rätselhafter Sex #3

Und hier die dritte Folge des kleinen Rätsels:

Frage

Hepatitis B ist unter Männern, die Sex mit Männern haben, stark verbreitet. Hep B ist erheblich ansteckender als HIV und kann einen lebensbedrohlichen Verlauf nehmen.

Antworten

1. Da kann man nix machen.
2. Es gibt eine kostenlose Kombi-Impfung gegen Hepatitis A und B. Sprich Deinen Arzt darauf an.
3. Eine Ansteckung mit Hepatitis B ist trotz Safer Sex möglich.

Die Lösung(en) gibt’s demnächst hier … und bis dahin darf gern gerätselt werden … privat oder hier in den Kommentaren …

Die Aktion ist entstanden als ‘Rubbelkarten-Aktion’ der hessischen Aidshilfen anlässlich der CSDs in Frankfurt und Kassel 2008.

rätselhafter Sex #2

Nach dem gestrigen ersten Teil der Folge ‚rätselhafter Sex‘ hier das 2. Rätsel:

Frage

Ein großer Teil der Ansteckungen mit HIV geschieht, wenn der Sex-Partner sich vor kurzem selbst erst angesteckt hat.

Antworten

1. Stimmt, denn in den ersten Wochen nach einer HIV Infektion ist die Viruskonzentration besonders hoch.
2. Nein, man ist immer gleich ansteckend.
3. Stimmt nicht, infektiös wird man erst, wenn man Aids hat.

Die Lösung(en) gibt’s demnächst hier … und bis dahin darf gern gerätselt werden … privat oder hier in den Kommentaren …

Die Aktion ist entstanden als ‘Rubbelkarten-Aktion’ der hessischen Aidshilfen anlässlich der CSDs in Frankfurt und Kassel 2008.

rätselhafter Sex #1

Manchmal wird ja viel gerätselt und spekuliert, in Sachen Sex und Gesundheit. Wie war das noch mit …? Und der da letztens, hatte der nicht gesagt dass …?
Rätseln kannst Du ab heute auch hier …

Wie schaut’s aus mit deinem Wissen über HIV und sexuell übertragbare Krankheiten?

9mal rätseln für mehr Gesundheit, täglich ab heute … und nun geht’s los:

Frage

David hat Sex mit einem Mann, Helmut hat Sex mit einer Frau.
Ist die Wahrscheinlichkeit auf einen Partner/eine Partnerin mit HIV zu treffen für beide gleich hoch?

Antworten

1. Die Wahrscheinlichkeit ist für David und Helmut gleich hoch.
2.
Die Wahrscheinlichkeit ist für David doppelt so hoch.
3.
Die Wahrscheinlichkeit ist für David einige hundert Mal so hoch.

Die Lösung(en) gibt’s demnächst hier … und bis dahin darf gern gerätselt werden … privat oder hier in den Kommentaren …
Das nächste Rätsel gibt’s morgen früh … hier

Die Aktion ist entstanden als ‚Rubbelkarten-Aktion‘ der hessischen Aidshilfen anlässlich der CSDs in Frankfurt und Kassel 2008. Vielen Dank nochmals an den Landesverband Aids-Hilfe Hessen für die Erlaubnis, die Aktion zu übernehmen!

Brasilien: … faca com camisinha

„Mach was du willst, aber mach es mit Kondom“ – so lautet das Motto einer neuen Aids-Präventionskampagne in Brasilien.

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(c) Foto: Ministério da Saúde, Brasilien

„Mach was du willst, aber mach es mit Kondom“ – mit dieser Kampagne wendet sich das brasilianische Gesundheitsministerium an Männer die Sex mit Männern haben (MSM) sowie an Transvestiten. Insbesondere junge Männer zwischen 13 und 19 Jahren sollen erreicht werden – hier liegen die HIV-Infektionsraten besonders hoch.

Klaus Hart berichtet in seinem Blog ‚Brasilientexte‘ über die neue Präventionskampagne und insbesondere auch über die Situation zwischen boomender Homo-Szene und gleichzeitig grassierender Homophobie.

“Bei Morden an Schwulen liegt Brasilien weiterhin an der Spitze“, zitiert Hart einen brasilianischen Schwulenaktivisten, „durchschnittlich jeden zweiten Tag wird einer umgebracht, keine andere Minderheit wird so abgewertet, so diskriminiert. Wir leben noch in einer heterosexistischen Gesellschaft, Änderungen sind nur auf sehr lange Frist vorstellbar.“
Jede Veränderung der Situation, jede Aids-Prävention müsse auch eine Bekämpfung der Homosexuellenfeindlichkeit in Brasilien beinhalten, so Toni Reis, Präsident der Brasilianischen Assoziation der Gays, Lesben, Bisexuellen, Transvestiten und Transsexuellen(ABGLT).

Die Aids-Politik Brasiliens gilt international als beispielhaft.
Brasilien geht u.a. seit vielen Jahren auch spannende Wege in der Versorgung der HIV-Infizierten des Landes mit Medikamenten (siehe „Patienten, Patente und Profite„). Eine eigene Generika-Produktion wurde aufgebaut. Generische Versionen wichtiger Aids-Medikamente werden im Land hergestellt. Mit der realen Möglichkeit der Produktion von Generika wurden Pharmakonzerne zu Preis-Zugeständnissen gebracht. Inzwischen konnte ein sehr hoher Versorgungs- und Behandlungsstandard erreicht werden. Mehrere hunderttausend brasilianische HIV-Positive werden erfolgreich antiretroviral behandelt.

mehr Mut, weniger Aufregung

Podiumsdiskussion Kondomverzicht?Zu engagierte Debatten kam es am Freitag Morgen (14.3.2008) bei der Podiumsdiskussion unter dem Titel „Aktuelle Kontroverse: Kondomverzicht bei nicht nachweisbarer Viruslast möglich?“
Auf dem Podium: Prof. Pietro Vernazza (Schweiz), Roger Staub (BAG Schweiz), Prof. Bernd Salzberger (Regensburg), Bernd Vielhaber, Dr. Dirk Sander (DAH), sowie als Moderatoren Rainer Kamber (Aidshilfe Schweiz) und Armin Schafberger (DAH).

Prof. Pietro VernazzaProf. Vernazza betonte, mit der Publikation des EKAF-Statements habe auch eine ‚Doppelbödigkeit‘ beendet werden sollen. Was einzelne Ärzte, oftmals unter dem Siegel ‚nur für Sie‚, schon lange ihren Patienten sagen, müsse nun endlich auch offen ausgesprochen werden. Die Datenlage sei reif genug gewesen für diesen Schritt.
Generell habe nicht die Biologie zum EKAF-Beschluss geführt, sondern die Epidemiologie,die Biologie habe dann nur dieses mit Daten bestätigt.
Zum Analverkehr bei Heteros sei die Datenlage knapp, noch knapper bei Analverkehr zwischen Männern die Sex mit Männern haben (MSM). Allerdings sei ein Analogieschluss zum Vaginalverkehr möglich und zulässig, wie er detailliert anhand einer Diapräsentation erläuterte.

Prof. Bernd SalzbergerProf. Salzberger befasste sich mit der Frage, wie hoch das Risiko einer HIV-Übertragung sei, und welches Risiko als tragbar erachtet werden könne.
Ein Risiko von 1 zu 100.000 erscheine zunächst gering – aber selbst beim Lotto mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 13 Mio. (für ‚6 Richtige‘) gewinne jeden Samstag jemand. Er erachte ein Risiko von 1 : 100.000 (auf das sich das EKAF-Statement bezieht) als nicht niedrig genug und bleibe skeptisch.
Salzberger betonte zudem die Bedeutung sexuelle übertragbarer Infektionen (STDs) für die Infektiosität. Insbesondere ulzerierende STDs seien hier zu beachten. Die Frage, ob auch latente Infektionen (besonders mit HSV2) epidemiologisch relevant seien, wurde zwischen ihm und Vernazza kontrovers diskutiert.

