Positive Begegnungen 2010 – deine Ideen sind gefragt

Im August 2010 finden die nächsten Positiven Begegungen in Bielefeld statt. Die Vorbereitungsgruppe lädt ein zu Vorschlägen für die inhaltliche Gestaltung.

Die Positiven Begegnungen 2009, die im Januar in Stuttgart stattfanden, sind auf viel Zuspruch gestoßen. Begeisterung, viele spannende Anregungen, tolle Themen – solcherlei war immer wieder auf Nachfrage zu hören und wurde auch auf dem Abschluss-Plenum geäußert.

Inzwischen haben die Planungen für die PoBe Positiven Begegnungen 2010 begonnen. Die Vorbereitungsgruppe der PoBe 2010 in Bielefeld möchte möglichst vielen Menschen mit HIV und Aids sowie An- und Zugehörigen die Möglichkeit bieten, sich aktiv in die Vorbereitungen einzubringen.

Du hast Kritik, Anregungen oder Vorschläge?
Du hast ein Thema, das behandelt werden sollte?
Du kennst eine spannende Referenten, einen tollen Redner?

Dann ist JETZT der richtige Moment, diese zu äußern!

Die Vorbereitungsgruppe der Positiven Begegnungen 2010 freut sich über deine Anregungen!

Nutze das Internetangebot der Vorbereitunsggruppe www.pobe2010.org , und dort die Seite für Vorschläge zur inhaltlichen Vorbereitung, oder schreibe der Vorbereitungsgruppe eine Email an team [at] pobe2010 [punkt] org .

Bringe dich, deine Ideen, Vorstellungen aktiv ein!
Denn – die Positiven Begegnungen sind keine Frontalbespaßung, die andere für dich organisieren – sie sind UNSERE Veranstaltung, von uns für uns. Eben – positive Begegnungen.

Positive Begegnungen 2010 in Bielefeld

Die Positiven Begegnungen 2010 finden vom 26. bis 29. August 2010 in Bielefeld statt.

Die „Positiven Begegnungen – Konferenz zum Leben mit HIV/Aids“ finden im Jahr 2010 in der ostwestfälischen Großstadt Bielefeld statt. Vom 26. bis 29. August 2010 werden sich Menschen mit HIV und Aids, ihre Partnerinnen und Partner und Angehörigen treffen, um miteinander zu diskutieren, sich zu informieren und zu feiern.
Dies teilten die Deutsche Aids-Hilfe als Veranstalter sowie die Vorbereitungsgruppe der Positiven Begegnungen 2010 mit.

Die Vorbereitungsgruppe der Positiven Begegnungen 2010 kam vom 27. bis 29. Mai 2009 in Berlin zu ihrem ersten Treffen zusammen.

Informationen über die Positiven Begegnungen 2010 ab sofort auf der Internetseite der Vorbereitunsgrguppe www.PoBe2010.org

Zuletzt fanden die ‚Positiven Begegnungen 2009‘ im Januar 2009 in Stuttgart statt. Die Positiven Begegnungen sind die Nachfolge-Veranstaltung der früheren Bundes-Positivenversammlung sowie der Bundesversammlung der An- und Zugehörigen von Menschen mit HIV und Aids.

Bielefeld war bereits im Jahr 2002 Austragungsort der Bundes-Positivenversammlung.

Die Perspektiven von Menschen mit HIV/Aids in die Planung von Prävention einbeziehen

Im Folgenden ein Gastbeitrag von Bernd Aretz.
Auf dem Abschlussplenum der Positiven Begegnungen 2009 in Stuttgart hatten die Teilnehmer Arbeitsaufträge erteilt.
Die bei den Positiven Begegnungen 2009 erteilten Arbeitsaufträge sollen in die Programm-Gestaltung der Positiven Begegnungen 2010 einfließen.

Einer der Arbeitsaufträge lautete, die „Perspektiven von Menschen mit HIV/Aids in die Planung von Präventions-Botschaften und -Kampagnen mit einbeziehen“.

Die Perspektiven von Menschen mit HIV/Aids in die Planung von Prävention einbeziehen
Die Perspektiven von Menschen mit HIV/Aids in die Planung von Prävention einbeziehen

Bernd Aretz wirft in seinem Gastbeitrag viele Fragen zu diesem Themenbereich auf, und bittet um rege Diskussion- also: Chance nutzen und zahlreich und rege kommentieren!

