Deutsche AIDS-Hilfe kritisiert Medienberichte über Substitution

Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) widerspricht negativen und fachlich teilweise falschen Berichten zur Substitutionsbehandlung von Opiatkonsumenten in der Ärztezeitung und in Medien der WAZ-Gruppe („Junkies nehmen Heroin und dealen mit Methadon“). Zum wiederholten Mal entsteht in der Öffentlichkeit durch falsche Informationen der Eindruck, viele Substituierte würden weiterhin Heroin konsumieren und ihr Substitut auf dem Schwarzmarkt weiterverkaufen. Dieses pauschale Bild entspricht nicht der Wirklichkeit. Substitution ist die weltweit erfolgreichste Behandlungsform für Heroinkonsumenten und rettet in Deutschland Zehntausenden das Leben.

Silke Klumb, Geschäftsführerin der DAH erklärt hierzu: „Substitutionspatienten werden in diesen Berichten diskreditiert, indem sie als Dealer und Betrüger dargestellt werden. Die positiven Effekte der Substitutionsbehandlung fallen unter den Tisch. Substitution ermöglicht den Betroffenen den Ausstieg aus der Drogenszene und die Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Viele können zum Beispiel wieder arbeiten.“

Die WAZ-Medien zitieren einen FDP-Landtagsabgeordneten, der sich auf nicht näher bezeichnete Studien bezieht. Die Ärztezeitung nimmt in ihrem Bericht Bezug auf die bekannte ZIS-Studie, zieht aber falsche Schlüsse. Bereits nach Veröffentlichung der Studie im Jahr 2009 erläuterten die Autoren: „Bei den befragten 806 Personen handelt es sich zum großen Teil um sozial desintegrierte, schwer kranke Personen, die im Umfeld von Drogenkonsumräumen kontaktiert wurden, und nicht um reguläre, integrierte Substitutionspatienten.“ Die Wissenschaftler reagierten damit auf fehlerhafte Berichte über die Studie, unter anderem im Spiegel.

Das Thema Beikonsum (Drogenkonsum zusätzlich zum Medikament, das die Droge ersetzt) wird immer wieder falsch dargestellt. Indem etwa Kokain, Medikamente und Alkohol in einem Atemzug mit Heroin genannt werden, entsteht der Eindruck, viele Substituierte würden weiter Heroin konsumieren. Das kommt aber nur relativ selten vor.

Dazu Dirk Schäffer, DAH-Referent für Drogen und Strafvollzug: „Drogenabhängige konsumieren oft viele Substanzen. Die Substitutionsmedikamente wirken ausschließlich gegen die Opiatabhängigkeit. Der missbräuchliche Konsum anderer Substanzen wird nicht beeinflusst. Hier werden unrealistische Erwartungen an die Substitutionsbehandlung gerichtet.“

Auch der reflexartige Ruf nach mehr Kontrolle der Substitutionsbehandlung verkennt die Realität. Substitution ist bereits heute so engmaschig reglementiert, dass viele Ärzte den Aufwand scheuen und aus dieser Behandlungsform aussteigen. Ein Höchstmaß an Regeln und Kontrollen erschwert zugleich vielen Abhängigen den Einstieg in die Behandlung.

Statt Substitution in Frage zu stellen, muss es darum gehen, die Palette der zur Verfügung stehenden Medikamente zu erweitern, um noch mehr Heroinkonsumenten eine für sie passende Behandlung anbieten zu können. Nach den Ergebnissen der „Heroinstudie“ in Deutschland profitieren sowohl bisher nicht erreichte Heroinkonsumenten als auch so genannte „Substitutionsversager“ von einer Behandlung mit Diamorphin (pharmazeutisch reines Heroin).

Darüber hinaus gilt es, den Wiedereinstieg in Arbeit und Beschäftigung weiter zu erleichtern und damit die Fähigkeit zur Eigenverantwortung zu stärken. Beikonsum kann auf diesem Weg reduziert werden.

(Pressemitteilung der DAH)

Drogentod nach Haftentlassung – Deutsche AIDS-Hilfe und Akzept fordern Justizvollzug zum sofortigen Handeln auf

Im Jahr 2009 kamen nach Angaben der Drogenbeauftragten der Bundesregierung 1.331 Menschen durch den Konsum illegaler Drogen ums Leben. Dies ist zwar ein Rückgang um acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr (1.449), doch die Zahl der Drogentodesfälle befindet sich weiterhin auf einem extrem hohen und nicht akzeptablen Niveau.

„Um diese hohe Zahl zu verringern müssen die Risikofaktoren identifiziert werden, damit Präventionsmaßnahmen zielgruppenspezifisch und passgenau entwickelt werden können“, erläutert Prof. Dr. Heino Stöver, Vorsitzender des Bundesverbandes für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik, akzept e.V.

Temporäre Abstinenz als Faktor für Notfälle – nach der Entlassung versterben viele Drogengebraucher an einer Überdosis

Kriminalpolizeiliche Daten und Daten aus Drogenkonsumräumen zeigen deutlich, dass Drogengebraucher nach Haftentlassung besonders gefährdet sind, an einer Überdosis zu sterben. Die WHO geht von einem mehr als 100fach erhöhten Sterberisiko für drogenabhängige, rückfällige gewordene Haftentlassene in den ersten Wochen nach Haftentlassung aus. Diese Sterbefälle kommen durch unbeabsichtigte Überdosierungen zustande – tödliche Unfälle, die vermeidbar sind.

Prof. Dr. Heino Stöver: „Ausschlaggebend für die deutlich erhöhten Drogentodesfallrisiken von Haftentlassenen sind die gesunkene Toleranz des Körpers nach temporärer Abstinenz, die Unkenntnis über den Reinheitsgrad der verwendeten Droge sowie ein verändertes Drogenkonsumverhalten. Hinzu kommen soziale Stressfaktoren infolge des Haftaufenthaltes wie Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit und fehlende soziale Bezüge.“

Prävention von Drogentodesfällen nach Haftentlassung

Die Standards der medizinischen Versorgung in Haft sollen mit denen außerhalb der Haft vergleichbar sein. Dies ist gesetzlich verankert und in vielen internationalen Leitlinien festge-schrieben (u.a. WHO, EU). „Die Bundesländer sind in der Verantwortung – nicht nur moralisch sondern auch gesetzlich“, sagt Bärbel Knorr, Mitarbeiterin des Fachbereichs Drogen und Haft der Deutschen AIDS-Hilfe e.V.

Deutsche AIDS-Hilfe und Akzept. e.V. fordern:

Bedarfsgerechte Substitutionsbehandlung im Gefängnis!
Die Substitution mit Ersatzstoffen reduziert die Wahrscheinlichkeit der Überdosierung nach Haftentlassung drastisch, auch die Infektionsgefahren während der Haftzeit können dadurch minimiert werden. „Die Substitutionsbehandlung im Gefängnis ist eine stabilisierende und überlebenssichernde Maßnahme“, sagt Dirk Schäffer, Referent für Drogen und Haft der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. Auch die Bundesärztekammer vertritt diese Haltung in ihren Richtlinien.

Erweiterung des Drogenhilfe- und Aidshilfe-Angebots in Haft.
Wegsperren ist keine Lösung, Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen benötigen Beratungsangebote.

Drogennotfalltrainings
In einigen Berliner Justizvollzugsanstalten wurden Drogennotfalltrainings durchgeführt.
„Die Trainings beschränken sich nicht nur auf das Trainieren des angemessenen Verhaltens im Drogennotfall, sondern thematisieren auch besondere Risiken wie den Konsum nach Abstinenz. Auch die Vergabe von Naloxon (Opiatantagonist), eingebettet in ein Drogennotfalltraining, kann eine sinnvolle lebensrettende Maßnahme sein“, erklärt Kerstin Dettmer von Fixpunkt e.V.

„Diese präventiven Maßnahmen sind in den bestehenden Strukturen des Justizvollzugs ohne erhebliche finanzielle Mehrkosten umsetzbar. Hier geht es um Menschenleben, die nicht leichtfertig auf Spiel gesetzt werden dürfen. Wir fordern daher die Justizministerien der Länder zum Handeln auf“, erklären Prof. Stöver und Dirk Schäffer.