Roger Staub, BAG SchweizRoger Staub entgegnete auf Salzbergers Risiko-Betrachtungen, für Public Health sei es wesentlich, Gleiches mit Gleichem zu vergleichen. Hier falle doch zunächst das Fehlen jeglichen Berichts von belegten Infektionen (unter den von der EKAF betonten Bedingungen) in den vergangenen Jahren auf. Das Einzelfall-Risiko bei Kondombenutzung bezifferte er auf 1 : 30.000 – angesichts dieses Einzelfall- Risikos verstehe er die Aufregung um ein Risiko von 1 : 100.000 (Infektiosität bei erfolgreicher Therapie und keine STDs) überhaupt nicht.

Salzberger betonte in einer Replik, auch er erachte die von der EKAF veranschlagte Risiko-Einschätzung von 1 : 100.000 als ‚gute Obergrenze‘, die Berechnungen halte er für zutreffend. Es gebe aber eben in Form von Kondomen eine breit und preisgünstig verfügbare Möglichkeit, das Übertragungsrisiko noch einmal um den Faktor 100 zu reduzieren. Auch er sehe, dass es keine 100%ige Sicherheit gebe, stelle sich aber die Frage, was einzusetzen sei, um ein mehr an Sicherheit zu erhalten.

Staub betonte im Verlauf der Debatte, das Statement der EKAF ermächtige die Menschen gerade, selbst eine Entscheidung zu treffen. Es gehe darum, nicht aus der Medizin heraus eine höhere Sicherheit zu postulieren, sondern ‚das müssen die Menschen selbst machen‘. Hierzu wolle die EKAF ermächtigen, hierzu müssten Informationen und Wissen bereit gestellt werden.

Dr. Dirk Sander, DAHDr. Dirk Sander betonte, es gehe in der laufenden Debatte um Menschen – und nicht um Techniken. Es gelte zu vermeiden, jetzt wieder das Bild des ‚triebgesteuerten Homosexuellen‘ zu reaktivieren. Zudem zeigte er sich zuversichtlich, dass die Aidshilfe auch komplexere Risiken kommunzieren könne, dies haben auch Erfahrungen der vergangenen Jahre zahlreich gezeigt. Er forderte mehr Mut – die derzeit heiß diskutierten Informationen seien doch eh schon lange Teil des individuellen Risiko-Kalküls.

VielhaberAuch ’safer sex‘ beinhalte ein Risiko, sei keinesfalls die ‚Null-Risiko-Alternative, für die sie gerne gehalten werde, betonte Bernd Vielhaber. Dieses Risiko sei nur bisher kaum kommuniziert, wahrgenommen worden. Statt mit Angst auf die jetzigen Veränderungen zu reagieren, wäre es doch produktiver, nach vorne zu denken und proaktiv in die Diskussion einzusteigen.

Im Verlauf der anschließenden Diskussion (mit Publikumsbeteiligung) wurden die Unterscheide zwischen der medizinischen / Behandler-Perspektive und der epidemiologischen / public health- Perspektive nochmals deutlich. Beide Sichtweisen anzunähern, wo möglich zu vereinen sei auch zukünftig eine Herausforderung.
Podiumsdiskussion Kondomverzicht?Erfahrungen public-health- und Aids-Debatten der letzten 20 Jahre zeigen, dass es möglich ist, die anstehenden Fragen in konkrete und vor Ort verständliche Präventionsbotschaften umzusetzen – die Frage sollte mit Zuversicht statt Skepsis angegangen werden.
Erforderlich sei jetzt allerdings eine zwar engagierte, aber unaufgeregte Diskussion, war einhellige Meinung.

Vernazza wies abschließend darauf hin, dass die EKAF im Juni ein ‚closed meeting‘ organisieren werde, bei dem Wissenschaftler und Regierungsvertreter unterschiedliche Auffassungen wie auch Gemeinsamkeiten und Ziele diskutieren würden. Die Gemeinsamkeiten würden überwiegen, zeigte er sich zuversichtlich.

Das darf man doch nicht laut sagen …

Seit einigen Tagen ist er nun publiziert, der Beschluss der Schweizer Eidgenössischen Aids-Kommission EKAF, der im wesentlichen hinausläuft auf die Botschaft „keine sexuelle Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs„. Und die Aufregung ist groß.

Bezeichnenderweise steht im Mittelpunkt eines Großteils der Kritik allerdings nicht, ob der Beschluss der EKAF wissenschaftlich korrekt ist oder nicht.

So bestätigt auch Dr. Osamah Hamouda (stellvertretender Leiter der Abteilung Infektionsepidemiologie und Leiter Fachgebiet 34 HIV/Aids am RKI): „Fachlich sehe ich in dem Papier nichts Falsches“.
Er ergänzt: „doch die Einschränkungen, unter denen die Empfehlung steht, könnten auf dem Weg zum ‚Endverbraucher’ verloren gehen“ (im Tagesspiegel vom 01.02.2008). Er hat Bedenken ob der Auswirkungen, okay.

Viel prägnanter und noch deutlicher wird (stellvertretend für viele) der Geschäftsführer der Zürcher Aids-Hilfe, Reto Jeger: dieser Beschluss sei „fatal“, und „man hätte diese Entdeckung besser nicht breit publiziert.“

Nein, die Frage, die viele beschäfttigt, lautet also nicht, ob der Beschluss wissenschaftlich korrekt ist, oder wie man dann welche Konsequenzen daraus zieht und umsetzt. Nein, sondern die Frage lautet für viele bestürzenderweise vielmehr

‚Darf man das denn so laut sagen?‘

Und meistens wird gemeint, manchmal sogar laut gesagt
‚Das darf man aber nicht laut sagen, das behalten wir besser für uns.‘

Meiner Ansicht nach ist die Frage höflich gesagt verkehrt gestellt.
Sie müsste lauten: darf man solch eine wichtige Erkenntnis verschweigen?

Denn genau das ist doch bisher geschehen. Die Aussage der EKAF ist ja inhaltlich nicht so neu. Einige Ärzte sagen genau das einigen Patienten schon seit längerer Zeit. Aber eben einige nur einigen … Vielen, den meisten wurde die Nachricht bisher vorenthalten.

Das könnte man als elitäres Vorgehen, arrogantes Verhalten oder auch schlicht undemokratisch empfinden.

Oder ist die Einstellung ‚das verschweigen wir besser‘ etwas anderes als arrogant? Heißt diese Einstellung nicht in Klartext übersetzt

‚okay Leute wir wissen, es gibt da Situationen, in denen HIV-Positive nicht infektiös sind und Sex auch ohne Kondom ’safer sex‘ sein könnte. Wir halten euch aber für zu blöde, das zu kapieren. Außerdem gefährdet das doch unsere so schön simple Präventionswelt, die nur heißt ‚Kondome Kondome Kondome‘. Und deswegen sagen wir euch die neuen Erkenntnisse einfach nicht. Nehmt doch einfach weiter immer Kondome.‘

Ich frage mich, wo leben wir denn, besser in welcher Zeit leben wir denn, dass solcher Art Informations-Verstecken wieder gedacht wird?