Die Perspektiven von Menschen mit HIV/Aids in die Planung von Prävention einbeziehen

Die Positiven Begegnungen in Stuttgart haben unter anderem den Auftrag erteilt, dafür Sorge zu tragen, dass die Perspektiven betroffener Frauen und Männer in die Prävention einbezogen werden. Aber was ist die Perspektive? Es gibt Frauen, die aus Angst um ihre Kinder, die eigene Infektion geheim halten. Es gibt aber auch die Eltern, die fragen, wie sollen wir unsere Kinde dahin erziehen, zu sich zu stehen, wenn lebensprägende Umstände von den uns verschwiegen werden? Da gibt es die Schweizer Jugendlichen, die über die Zeitschrift Bravo an die Öffentlichkeit gegangen sind. Deutsche Jugendliche waren in Stuttgart leider nicht anwesend, wie sie überhaupt in den Diskurszusammenhängen fehlen. Ist deren Perspektive die der BetreuerInnen, wie das bei der Leitbilddiskussion der DAH so schön erkennbar wurde durch den Antrag, die DAH solle für nicht nur für Menschen sondern auch für Kinder und Jugendliche zuständig sein. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Ist die Sicht desjenigen maßgebend, der Angst hat, tagsüber durch das Treppenhaus zu gehen, weil er die Frage der Nachbarin fürchtet, warum ein so junger Mann eigentlich nicht arbeitet? Ist es die Sicht desjenigen, der sofort nach dem Einzug in ein Haus mit hundert Parteien über den Grund seiner Verrentung plaudert, um klare Verhältnisse zu haben? Da gibt es Menschen, die in beruflichen Zusammenhängen Rücksicht nehmen (müssen), die realen Erfahrungen der Ausgrenzung – auch im Medizinsystem. Aber manche Firmen erteilen jeglicher Form von Ausgrenzung eine klare Absage. Schwule Männer machen auf der sexuellen Pirsch ganz unterschiedliche Erfahrungen. Viele serodifferente Partnerschaften scheinen zu belegen, dass eine große Bereitschaft da ist, positive Partner zu akzeptieren. Andrerseits haben viele erlebt, wegen der HIV-Infektion als Sexualsubjekt abgelehnt zu werden. Es gibt die Berufspositiven ebenso wie diejenigen, die sich allenfalls bei Positiventreffen fern der Heimat zu ihren Viren bekennen. Von der Phantasie das größtmögliche Elend schultern zu müssen bis zur Haltung, man wolle mit keinem Rheumakranken tauschen, ist alles vertreten. Es gibt Menschen, die seit 20 Jahren jeden Laborbericht sammeln und die Haltung, mein Arzt soll mich nur dann informieren, wenn etwas Behandlungsbedürftiges oder sexuell Bedeutsames vorliegt. Bei den Nebenwirkungen der Therapien gibt es von großen Leiden über die Einordnung als Bagatellproblem bis zum Gutverträglichen alles.

Lässt sich ein Konsens zu den Zielen herstellen? Möchten wir, dass im gesellschaftlichen Umgang HIV wie jede andere Infektionskrankheit behandelt wird? Das heißt aber auch, diskrimierungsärmere Verhältnisse vorausgesetzt, die Abschaffung aller Besonderheiten des Umgangs.

Das setzt voraus, dass die Positiven nicht als Drohkulisse gebraucht werden, dass sie bei der Mitwirkung in der Prävention säuberlich unterscheiden zwischen eigenen Schwierigkeiten und Dramatik und den Erfahrungen anderer. Dazu gehört eben, dass viele mit der Infektion ohne große Probleme – außer den Zuschreibungen – leben. Wie ist dann der Umstand einzuordnen, dass viele Positive in der EKAF Debatte erklärt haben, es sei zwar richtig, dass durch die Therapien die Infektiösität gegen null sinken könne, das dürfe man aber nicht laut sagen, es schützte sich dann doch niemand mehr? Das heißt dann aber auch, dass der oft angetragenen Forderung die Probleme in den Vordergrund der Prävention zu stellen, widerstanden werden muss.

Besteht Einigkeit darüber, dass es für (noch) nicht Infizierte Sinn macht, sich zu schützen? Besteht Einigkeit darüber, dass auch mit HIV ein erfülltes (auch Sexual-)Leben möglich ist? Kann man von Positiven erwarten, dass sie unabhängig von der Viruslast Kondome benutzen, wenn sie nicht sprachlich über diese Frage kommunizieren? Kann man von Negativen erwarten, dass sie das gleiche tun oder über unsafe Begegnungen informieren? Ist das ganze von Orten der Begegnung abhängig? Kann man erwarten, dass in Beziehungen offen kommuniziert wird und wann ist der Zeitpunkt, ab dem eine Beziehung anzunehmen ist?

Ist es Aufgabe der Prävention, all die verschiedenen Bilder zu vermitteln oder klar zu sagen, dass man nichts erwarten sollte? Erwarten wir, dass Risikobewertungen gewichtet werden, also der Lusttropfen beim Blasen anders bewertet wird, als das Sperma im Darm, und der Koitus interruptus noch anders, oder spielt das keine Rolle, weil es keinen Unterschied macht, wenn sich ein hohes oder ein geringes Risiko tatsächlich verwirklicht? Ratsuchende lechzen immer nach solchen Angaben, am liebsten in Prozentangaben. Aber kann man diesem Wunsch überhaupt entsprechen?

