Menschen zu übertragen. Oft steckt die Illusion dahinter: Wenn HIV-Positive für den Schutz sorgen müssen, können die HIV-Negativen
unbesorgt weiter ungeschützten Sex praktizieren.

Was wir brauchen, ist ein offenes Klima, in dem Sexualität, Rausch und HIV keine Tabus sind.
Wer sich gegen Diskriminierung einsetzt, unterstützt damit auch die HIV-Prävention. Gefragt sind hier Justiz, Politik, Medien und die gesamte Gesellschaft.

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english version: No Criminalization of People with HIV!

No Criminalization of People with HIV!

No Criminalization of People with HIV!

Position Paper Deutsche Aids-Hilfe

Berlin, March 2012

Summary – The criminalization of HIV transmission and HIV exposurepromotes the spread of HIV

In Germany people with HIV are still convicted after sexual transmissions of the virus. Even the mere possibility of transmission can result in a conviction, without any actual transmission having occurred („HIV exposure“).

Deutsche AIDS-Hilfe disapproves of any criminalization of HIV transmission or HIV exposure in cases of self-determined sexual activities. Such a penalization not only imposes the responsibility on people with HIV alone but also endangers HIV prevention. Thus HIV transmission is not being prevented but promoted.

HIV transmission and HIV exposure is considered as a form of personal injury and thus a criminal offense. According to prevailing jurisdiction the HIV-positive partners have to insist on the use of condoms or to inform their partners of their being infected. (for detailed information see: www.aidshilfe.de)

That interpretation by prevailing law is by no means imperative, often it is just based on the assumption that HIV infections could thus be prevented. Deutsche AIDS-Hilfe urges judiciary to reconsider the application of said laws and henceforth abstain from the resulting criminalization of people with HIV.

As long as HIV transmission and HIV exposure are still criminalized, the courts should at least take into account that an effective HIV therapy protects against HIV transmission as effectively as condoms do.

No One-sided Allocation of Responsibility – Both partners
are fully responsible for the protection against HIV transmission.

It is not the HIV infection itself which results in transmission but sexual activities being mutually performed by two people, both being fully responsible for their actions and therefore for protecting themselves against HIV
transmission.

The logic of offender vs. victim in criminal law does not apply for sexual encounters. It redetermines a mutual situation into an ex parte activity of HIV-positive people only, thus disregarding the responsibility of their partners.

Criminalization Endangers Prevention – Criminalization
leads to a false sense of security.

By allocating the responsibility to HIV positive people only the basic approach of the successful prevention in Germany is being undermined. Everybody can protect themselves, provided that they have the necessary information and means, and there are no inhibiting external circumstances.

Allocating all responsibility to HIV-positive people may provoke the illusion, the government could control HIV. People may rely on HIV-positive people being solely responsible for protection. This can be fatal just because many transmissions occur with people not even knowing about their infection.

Since only a person can be convicted who knows about his/her HIV status, criminalization may keep people from taking an HIV-test. This is counterproductive: HIV transmission can effectively be prevented, if as much people as possible know about being infected, and are treated in time.
A good, effective treatment also protects their partners against HIV transmission (see below: „Considering the Impact of Viral Load“).

Sometimes the argument is brought forward that the threat of punishment would motivate HIVpositive people to protect their partners. There is no evidence for that. Research suggests that the threat of punishment does hardly ever affect sexual behaviour.

The threat of punishment is never of any avail. On the contrary. It increases the fear of speaking about HIV and protection, and thus maybe revealing oneself as being HIV-positive. The harder the pressure on people with HIV the higher the fear of being rejected.

Safety and Truthfulness Are Not Actionable – A helpful environment is one that enables people to frankly talk about HIV and sexuality.

In sexual matters it is not always easy to speak frankly. There are fears and inhibitions as well as desires and projections. It is even more difficult to broach the issue of one’s own HIV infection, since it is often connected with the fear of being rejected and with feelings of guilt.