Haben wir wieder das Mittelalter? Abgeschlossene Türme des Wissens, die nur für wenige Eingeweihte offen sind? Und das ‚gemeine Volk‘ bleibt außen vor?
Und wer darf denn zukünftig entscheiden, wer was wissen darf, und was breit publiziert, was aber nur exklusiven Zirkeln informierter Patienten vorbehalten bleibt?


Hat nicht jeder, vor allem auch jede/r HIV-Positive ein Recht darauf, das zu wissen? Und daraus zusammen mit seinem Partner, seiner Partnerin auch seine/ihre persönlichen Konsequenzen zu ziehen, z.B. für ihr/sein Verhalten?

Natürlich wirft die Veröffentlichung des Statements Fragen auf.
Aber – kann, sollte man es deswegen verbieten?
Oder nicht lieber versuchen, die Fragen zu beantworten, sich der Realität zu stellen?

Die eigene Klientel für dumm zu verkaufen führt nicht weiter.
Die eigene Klientel für dumm zu verkaufen führt höchstens dazu, dass Menschen halbinformiert sich irgendwie verhalten, sich ihre Wahrheit zurecht biegen, wie es eben ihre (Nicht-) Informationen zulassen. Und sich womöglich eben (z.B. aufgrund von Fehleinschätzungen, Stichwort negatives Serrosorting / Seroguessing) gefährden.
Die eigene Klientel für dumm zu verkaufen verkennt zudem, dass die vielleicht gar nicht so dumm ist, sondern recht aufmerksam debattiert (wie derzeit in den Kommentaren zu einem queer.de – Artikel zum EKAF-Statement zu verfolgen ist).

Statt Informationen ‚unter dem Deckel halten‘ zu wollen, sollten wir uns viel mehr gemeinsam darauf konzentrieren zu prüfen, was der Beschluss genauer besagt, in welchen Situationen er was bedeutet. Welche Konsequenzen daraus für Präventions-Kampagnen und -Botschaften, aber auch für medizinische Angebote zu ziehen sind. Und diese Konsequenzen dann auch umsetzen – und offen kommunizieren.

HIV-Neudiagnosen auf hohem Niveau

Das Robert-Koch-Institut vermeldet für das erste Halbjahr 2007 insgesamt 1.334 neu diagnostizierte HIV-Infektionen und bezeichnet den Verlauf der Neu- Diagnosen als „weiterhin auf hohem Niveau“. Was steckt hinter den Zahlen?

Zweimal im Jahr stellt das Robert-Koch-Institut als Teil seiner epidemiologischen Überwachung aktuelle Zahlen zum Verlauf der HIV-Infektion und der Aids- Erkrankungen in Deutschland vor.

Schon in Berichten über bisherige Zahlen gingen in manchen Medien munter HIV-Neu-Infektionen und Neu-Diagnosen durcheinander.
Gemessen und berichtet wird die Zahl der Neu- Diagnosen (nicht der Neu-Infektionen). Diese Zahl gibt nicht direkt das aktuelle Infektionsgeschehen wieder. (Weiteres dazu
hier). Das RKI selbst spricht im aktuellen Bericht davon, etwa die Hälfte der gemeldeten Neu- Diagnosen sei auf einen tatsächlichen Anstieg der Neu- Infektionen zurück zu führen.

Interessant ist ein Blick in die Details der Zahlen. Denn wenn auch die Zahlen insgesamt deutschlandweit auf hohem Niveau stabil zu sein scheinen, werden dann doch bemerkenswerte Entwicklungen sichtbar.

Der größte Anteil der HIV-Neu-Diagnosen findet mit 56% bei Männern statt, die Sex mit Männern haben (MSM). In dieser Gruppe steigen die Zahlen weiterhin an.
Auch die Zahl der Syphilis-Neudiagnosen steigt in dieser Gruppe weiterhin an.

Regional gesehen gibt es bemerkenswerte Entwicklungen: Während die Zahlen z.B. in Berlin mehr oder weniger stagnieren, steigen sie in Nordrhein- Westfalen weiterhin deutlich an. Allein auf NRW entfallen im 1. Halbjahr 2007 24% aller HIV-Neu-Diagnosen (mit Schwerpunkten in Köln, Düsseldorf und Kreis Arnsberg).
Auch die Zahl der Syphilis-Neudiagnosen verharrt in NRW auf einem hohen Niveau (2007/I: 455 Fälle, 2006/II: 468, 2006/I: 402). In Berlin hingegen sinkt diese Zahl (2007/I: 223, 2006/II:278, 2006/I: 291) seit einem Höhepunkt im ersten Halbjahr 2006.

In der Gruppe der drogengebrauchenden Menschen sind die Zahlen der Neu-Diagnosen deutschlandweit insgesamt stabil. Hier stellt allerdings allein NRW schon einen Anteil von 51%. Und hat einen regionalen Schwerpunkt im Bereich Arnsberg (Bochum, Dortmund, Hagen, Hamm, Herne) – innerhalb der letzten 5 Halbjahre erfolgten hier fast die Hälfte der Neu-Diagnosen bei drogengebrauchenden Menschen in NRW.

Über 1.300 Neu-Diagnosen von HIV-Infektionen sind viel, zu viel. Und insbesondere die hohe Zahl der Neu- Diagnosen (und der Trend) unter schwulen Männern sollte zu neuen Präventionsanstrengungen Anlass geben.

Politiker, Medien und auch Schwule weisen ja immer wieder gern auf den „Sünden-Pfuhl“ Berlin, wenn es um Diskussionen zum Verlauf der HIV-Infektion geht (und auch schwule Medien stricken gern an diesem Mythos). Die aktuellen Zahlen lassen regional gesehen auch andere Fragen aufkommen …

Infos:
Halbjahresbericht I/2007 des RKI als pdf
Pressemitteilung des RKI hierzu
Trifft der Begriff Epidemie hier noch zu? Oder ist die HIV-Epidemie vorbei?
Wie kann Prävention sich weiterentwickeln? Präventionsgedanken 1 und Präventionsgedanken 2
Aber einige Politiker benutzen steigende Zahlen immer noch als Vehikel für Repressive Mottenkisten …

Präventionsgedanken 2: weniger Patentrezepte

Abstinenz, Repression – alles keine zweckdienlichen Wege in der HIV-Prävention. Aber – wohin könnte sich Prävention weiter entwickeln? Welche Fragen stehen im Raum?

Weniger Patentrezepte

Heutige Präventionsbotschaften haben oft einen universellen Ansatz – eine auf alle Situationen und Zielgruppen anwendbare ‚Patentlösung‘ (von „Aids geht alle an“ über „immer mit“ bis „raus bevor’s kommt“).
In der persönlichen Situation und Einschätzung von potentiellen Gefährdungen und Risiken hilft das oftmals wenig, wird praxisfremd. Und nicht (effizient) in eigenes Handeln umgesetzt.

Können Präventionsbotschaften noch mehr als bisher auf die individuelle Situation abgestellt werden, auch um ein persönliches Risikomanagement zu ermöglichen? Wie weit können dabei unterschiedliche Infektionsrisiken und ihre Wahrnehmung deutlicher thematisiert werden?
Dies reicht von
Fehleinschätzungen von Infektionsrisiken (Beispiel Analverkehr / Risiko Darmschleimhaut) bis zur deutlich gesenkten Infektiosität bei erfolgreicher antiretroviraler Therapie, und sollte Verharmlosungen wie Übertreibungen vermeiden, aber auch konkrete lebbare Handlungsmöglichkeiten (z.B. für serodiskordante Paare) umfassen.
Nicht nur sagen, was nicht geht, sondern auch was (und unter welchen Umständen) geht.