Welchen Stellenwert haben die unsäglichen Strafverfahren? Offensichtlich ist in den Köpfen mancher Staatsanwälte fest verankert, dass HIV unabhängig von Therapien hoch gefährlich sein soll und dass es eine klare Unterscheidung zwischen Tätern und Opfern geben soll. Welcher Unterstützung bedarf es, das umzusetzen, was man wichtig und richtig findet und zwar auf der Basis interessenlos offengelegter Informationen.

Wie kann die Perspektive überhaupt eingebracht werden? Ist für schwule Männer IWWIT eine Plattform, braucht es Resolutionen, Mitarbeit in den örtlichen Aidshilfen, um von unten Inhalte einzubringen? Das EKAF Statement kann nur diejenigen überrascht haben, die vorher nicht die von der AH Offenbach veröffentlichte Haltung des Schweizer Bundesgesundheitsamtes zur Kenntnis genommen haben. Und auch der Diskurs um EKAF musste in den Aidshilfen von unten her organisiert werden, weil der Dachverband und seine Gremien in dieser Frage versagt haben und sich viele Mitarbeiter von Aids-Hilfen schwer taten und tun, die entlastende Botschaft zu verkünden. Wer bringt die positive Perspektive ein – und wie? Wäre es ein erster Schritt, die MitarbeiterInnen der DAH und das Vorbereitungsteam für die Positiven Begegnungen in Stuttgart zu loben? Sie haben es jedenfalls verdient. Sollten wir uns vom Feindbild Aidshilfe nicht verabschieden und sie lieber als Ort begreifen, in den an einvernehmlicher Sexualität Interessierte, seinen sie nun positiv oder nicht sich einbringen können? Sollten wir mehr Leserbriefe schreiben? Ist es mal wieder an der Zeit öffentliche Diskussionsveranstaltungen loszutreten.

Ich bitte dringend um Diskussionsbeiträge.
Bernd Aretz

siehe auch:
koww 27.04.2009: Aufruf zur Diskussion
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Positive Begegnungen – Abschlussplenum

Am Sonntag, 1. Februar endeten die Positiven Begegnungen mit einem Schluss-Plenum. Aus den Workshops der Tage zuvor entstanden zentrale Fragestellungen, die als Aufgaben mit in die nächsten Monate genommen werden.

Die Aufgaben der Zukunft:
– Netzwerk der jungen Positiven gemeinsam ausbauen
– EKAF-Debatte mutig weiterführen
– Bundesweite telefonische & elektronische PatientInnen-Beratung
– PatientInnen-Perspektive standardmäßig in die Qualitätssicherung
– Schuldfrage knacken
– Neues Bild von Menschen mit HIV / Aids erarbeiten und transportieren
– Neues Feuer entfachen
– Erhöhung von Kompetenzen zu Arbeit und HIV in Aids-Hilfen und Arbeitsagenturen und -Verwaltung
– Perspektiven von Menschen mit HIV / Aids in die Planung von Präventions-Kampagnen und -Botschaften einbeziehen

Spannende Ergebnisse, herausfordernde Aufgaben -für alle ‚Aufgaben-Pakete‘ fanden sich Gruppen oder Einzelpersonen, die diese in nächster Zeit vorantreiben und mit Interessierten zusammenschließen werden.

Auf Wiedersehen bei den ‚Positiven Begegnungen 2010‘!

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Alle Fotos © Termabox – Danke für die Überlassung!

Charismo: Akrobatik am Red Ribbon

Als Kulturprogramm der Eröffnungs-Veranstaltung der ‚Positiven Begegnungen 2009‘ zeigte ‚Charismo‘ ‚Akrobatik am Red Ribbon‘.

Vom 29. Januar bis zum 1. Februar 2009 hat in Stuttgart zum 13. Mal die größte europäische Selbsthilfekonferenz zum Leben mit HIV/Aids stattgefunden, die seit 1990 von der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. veranstaltet.

Im Eröffnungsprogramm zeigte -neben vielen Begrüßungsreden und Grußworten- der Künstler ‚Charismo‘ eine ‚Akrobatik am Red Ribbon‘:

[flashvideo file=“wp-content/uploads/Videos/Charismo2.flv“ /]

Video, 33,7 MB

(ja … das Video sollte eigentlich um 90° gedreht sein … folgt in den nächsten Tagen …)

Sexualität im Wandel

Über den Workshop „Sexualität im Wandel“, der am Samstag, 31. Januar 2009 auf den ‚Positiven Begegnungen 2009‘ stattfand, heute ein Gastbeitrag von Bernd Aretz und Corinna Gekeler:

Sexualität im Wandel
Unter diesem Titel trafen sich sic h in einem Workshop der Positiven Begegnungen in Stuttgart mehr als 50 Männer und Frauen, darunter auch Jugendliche, aus der Schweiz, Österreich, den Niederlanden und Deutschland, um sich über ihre Schutzstrategien in der Sexualität auszutauschen. Ein Königsweg war natürlich nicht zu erwarten, aber es gab vielfältige Hinweise, wo die Ängste liegen und was zu ihrem Abbau hilfreich sein kann. In der Eröffnungsrunde wies Corinna Gekeler darauf hin, dass sie als HIV-Negative Safer Sex im herkömmlichen Sinn für sich auch dann für eine Selbstverständlichkeit hält, wenn sie weiß, dass der Partner gut therapiert ist und lediglich eine sehr geringe HIV-Übertragungsgefahr besteht. Sie möchte in intime Beziehungen nicht die Vor- und Nachteile von Laborwerten einbrechen lassen und schon gar nicht dem Partner, der vielleicht mit einer gestiegenen Viruslast Therapieversagen konfrontiert sein könnte, obendrein mit dann auftauchenden Sorgen über erhöhte Risiken zumuten. Aber die Therapien lassen sie beruhigt an „Kondomunfälle“ und Grauzonen im Umgang mit Safer Sex denken. Auch für Bernd Aretz, den Comoderator, stellen die Therapien – nicht erst seit der Veröffentlichung der Eidgenössischen Kommission für Aids Fragen – eine deutliche Erleichterung dar, die bei ihm durchaus auch zur Kondomverzicht führen kann. Er nimmt sich selbst nicht mehr als gefährlich war, wies aber darauf hin, dass sich das für Partner anders darstellen kann. Ängste sind nun mal real – wenn auch nicht nimmer wissenschaftlich begründet – und der Respekt gebietet es, sie zu akzeptieren. Es kann und darf lange dauern, bis sie sich verlieren. Bis dahin gilt es, sich in Gelassenheit zu üben.

Das Absprechen von Feldern der Sexualität, die angstfrei von den allen Beteiligten erlebt werden können, war ebenso Thema, wie die plötzlich auftauchenden Erektionsschwierigkeiten der Männer. Es ist ein verschlungener und weiter Weg vom Kopf zum Bauchgefühl. Da kann es für manche hilfreich sein, den Schwanz mit den Rechten eines eigenständigen Dritten auszustatten, der zu nicht mehr verpflichtet ist, als sich, wenn er am Spiel teilnimmt, an die ausgehandelten Regeln zu halten. Offenheit war ein Thema, das sich durch den Workshop zog. Von einigen negativ Getesteten kam der Hinweis, dass es für sie einen Unterschied mache, wenn sie wüssten dass der Mensch gegenüber positiv sei. Ob sie sich dann auf eine sexuelle Begegnung einließen, wüssten sie nicht, um dann aber aus ihrer Erinnerung doch Erlebnisse auftauchen zu lassen, die sie mit offen Positiven hatten und als sehr nah und bewegend beschrieben. In Kleingruppen tauchte das Thema auf, wie damit umzugehen ist, wenn nicht gleich zu Beginn klare Verhältnisse geschaffen wurden. Kann man dem Partner nach sechs Monaten oder zwei Jahren noch zumuten, zu erklären, dass man vergaß, die eigene Infektion mitzuteilen? Ängste vor Ausgrenzung wurden sichtbar. Dazu gab es ein paar nützliche Hinweise, wie etwa in einer fremden Großstadt sich bei Gelegenheitsbegegnungen in der Offenheit zu üben, ohne gleich vor Ort in der Kleinstadt das Leben als Aussätziger befürchten zu müssen. Das Internet als Möglichkeit mit einem Zweitprofil eine Sprache für den Umgang mit HIV zu finden, ohne sich gleich in größerem Rahmen zu den Viren zu bekennen tauchte in den Beschreibungen der individuellen Wege auf.

Es wurde von den Erfahrungen mit der Angabe „Safer Sex nach Absprache“ im Chatprofil berichtet. Von den HIV-Positiven wurde das als ernsthaftes Gesprächsangebot über die konkreten Bedingungen der Sexualität verstanden, wenn es auch durchaus vorkommt, dass User mit dieser Selbstbeschreibung HIV-Positive als Sexualpartner ablehnen. Immerhin erspart man sich unliebsame Begegnungen und frustrierende Erlebnisse auf der Bettkante. Zur Klärung der wechselseitigen Wünsche und Erwartungen trägt es jedenfalls oft bei. Als Mythos entpuppte sich die oft zu hörende Klage, bei einem Wunsch nach Kondom werde man als Sexualpartner zurückgewiesen. Das mag ja im Einzelfall mal vorkommen, bei der Verabredung von kondomfreien Events sicher häufiger, aber die Grundstimmung war, dass es konkrete eigene Erlebnisse kaum zu berichten gab. Auf diese Begegnung könne aber auch gut verzichtet werden.