These are the reasons why there isn’t any right of truthfulness in sexual encounters. Actionable truthfulness – this kind of thinking suggests, safety could be procured by penal law. But there is no 100% safety in the realm of sexuality, not even in long-term relationships. This is to be kept in mind in all considerations on prevention and must not be ignored because of unrealistic concepts.

Deutsche AIDS-Hilfe therefore demands an end of all legal penalization even in cases, when HIV-positive people conceal their infection or untruly claim to be HIV-negative. Since generally they do not act with ill intent but because they are afraid, the threat of punishment is harmful also in those cases. A helpful environment is one that enables people to frankly talk about HIV and sexuality.

At the same time Deutsche AIDS-Hilfe argues for a clear distinction between moral and legal questions. Psychological harm and physical damage caused by concealment of an HIV infection and eventual transmission of the virus must not be trivialized, but should, however, be treated otherwise than by penalization.

Considering the Impact of Viral Load – An effective HIV therapy provides effective protection against HIV transmission

Still too few courts of justice recognize that an HIV therapy can be an effective protection against transmission, since it inhibits the reproduction of HIV in the body. An effective therapy makes the transmission nearly impossible; its protective effect is at least as good as that of condoms.

Deutsche AIDS-Hilfe argues for an end of criminalization of people with HIV. As long as HIV exposure is still criminalized, the courts should at least take into account the question of viral load. If it is permanently impossible to detect any HI-virus in the blood of an HIV-positive person, this person has virtually cared for the protection of his/her partner.

Conclusion

Presently the penal law is being misused in order to enforce moral concepts. In our society the notion is prevailing, that HIV-positive people are especially responsible for the protection of HIVnegative people. This notion is apparently caused by a need to disclaim responsibility and transfer it onto other people. The illusion being: If HIV-positive people have to care for protection, HIV-negative people are free to continue having unprotected sex.

An open climate, where sexuality, ecstasy and HIV are not taboos, is what we need. Fighting against discrimination means promoting HIV prevention. It’s a challenge for either justice, politics, the media and our society as a whole.

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german version: Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!

Deutsche AIDS-Hilfe: Strafbarkeit der HIV-Übertragung beenden!

Unter dem Titel „Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!“ hat die Deutsche AIDS-Hilfe heute ein Positionspapier veröffentlicht. Darin fordert der Dachverband der Aidshilfen in Deutschland die Abschaffung der Strafbarkeit selbstbestimmter sexueller Handlungen, bei denen HIV übertragen worden ist oder hätte übertragen werden können („HIV-Exposition“).

Solange die HIV-Übertragung und -Exposition noch kriminalisiert werden, müssen Gerichte zumindest berücksichtigen, dass eine gut funktionierende HIV-Therapie genauso wirksam vor der Übertragung des Virus schützt wie Kondome.

„Die strafrechtliche Sanktionierung der sexuellen HIV-Übertragung bürdet Menschen mit HIV einseitig die Verantwortung auf und schadet der HIV-Prävention“, sagt DAH-Vorstandsmitglied Carsten Schatz. „Es ist Zeit, diese diskriminierende und kontraproduktive Rechtspraxis endlich zu beenden. Für den Schutz vor HIV sind immer alle Beteiligten verantwortlich, nicht nur HIV-Positive.“

DAH-Geschäftsführerin Silke Klumb erklärte am Freitagmorgen bei der Pressekonferenz zur Eröffnung der Münchner AIDS- und Hepatitis-Tage:

„Wer das Strafrecht als Mittel der HIV-Prävention begreift, geht von falschen Annahmen aus. Die Strafbarkeit verhindert keine Infektionen, sondern begünstigt die Verbreitung von HIV. Sie suggeriert Menschen, dass allein die HIV-Positiven für den Schutz zuständig sind. Die erfolgreiche Prävention in Deutschland beruht aber auf dem Grundprinzip, dass jeder Mensch sich selbst schützen kann, wenn man ihm die Möglichkeit dazu eröffnet.“