(Pressemitteilung der DAH)

The Lancet: Ausgabe zu HIV bei Drogengebrauchern

„HIV in people who use drugs“ – die medizinische Fachzeitschrift The Lancet hat anlässlich der XVIII. Internationalen Aids-Konferenz eine komplette Ausgabe dem Thema „HIV bei Drogengebraucher/innen“ gewidmet. Die Ausgabe ist online verfügbar.

The Lancet (zu deutsch „Die Lanzette“) ist eine der ältesten (gegründet 1823) medizinischen Fachzeitschriften der Welt, die ein Peer-Review („Begutachtung durch Ebenbürtige“, Verfahren zur Beurteilung von wissenschaftlichen Arbeiten im Wissenschaftsbetrieb) einsetzen.

Die einzelnen Beiträge der Ausgabe (alle online kostenfrei abrufbar):

Comments:
Rescuing people with HIV who use drugs – Richard Horton, Pam Das
12 myths about HIV/AIDS and people who use drugs – Chris Beyrer, Kasia Malinowska-Sempruch, Adeeba Kamarulzaman, Steffanie A Strathdee
Vienna Declaration: a call for evidence-based drug policies – Evan Wood, Dan Werb, Michel Kazatchkine, Thomas Kerr, Catherine Hankins, Robin Gorna, David Nutt, Don Des Jarlais, Françoise Barré-Sinoussi, Julio Montaner
HIV and women who use drugs: double neglect, double risk –
Nabila El-Bassel, Assel Terlikbaeva, Sophie Pinkham
Alcohol: the forgotten drug in HIV/AIDS – Katherine Fritz, Neo Morojele, Seth Kalichman
Tackling HIV and drug addiction in Mexico – José Guadalupe Bustamante Moreno, José Antonio Izazola Licea, Carlos Rodríguez Ajenjo

Series Papers:
HIV and risk environment for injecting drug users: the past, present, and future – Steffanie A Strathdee, Timothy B Hallett, Natalia Bobrova, Tim Rhodes, Robert Booth, Reychad Abdool, Catherine A Hankins
Prevention of HIV infection for people who inject drugs: why individual, structural, and combination approaches are needed – Louisa Degenhardt, Bradley Mathers, Peter Vickerman, Tim Rhodes, Carl Latkin, Matt Hickman
Treatment and care for injecting drug users with HIV infection: a review of barriers and ways forward – Daniel Wolfe, M Patrizia Carrieri, Donald Shepard
Treatment of medical, psychiatric, and substance-use comorbidities in people infected with HIV who use drugs – Frederick L Altice, Adeeba Kamarulzaman, Vincent V Soriano, Mauro Schechter, Gerald H Friedland
Amphetamine-group substances and HIV – Grant Colfax, Glenn-Milo Santos, Priscilla Chu, Eric Vittinghoff, Andreas Pluddemann, Suresh Kumar, Carl Hart
People who use drugs, HIV, and human rights – Ralf Jürgens, Joanne Csete, Joseph J Amon, Stefan Baral, Chris Beyrer
Time to act: a call for comprehensive responses to HIV in people who use drugs – Chris Beyrer, Kasia Malinowska-Sempruch, Adeeba Kamarulzaman, Michel Kazatchkine, Michel Sidibe, Steffanie A Strathdee

The Lancet Juli 2010: HIV in people who use drugs

‚Krieg gegen Drogengebraucher‘ – Proteste gegen Kanadas Drogen-Politik (akt.)

Kanadas Regierung hält in der Drogen-Politik nichts von harm reduction. Keine sauberen Spritzbestecke für Drogengebraucher, dafür harte ’no drugs‘-Politik. Das sei kein ‚Krieg gegen Drogen‘, sondern Krieg gegen Drogengebraucher, kritisierten Demonstranten auf einer Aktion gegen den Stand Kanadas auf der XVIII. Welt-Aids-Konferenz.

Mit einem Die-In und einem Blockieren des Stands Kanadas auf der XVIII. Welt-Aids-Konferenz protestierten etwa 50 Aids-Aktivisten am 20. Juli 2010 gegen die Drogen-Politik der kanadischen Regierung. Sie ‚verpackten‘ den Stand Kanadas und riefen Parolen wie „The war on drugs is a war on us! Support harm reduction now“. Ein Demonstrant soll vom Konferenzort verwiesen worden sein, da er Banner des kanadischen Stands beschädigt habe.

Kanadas Regierung unter Steven Harper weigert sich seit langem, saubere Spritzbestecke und andere Maßnahmen des ‚harm reduction‚ anzubieten.

Dem gegenüber betonten die Demonstranten, es gebe überwältigend viel Evidenz, dass das Konzept der ‚harm reduction‘ ein Erfolgskonzept sei bei der Bekämpfung der HIV-Transmission.

Proteste gegen Kanadas 'neue' Drogenpolitik (Foto: Dirk Sander)
Proteste gegen Kanadas 'neue' Drogenpolitik (Foto: Dirk Sander)
Proteste gegen Kanadas 'neue' Drogenpolitik (Foto: Dirk Sander)
Proteste gegen Kanadas 'neue' Drogenpolitik (Foto: Dirk Sander)

Die Demonstranten verwiesen insbesondere auf die ‚Wiener Erklärung‚. Doch Kanadas Delegation bei der Wiener Welt-Aids-Konferenz weigert sich, diese Abschluss-Erklärung der Konferenz zu unterzeichnen. Einige Punkte der ‚Wiener Erklärung‚ passten nicht zur gültigen ‚Nationalen Anti-Drogen-Strategie‘, so Charlene Wiles von der Public Health Agency Kanadas zur Begründung.

Proteste gegen Kanadas 'neue' Drogenpolitik (Foto: Dirk Sander)
Proteste gegen Kanadas 'neue' Drogenpolitik (Foto: Dirk Sander)

Danke an Dirk Sander für die Fotos!

Nachtrag 23.07.2010, 13:50 Uhr:
Hram Reduction wird auch von internationalen Agenturen blockiert. So von UNODC, dem United Nation Office on Drugs and Crimes. ACT UP Paris fordert UNODC auf, seinen Krieg gegen Drogengebraucher/innen zu stoppen und die ‚Wiener Erklärung‚ zu unterzeichnen.
ACT UP Paris 23.07.2010: UNODC : War against drugs is war againt drug users

weitere Informationen:
canadian harm reduction network
Xtra 21.07.2010: Canadian booth shut down in Vienna

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Wiener Erklärung

Vom 18. bis 23. Juli 2010 fand in Wien die XVIII. Welt-Aids-Konferenz statt. Zum Abschluss verabschiedete die Konferenz die „Wiener Erklärung“, die für eine dringende Änderung der Drogen-Politik appelliert.
Die Wiener Erklärung wurde initiiert von

The International Centre for Science in Drug Policy
The International AIDS Society
The XVIII International AIDS Conference
The BC Centre for Excellence in HIV/AIDS
Die „Wiener Erklärung“ (siehe online auf http://www.diewienererklarung.com/) wurde bisher (Stand 21.07.2010) von über 11.200 Personen unterzeichnet; im Folgenden als Dokumentation (die Zahlen im Text verweisen auf Quellen-Angaben im, Anschluss an den Text):

Die Wiener Erklärung

Die Kriminalisierung von Konsumenten illegaler Drogen trägt zur Ausbreitung der HIV-Epidemie bei und hat äußerst negative gesundheitliche und soziale Folgen nach sich gezogen. Hier ist eine umfassende strategische Neuorientierung erforderlich.

Als Reaktion auf die gesundheitlichen und sozialen Schäden durch illegale Drogen wurde unter dem Dach der Vereinten Nationen eine breit angelegte internationale Drogenverbotspolitik entwickelt.1 Dank jahrzehntelanger Forschung ist eine umfassende Einschätzung der Auswirkungen des globalen „War on Drugs“ möglich. Nun, da sich tausende Menschen anlässlich der XVIII. Internationalen AIDS-Konferenz in Wien versammeln, fordert die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft eine Anerkennung der Grenzen und schädlichen Auswirkungen von Drogenverboten sowie eine Reform der Drogenpolitik, die zum Ziel hat, Barrieren für eine effektive HIV-Prävention, -Therapie und -Versorgung zu beseitigen.