Eine Veränderung der Botschaften in der Prävention könnte auch beinhalten, dass häufigere / regelmäßige Untersuchungen auf sexuell übertragbare Infektionen auch der eigenen Gesunderhaltung dienen.
Der früher in Großstadt-Szenen teilweise selbstverständliche „schwule
Gesundheits-Check“ ist weitgehend in Vergessenheit geraten.
Gesundheitsvorsorge, einschließlich Untersuchungen auf sexuell übertragbare Krankheiten, sollten dabei auch kostengünstig und niedrigschwellig möglich sein. Hierbei dürften sich Reduzierungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes (z.B. bei Beratung und Untersuchung in Gesundheitsämtern) eher als schädlich erweisen.

HIV ist nicht überall gleich
Wenn, wie das RKI feststellt, großstädtische Ballungsräume den Schwerpunkt der HIV-Epidemie in Deutschland bilden – brauchen wir dann auch eine stärkere Fokussierung der Mittel auf diese Räume? Und vielleicht in diesen Ballungsräumen auch neue Ansätze wie den in San Francisco geplanten ‚HIV-Präventions- Direktor‚?
Muss sich Prävention stärker den jeweiligen Gegebenheiten des jeweiligen Ballungsraums anpassen (was in München funktioniert, muss in Berlin noch lange nicht ebenso funktionieren)?

Die Sichtbarkeit von HIV
HIV und Aids sind heute aus den verschiedensten Gründen wesentlich weniger sichtbar als noch vor einigen Jahren.
Statt im (auch eigenen) Alltag, auf der Straße (Aids- Aktivismus) und in den eigenen Subkulturen (positive und erkrankte Bekannte etc) findet die Auseinandersetzung mit Aids heute weitgehend in der Arztpraxis statt.

Diese geringere Sichtbarkeit ist nicht nur ein Phänomen äußerer Wahrnehmbarkeit, sondern hat auch Wirkungen auf Verhalten.
Ein Beispiel ist das Serosorting (das in der Realität wohl doch oft eher ‚Seroguessing‚ ist – ein Vermuten (nicht Wissen) des HIV-Status des momentanen Partners): neuere Studien zeigen, dass besonders Schwule, die keine oder nur geringe Nähe zu HIV-Positiven haben, mit einer wohl naiv zu nennenden Arglosigkeit erwarten, dass alle Positiven ihren Serostatus vor sexuellen Handlungen offen legen (während Schwule, die größere Nähe zu Positiven haben, der Mitteilung des Serostatus keine besondere Bedeutung beimessen).
Wenn ein Partner nichts sagt, wird der eigene Serostatus auch bei ihm vermutet, entsprechendes (oft unsafes) Verhalten für möglich gehalten.

Die mangelnde Sichtbarkeit von HIV und HIV-Positiven berührt auch einen weiteren Punkt. Etwa ein Drittel aller Aids-Todesfälle seien heutzutage evtl. auf ein zu spätes Erkennen der eigenen HIV-Infektion zurückzuführen, schreibt das RKI. Todesfälle, die bei rechtzeitigem Erkennen der eigenen Infektion und entsprechender Behandlung evtl. vermeidbar wären.

Können in einer wieder stärkeren Sichtbarkeit von HIV und Aids neue Ansatzpunkte für die Prävention liegen? Z.B. in einer stärkeren Fokussierung? Oder in stärkerer Sichtbarkeit, Wahrnehmbarkeit HIV-positiver Menschen?
Und sind zusätzliche, klarere Informationen erforderlich, gerichtet sowohl an Ärzte als auch in die jeweiligen Szenen (z.B. über das eventuelle Erkennen einer eigenen Infektion)?

Überhaupt, die Ärzteschaft. Immer mehr rückt sie in den Mittelpunkt des Geschehens, der Arzt wird zum zentralen Ansprechpartner. Sollte er dann auch vermehrt Präventionsbotschaften vermitteln, informieren und beraten?
Oder führt die zunehmende Medikalisierung nicht gerade jetzt schon zu zusätzlichen Problemen?

Die HIV-Prävention muss und wird sich angesichts veränderter Rahmenbedingungen weiter entwickeln. Können und wollen neben Präventions-Experten, Politikern, Medizinern auch Menschen mit HIV und Aids sich als ‚Experten in eigener Sache‘ in die weitere Entwicklung einbringen?



HIV-Epidemie vorbei?

„Die HIV-Epidemie ist vorbei.“
Ein Satz, den viele sich wünschen.
Ein Satz, der überrascht, vielleicht auch schockiert.

Mit diesem Satz ‚krönte‘ Mark Cloutier seine Rede. Mark Cloutier ist nicht irgendwer, sondern Direktor der San Francisco Aids Foundation – einer der wichtigsten Aids- Organisationen in einer der von Aids schon früh am stärksten betroffenen Städte der USA.

„Die HIV-Epidemie ist vorbei. Ja. Die HIV-Epidemie ist in San Francisco vorbei.“

Was Cloutier damit zum Ausdruck bringen wollte: HIV ist inzwischen in San Francisco endemisch – die Infektion besteht in einigen Communities in gewissem Umfang, ohne sich in bedeutendem Ausmaß zu vergrößern oder zu verringern.

Als Epidemie wird die „die zeitliche und örtliche Häufung einer Krankheit innerhalb einer Population“ bezeichnet, wobei der Bestand an Erkrankten zunimmt (Reproduktionsrate größer 1). Demgegenüber versteht die Medizin als Endemie „das andauernd gehäufte Auftreten einer (Infektions-) Krankheit in einem begrenzten Bereich“.

Hinter dieser Begriffswahl, die zunächst marginal erscheinen mag, könnten bedeutende Auswirkungen stecken. Auswirkungen für die Prävention, aber auch die Versorgung von HIV-Positiven.

Denn im Gegensatz zu den 80er und 90er Jahren sei die HIV-Infektion in San Francisco nicht mehr ‚außer Kontrolle‘. Die Zahl der Neu-Infektionen sei mehr oder minder stabil. Damit falle die HIV-Infektion nicht mehr in die Definition einer ‚Epidemie‘. Auch Gesundheits- Direktor Katz meinte, der Begriff ‚endemisch‘ sei eher zutreffend für die derzeitige Situation.

Mit der Herangehensweise als eine mehr oder weniger stabile, endemische Situation müssten sowohl bei der Prävention als auch bei der Frage von Versorgungs- und Service-Strukturen neue Herangehensweisen überlegt werden.
In einer Endemie benötige man neue Werkzeuge und Methoden, Infektions-Ketten zu unterbrechen. In einer endemischen Situation würde viel mehr in den Vordergrund treten, wie erfolgreich mit positiven (und von HIV betroffenen) Communities zusammen gearbeitet werden könne, um die Zahl der Neu-Infektionen zu senken.

Kritiker der neu vorgeschlagenen Wortwahl befürchten, damit könne Druck aus der Situation genommen werden, ein falsches Signal der Entwarnung gesetzt werden.
Dem sei zu entgegen zu halten, dass eine Endemie nicht weniger bedeutend als eine Epidemie sei – nur eben andere Strategien erfordere, damit umzugehen, antworteten Befürworter.

HIV (zumindest in Großstädten) zukünftig mehr als Endemie denn als Epidemie zu sehen – liegt hierin ein Zugang, der auch in Deutschland, in Berlin Anregungen für neue , innovative Ansätze in Prävention und Versorgung eröffnen könnte? Schon die Sichtweise, den Blickwinkel zu verändern, könnte ja helfen neue Wege zu finden, z.B. die Neu-Infektionszahlen niedrig zu halten oder weiter abzusenken.