Durch den ganzen Workshop zog sich die Einsicht, dass es mit der Entängstigung der Positiven , die ihm Rahmen der Behandlung gut informiert werden und den Negativen, die in Masse mit den entlastenden Faktoren weniger vertraut sind, durch die Entwicklungen der Medizin nicht getan ist. So wurde vielfach der zögerliche Umgang mit der bis zur Unkenntlichkeit verschwindenden Infektiosität durch erfolgreiche Therapien verurteilt. Er verstärkt die Stigmatisierung HIV-positiver Menschen, sei es durch sich selbst oder durch die Umwelt, und erschwert den Positiven das Coming Out. Die vielfach geäußerte Befürchtung, die breite Kommunikation würde zu einer Gleichgültigkeit führen, fand in den Beiträgen der WorkshopteilnehmerInnen keine Nahrung. Im Gegenteil. Es wird noch lange dauern, bis ein gelassenerer Umgang mit der eigenen Infektion sich durchsetzt und den Blick auf die Ängste der Partner öffnet.

Interessant waren die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Bedeutung des Einbringens eines Verlangen nach Safer Sex. Aus der Sicht der HIV Negativen war es kein Problem, aus der Sicht der Positiven ging es einher mit der Überlegungen vom Schutz vor allen möglichen zusätzlichen Infektionen bis hin zur Befürchtung, dass damit ein Nachfragen provoziert werde, „Bist Du eigentlich positiv?“. Was man natürlich mit der Gegenfrage beantwortet könnte, ob denn der andere seit drei Monaten vor seinem letzten negativen Testergebnis gesichert keine ungeschützten Kontakte hatte, wenn er so auf den Wunsch nach Kondomgebrauch reagiert.
Der Wunsch nach einverständlichen Handlungen auf der Basis gut kommunizierter Schutzbedürfnisse (auch vor STIs) stand für alle TN im Vordergrund. Nicht Angst sei immer der wichtigste Motor, sondern vielmehr Achtsamkeit oft das passende Wort.

Es wurde von der Strategie berichtet, sich als HIV-infizierter Mensch auf positive PartnerInnen zu beschränken, wobei die Wege der Liebe und der Anziehung jedoch häufig andere Optionen wünschenswert erscheinen lassen. Die vielen serodifferenten Partnerschaften legen davon Zeugnis ab und auch davon, dass es eben keine durchgängige Ausgrenzung HIV-positiver Menschen gibt.

Kommunikation und Respekt sind für alle Beteiligten gute Ratgeber. Das Sprechen über Sexualität ist möglich. Es steht zu vermuten, dass die TeilnehmerInnen gestärkt aus dem Workshop herausgegangen sind. Dass dies im Sinne der Kampagne der Deutschen Aids Hilfe „Ich weiss was ich tu“ beispielhaft war, steht außer Frage.

Wie positHIV sind wir eigentlich? Über „die Kraft, mit Brüchen im Leben zu stehen“

Ein Workshop der ‚Positiven Begegnungen 2009‘ befasste sich mit identity politics – mit der Frage „wie positHIV sind wir eigentlich?“

Identity politics sei ein Mittel gesellschaftlicher Gruppen, um sowohl gesellschaftliche Verhältnisse zu verändern als auch zur Emanzipation beizutragen, erläuterte Carsten Schatz zu Beginn des Workshops.
Dabei gelte es, nicht zu einer erneuten Normierung zu kommen. Inwieweit führt die Verweigerung von normen zum Schaffen neuer Normen und daraus neuer Ausgrenzung? Diese Position der Kritiker der identity politics gelte es zu bedenken.

„Heute sind wir Menschen mit HIV und Aids ein bunter Haufen, eine heterogene Gruppe und die Herausforderungen und Chancen ergeben sich gerade aus unserer Vielfalt der kulturellen Hintergründe, des Eigensinns und Anders-Seins einer und eines Jeden.Die Gemeinsamkeit ergibt sich eigentlich ’nur‘ aus der Angst und dem damit verbundenen Stigma. … Einerseits möchten wir gleichwertig sein, integriert und akzeptiert, in der Norm verankert und andererseits ist unsere Vielfalt auch unser Reichtum und wir schätzen Eigensinn, Anders-Sein und die Kraft, mit Brüchen im Leben zu stehen. … Wie schaffen wir nicht neue normative Zwänge, sondern stärken uns an der Vielfalt?“ (aus der Workshop-Ausschreibung)

Die Grundhaltung, Vielfalt als Chance und Stärke zu erkennen, Unterschiedlichkeiten und die daraus resultierenden Auseinandersetzungen als notwendig und als Bereicherung zu erfahren ist so neu nicht – sie spiegelt sich neben sozialen Bewegungen auch in Management-Konzepten wie dem der ‚diversity‘.