Die Kriminalisierung der HIV-Übertragung schadet der Prävention auch deswegen, weil sie zur Stigmatisierung von Menschen mit HIV beiträgt. Das kann zur Folge haben, dass HIV-Positive sich nicht trauen, ihre Infektion sowie Schutz vor einer Übertragung zu thematisieren. Da nur bestraft wird, wer von seiner Infektion weiß, kann die Kriminalisierung außerdem Menschen vom HIV-Test abhalten. Das ist fatal, denn HIV-Infektionen werden unter anderem dann effektiv verhindert, wenn möglichst viele Menschen von ihrer Infektion wissen und sich behandeln lassen.

Die Deutsche AIDS-Hilfe hofft auf eine breite gesellschaftliche Debatte zu diesem Thema. Justiz, Politik und Medien sind aufgerufen klarzustellen: Die Verantwortung für den Schutz vor HIV lässt sich nicht delegieren. Gefragt ist stattdessen ein offenes gesellschaftliches Klima, in dem Sexualität, Rausch und HIV keine Tabus sind. Wer sich gegen die Diskriminierung von Menschen mit HIV einsetzt, nützt auch der Prävention.

Bereits Ende Februar hat die Deutsche AIDS-Hilfe die „Osloer Erklärung“ unterzeichnet, in der Organisationen und Menschen aus zahlreichen Ländern ein Ende der Strafbarkeit fordern (http://www.aidshilfe.de/de/aktuelles/meldungen/unterstuetzung-statt-strafrecht).

In der Schweiz wird ein entsprechendes Gesetz voraussichtlich bald modifiziert (http://www.aidshilfe.de/de/aktuelles/meldungen/schweiz-hiv-uebertragung-soll-nicht-mehr-nach-epidemiengesetz-bestraft-werden)

(Pressemitteilung der Deutschen Aids-Hilfe)

„Gauweiler“ bringt’s nicht. Ob in der light-Version oder Hardcore. oder: Kriminalisierung der HIV-Übertragung stoppt die Verbreitung des Virus nicht, sondern befördert sie.

Ein 17-jähriger Österreicher ist Anfang März am Landesgericht Feldkirch zu drei Monaten bedingter Haft verurteilt worden. „Auch wenn ein Kondom verwendet worden wäre, würde dies nichts an der Strafbarkeit ändern“, erklärte der Richter.
Dazu ein Gast-Kommentar von Carsten Schatz:

„Gauweiler“ bringt’s nicht. Ob in der light-Version oder Hardcore.

oder

Kriminalisierung der HIV-Übertragung stoppt die Verbreitung des Virus nicht, sondern befördert sie.

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass wieder einmal ein Richter einen HIV-Positiven verurteilt hat, weil der, nach den Maßstäben des Richters, nicht ausreichend dafür gesorgt hat, seine Infektion nicht weiter zu verbreiten.

Da sind sie wieder: die unverantwortlichen Viren-Schleudern.

Genau von diesem Bild ging seinerzeit der Herr Gauweiler aus, als er den berüchtigten Bayerischen Maßnahmenkatalog vorschlug, um die HIV-Epidemie in Deutschland zu bekämpfen. Massentestungen und Absonderungen waren sein Vorschlag. Ein massiver Eingriff in die freiheitliche Verfasstheit dieser Gesellschaft, der von vielen zurückgewiesen wurde und letztlich auch besiegt werden konnte. Durchgesetzt hat sich eine Präventionspolitik, die von der Entscheidungsfähigkeit und Verantwortung von Menschen ausgeht.

Außer im Bereich der Justiz. Zeitgleich zur damals tobenden Debatte wurde auch in Deutschland ein Prozess bis zum Bundesgerichtshof durchgereicht, der schließlich höchstrichterlich eine Konstruktion auf den Weg brachte, nach der auch heute immer noch Menschen mit HIV verurteilt werden.