Mittlerweile ist zweifelsfrei bewiesen, dass es den Strafverfolgungsbehörden nicht gelungen ist, die Verfügbarkeit illegaler Drogen an Orten, wo eine entsprechende Nachfrage existiert, zu unterbinden.2, 3 Nationale und internationale Drogenüberwachungssysteme zeigten über die letzten Jahrzehnte hinweg eine allgemeine Tendenz sinkender Preise und zunehmender Reinheit von Drogen – und dies trotz massiver Investitionen in die Strafverfolgung bei der Drogenbekämpfung.3, 4

Darüber hinaus gibt es keine Belege dafür, dass härtere Strafverfolgungsmaßnahmen den Drogenkonsum spürbar senken.5 Ferner zeigen die Daten eindeutig, dass auch die Zahl der Länder, in denen Menschen illegale Drogen injizieren, wächst, wobei zunehmend Frauen und Kinder betroffen sind.6 Außerhalb von den subsaharischen afrikanischen Ländern geht ungefähr jeder dritte neue Fall von HIV auf den Konsum injizierter Drogen zurück.7, 8 In einigen der Gegenden mit der derzeit schnellsten HIV-Ausbreitung wie z.B. Osteuropa und Zentralasien kann die HIV-Prävalenz bis zu 70 % der injizierenden Drogenkonsumenten betragen. Stellenweise fallen sogar mehr als 80% aller HIV-Fälle in diese Gruppe.8

Angesichts dieser erdrückenden Beweislage, die zeigt, dass die Strafverfolgungsmaßnahmen in der Drogenbekämpfung ihre erklärten Ziele nicht erreicht hat, ist es von entscheidender Bedeutung, dass die schädlichen Folgen dieses Scheiterns zur Kenntnis genommen und entsprechende Gegenmaßnahmen getroffen werden. Beispiele für die schädlichen Folgen sind:

* Ausbreitung der HIV-Epidemie durch Kriminalisierung von Konsumenten illegaler Drogen sowie durch das Verbot der Bereitstellung steriler Nadeln und opioidgestützter Substitutionstherapien9, 10
* HIV-Ausbrüche unter inhaftierten und heimuntergebrachten Drogenkonsumenten als Ergebnis von Strafgesetzen und -regelungen sowie von mangelnder HIV-Prävention in diesem Umfeld.11-13
* Die Aushöhlung öffentlicher Gesundheitssysteme im Zuge von Strafverfolgungsmaßnahmen, die Drogenkonsumenten von Prävention und Versorgung fernhalten und in ein Umfeld drängen, wo ein erhöhtes Risiko der Übertragung von Infektionskrankheiten (z.B. HIV, Hepatitis C und B sowie Tuberkulose) und anderer schädlicher Einflüsse besteht.14-16
* Krise der Strafjustizsysteme als Ergebnis von Rekordinhaftierungsraten in zahlreichen Ländern.17, 18 Dies hat sich negativ auf die soziale Funktionsfähigkeit ganzer Kommunen ausgewirkt. Während sich ethnische Unterschiede bei den Inhaftierungsraten für Drogendelikte in vielen Ländern weltweit zeigen, so ist dieser Effekt in den USA besonders stark ausgeprägt: Hier sitzt zu einem x-beliebigen Zeitpunkt jeder neunte männliche Afroamerikaner aus der Altersgruppe von 20 bis 34 Jahren im Gefängnis, was vor allem das Ergebnis von Strafverfolgungsmaßnahmen bei der Drogenbekämpfung ist.19
* Stigmatisierung von Menschen, die illegale Drogen konsumieren, was wiederum die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten politisch populärer macht und die HIV-Prävention sowie andere Gesundheitsförderungsprogramme untergräbt.20, 21
* Schwere Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Folter, Zwangsarbeit, unmenschliche und erniedrigende Behandlung sowie Hinrichtungen von Drogenstraftätern in etlichen Ländern.22, 23
* Ein riesiger illegaler Markt mit einem geschätzten jährlichen Wert von 320 Milliarden US-Dollar.4 Diese Gewinne bleiben vollständig außerhalb der Regierungskontrolle. Sie schüren Kriminalität, Gewalt und Korruption in unzähligen Städten und haben ganze Länder wie z.B. Kolumbien, Mexiko und Afghanistan destabilisiert.4
* Milliarden an Steuerdollars werden an einen „War on Drugs“-Ansatz zur Drogenbekämpfung verschwendet, der seine erklärten Ziele nicht erreicht, sondern stattdessen sogar direkt oder indirekt zu den genannten schädlichen Auswirkungen beiträgt.24

Leider werden Belege dafür, dass die Drogenverbotspolitik ihre erklärten Ziele verfehlt hat, sowie für die äußerst negativen Folgen dieser Strategie oftmals durch diejenigen geleugnet, die ein persönliches Interesse daran haben, den Status quo aufrechtzuerhalten.25Dies hat zu Verwirrung in der Öffentlichkeit geführt und unzählige Menschenleben gefordert. Regierungen und internationale Organisationen sind ethisch und rechtlich dazu verpflichtet, auf diese Krise zu reagieren, und müssen sich um alternative evidenzbasierte Strategien bemühen, die effektiv die schädlichen Auswirkungen von Drogen reduzieren können, ohne ihrerseits neue Schäden nach sich zu ziehen. Wir, die Unterzeichner, fordern Regierungen und internationale Organisationen, einschließlich der Vereinten Nationen, dazu auf:

* eine transparente Überprüfung der Wirksamkeit der derzeitigen Drogenpolitik durchzuführen.
* einen wissenschaftlich fundierten gesundheitspolitischen Ansatz umzusetzen und zu evaluieren, der den individuellen und gemeinschaftlichen Schäden durch illegalen Drogenkonsum wirksam begegnet.
* Drogenkonsumenten zu entkriminalisieren, mehr Möglichkeiten evidenzbasierter Behandlung von Drogenabhängigkeit zu schaffen sowie erfolglose Behandlungszentren zu schließen, in denen Drogenabhängige zwangstherapiert werden und die gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verstoßen.26
* die Finanzierung für die Umsetzung des umfassenden Pakets von HIV-Interventionen aus dem Zielsetzungshandbuch von WHO, UNODC und UNAIDS eindeutig zu befürworten und auszuweiten.27
* die betroffenen Kommunen sinnvoll in die Entwicklung, Überwachung und Durchführung von Dienstleistungen und politischen Maßnahmen, die das Leben der Menschen vor Ort beeinflussen, einzubinden.

Des weiteren fordern wir den UN-Generalsekretär Ban Ki-moon auf, dringend Maßnahmen zu ergreifen um sicherzustellen, dass das System der Vereinten Nationen, einschließlich des Internationalen Suchtstoffkontrollamtes, mit einer Stimme spricht, um die Entkriminalisierung von Drogenkonsumenten und die Durchführung von evidenzbasierten Ansätzen der Drogenkontrolle zu unterstützen.28

Die Drogenpolitik auf wissenschaftliche Erkenntnisse zu stützen, wird den Drogenkonsum oder die Probleme, die durch injizierenden Drogenkonsum entstehen, nicht beseitigen. Aber eine Neuausrichtung der Drogenpolitik in Richtung evidenzbasierter Ansätze, die die Menschenrechte respektieren, schützen und erfüllen, hat das Potenzial, Schäden, die durch die gegenwärtige Politik entstehen, zu verringern und würde die Umleitung großer finanzieller Ressourcen dorthin ermöglichen, wo sie am meisten gebraucht werden: zur Durchführung und Evaluierung evidenzbasierter Prävention, Kontrolle, Behandlung und Maßnahmen zur Schadensminimierung.