Gibt es (bezüglich HIV) eine ‚positive Identität‘ nur, wenn die Person offen mit ihrer Infektion lebt? Oder gibt es auch so etwas wie eine ‚verborgene positive Identität‘?

Aufschlüsse dazu gab schon eine Arbeit in vier Gruppen: die bemerkenswerten Ergebnisse der Eigen- und Fremdwahrnehmung. „Wie nehmt ihr euch selbst, wie ‚die anderen‘ wahr?“, war die Frage an vier Gruppen, jeweils zwei von offen und zwei von nicht offen positiv lebenden Menschen.

In der Eigenwahrnehmung nicht offen positive lebender HIV-Positiver dominierten ‚Ängste‘, ‚Schuld‘, ‚Karrierekiller vermeiden‘ oder ‚Umfeld schützen‘ – aber auch die Chance ‚ohne Einschränkung frei leben‘, ‚keine Rechtfertigung‘ oder ‚problemloser‘.
Offen lebende Positive wurden als selbstbewusst, mutig, authentisch bezeichnet, teils ‚bewundert‘, aber auch negativ assoziierte Begriffe wie ‚Berufs-Positiver‘ oder ‚HIV-Tourismus‘ fielen. Offen mit HIV leben wurde mit ‚Großstadt‘ assoziiert.

In der Eigenwahrnehmung offen lebender HIV-Positiver überwogen Formulierungen wie ’sich selbst ehrlich sehen‘, ‚weniger Angst‘, ’nicht erpressbar‘ oder ‚mehr Selbstbewusstsein‘, während nicht offen lebende Positive als ‚gefangen sein‘, ’sich Chancen nehmen‘ ‚leiden im stillen Kämmerlein‘ oder ‚Leben nicht so frei‘ bezeichnet wurden.

Schon diese Beispiele zeigen, wie sehr Identität (auch positive Identität) nicht nur aus eigener Selbst-Zuschreibung resultiert, sondern genauso auch aus Zuschreibungen von außen (‚der lebt mit HIV‘) – und auch Zuschreibungen aus ‚der eigenen Gruppe‘ der HIV-Infizierten (‚der lebt ja /nicht offen mit sienem HIV‘), mit allen daran hängenden Bildern.

Und schon die Beispiele der Arbeitsgruppen zeigen, wie sehr beide Modelle (offen oder nicht offen mit der eigenen HIV-Infektion zu leben) jeweils mit durchaus verschiedenfarbigen, positiven wie auch negativen Gefühlen und Bildern assoziiert sind.

Jede Entscheidung ist zu akzeptieren – offen mit HIV zu leben, nicht offen mit HIV zu leben, oder auch angepasst an jeweilige Situationen verschiedene Offenheits-Strategien zu haben (z.B. im Privaten offen, am Arbeitsplatz nicht).

Bericht über den Workshop „Wie positHIV sind wir eigentlich? – Identitätspolitik oder:  ‚Ich bin wie du‘ – wie langweilig …“ am 30. Januar 2009 bei den ‚Positive Begegnungen 2009‘ in Stuttgart, Leitung Michèle Meyer und Carsten Schatz

(Anmerkung: ich konnte leider an dem nachmittags anschließenden Thementreff zum Workshop nicht teilnehmen – wäre aber für Ergänzungen übner diesen teil dankbar …)

weitere Informationen:
Diversity-Konzept der Universität Wien ‚Vielfalt bildet! Bildet Vielfalt!‘
Dossier der Heinrich-Böll-Stiftung zu Diversity Management
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‚Böse Bilder‘ oder: Wie Stuttgart den Mut verlor

Zum Thema „Bilderstreit – über Stigma, ein abgehängtes Bild und Toleranz“ im Folgenden ein Artikel des neuen ondamaris-Mit-Autors Matthias Hinz:

Ländliche Polit-Posse oder klein(geistig)e Kunst-Zensur?– irgendwie ist es von beidem etwas, was sich neulich in der Schwaben-Metropole Stuttgart zugetragen hat.

Die Stadt Stuttgart hat die „größte Selbsthilfekonferenz Europas“ (Programmheft) zu sich ins Rathaus eingeladen, die von der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH) veranstalteten „Positiven Begegnungen 2009“. Und da es offenbar noch immer keine Selbstverständlichkeit ist, „so eine“ Veranstaltung in der guten Stube der Stadt willkommen zu heißen, sei es auch hier lobend bemerkt.
Man ist freundlich und offen zu den über 400 (meist HIV-positiven) Gästen, der Oberbürgermeister übernimmt die Schirmherrschaft, und zur Eröffnung gibt es warme Worte der Bürgermeisterin Müller-Trimbusch.
Das Schwerpunkt-Thema der Konferenz ist „Stigmatisierung und Diskriminierung“, und so erklärt denn die Bürgermeisterin auch:
„Die Entstigmatisierung von Menschen mit HIV und AIDS ist eine der großen Aufgaben der nächsten Jahre. (…) Die Stadt Stuttgart unterstützt dieses Anliegen (…) Dass die Konferenz hier im Rathaus stattfindet, unterstreicht die besondere Bedeutung, die wir dem Thema beimessen.“