Nebenbei, San Francisco ist gerade dabei, den Posten eines ‚HIV Prevention Directors‘ neu einzuführen und zu besetzen. Eine weitere Idee, über die sich auch hierzulande mancherorts nachzudenken lohnen würde ?

 

Prävention mit Sachverstand

Deutschland braucht ein Präventions-Gesetz, meint Ulla Schmidt, Gesundheitsministerin. „Gerade bei Menschen in besonders prekären Lebenslagen gibt es ein großes Potential für präventive Maßnahmen“, sagt sie.
Noch in dieser Legislaturperiode soll das neue Präventions-Gesetz auf den parlamentarischen Weg gebracht werden.

Der „Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen“ hat Anfang Juli sein Gutachten 2007 vorgestellt. In diesem Gutachten geht er auch auf die zukünftige Entwicklung der Prävention und insbesondere auch der Aids-Prävention ein.

Die bisherige Strategie der Aids-Prävention sieht der Sachverständigenrat als „weiterhin tragfähig und vorbildlich“ an und empfiehlt eine „Weiterentwicklung und Anpassung an die eingetretenen Veränderungen“. Als veränderte Präventionsbotschaft sieht der Rat die „Erhaltung der Gesundheit für sich selbst und den/die jeweilige/n Partner/in“.

Erfreulich: der Rat betont „im Hinblick auf die Botschaft geht es dabei um die Differenzierung und zum Teil Individualisierung von Strategien der Risikominderung“. Eine entsprechende Anpassung der Prävention an Risikoeinschätzungen und Risikominimierungsstrategien hatte jüngst auch das 120. Positiventreffen in seiner Resolution gefordert.

Darüber hinaus betont er eine besondere Notwendigkeit, die Prävention bei Menschen mit Migrationshintergrund sowie mit niedrigem sozioökonomischem Status zu verbessern.
Zudem fordert er eine „für alle Aids-Fragen zuständige Stelle für Koordination und und Monitoring der Aids- Aktivitäten der verschiedenen Politikfelder“.

Kurzfassung als pdf hier (HIV/Aids bes. ab S. 90), Langfassung (knapp 1.000 Seiten) als pdf hier.

Positiv – Negativ

Bisher gibt es beim Thema Menschen, die HIV-infiziert sind, eine beinahe klassische Dichotomie: „ich bin negativ“ vs. „ich bin positiv“.
Nur – diese Dichotomie führt -wie so manche schwarz- weiß-Malerei- in die Irre.

In eine Irre, die gleich mehrere Dimensionen hat.

– Die Veränderbarkeit: HIV-positiv zu sein ist ein Zustand, der (zumindest derzeit, solange es keine Heilung von HIV gibt) unumkehrbar ist. Einmal HIV-positiv, immer HIV-positiv. Ein Test-Resultat als eindeutige Wegmarke. HIV-negativ zu sein hingegen ist ein Zustand, der sich jederzeit ändern kann.

– Das Bewusstsein: Wenn ich (nach einem positiven Testergebnis) weiß, dass ich HIV-positiv bin, kann (muss) ich mir dessen für die Zukunft sicher sein. Eine unumkehrbare Faktizität.
Wenn ich nach dem selben Test erfahre, dass das Ergebnis HIV-negativ lautet, so heißt das maximal, dass ich bis vor drei Monaten nicht HIV-infiziert war, dieser Zustand sich jedoch (riskantes Verhalten vorausgesetzt) ändern kann. Ändern kann auch ohne dass ich mir dessen bewusst bin. Ein unsicherer Zustand.

– Das Ergebnis: eine Begriffs-Verwirrung, die dennoch heute weiterhin gerne verwendet wird. Mit weit reichenden Konsequenzen.

So gibt es eine (zahlenmäßig nicht zu unterschätzende) Gruppe von Menschen, die mit HIV infiziert sind, dies jedoch nicht wissen. Umgangssprachlich möchte man meinen, sie seinen HIV-positiv. Nur – davon wissen sie nichts, gehen vermutlich in der Regel davon aus, sie seien HIV-negativ.
Menschen ohne bisherigen HIV-Test, aber auch Menschen mit einem (zurückliegenden) negativen HIV-Test-Ergebnis können durchaus HIV-infiziert sein – halten sich aber für ‚HIV-negativ‘.

Oder anders ausgedrückt: jeder, der kein positives Testergebnis hat, hält sich für negativ – unabhängig vom Infektionsstatus.

Negativ – Positiv, diese bipolare Unterscheidung führt in eine Präventions-Sackgasse.
Die Konstellation, HIV-infiziert zu sein, jedoch bisher kein positives Testergebnis zu haben, von seinem Infektions- Status nicht zu wissen, diese Konstellation findet in der Begriffs-Bipolarität positiv-negativ nicht statt.

Diese Unterscheidung mag zunächst akademisch erscheinen. Leider hat sie jedoch ganz praktische Konsequenzen – z.B. bei den HIV-Neu-Infektionen.
Das Problem: ich halte mich für HIV-negativ, und verhalte mich (mit anderen vermeintlich ebenfalls nicht HIV-Infizierten) nicht immer safe (Serosorting).
Die Folge: HIV-Negative (oder besser: Personen, die selbst davon ausgehen, derzeit HIV-negativ zu sein) erhöhen ihr Risiko sich mit HIV zu infizieren durch diese Strategie, wie Studien zeigen. Der Grund: unerkannte HIV-Infektionen – Menschen, die sich für HIV-negativ halten, tatsächlich jedoch HIV-infiziert sind, nur bisher nicht von ihrer Infektion wissen.
Einer der Gründe für ein erhöhtes Risiko könnte darin liegen, dass ‚ungetestet HIV-Positive‘ scheinbar besonders häufig zu unsafen Sexpraktiven tendieren, wie eine
CDC-Studie zeigt.

Die Termini ‚positiv‘ und ’negativ‘ sagen streng genommen nichts über den Infektions-Status aus, sondern nur etwas über ein Test-Ergebnis. Die Lücken, die genau dazwischen liegen können, bleiben bisher verdeckt.

Den Infektionsstatus gibt zutreffend nur wieder das Begriffspaar ‚infiziert‘ und ’nicht infiziert‘. Nur, dass jemandem, der infiziert ist, davon aber nichts weiß, damit nicht geholfen ist.

Ergo: brauchen wir eine neue Begrifflichkeit?

Eine Begrifflichkeit, in der weiterhin ‚positiv‘ diejenigen Menschen sind, die positiv getestet sind (die HIV-infiziert sind und davon nach einen positiven Testergebnis wissen). Aber – welcher Begriff bietet sich für die anderen, eventuell unklareren Zustände an?

Über das Infektionsrisiko

Lässt sich das HIV-Infektionsrisiko durch die Partnerwahl senken? Oder durch eine wirksame anti-HIV-Therapie? Ein Blick in Zahlen und Studien und eine sachliche Debatte über neue Wege der HIV-Prävention hilft sicher mehr als Aufgeregtheiten à la Spahn.

Dass die Zahl der HIV-Neu-Infektionen möglichst gering gehalten werden sollte, ist unstrittig. Über den Weg, dieses Ziel zu erreichen, hingegen gibt es große Meinungsunterschiede – bis hin zu Äußerungen, die darauf zielen, Positiven einseitig die Verantwortung zu zu weisen, oder gar Vorschlägen, die de facto versuchen mit dem Strafrecht Prävention zu betreiben.
Diese Aufgeregtheiten führen sicherlich nicht zu einer seriösen Debatte, die sie die jüngste Resolution des 120. Positiventreffens einforderte. Ein Blick in einige Zahlen und Studien hingegen vielleicht schon. Zahlen, die einige Informationen liefern können

– wo Infektionen stattfinden,
– ob es hilft, seinen Sexpartner nach dem HIV-Status zu suchen (Serosorting), oder
– wie sich eine Kombitherapie auf die Infektiosität auswirkt.