REFERENCES
1. William B McAllister. Drug diplomacy in the twentieth century: an international history. Routledge, New York, 2000.
2. Reuter P. Ten years after the United Nations General Assembly Special Session (UNGASS): assessing drug problems, policies and reform proposals. Addiction 2009;104:510-7.
3. United States Office of National Drug Control Policy. The Price and Purity of Illicit Drugs: 1981 through the Second Quarter of 2003. Executive Office of the President; Washington, DC, 2004.
4. World Drug Report 2005. Vienna: United Nations Office on Drugs and Crime; 2005.
5. Degenhardt L, Chiu W-T, Sampson N, et al. Toward a global view of alcohol, tobacco, cannabis, and cocaine use: Findings from the WHO World Mental Health Surveys. PLOS Medicine 2008;5:1053-67.
6. Mathers BM, Degenhardt L, Phillips B, et al. Global epidemiology of injecting drug use and HIV among people who inject drugs: A systematic review. Lancet 2008;372:1733-45.
7. Wolfe D, Malinowska-Sempruch K. Illicit drug policies and the global HIV epidemic: Effects of UN and national government approaches. New York: Open Society Institute; 2004.
8. 2008 Report on the global AIDS epidemic. The Joint United Nations Programme on HIV/AIDS; Geneva, 2008.
9. Lurie P, Drucker E. An opportunity lost: HIV infections associated with lack of a national needle-exchange programme in the USA. Lancet 1997;349:604.
10. Rhodes T, Lowndes C, Judd A, et al. Explosive spread and high prevalence of HIV infection among injecting drug users in Togliatti City, Russia. AIDS 2002;16:F25.
11. Taylor A, Goldberg D, Emslie J, et al. Outbreak of HIV infection in a Scottish prison. British Medical Journal 1995;310:289.
12. Sarang A, Rhodes T, Platt L, et al. Drug injecting and syringe use in the HIV risk environment of Russian penitentiary institutions: qualitative study. Addiction 2006;101:1787.
13. Jurgens R, Ball A, Verster A. Interventions to reduce HIV transmission related to injecting drug use in prison. Lancet Infectious Disease 2009;9:57-66.
14. Davis C, Burris S, Metzger D, Becher J, Lynch K. Effects of an intensive street-level police intervention on syringe exchange program utilization: Philadelphia, Pennsylvania. American Journal of Public Health 2005;95:233.
15. Bluthenthal RN, Kral AH, Lorvick J, Watters JK. Impact of law enforcement on syringe exchange programs: A look at Oakland and San Francisco. Medical Anthropology 1997;18:61.
16. Rhodes T, Mikhailova L, Sarang A, et al. Situational factors influencing drug injecting, risk reduction and syringe exchange in Togliatti City, Russian Federation: a qualitative study of micro risk environment. Social Science & Medicine 2003;57:39.
17. Fellner J, Vinck P. Targeting blacks: Drug law enforcement and race in the United States. New York: Human Rights Watch; 2008.
18. Drucker E. Population impact under New York’s Rockefeller drug laws: An analysis of life years lost. Journal of Urban Health 2002;79:434-44.
19. Warren J, Gelb A, Horowitz J, Riordan J. One in 100: Behind bars in America 2008. The Pew Center on the States Washington, DC: The Pew Charitable Trusts 2008.
20. Rhodes T, Singer M, Bourgois P, Friedman SR, Strathdee SA. The social structural production of HIV risk among injecting drug users. Social Science & Medicine 2005;61:1026.
21. Ahern J, Stuber J, Galea S. Stigma, discrimination and the health of illicit drug users. Drug and Alcohol Dependence 2007;88:188.
22. Elliott R, Csete J, Palepu A, Kerr T. Reason and rights in global drug control policy. Canadian Medical Association Journal 2005;172:655-6.
23. Edwards G, Babor T, Darke S, et al. Drug trafficking: time to abolish the death penalty. Addiction 2009;104:3.
24. The National Centre on Addiction and Substance Abuse at Columbia University (2001). Shoveling up: The impact of substance abuse on State budgets.
25. Wood E, Montaner JS, Kerr T. Illicit drug addiction, infectious disease spread, and the need for an evidence-based response. Lancet Infectious Diseases 2008;8:142-3.
26. Klag S, O’Callaghan F, Creed P. The use of legal coercion in the treatment of substance abusers: An overview and critical analysis of thirty years of research. Substance Use & Misuse 2005;40:1777.
27. WHO, UNODC, UNAIDS 2009. Technical Guide for countries to set targets for universal access to HIV prevention, treatment and care for injection drug users.
28. Wood E, Kerr T. Could a United Nations organisation lead to a worsening of drug-related harms? Drug and Alcohol Review 2010;29:99-100.

Frankreich: HIV-Test-Zentren für Schwule

Die französische Gesundheitsministerin Bachelot plant, ab kommendem Jahr in Frankreich 10 Zentren für HIV-Tests einzurichten, die sich speziell an Homosexuelle wenden.

Roselyn Bachelot, die französische Gesundheitsministerin, plant Änderungen an der französischen Aids-Politik. Dies teilte sie am Rand der Welt-Aids-Konferenz in Wien mit.

Roselyne Bachelot-Narquin, französische Gesundheitsministerin
Roselyne Bachelot-Narquin, französische Gesundheitsministerin

Zwei wesentliche Elemente der von ihr geplanten Änderungen:
– vermehrte HIV-Testung der Allgemeinbevölkerung („renforcement du dépistage au sein de la population générale“), und
– zehn Homo-HIV-Test-Zentren ab 2011 und unter Beteiligung von NGOs („Sur des groupes plus ciblés, et en particulier les gays, je veux ouvrir, dès 2011, 10 centres de dépistage dans lesquels les associations interviendront“:
Diese Änderungen kündigte Bachelot in einem Interview mit der französischen Tageszeitung ‚Liberation‘ an. Bei den geplanten ‚Homo-HIV-Test-Zentren‘ seien allerdings noch einige rechtliche Fragen zu klären.

In Sachen HIV-Test sei ihr vorrangiges Ziel, zu entstigmatisieren, zu banalisieren.

Zur Frage von Drogen-Konsumräumen äußerte sich Bachelot zuzrückhaltend; man müsse sich zunächst mit den Beteiligten abstimmen. Ein Bericht des staatlichen Instituts INSERM (Institut National de la Santé Et de la Recherche Médicale) hatte sich jüngst für ‚Druckräume‘ ausgesprochen.

Vertreter von Aids-Organisationen zeigten sich enttäuscht von Bachelots Interview. „Ein Schritt vor, und frei zurück“, kommentierte ein Vertreter von Aides. Auch was die geplanten Test-Zentren angeht, zeigte er sich enttäuscht. man wolle nicht zum Kaffee-Kochen degradiert werden, sondern selbst Tests anbieten können.

In dem Interview kündigte Bachelot an, Frankreich werde sein finanzielles Engagement im internationalen Kampf gegen Aids mit jährlich 300 Millionen Euro fortsetzen. Hinzu kämen 160 Mio. € für UNITAID, die internationale Einrichtung zum Erwerb von Medikamenten gegen HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose.

weitere Informationen:
Liberation 19.07.2010: Bachelot : «Il faut banaliser le dépistage anonyme et gratuit»
Yagg 19.07.2010: Roselyne Bachelot: « Il faut banaliser le dépistage anonyme et gratuit »
ACT UP Paris 19.07.2010: Roselyne Bachelot-Narquin à Vienne
Yagg 19.07.2010: Vienne 2010: Les associations très déçues par l’interview de Roselyne Bachelot
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Deutsche AIDS-Hilfe: Diamorphinbehandlung verbessert Situation der Betroffenen erheblich

Anlässlich des heutigen 12. bundesweiten Gedenktages für verstorbene Drogengebraucher fordert die Deutsche Aids-Hilfe mit Nachdruck eine vorurteilsfreie Auseinandersetzung um die gesundheitliche und soziale Situation Drogen gebrauchender Menschen sowie die rasche Aufnahme der Drogensubstitution in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Jedes Jahr am 21. Juli erinnern Angehörige, Freunde und solidarische Mitbürger an die im Vorjahr verstorbenen Drogengebraucher. Mit zahlreichen Veranstaltungen und Aktionen in über 40 Städten fordern sie dabei auch ein menschenwürdiges Leben mit Drogen. 2009 kamen in Deutschland nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit 1.331 Menschen durch den Konsum illegaler Drogen ums Leben – ein Rückgang um acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr (1.449): „Die meisten von ihnen starben an Überdosen von Heroin und einem Mischkonsum mit anderen Drogen. Gesundheitliche Langzeitschädigungen, insbesondere durch Infektionskrankheiten wie Hepatitis und AIDS, sind in zunehmendem Maße Mitursache vieler Todesfälle“ erklärte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Mechthild Dyckmans.