Alles sehr gut, sehr schön und wunderbar! – wäre da nicht diese peinliche Posse am Rande; am Rande zwar, aber doch mitten im Thema der Konferenz:
Noch vor Beginn der Veranstaltung, während draußen auf dem Platz die Fahnen der Aidshilfe gehisst werden, kommt es drinnen im Rathaus zum Eklat.
Im Foyer wird die Konferenz-Ausstellung „Bilder eines Stigmas“ von den Amtsträgern begutachtet und stößt auf Mißfallen.

(„Das Stigma ruft Ablehnung, Beklemmung oder Unbehagen bei Dritten hervor.“ Programmheft)

Bürgermeisterin Müller-Trimbusch verlangt vom Veranstalter DAH, daß etliche Fotos abgehängt werden müssen, so etwas ginge in einem schwäbischen Rathaus nicht.
Mit „so etwas“ sind Bilder von Frauen gemeint, die den Mut haben, sich und ihr Stigmatisiertsein zu zeigen, zu inszenieren, und damit offensiv und selbstbewußt ihre Würde und ihre Schönheit dem Stigma entgegen zu stellen.
Wunderbare Bilder einer begabten Photografin. Und, ja: diese Frauen sind teilweise unbekleidet!

(„In aller Regel versuchen Menschen, die von Stigmatisierung betroffen sind, sich ‚unsichtbar zu machen’. D.h. sie verbergen die sie stigmatisierenden Merkmale.“ Programmheft)

Nur kurz unterbrochen vom oben zitierten Auftritt der Bürgermeisterin bei der Eröffnungsveranstaltung, geht hinter den Kulissen der Tagung das Ringen zwischen Rathaus und Aidshilfe weiter. Die Frage ist: wieviel Entstigmatisierung verträgt die Gastfreundschaft des Rathauses? Das Ergebnis: die Bilder „dürfen“ doch gezeigt werden, alle, bis auf eines!
Dazu wird der anfänglich vorgeschobene Vorwurf des Sexismus nun von der Bürgermeisterin fallengelassen, und ersetzt durch den Hinweis, die religiösen Gefühle von Minderheiten schützen zu wollen.

(„Der Vorgang der Stigmatisierung verläuft häufig auf der Ebene von Vorurteilen und Klischees.“ Programmheft)

Und also geht das peinliche Theater des Rathauses weiter: der Hinweis „Zensiert“, welchen die Aidshilfe an die Leerstelle gehängt hat, die das zensierte Bild in der Ausstellung hinterlassen hat, wird von diensttuenden Geistern immer wieder entfernt. Man fürchtet um den guten Ruf der Stadt, der dadurch aber nur noch mehr Blessuren bekommt.
Der Ton verschärft sich, und schließlich steht die Drohung des Rathauses im Raum, die gesamte Ausstellung zwangsweise abzubauen, schlimmstenfalls auch die Konferenz einfach zu beenden.

(„Stigmatisierung und Diskriminierung gehen in der Regel Hand in Hand.“ Programmheft)

An diesem Punkt kommen einige Konferenzteilnehmer der DAH ungebeten und auf eigene Faust zu Hilfe und informieren durch kleine Aushänge überall im Rathaus über den Vorfall.

(„Engagierte Selbsthilfegruppen und funktionierende Netzwerke sind unverzichtbar.“ Programmheft, Grußwort der Landessozialministerin Stolz)

Es kommen Gespräche unter den Teilnehmenden über die Ausstellung und das Verhalten des Rathauses in Gang ( – gottseidank aber ohne die eigentliche Arbeit zu übertönen, schließlich ist es nur ein Randgeschehen). Unverständnis und eine gewisse Empörung machen sich Luft.

(„Damit machen sie vielen Menschen Mut und helfen mit, dass sachgerechte und auf Erfahrung basierende Entscheidungen getroffen werden können.“ Programmheft, Grußwort der Landessozialministerin Stolz)

In der folgenden Plenarsitzung erläutert nun der DAH-Vorstand (der die Sache bisher aus Rücksicht auf die Gastfreundschaft hinter den Kulissen ausgefochten hat) den 400 Teilnehmenden die Vorgänge.
Das inkriminierte Foto, das ohne das ganze Theater dezent unter zwanzig anderen in der Ausstellung gehangen hätte, strahlt jetzt als 12 Quadratmeter-Diashow im Großen Sitzungssaal und wird vom Publikum mit ausgiebigem Beifall bedacht.