Wo finden Neu-Infektionen statt?
Wenn diskutiert wird, wie auf steigende Zahlen an HIV- Neudiagnosen zu reagieren sei, lohnt neben einer differenzierten Betrachtung nach Regionen auch ein Blick darauf, in welchem Kontext denn Infektionen stattfinden: Ein wesentlicher Teil (etwa 25%) findet in Beziehungen statt, bei Heteros sogar etwa 50% 1).
Ein weiterer großer Teil findet statt durch Menschen, die selbst erst kurze Zeit HIV-infiziert sind (und dies u.U. nicht einmal selbst wissen): eine kanadische Studie kam zu dem Ergebnis, dass 50% der HIV-Übertragungen durch Menschen mit primärer HIV-Infektion stattfinden. Eine US-Studie geht sogar von 70% aus, eine weitere US-Studie ergab, dass 77% der jungen HIV-infizierten US-Großstadt-Schwulen sich ihrer HIV-Infektion nicht bewusst sind.
Der Anteil von (HIV-Übertragungen durch) Positive mit chronischer unbehandelter oder behandelter HIV- Infektion hingegen lag in der kanadischen Studie bei 15% bzw. 12%.
Der hohe Prozentsatz bei Menschen mit primärer HIV- Infektion trat dabei in allen Betroffenengruppen (homo, hetero, iv-Drogengebrauch) auf, und unabhängig von der Zahl der Sexualpartner. Einer der Gründe könnte darin liegen, dass diese ungetestet HIV-Positiven scheinbar besonders häufig zu unsafen Sexpraktiken tendieren, wie eine CDC-Studie zeigt.

Die hohe Infektiosität in den ersten Monaten der HIV- Infektion könnte ein sinnvoller Ansatz für Präventions- Maßnahmen sein – viel eher als ziellose Präventions- Kampagnen à la „… geht jeden an“ oder blinde Schuldzuweisungen an Positive.

Schützt Serosorting? oder – die vermeintlich ‚Negativen‘ …
Eine beliebte Strategie, Risiken (vermeintlich?) besser zu managen ist das Serosorting – HIV-Positive suchen sich als Sexpartner möglichst Positive, Negative suchen sich möglichst Negative.

Allerdings: HIV-Negative (oder besser: Personen, die selbst davon ausgehen, derzeit HIV-negativ zu sein) erhöhen ihr Risiko sich mit HIV zu infizieren durch diese Strategie, wie Studien zeigen.
Der Grund: unerkannte HIV-Infektionen – Menschen, die sich für HIV-negativ halten, tatsächlich jedoch positiv sind, nur bisher nicht von ihrer Infektion wissen. Menschen, die diese Serosorting-Strategie anwenden, tendieren (denkend sie seien ja negativ) mit anderen vermeintlich ‚Negativen‘ zu unsafem Verhalten, wie mehrere Studien z.B. aus Australien und den USA zeigen. Und wenn die Annahmen über den Serostatus eines der Beteiligten sich als falsch erweisen, kann aus der vermeintlichen Schutz-Strategie leicht ein Gefährdungs-Szenario werden.

Serosorting à la „Negativ sucht Negativ für unsafen Sex“- eine Strategie, die sich gerade bei (vermeintlich?) HIV-Negativen als ein äußerst problematischer Weg erweisen könnte …

Über den Einfluss der Therapie
Dass die HIV-Viruslast (neben weiteren Faktoren wie dem Vorhandensein oder Fehlen von ‚Geschlechts- Krankheiten‘) ein wesentlicher Faktor für die Infektiosität ist, ist seit längerem bekannt, ebenso dass eine erfolgreiche Therapie, die die Viruslast deutlich absenkt, damit auch die Infektiosität senkt.
Eine neuere Studie fand, dass erfolgreich antiretroviral behandelte Positive mit niedrigerer Wahrscheinlichkeit HIV übertragen – sowohl im Vergleich mit unbehandelten Positiven als auch mit Positiven, die eine Therapiepause einlegen. Neben der niedrigeren Viruslast wurde als weitere Ursache festgestellt, dass Positive, die eine antiretrovirale Therapie machten oder gemacht hatten, in geringerem Umfang zu sexuell riskanten Praktiken tendierten.
Die Erkenntnis, dass eine erfolgreiche Therapie die Übertragungs- Wahrscheinlichkeit reduziert, ist übrigens nicht so neu – schon 2005 zeigte eine spanische Studie einen deutlichen Therapie-bezogenen Rückgang der HIV-Übertragung zwischen stabilen heterosexuellen Paaren mit unterschiedlichem HIV-Status. Und auch eine ugandische Studie von 2003 (die sich mehr mit dem hohen Infektionsrisiko während der Phase der Primär- Infektion befasste, s.o.) kam zu dem Ergebnis, dass bei Heteros unter einer Viruslast von 1.500 Kopien keine HIV-Übertragung stattfand. Seitdem wird von vielen Forschern davon ausgegangen, dass über einer Viruslast von 1.500 Kopien ein signifikantes HIV-Übertragungsrisiko besteht.

Das Resumé? Im Interview mit der posT 1) antwortet Roger Staub auf die Frage des Interviewers zum Infektionsrisiko „lange unter der Nachweisgrenze, das Risiko können Sie vernachlässigen“ mit „das Risiko besteht wahrscheinlich gar nicht“.

Es geht hier nicht darum, unsafen Sex in welcher Konstellation auch immer zu propagieren, oder gar Reklame für Pillen-Konsum zu machen, oder für einen frühen Therapie-Beginn. Eine antiretrovirale Therapie zu beginnen ist eine wichtige persönliche Entscheidung, die jedem Positiven frei überlassen bleiben muss. Viele Positive wollen oder können keine antiretrovirale Therapie nehmen. Sei es z.B. wegen Problemen mit dem Aufenthaltsstatus oder fehlender Kranken- Versicherung, weil sie angesichts ihres Immunstatus keine Therapie brauchen oder für erforderlich halten, oder auch weil sie generell die Kombitherapie ablehnen. Auch die (aus welchem Grund auch immer getroffene) Entscheidung, keine Therapie zu machen, ist zu respektieren.

Es geht vielmehr darum anhand der Fakten über Infektionsrisiken zu informieren – und nicht einseitig Verantwortung oder gar ‚Schuld‘ (z.B. für vermeintlich deutlich steigende Infektionszahlen) bei Positiven oder Barebackern abzuladen.

Und es geht darum, jedem aufgrund zutreffender Informationen selbst eine freie Entscheidung zu ermöglichen, welche Risiken er eingehen möchte, welche nicht, und in welchen Situationen er sich wie verhalten und schützen möchte.

Schließlich sollten auch Entscheidungen über eine zielgerichtete Weiterentwicklung von Präventions- Maßnahmen zur Stabilisierung und Absenkung der Rate der Neu-Infektionen auf Fakten basiert sein, nicht auf Hysterie oder Propaganda.

1) Roger Staub ist Leiter der Sektion Aids beim schweizerischen Bundesamt für Gesundheit (BAG). Das komplette Interview mit Roger Staub ist zu lesen in der Ausgabe Juli/August 07 der „posT“ (S. 15-24), als pdf hier

Immer mehr HIV-Infektionen – und nun?