Silke Klumb, Geschäftsführerin der DAH: „Ein wichtiges Instrument zur Verbesserung der Situation von Opiatabhängigen ist die Substitutionsbehandlung mit Diamorphin. Die DAH hat sich seit Jahren massiv dafür eingesetzt, dass die Drogensubstitution in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen wird. Ich rechne damit, dass spätestens im Herbst diese Behandlung bei den gesetzlichen Krankenkassen abrechenbar wird.“

Beschluss des Bewertungsausschuss zur Gebührenposition der o.g. Substitutionsbehandlung: http://www.institut-des-bewertungsausschusses.de/ba/babeschluesse/2010-0…

(Pressemitteilung der DAH)

Anmerkung ondamaris 21.07.2010: Die Berliner Gesundheitssenatorin Lompscher kündigte am 21.07.2010 an, ab 1. Oktober Diamorphin auf Rezept in Berlin verfügbar machen zu wollen.

Harm Reduction – Erfolgs-Konzept der Aids-Politik

Was ist Harm Reduction?

Harm Reduction ist derzeit der vielversprechendste Ansatz in der Arbeit mit DrogengebraucherInnen. Die Internationale Aids-Konferenz in Wien (18.-23. Juli) widmet ihm einen eigenen Thementag. DAH-Referent Dirk Schäffer erklärt, warum die Einführung von Harm Reduktion Angeboten unbedingt notwendig war und das bis dahin sehr eindimensionale Hilfesystem verbesserte.

Herr Schäffer, in der Drogenhilfe hört man oft den Begriff Harm Reduction? Was ist das?
Auf Deutsch bedeutet Harm Reduction „Schadensminderung“. Ein klassisches Beispiel für ein solches Angebot ist der Spritzentausch. Bis 1992 war die Abgabe von Spritzen und Nadeln für den Drogenkonsum ein Straftatbestand. Die Deutsche AIDS-Hilfe hat mit ihrer Arbeit maßgeblich dazu beigetragen, dass das heute legal ist. Heute erhalten Drogenkonsumenten in Aids- und Drogenhilfen, in Apotheken sowie an Automaten steriles Zubehör. Ein wichtiger Schritt zur Vermeidung von HIV!

Was steckt hinter diesem Ansatz?
Entscheidend dabei ist: Es geht primär nicht um Abstinenz, sondern darum, unmittelbare gesundheitliche Schäden für Drogenkonsumenten zu reduzieren und ihr Überleben zu sichern.

Gleichzeitig erleichtert es den Konsum. Verleitet das Konzept nicht dazu, Drogen mal auszuprobieren?
Den Vorwurf hören wir häufig, aber er trifft nicht zu. Solche Angebote richten sich nicht an Personen die keine Drogenerfahrung haben und werden von solchen auch nicht wahrgenommen. Zielgruppe von Harm Reduction sind Menschen mit Drogenerfahrung, die zum Konsum entschlossen sind,– aus welchen Gründen auch immer.

Wie ist man auf die Idee „Harm Reduction“ gekommen?
Man musste einfach feststellen, dass die damaligen Angebote der Drogenhilfe wie Entzug oder Abstinenztherapien nur eine geringe Reichweite hatten. Und die Erfolge waren sehr überschaubar. Studien zeigen, dass bei solchen Programmen nur etwa 10 bis 15 Prozent der Teilnehmenden dauerhaft abstinent bleiben. Der weitaus größere Teil konsumiert danach wieder.

Eine schlechte Quote. Was ist noch neu an diesem Konzept?
Harm Reduction verpflichtet zu einem respektvollen Umgang mit Drogenkonsumenten und verzichtet auf alle Appelle zur sofortigen Verhaltsänderung. Darüber hinaus werden an die Inanspruchnahme solcher Angebote keine Vorbedingungen geknüpft. Harm Reduction Angebote sind also „niedrigschwellig“ Wir akzeptieren es, wenn jemand psychoaktive Stoffe nimmt, und nehmen ihn so an, wie er ist. Anders kann die Arbeit mit Drogen gebrauchenden Menschen gar nicht funktionieren.

Warum ist das so wichtig?
Wie bei allen anderen Gesundheitsproblemen gilt: Wer helfen will, darf nicht nur auf die Defizite der Menschen fokussieren, sondern sollte auch ihre Ressourcen und Fähigkeiten im Blick haben. Auch in einer schwierigen Lage hat jeder Mensch noch viele Kompetenzen, die ihm weiterhelfen können. Diese wollen wir stärken und so den gesundheitlichen Schaden gering halten.

Sie stellen diesen Ansatz auch auf der Internationalen Aidskonferenz in Wien vor. Ist Harm Reduction dort noch umstritten?
Nein, der Siegeszug von Harm Reduction ist nicht mehr aufzuhalten. Die meisten Staaten haben das Konzept inzwischen in ihre Drogenpolitik aufgenommen. Auch konservative Regierungen erkennen inzwischen, dass sie nur so die Ausbreitung von HIV stoppen können.

Was erwarten Sie von der Konferenz in Wien?
Unser Ziel ist es, dem Harm-Reduction-Ansatz auch in Osteuropa zum Durchbruch zu verhelfen. In Russland zum Beispiel wird Spritzentausch bisher nur durch internationale Projekte durchgeführt, die Regierung hat die Strategie bis heute nicht übernommen. Selbst die weltweit erfolgreiche Substitutionsbehandlung ist dort illegal. Dabei wäre auch das eine sehr wirkungsvolle Maßnahme der Schadensminderung.

Welche Botschaft wollen Sie dort verbreiten?
Auch Menschen, die Drogen gebrauchen, können Verantwortung übernehmen! Das deutsche Netzwerk JES ist ein gutes Beispiel, das es so nirgendwo sonst gibt: Hier unterstützen sich Drogenkonsumierende, Substituierte und Ehemalige gegenseitig. Damit Selbsthilfe funktioniert, braucht sie Akzeptanz, Einbeziehung und Wertschätzung. Eine Prävention die von oben und außen aufgesetzt wird, kann nicht wirken. Auch Menschen, die Drogen gebrauchen, wollen sich nicht fernsteuern lassen, sondern selbst entscheiden – auch darüber, was und wann sie konsumieren.

(Pressemitteilung der DAH)

Spritzenautomaten stoppen HIV

Über 150 Automaten versorgen Drogenkonsumenten in Deutschland mit sauberen Spritzen – auch nachts und an Feiertagen. Das ist weltweit einzigartig und äußerst erfolgreich: Die HIV-Neu-Infektionen von Menschen, die sich Drogen spritzen, sind rapide gesunken.

Zu Beginn der Aids-Ära waren Menschen, die Drogen intravenös konsumierten, besonders stark von HIV betroffen. Nadeln und Spritzen waren nur schwer erhältlich und wurden deshalb weitergereicht. So gelangte das HIV-Virus von der einen Blutbahn in die andere. Steriles Spritzbesteck verhindert diesen Übertragungsweg und ist zentraler Bestandteil von „Safer Use“.

Seit Anfang der 90er Jahre geben Aids- und Drogenhilfen sterile Spritzen und Zubehör aus. Auch in Apotheken erhält man sie tagsüber – mehr oder weniger bereitwillig. Nur nachts und am Wochenende kommt es zu Engpässen. Denn dann haben die meisten Apotheken und Hilfseinrichtungen geschlossen.

Wichtige Aufklärungsarbeit
Spritzenautomaten beseitigen diese Engpässe. Sie versorgen Drogenkonsumierende rund um die Uhr mit sauberem Spritzenbesteck. Zudem erreichen sie auch jene, die sich anonym versorgen wollen und nie in eine Hilfseinrichtung gehen würden.

Ganz nebenbei transportieren die an Automaten ausgegebenen Schachteln aktuelle Informationen zum Gesundheitsschutz und leisten so wichtige Aufklärungsarbeit. Auf jeder Verpackung finden sich auch Hinweise auf Hilfsangebote für Drogenabhängige.

Welchen Stellenwert Spritzenautomaten haben, zeigt sich auch an der Zahl der abgegebenen Spritzen und Nadeln. So wurden 2008 bundesweit rund 400.000 Schachteln mit Spritzen, Nadeln und Zubehör über Automaten abgegeben.