Der Fall um den es hier geht, ereignete sich nicht in Deutschland, sondern in unserem Nachbarland Österreich. Doch es geht uns was an.

Weil mit jeder Verurteilung ein Bild von Menschen mit HIV reproduziert wird, das uns nicht weiterhilft, im Gegenteil eher dazu führt, dass die Zahl der HIV-Infektionen nicht zurück geht, sondern zunimmt.

Warum?

Wir wissen heute, dass der Großteil neuer Infektionen in Situationen entsteht, in denen eine oder einer der Beteiligten nicht wissen, dass sie HV-positiv sind. Das schützt sie in der deutschen, aber auch in vielen Rechtsordnungen vor der Strafverfolgung. Verfolgt werden kann nur eine oder einer, der von seinem Sero-Status weiß. Nun frage ich: Wie groß ist die Motivation, sich ein Testergebnis abzuholen, das ich vermutlich schon erahnen kann, das mir jedoch eher Nachteile und im schlimmsten Fall ins Gefängnis bringt? Meine These: Nicht so groß.

Wenn wir aber andererseits heute wissen, dass es unter medizinischen Aspekten von Vorteil ist, eine frühe Diagnose zu stellen, um früh behandeln zu können und so auch die Viruslast in den Körperflüssigkeiten zu senken, um damit auch die Übertragbarkeit von HIV deutlich zu erschweren oder gar zu verhindern, dann schließt das eine das andere aus. Denn die Botschaft jeder Verurteilung ist klar: Wissen macht strafbar. Egal, was Du tust.

Nach allem, was ich über die Strafverfolgung von HIV-Übertragungen gelesen und mitbekommen habe, geht es um nichts anderes, als um den staatliche Eingriff in die Privatsphäre von Menschen, ein merkwürdig voyeuristisches Verlangen der Normierung und letztlich auch öffentlichen Anklage von sexuellen Verhaltensweisen, die nach wie vor als nicht der Norm entsprechend beurteilt werden.

Und da habe ich insgesamt noch nicht über gemeinsame Verantwortung und den berühmten Satz: „HIV bekommt man nicht, das holt man sich!“ gesprochen.

Mein Plädoyer bleibt klar: Solange die gesellschaftlichen Tabus hinter einer HIV-Infektion, Sexualität und Rausch nicht ohne Drama und Hysterie debattiert werden können, bleibt die Gefahr einer HIV-Infektion bestehen. Sie gehört auf individueller Ebene zum allgemeinen Lebensrisiko. Wir können dieses Risiko minimieren, aber nicht gänzlich ausschließen – solange HIV nicht heilbar ist, also aus dem Körper entfernt werden kann.

Was Gesellschaft – also wir alle – kann, ist Bedingungen zu schaffen unter denen Menschen verantwortlich Entscheidungen für sich treffen können, mit anderen und auch für andere. Dafür brauchen sie Wissen, Fakten und eine Umgebung, die dies befördert und ihnen nicht vorgaukelt: Mach mal, Vater Staat schützt Dich schon.

Das ist eine trügerische Sicherheit, die zu ihrer Aufrechterhaltung immer neue Exempel braucht.

Aus diesem Teufelskreis müssen wir ausbrechen und die Kriminalisierung der HIV-Transmission endlich beenden.

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Carsten Schatz ist Vorstandsmitglied der Deutschen Aids-Hilfe e.V.