Die Zahl der HIV-Diagnosen 2006 ist gestiegen – und wieder gehen Meldungen voller Sensationsgier und Aktionismus durch die Medien. Schon ein kurzer Blick in die Zahlen gibt ein differenzierteres Bild – wieder einmal sind Bedacht bei den Zahlen und Blicke in die Details angeraten.

Das Robert-Koch-Institut hat die neuesten Zahlen zu den Neu-Infektionen mit HIV veröffentlicht. Selbst eher bedächtige Medien sprechen von „HIV-Infektionen auf dem Höchststand“, „trotz aller Warnungen“, „Anstieg im 81%“ (und erwähnen nur kleingedruckt den Zeitraum: 2001 bis 2006). Und es steht zu erwarten, dass sich bald schon wieder die kuriosesten Meldungen und Vorschläge überschlagen werden. Einige fühlen sich ja schon seit längerem in ihren Vorstellungen bestätigt und fordern (in der irrigen Meinung, mit Strafrecht könnne man Prävention betreiben) eine Verschärfung der Gesetze.

Worum geht es?
Im Jahr 2006 wurde nach Angaben des Robert-Koch- Instituts bei 2.611 Personen in Deutschland eine neue HIV-Infektion festgestellt. Im Jahr 2005 lag diese Zahl bei 2.500 Personen. Diese Zahlen veröffentlicht das Robert-Koch-Institut (RKI) im Detail in seinem ‚Epidemiologischen Bulletin‘.

Das RKI spricht selbst davon, im Vergleich zum Vorjahr sei die Zahl der „gemeldeten HIV-Neudiagnosen nochmals leicht um 4%“ angestiegen.

Vielen der aufgeregten Medienberichte liegt zunächst ein Mißverständnis zugrunde. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet HIV-Neudiagnosen, nicht Neu-Infektionen.
Dieser Unterschied ist (z.B. für die aus den Zahlen möglicherweise zu ziehenden politischen Konsequenzen) bedeutend: Nicht jeder, dessen Infektion mit HIV im Jahr 2006 diagnostiziert wurde, hat sich auch in diesem Jahr infiziert. Vielmehr werden viele Infektionen erst Jahre später diagnostiziert. Die Zahlen über die Neu-Diagnosen geben also nicht ein Bild des Infektions-Geschehens im vergangenen Jahr, sondern nur der diagnostizierten Fälle!

So ist auch der Anstieg der vom RKI gemeldeten Zahlen nicht ausschließlich auf einen Anstieg der Zahl der Neu-Infektionen zurückzuführen. Vielmehr kommen weitere Faktoren hinzu:

– HIV-Infizierte lassen sich früher testen (dies zeigen auch Untersuchungen über die Zahl der CD4-Zellen bei Erst-Diagnose).
– In einigen (insbes. auch Groß-) Städten haben Aidshilfen offensiv für einen HIV-Test geworben. Auch dies dürfte in diesen Regionen den Trend zur früheren Diagnose verstärkt haben.
– Und schließlich: das RKI hat 2006 sein Melde- System verbessert (bessere Unterscheidung zwischen Erst- und Folgemeldungen möglich). Dies führt dazu, dass nun mehr Meldungen als Erstmeldungen gezählt werden.

Insgesamt bedeutet dies: nur ein Teil des Anstiegs der Neu-Diagnosen ist auch auf einen Anstieg der Neu- Infektionen zurückzuführen.
So formuliert das RKI selbst vorsichtig, dass von dem gemeldeten Anstieg um 81% zwischen 2001 und 2006 wohl etwa 40% auf einen ‚tatsächlichen Anstieg der HIV-Erstdiagnosen‘ zurückzuführen sei.

Wie schon in den letzten Jahren erfolgte ein Teil des Anstiegs der Zahl der Neu-Infektionen in der Gruppe, die so dezent mit „MSM“ bezeichnet wird (Männer, die Sex mit Männern haben). Die Zahl stieg um 9,2% von 1.250 (2005) auf 1.358 (2006). Ein besonders deutlicher Anstieg zeigte sich mit 15% bei iv-Drogengebraucher- Innen, während die Zahl der Neu-Diagnosen bei Menschen aus Hoch-Prävalenz-Regionen um 13% zurück ging.

Bei allen jetzt wieder zu erwartenden Aufgeregtheiten sollte vermieden werden, einige Details der Analysen aus den Augen zu verlieren, wie z.B. die aufschlussreiche regionale Verteilung. So konstatiert das RKI für die meisten Bundesländer eine Stagnation oder nur geringe Anstiege – mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. In NRW sei zudem die hohe Zahl der Syphilis-Meldungen bemerkenswert.
Die äußerst angespannte Mittelsituation in den Aids- Hilfen – besonders in NRW – dürfte vor diesem Hintergrund nochmals neue Brisanz bekommen. Wurden hier seitens der Politik Weichen in die verkehrte Richtung gestellt?
Und umgekehrt erstaunt so manche Berliner Hektik, wenn das RKI davon spricht, dass in den östlichen Bundesländern (einschl. Berlin) die Zahlen unter Schwulen stagnieren oder zurückgehen (Berlin: im Jahr 2006 unter MSM 271 gemeldete Neu-Diagnosen).

Unabhängig davon, dass (s.o.) nicht der gesamte Anstieg der Neu-Diagnosen auch einem Anstieg der Neu-Infektionen entspricht, ist zu fragen, ob und wie zu reagieren ist.
So wird sich die Politik (insbesondere in einigen Bundesländern) fragen lassen müssen, ob die immer stärkere Verknappung von Mitteln für die Aids- Prävention sich nicht zunehmend als kontraproduktiv erweist.

Und auch die Aids-Hilfe auf die Entwicklung der Zahlen reagieren müssen. Wird prüfen müssen, ob und wo Defizite in der Prävention bestehen und wie dem begegnet werden kann.

Vielleicht finden dabei neuere Studien Beachtung, die (erneut) zeigen dass die Hälfte der HIV-Übertragungen während der Phase der akuten HIV-Infektion stattfinden – knapp 50% der Übertragungen erfolgen von Personen, die selbst erst kurze Zeit HIV-infiziert sind.
Damit gewinnt auch die Frage neue Bedeutung, ob die alte Präventions-Polarität negativ-positiv noch situationsgerecht ist. Viele dieser Infektionen dürften erfolgen, weil Menschen (fälschlicherweise) meinen sie seien HIV-negativ – in dieser Situation der Fehleinschätzung der eigenen Situation dürfte z.B. kaum eine Strategie des Serosortings greifen, da hilft nur ’safer sex‘.

Hier könnten neue Strategien der Prävention erforderlich sein, die z.B. auch auf Annahmen über den Serostatus (den eigenen wie den des Partners) eingehen.

Schärfere Gesetze hingegen dürften wenig hilfreich, Repression vermutlich eher kontraproduktiv sein.

PS: Die Internetseiten des RKI ermöglichen auch eigene Recherchen in den Daten zu HIV-Neu-Diagnosen (auf der Ebene Bundesländer, Regierungsbezirke, Großstädte). Zu finden unter www3.rki.de/SurvStat > Meldekategorie: Nichtnamentlich direkt an das RKI“

Über Kondome und Ignoranz

Dass einige Politiker im Bundestag einen Antrag eingebracht haben, mit dem die ‚fahrlässige HIV-Verbreitung‘ zukünftig unter Strafe gestellt werden soll, geistert ja inzwischen sogar durch die sich ansonsten oftmals eher weniger durch Inhalt profilierenden Gratis-Homoblätter.