WHO bestätigt: Automaten stoppen HIV
Mit etwa 160 Spritzenautomaten ist Deutschland weltweit führend. Dennoch kann man nicht von einem flächendeckenden Angebot sprechen. In sechs Bundesländern gibt es bis heute keinen einzigen Automaten. Lediglich Nordrhein-Westfalen (etwa 100 Automaten) und Berlin (etwa 20 Automaten) verfügen über ein gut ausgebautes Netz.
Ursache hierfür sind die noch immer großen Vorbehalte gegen dieses erfolgreiche Präventionsangebot. Politik und Behörden unterstellen oft eine Beförderung des Drogenkonsums; Anwohner fürchten, dass ihre Nachbarschaft zum „Dealer-Treff“ wird.

Eine Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zerstreut diese Vorbehalte. In einer Überprüfung von mehr als 200 Studien hat die UN-Organisation festgestellt, dass das verbesserte Angebot von Injektionsbesteck den Drogenkonsum nicht fördert. Auch die Motivation der Abhängigen, ihren Drogenkonsum zu verringern, bleibt erhalten.

Zudem unterstreicht die WHO-Auswertung das entscheidende Argument für die Spritzenautomaten: Sie reduzieren nachweislich die Verbreitung von HIV, Hepatitis B und Hepatitis C unter injizierenden Drogenkonsumenten. Deshalb fordert die Deutsche AIDS-Hilfe: Das Netz mit Spritzenautomaten muss weiter ausgebaut werden. Sie schließen eine gefährliche Versorgungslücke und stellen sicher, dass sich jeder Abhängige rund um die Uhr vor HIV und Hepatiden schützen kann – ein weiterer Baustein für eine praxisnahe und erfolgreiche HIV-Prävention in Deutschland.

www.spritzenautomaten.de
www.saferuse-nrw.de

(Pressemitteilung der DAH)

26.06.2010 – Weltdrogentag

Der kürzlich publizierte Weltdrogenbericht der UN konstatiert zwar auf der einen Seite einen Stillstand bei der Anzahl der Konsumenten harter Drogen. Andererseits leben weltweit, wie auch in unserem Land, noch immer zu viele Drogengebraucher unter oftmals elendsten Lebensumständen. Dies insbesondere für die große Gruppe der intravenös Konsumierenden zu verändern, ist die neue Option einer Behandlung mit dem Originalstoff , also medizinisch reinem Heroin. Andere Länder hatten den Erfolg dieses Behandlungsangebots bereits demonstriert.

Allerdings dürfte es auf Grundlage der unlängst beschlossenen Richtlinien des GBA (Gemeinsamer Bundesausschuss) schwierig werden, die Möglichkeit zur Heroinbehandlung möglichst flächendeckend anzubieten. Unsere Bedenken teilt auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Frau Mechthild Dyckmans, in ihrer Pressemitteilung vom 18.03.2010.

„Wir sind überzeugt, dass die praktischen Auswirkungen der vorgelegten Richtlinien die Befürchtungen der Drogenbeauftragten in negativer Hinsicht noch bei weitem übertreffen werden. Diese unnötig strengen Richtlinien übertreffen nicht nur die Auflagen, die in der Heroinstudie Verwendung fanden. Nein, auch die vom Bundesgesetzgeber formulierten Vorgaben werden deutlich und überaus praxisfern verschärft“, befürchtet Mathias Häde vom JES Bundesvorstand.

Diese Praxisferne verdeutlichen u.a. folgende Regelungen: Die Forderung der ständigen Anwesenheit eines Arztes während der 12-stündigen Öffnungszeit an sieben Tagen der Woche, sowie die Einrichtung von 3,0 Arztstellen unabhängig von der Anzahl der zu behandelnden Patienten sind Auflagen, die für viele potentielle Träger der Heroinambulanzen nicht erfüllbar sein dürften – und die in dieser Form zudem fachlich nicht begründbar sind.

„Wir fordern die politisch Verantwortlichen daher auf, die nach 15 Monaten anstehende Bewertung der Auswirkungen der GBA Richtlinien eng zu begleiten und kritisch zu überprüfen, so Marco Jesse vom JES Bundesvorstand.

„Trotz einiger positiver Entwicklungen fristen Strategien der Überlebenshilfe und Schadensminderung in vielen Ländern weiterhin ein Schattendasein. Die Aufgabe der Bundesregierung muss darin bestehen, die menschenverachtende Drogenpolitik in einigen asiatischen, lateinamerikanischen und osteuropäischen Ländern zu skandalisieren und über eine ‚Koalition für Menschenwürde‘ dringend erforderliche Veränderungen zu bewirken“, erläutert Jochen Lenz als JES Bundesvorstand abschließend.

(Pressemitteilung JES Bundesvorstand)

Milzbrand bei Drogengebraucher: zweiter Fall in Deutschland

Mitte März erkrankte ein Drogengebraucher in der Region Aachen an Milzbrand. Dies ist der zweite Fall von Milzbrand bei Drogenkonsum, nachdem im Dezember 2009 ein HIV-positiver Drogengebraucher an den Folgen von Milzbrand starb.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) vermutet, dass mit infektiösen Milzbrandsporen verunreinigtes Heroin in Europa im Umlauf ist. Es hat hierzu „Milzbrand – Information für Drogenkonsumenten“ heraus gegeben.

Im Dezember 2009 ist bereits ein HIV-positiver drogengebrauchender Mann in Nordrhein-Westfalen an den Folgen von Milzbrand (Anthrax) gestorben.

Das RKI kommentiert den nun erneut in der Region Aachen aufgetretenen zweiten Fall von Milzbrand bei Drogengebrauchern in Deutschland

„Das Auftreten eines weiteren Falles bei einem Heroinkonsumenten legt nahe, dass kontaminiertes Heroin auch in Deutschland weiter im Umlauf ist. Es ist möglich, dass neben Nordrhein-Westfalen auch andere Bundesländer betroffen sind.“

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weitere Informationen:
RKI: Zweiter Fall von Milzbrand bei Heroinkonsument aus der Städteregion Aachen. in: Epidemiologisches Bulletin 14/2010
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DAH: Substitution in Gefahr

Diamorphingestützte Substitution: Deutsche AIDS-Hilfe sieht bedarfsgerechte Versorgung durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschuss in Gefahr

Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) teilt die Einschätzung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung Mechthild Dyckmans, dass sich erst auf der Basis von Praxiserfahrungen zeigen wird, ob die „Richtlinien zur diamorphingestützten Behandlung Opiatabhängiger“ des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) gegebenenfalls nachjustiert werden müssen. Dennoch sieht die DAH die bedarfsgerechte Versorgung Opiatabhängiger in Gefahr.

Dazu erklärt Sylvia Urban, Mitglied im Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe: „Mit dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 18.03.2010 wird die Erstattungsfähigkeit der diamorphingestützten Substitutionsbehandlung durch die gesetzliche Krankenversicherung an hohe Hürden geknüpft, die so vom Gesetzgeber nicht intendiert waren. Das für die Deutsche Aids Hilfe geltende Prinzip, dass eine sichere und qualitativ hochwertige Behandlung mit einem hohen Maß an Praxiskompatibilität zu vereinen ist, wurde mit diesen Richtlinien nur zum Teil erreicht. So knüpft der GBA die diamorphingestützte Behandlung an die Bedingung, dass Arztstellen im Umfang von grundsätzlich drei Vollzeitstellen vorzuhalten sind – und dies unabhängig von der Patientenzahl. Diese Regelung ist fachlich nicht zu begründen und kann die Realisierung neuer Standorte für die Diamorphinbehandlung erheblich erschweren oder sogar verhindern.“

„Selbstverständlich freuen wir uns, dass wir einer Substitution mit Diamorphin ein Stück näher gekommen sind und von HIV und Hepatitis betroffene oder bedrohte Heroinkonsumenten eine Alternative zur Substitution mit bisher zugelassenen Medikamenten erhalten. Getrübt wird diese Freude allerdings durch das teilweise hochschwellige Regelwerk des GBA, das in einigen Punkten über die hohen Hürden der Modellphase hinausgeht“, so Dirk Schaeffer, DAH-Referent für Drogen und Strafvollzug.

(Pressemitteilung der Deutschen Aids-Hilfe)

HIV-Neudiagnosen 2009 (akt.)