Österreich: Richter erklärt Sex mit Kondom zum kriminellen Akt

Unglaublich: Richter erklärt Sex mit Kondom zum kriminellen Akt

Ein 17-jähriger Vorarlberger ist am Montagnachmittag am Landesgericht Feldkirch zu drei Monaten bedingter Haft verurteilt worden … Zwischen dem 17-jährigen Vorarlberger und dem 16-jährigen Mädchen kam es im Herbst vergangenen Jahres zum ungeschützten Oralverkehr … „Auch wenn ein Kondom verwendet worden wäre, würde dies nichts an der Strafbarkeit ändern“, erklärte der Richter. Ein Ansteckungsrisiko bestehe nämlich auch bei Verwendung von Präservativen, so Kraft abschließend.

http://vorarlberg.orf.at/news/stories/2523707/

Die vom Gesundheitsministerium und den staatlich finanzierten Aids-Hilfen propagierten Safer Sex Regeln beinhalten

  1.  die Verwendung eines Kondoms bei Vaginal- und Oralverkehr und
  2. das Vermeiden einer Ejakulation in den Mund bei Oralverkehr
    (vgl. bspw. http://v006282.vhost-vweb-02.sil.at/alles-uber-hivaids/wie-kann-ich-mich-schutzen/).

Der Oberste Gerichtshof hat dementsprechend bereits 1997 klargestellt, dass Sex (mit Hiv-Positiven) bei Verwendung von Kondomen nicht strafbar ist (25.11.1997, 11 Os 171/97).

Bei Oralverkehr verlangen die Safer Sex Regeln nicht einmal ein Kondom sondern bloß die Vermeidung einer Ejakulation in den Mund. Davon dass eine solche in dem o.a. Fall stattgefunden habe oder das von der Staatsanwaltschaft auch nur behauptet wurde, findet sich in dem Medienbericht nichts. Auch in Kärnten wurde 1999 ein Hiv-positiver Mann für Oralsex ohne Kondom verurteilt (LG Klagenfurt 19.07.1999, 13 EVr 70/99 – Kärntner Oralsex-Fall). Erst nach jahrelangem Kampf gab das Oberlandesgericht seinem Wiederaufnahmeantrag statt und hob das diesbezügliche Urteil auf (27.03.2003, 11 Bs 105/03) (http://www.rklambda.at/news_safersex.htm).

In dem nunmehrigen Fall scheint auch nicht thematisiert worden zu sein, ob der Jugendliche überhaupt infektiös war. Die heutigen Hiv-Therapien bewirken nämlich in den meisten Fällen, dass die Betroffenen nicht mehr infektiös sind (vgl. http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/J/J_05015/fname_183319.pdf; http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_04941/fname_188059.pdf).

UNAIDS und die EU-Grundrechteagentur fordern seit Jahren vehement die Beendigung derartiger Strafverfolgung und Verurteilungen. Kriminalpolizei und Strafrichter sollen – gerade im Interesse einer wirksamen Aids- Prävention und der Volksgesundheit – nur bei absichtlicher Ansteckung einschreiten (http://data.unaids.org/pub/basedocument/2008/20080731_jc1513_policy_criminalization_en.pdf; http://194.30.12.221/fraWebsite/attachmentsAIDS_2010_FRA_factsheet.pdf).

Seit 13. Februar 2012 wirbt im Internet die – anläßlich der von der norwegischen Regierung und UNAIDS organisierten „High Level Policy Consultation on the Science and Law of the Criminalisation of HIV Non-disclosure, Exposure and Transmission“ verabschiedete – „Oslo Declaration On Hiv Criminalisation“ [‚Die Deklaration von Oslo über die Kriminalisierung von HIV‚; d.Hg.] für Unterstützung gegen die Kriminalisierung von (nicht absichtlicher) Hiv-Übertragung (http://www.hivjustice.net/oslo/).

Dr. Helmut Graupner
Co-Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung (ÖGS)
www.graupner.at, www.oegs.or.at
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siehe auch:
thinkoutsideyourbox.net 06.03.2012: Kriminalisierung HIV-Positiver: Verurteilung wegen Oralsex trotz Einhaltung Safer Sex Regeln
queer.de 07.03.2012: „Vorsätzliche Gefährdung“ – Österreich: HIV-Positiver wegen Oralsex bestraft
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