Dabei gerät allerdings gerne in Vergessenheit, dass eine bewusste Infektion eines/r anderen bereits heute strafbar sein kann – und dass schon heute Positive auch in Deutschland wegen ‚gefährlicher Körperverletzung‘ verurteilt werden, wie jüngst ein schwuler Mann in Memmingen.

Unterdessen läuft auch in Würzburg seit Ende Dezember 2006 ein Verfahren wegen bewusster HIV-Infektion (das außerhalb der regionalen Medien kaum wahrgenommen wird). Ein 38jähriger Mann afrikanischer Abstammung muss sich dort vor Gericht verantworten. Ihm wird zur Last gelegt, mit mindestens sieben Frauen ungeschützten Sex gehabt zu haben; mindestens eine davon wurde mit HIV infiziert. Als Motiv wird ihm Rache vorgeworfen.
(In einem anderen Fall wurde gestern ein sehbehinderter HIV-positiver Berliner freigesprochen, der in Notwehr einen Potsdamer in den Finger gebissen hatte, der ihn vorher mehrfach rassistisch beleidigte und angriff.)

Ein Teil der schwulen Szene reagiert, eine langsam wachsende Zahl von Betreibern schwuler Treffpunkte schließt sich einer freiwilligen Selbstverpflichtung an (insbes. kostenloses Bereitstellen von Kondomen und Gel), in Berlin sogar unter einem „Markennamen“: safety4free.

Umso mehr macht es mich sauer, wenn (gerade auch in Berlin) immer noch Betreiber von Sex-Orten wie Darkrooms oder Saunen sich weigern, unentgeltlich Kondome auszugeben. Und, darauf angesprochen, reagieren mit Kommentaren wie ‚das musste dir schon selbst mitbringen‘ oder ‚das können wir uns hier nicht leisten‘.
Wem sie mit ihrer Ignoranz in die Hände spielen, ist wohl offensichtlich … und der Gast mag vielleicht nachdenken, ob er (es gibt Auswahl genug) nicht lieber an Orte gehen mag, die sich Gedanken um die Szene und ihre Gäste machen – und im Bedarfsfall Kondome bereit stellen.

Es gilt, ein Klima zu erhalten (oder auszubauen), das Solidarität ermöglicht, Diskriminierung vermeidet und so erst die Basis für Präventionsbemühungen bietet.

Die Versuche, Positive zu kriminalisieren, einseitig „Schuld“ und „Verantwortung“ nur einer Seite zuzuweisen, schreiten derweil voran. Wachsam bleiben.

Regierung plant Gesetz gegen ‚fahrlässige Verbreitung von HIV‘

Was gestern noch wie ein Märchen klang, kann morgen schon Wirklichkeit sein … leider aber auch ein Alptraum, denn die Bundesregierung plant anscheinend ein Gesetz gegen die ‚fahrlässige Verbreitung von HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten‘.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 2. Dezember, dass die Regierungsparteien (CDU/CSU und SPD) sich auf einen Entschließungs-Antrag zur Strafbarkeit der fahrlässigen Verbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten geeinigt haben. Der Antrag sei inzwischen an die zuständigen Bundestags- Ausschüsse überwiesen worden.

Dem Antrag 1) zufolge soll geprüft werden, ob entsprechende Erfahrungen Österreichs und der Schweiz (zur Strafbarkeit der fahrlässigen HIV-Verbreitung) auch für Deutschland nutzbar gemacht werden können.
Ziel seien dabei (zunächst?) nicht die jeweiligen Sexualpartner, sondern die Betreiber von Internet-Sexagenturen sowie Betreiber von Sex-Parties. Gesucht werden laut Antrag „handhabbare Regelungen zur Eindämmung der kommerziellen Angebote von ungeschütztem Sex“. Nach einem Zeitraum von 2 Jahren, in dem die Wirksamkeit von Selbstverpflichtungen geprüft werden soll, werden Vorschläge für eine rechtliche Regelung gefordert.

Parallel wird in dem Antrag auch gefordert, dass ‚Anbieter von Orten sexueller Begegnung‘ Kondome, Gleitgel sowie safer-sex-Informationen bereit legen und vollständig „auf Werbung und Unterstützung für ungeschützten Geschlechtsverkehr“ verzichten.

Der Antrag geht dabei teilweise von Vorurteile und falschen Annahmen aus, so z.B. wenn dort formuliert wird „besonders beunruhigend ist eine Zunahme an Infektionen mit primär resistentem HI-Virus“. Hierzu sagt das Robert-Koch-Institut im Gegenteil „es ist keine Zunahme der Übertragungshäufigkeit resistenter HIV zu verzeichnen und bisher auch keine Zunahme der Übertragung mehrfach resistenter Viren“ (Epidemiologisches Bulletin Nr. 47 vom 24. November 2006).

Bereits im Entwurf zum Aids-Aktionsplan der Bundesregierung hatte es entsprechende Hinweise auf derartige Bemühungen gegeben, wenn auch verharmlosend mit dem Hinweis, entsprechende Bemühungen sollten erst weiter verfolgt werden wenn …

Mit dem nun publik gewordenen Vorhaben mehren sich die Anzeichen, dass auch in Deutschland ein Rollback zu law and order in der Aids-Politik droht, vermehrt mit juristischen Maßnahmen (auch) gegen Positive vorgegangen werden soll.

Bemühungen, auf freiwilliger Basis die Möglichkeiten und Bedingungen von safer sex in Szene-Einrichtungen zu verbessern (safer environment Ansatz), wie sie z.B. auch die Initiative safety4free Berliner Wirte und Partybetreiber zusammen mit ManCheck geht, werden so brüskiert.

Ganz abgesehen von der Frage, ob es nicht auch legitime Formen des ungeschützten Sex geben mag, zeigt die Initiative erneut, dass die Bundesregierung bei der Aids-Bekämpfung den Weg des Stärkens der Kompetenz des Individuums und des eigenverantwortlichen Handelns (Risikomanagement) verlässt zugunsten zusätzlicher repressiver Maßnahmen.

DAH-Empfang Ulla Schmidt
Nebenbei, wie nett, dass Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt beim Jahresempfang der DAH zu diesem Regierungsvorhaben kein Wort verloren hat …

Anmerkung:
1) Sollte jemand sich an seinen Abgeordneten wenden wollen: Der Antrag wurde eingereicht von den Abgeordneten Jens Spahn, Wolfgang Zöller, Annette Widmann-Mauz, Peter Albach, Norbert Barthle, Dr. Wolf Bauer, Maria Eichhorn, Dr. Hans-Georg Faust, Hubert Hüppe, Max Straubinger, Hermann-Josef Scharf, Willi Zylajew, Hartmut Koschyk, Dr. Norbert Röttgen, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Peter Friedrich, Elke Ferner, Carola Reimann, Dr. Wolfgang Wodarg, Olaf Scholz, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD.

(gepostet 2.12., 21:28, ergänzt 3.12. 12:40)

Na dann Gesundheit …

Die Berliner Aids-Hilfe hat ein neues Plakat:

Gesundheit Plakat BAH

Nun sind Plakate ja was Schönes, gerade wenn hübsch gestaltet und ein netter Männerkörper drauf ist. Aber – was will mir dieses Plakat sagen?

Unter dem Motto „Wissen schafft Klarheit“ fordert es zum HIV-Test auf, weist auf ein diesbezügliches Angebot der BAH hin.

Klarheit soll hier ja offensichtlich über den eigenen HIV-Status geschaffen werden. Und dann? Soll sich der als positiv getestete Mensch danach dann als nicht mehr gesund fühlen? Oder warum diese Überschrift? Frag ich mich nun ratlos …