Bei 2.856 Menschen wurde 2009 in Deutschland neu eine HIV-Infektion diagnostiziert. Dies berichtet das Robert-Koch-Institut im aktuellen ‚Epidemiologischen Bulletin‘.

Die Zahl der neu diagnostizierten HIV-Infektionen ist in Deutschland 2009 nahezu stabil im Vergleich zum Vorjahr 2008:  für 2009 wurden 2.856 Neudiagnosen gemeldet, für 2008 lag die Zahl bei 2.843 HIV-Neudiagnosen.

Die aktuelle Ausgabe des ‚Epidemiologischen Bulletin‘ des Robert-Koch-Instituts (RKI) enthält die „Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten Berichtsmonat: Dezember 2009 (Datenstand: 1.3.2010)“. Hier sind die HIV-Neudiagnosezahlen 2009 nach Bundesländern aufgeschlüsselt aufgeführt (mit Vergleichswerten 2008).

1.629 Neudiagnosen erfolgten in der Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) im Vergleich zu 1.575 Neudiagnosen im Jahr 2008 (+3,4%). Bei iv-Drogengebraucher/innen ist die Zahl weiter gesunken auf 100 Neudiagnosen (2008: 125; 2007: 154).

Die aktuelle Statistik des RKI nennt u.a. auch die Zahl der Syphilis-Neudiagnosen. Mit 2.556 neu diagnostizierten Fällen liegt ihre Zahl für 2009 unter dem Niveau der Vorjahre (2008: 3.190 Syphilis-Neudiagnosen; 2007: 3.280).

Nachtrag 17.03.2010: Situation in Österreich
In Österreich wurden im Jahr 2009 507 Neuinfektionen mit HIV diagnostiziert. Dies geht aus „HIV-Epidemie, Update 2009“ hervor. Schätzungsweise 9.000 Menschen leben dem papier zufolge derzeit in Österreich mit HIV.

Im internationalen Vergleich liegt die Zahl der HIV-Neudiagnosen in Deutschland weiterhin sehr niedrig. Die gelegentlich von interessierter Seite kolportierte Behauptung, die Zahl der HIV-Infektionen in Deutschland sei so hoch, erweist sich einmal mehr als Mythos, als nicht zutreffend.

Der Anstieg der Zahl der HIV-Neudiagnosen bei Männern, die Sex  mit Männern haben, ist moderat. Die neue Kampagne „ich weiss, was ich tu“ der Deutschen Aids-Hilfe widmet sich gezielt der HIV-Prävention bei Männern, die Sex mit Männern haben. Diese Kampagne hatte im September 2009 die „ich weiss was ich tu – Testwochen“ gestartet. Schon beim Start der Kampagne hatte DAH-Vorstand Carsten Schatz betont

„Durch die zunehmende Bereitschaft in der Zielgruppe, sich mit einem positiven HIV-Test auseinanderzusetzen, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Anstieg der beim Robert Koch Institut (RKI) gemeldeten Neudiagnosen kommen.“

Klar gesagt: wer viel testet, wird mehr finden. Die Behauptung einer neuen Sorglosigkeit bei schwulen Männern dürfte sich hier ebenfalls erneut als Mythos erweisen. Im Gegenteil, der moderate Anstieg der Zahl der HIV-Neudiagnosen 2009 könnte auch erste Folge der Test-Kampagne sein – und damit letztlich ein Zeichen erfolgreicher Prävention.

weitere Informationen:
RKI
Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten
Berichtsmonat: Dezember 2009 (Datenstand: 1.3.2010)
Epidemiologisches Bulletin 10/2010
Österreich: HIV-Epidemie, Update 2009 (pdf)

Zur Unterscheidung HIV-Neudiagnosen und HIV-Neuinfektionen siehe „HIV-Neuinfektionen – Basisinformationen
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Usbekistan: Sieben Jahre Gefängnis für HIV-Prävention

Maxim Popov, usbekischer Aktivist in der Aids-Prävention, wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt – u.a. wegen ‚antisozialem Verhalten‘.

Maxim Popov ist 28 Jahre alt,  Vater zweier Kinder, stammt aus der usbekischen Hauptstadt Taschkent und ist Psychologe. Und er ist Vorsitzender einer Nicht-Regierungs-Organisation, die sich in Usbekistan für Aids-Prävention und -Information einsetzt. Wegen seiner Arbeit für diese Organisation wurde er in der usbekischen Stadt Chilanzar (bei Taschkent) nun zu sieben Jahren Haft verurteilt.

„Izis“, so der Name der Organisation, wurde von jungen Medizinern und Psychologen gegründet. Die Organisation wird auch von internationalen Organisationen z.B. aus Großbritannien und den USA sowie von UNICEF unterstützt. Sie hatte u.a. mit Unterstützung von UNICEF und PSI (Population Service International) das Buch „HIV und Aids heute“ herausgegeben.

Popov wurde u.a. vorgeworfen, mit dem Buch das „moralische Wohlergehen junger Usbeken gefährdet“ zu haben, u.a. durch Förderung von Drogengebrauch und Homosexualität. Nationale Kultur und Traditionen seien in der Broschüre nicht ausreichend berücksichtigt, hatte eine Kommission festgestellt. Das Buch wurde verboten.
Zudem wurden ihm zahlreiche finanzielle und steuerliche Vergehen vorgeworfen.

Popov sowie zwei weitere Angeklagte hatten auf unschuldig plädiert und alle Vorwürfe zurück gewiesen. Er habe von den (von internationalen Geldgebern) zur Verfügung gestellten Mitteln 14 Angestellte sowie ein Büro bezahlt. Inhaltlich habe er sich bemüht, junge Menschen aufzuklären über die Risiken sich mit HIV zu infizieren, sowohl bei hetero- als auch homosexuellem Sex als auch beim Drogengebrauch.

Popov wurde bereits im Januar 2009 verhaftet. Der Schuldspruch des Verfahrens gegen ihn wurde im September 2009 angekündigt, erst am 25. Februar 2010 wurde die Strafhöhe bekannt gegeben: sieben Jahre Freiheitsentzug.

Maxim Popov
Maxim Popov

Selbst nachdem die usbekische Regierung sämtliche Mittel-Zugänge für ‚Izis‘ blockiert hatte, hielt Popov die Arbeit der Organisation aufrecht – er arbeitete ehrenamtlich weiter, ohne Entgelt.

Das Urteil gegen Popov wurde bisher nicht veröffentlicht. Presseberichte sprachen zunächst von einer Verurteilung wegen „Missbrauchs von Injektionsnadeln“ sowie steuerlichen Unregelmäßigkeiten. Inzwischen werden als Verurteilungs-Gründe angegeben Veruntreuung von Geldern, Beteiligung von Minderjährigen bei ‚antisozialem Verhalten‘, sexuelle Übergriffe auf Minderjährige, Unterschlagung von Fremdwährung, Ermöglichen des Zugangs zu Drogen sowie Steuerhinterziehung.

Zusammen mit Popov wurden zwei Kolleginnen verhaftet, Tatyana Kostyuchenko und Danahan Eshenova. Sie erhielten jeweils eine einjährige Bewährungsstrafe wegen Unterschlagung, Steuerhinterziehung und Verstoßes gegen das Fremdwährungs-Gesetz.

Popov befindet sich bereits in der Strafkolonie Navoi im Nordwesten Usbekistans.
Freunde Popovs haben unter seinem Namen auf Facebook eine Solidaritäts-Seite eingerichtet, auch um Forderungen nach Amnestie Nachdruck zu verleihen.

Die GTZ Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (eine bundeseigene Gesellschaft für Entwicklungs-Zusammenarbeit) schreibt über HIV und Aids in Usbekistan

„Die Mehrzahl der HIV-Infizierten in Usbekistan, Kirgisistan und Tadschikistan sind injizierende Drogenkonsumenten, vor allem junge Menschen. Der leichte Zugang zu Drogen und die hohen Verdienstmöglichkeiten im illegalen Drogenhandel machen anfällig für Drogenkonsum, vor allem Jugendliche mit schlechter Ausbildung, die aus schwierigen sozialen Verhältnissen stammen. Zusammen mit mangelnder Aufklärung und den Normen der traditionell geprägten, patriarchalischen Gesellschaften Zentralasiens führt dies bei Jugendlichen, auch bei Frauen und Mädchen, zu steigenden HIV-Infektionsraten und einer deutlich zunehmenden Zahl an Aids-Erkrankungen.“

Begründungen wie „antisoziales“ oder „un-usbekisches Verhalten“ werden in Usbekistan zunehmend benutzt, um Dissidenten zu verfolgen und Kritiker mundtot zu machen.

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weitere Informationen:
Facebook-Seite für Maksim Popov
ferghana.ru 26.02.2010: Uzbekistan: The psychologist is sentenced to 7 years of jail for HIV/AIDS prevention
uznews.net 26.02.2010: Details of Uzbek HIV activist’s sentence revealed
iwpr 03.03.2010: Uzbek Doctor Jailed for HIV/AIDS Work
iwpr 11.02.2010: Uzbek Photographer Convicted as “Warning to Others”
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Stephanie Schmidt ist tot

Am 22. Januar starb Stephanie Schmidt, langjährige JES-Aktivistin.

Stephanie Schmidt, Mutter zweier Kinder, engagierte sich seit Mitte der 1990er Jahre für akzeptierende Drogenarbeit und für die Interessen drogengebrauchender Menschen mit HIV. Stephanie arbeitete hauptamtlich in der Aids-Hilfe Braunschweig und war u.a. engagiert bei JES (sowohl lokal als auch als Bundessprecherin).

Stephanie Schmidt (c) Dirk Schäffer
Stephanie Schmidt (c) Dirk S.

Ich habe vor einigen Jahren mit Stephanie Schmidt eine Zeit lang enger zusammen gearbeitet, im Rahmen des Community Boards beim Deutschen Aids-Kongress 1999 in Essen. Ich habe dabei Stefanie sehr zu schätzen gelernt – ihre offene, dem Leben zugewandte Art, ihre Fähigkeit sich auch in andere Menschen und ihre Anliegen hinein zu denken – und vor allem ihre Fähigkeit, die Belange drogengebrauchender Menschen mit HIV verständlich zu machen und aktiv und engagiert zu vertreten. Durch Stephanie lernte ich ein wenig Einblick zu bekommen, zu verstehen aus Welten, die mir eher fremd schienen.

Solidarität der Betroffenengruppen – Stefanie lebte sie. Danke!

siehe auch:
DAH-Blog 03.02.2010: Nachruf auf Stephanie Schmidt
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Milzbrand – Information für Drogenkonsumenten

Nach dem Tod eines HIV-positiven Drogengebrauchers an Milzbrand hat das RKI Informationen für Drogengebraucher heraus gegeben.

Ein HIV-positiver drogengebrauchender Mann ist in Nordrhein-Westfalen an den Folgen von Milzbrand (Anthrax) gestorben. Das Robert-Koch-Institut (RKI) vermutet, dass mit infektiösen Milzbrandsporen verunreinigtes Heroin in Europa im Umlauf ist und hat aus diesem Grund die folgenden Informationen für Drogenkonsumenten heraus gegeben, die im Folgenden dokumentiert sind:

Information für Drogenkonsumenten

Milzbrand (Anthrax) bei Drogenkonsumenten in Deutschland!

(Stand: Januar 2010)

Im Dezember starb ein 42-jähriger Mann, der Drogen injiziert hatte, in Aachen an Milzbrand (Anthrax). Seit Dezember sind in Schottland 14 Heroinkonsumenten an Milzbrand erkrankt, von denen sieben starben. Weitere Verdachtsfälle kamen vor wenigen Tagen hinzu. Ein Konsument hat die Infektion durch Rauchen/Schnupfen bekommen.

Milzbrand ist eine in Deutschland sehr seltene, bakterielle, Infektionskrankheit (vor Dezember 2009 datierte der letzte Fall von 1994!), die unbehandelt oft zum Tode führt. Darüber hinaus ist das Krankheitsbild bei Ärzten kaum bekannt, so dass eventuell nicht immer frühzeitig daran gedacht wird. Milzbrand kann antibiotisch behandelt werden. Die Behandlung sollte frühzeitig begonnen werden. Einen Impfstoff gibt es nicht.

Es wird nun vermutet, dass mit infektiösen Milzbrandsporen verunreinigtes Heroin (eventuell auch andere psychoaktive Substanzen, die man spritzen kann) in Europa im Umlauf ist!

Möglicherweise wurde das Heroin in einem der Herkunftsländer, in denen Milzbrand als Erkrankung von Vieh vorkommt (eventuell Afghanistan oder Nachbarländer), bei der Herstellung oder beim Transport mit Milzbrandsporen verunreinigt (z.B. durch „Strecken“ des Stoffs mit Knochenmehl, Trocknen von Substanzen auf verunreinigtem Erdreich oder Transport in Taschen aus Tiermaterial).

Aktuell ist nicht bekannt, wie viel verunreinigtes Heroin im Umlauf ist. Allerdings ist davon auszugehen, DASS ein Heroin-/Drogenkonsum mit dem Risiko einer Milzbrandinfektion verbunden ist – vor allem dann, wenn die Substanzen injiziert werden.

Seien Sie auf der Hut und informieren Sie andere Konsumenten über das Milzbrand-Risiko!

* Wichtig: Man sieht es dem Stoff nicht an, ob er mit Anthraxsporen verseucht ist

* Deshalb: Sollten Sie Heroin konsumiert haben und spezifische Krankheitssymptome (siehe unten) entwickeln, wenden Sie sich bitte SOFORT an einen Arzt! Bitten Sie unbedingt den Arzt darum, dass er bei der Diagnostik an eine Milzbrand-Infektion (Haut, Lunge, Darm) den-ken soll

* Die neu aufgetretene Milzbrand-Gefahr erhöht die gesundheitlichen Risiken des Drogenkonsums zusätzlich: Bitte beenden Sie Ihren Drogenkonsum!
Mitarbeiter/innen von Kontaktläden, Drogenkonsumräumen, Drogenberatungsstellen, Suchtmediziner und Entzugs-/ Rehabilitationskliniken helfen Ihnen dabei

* Falls Sie ärztlich substituiert werden und zusätzlich Heroin konsumieren, versuchen Sie, zumindest in der nächsten Zeit damit aufzuhören bzw. zu reduzieren!

Übertragungswege:
Man kann sich mit Milzbrand infizieren, wenn man verunreinigten Stoff (z.B. Heroin)
– in die Vene oder die Haut/den Muskel spritzt
– inhaliert (z.B. raucht oder schnupft)
– angefasst hat, und von den Sporen etwas in den Mund gelangt.
Es gibt praktisch keine Mensch-zu-Mensch-Übertragung. Für die Allgemeinbevölkerung besteht kein Infektionsrisiko.

Symptome von Milzbrand:
Nach Spritzen verunreinigten Stoffes droht Hautmilzbrand (häufigste Form) oder aber auch eine Hirnhautentzündung, die sich durch starke Kopfschmerzen äußert.
Hautmilzbrand: An der Injektionsstelle bildet sich eine Schwellung, Rötung und Hautverhärtung. Diese ist typischerweise kaum schmerzhaft. Ein Abszess (eine Eiteransammlung) oder Blasen können sich bilden, dann „trocknet“ der Bereich ein, und bildet eine dunkle, fast schwarze Stelle (daher der Name „Anthrax“). Es folgt eine Schwellung der gesamten Region (z. B. des Arms), daraufhin ein schwerstes Krankheitsbild, das rasch zum Tod führen kann.

Nach Rauchen/Schnupfen verunreinigten Stoffes droht Lungen- oder Darmmilzbrand.
Lungenmilzbrand: Es kommt zu einer grippeartigen Erkrankung (Fieber, Schüttelfrost, Muskelschmerzen, Husten mit blutigem Auswurf, Atemnot) und innerhalb der nächsten Tage zu einem schweren, fast immer tödlichen Krankheitsbild.
Darmmilzbrand: Bauchschmerzen, Blähungen, blutiger Durchfall, schwerstes Krankheitsbild mit möglicher Todesfolge.

Weitere Informationsmöglichkeiten:
Internetseite des Robert Koch-Institutes: www.rki.de → Aktuelle Themen: Milzbrand-Todesfall

(Quelle: RKI)