(„ Sich dem Fremd- und Selbststigma zu stellen, erfordert Mut und eine gewisse Kraft zur Auseinandersetzung. Am Ende des Prozesses kann jedoch eine neu gewonnene (innere) Freiheit stehen, die mehr Unabhängigkeit, Selbstzufriedenheit und Identitätsstärkung beinhaltet.“ Programmheft)

Kann man nun aus dieser Posse etwas lernen?
Zumindest hat sich einmal mehr gezeigt, daß sich Zensur nicht lohnt, daß sie im besten Fall sogar – wie hier – den Zensor bloßstellt.
Und für die Aidshilfe war es gewiss gut, wieder einmal zu erleben, daß sie sich gegen Versuche, ihre Arbeit aus sachfremden (meist parteipolitischen) Gründen zu behindern, erfolgreich wehren kann – mit Unterstützung ihrer „Zielgruppen“.
Insofern gehört auch dieser kleine „Bilderkampf“ zu den fruchtbaren Erlebnissen, die die Schwabenmetropole möglich gemacht hat.
Ob aber im Stuttgarter Rathaus auch etwas gelernt wurde, ist zu bezweifeln…

mehr Mut – Wege aus Stigmatisierung und selbst-Stigmatisierung

Eines der zentrale Themen der ‚Positiven Begegnungen 2009‘ war die Frage von Stigmatisierung und Selbst-Stigmatisierung HIV-Positiver. Ein ganztägiger Workshop widmete sich der Frage, was Stigma bedeutet und welche individuellen und kollektiven Wege aus der Stigmatisierung führen können.

Mit ‚Stigma‚ (griech.) wurde ursprünglich ein Mal, ein körperliches Zeichen bezeichnet, ein Zeichen das erkennbar macht. Im Mittelalter beispielsweise wurden Verbrecher mit Brandzeichen gekennzeichnet (Brandmarken). Doch der Begriff Stigma ist ambivalent: neben der negativen Ausprägung als Makel kann er auch die Facette der Auszeichnung haben, wie z.B.Menschen die die Wundmale Christi aufwiesen in religiösen Kontexten als etwas ganz Besonderes betrachtet wurden.

Stigmatisierung ist von Diskriminierung zu unterscheiden: Stigmatisierung ist die Bewertung (Zuschreibung von Werten) eines Makels durch die Gesellschaft oder einen selbst. Diese Bewertung kann aber muss nicht zu Diskriminierung, zu diskriminierendem Verhalten führen.

„HIV und Aids gehören zu den Krankheitsbildern, die in besonderem Maß Anlass für Stigmatisierungsprozesse gegeben haben. Diese Prozesse dauern leider immer noch an. Die Fülle der sog. ‚Normabweichungen‘ (Homosexualität, Drogengebrauch, Promiskuität usw.) gepaart mit Sexualität sind hierfür ein reichhaltiger Fundus … In aller Regel versuchen Menschen, die von Stigmatisierung betroffen sind, sich ‚unsichtbar zu machen‘. … Um den Folgen von Stigma und Selbststigma und der damit verbundenen Diskriminierung … entgegen zu wirken, ist es unabdingbar, dem eigenen Selbststigma auf die Schliche zu kommen, es immer wieder auszuloten und zu überwinden.“ (aus der Workshop-Ausschreibung)

Stigmatisierung betrifft bei HIV sowohl durch die eigene HIV-Infektion als auch z.B. durch das erneute Sichtbarwerden von HIV, z.B. durch Fettansammlungen an Hals oder Nacken oder die ‚eingefallenen Gesichter‘ in Folge von Lipoatrophie.

Stigma und Realität

Das Problem bei Stigma: das -zu bekämpfende- Stigma ist zugleich auch real existierende Realität. Die HIV-Infektion ist nun einmal vorhanden. Die Löcher im Gesicht, das fehlende Fett am Arsch, die Fettansammlung im Nacken, sie lassen sich nicht einfach weg-leugnen.
Das Stigma hat reale Ebenen, die man nicht einfach loswerden kann – einschließlich der damit verbundenen Zuschreibungen und Wertungen.

Die Konsequenz: die Strategie des ‚positive thinking‘, die Strategie ‚es sich schön zu reden‘ (z.B. das morgendliche ‚eigentlich seh‘ ich doch schön aus‘ vor dem Badezimmer-Spiegel), die Strategie die Realität zu leugnen, diese Strategie funktioniert bei diesem Stigma nicht – man ist ‚zwangsvergesellschaftet‘ mit dem Makel, und dies kann auch durch die ‚richtige‘ Einstellung nicht verändert werden.

Wege aus der Selbststigmatisierung

Der Weg des ‚Ungeschehen-Machens‘ ist also versperrt – HIV bleibt nach derzeitigem Stand der Medizin ein dauerhafter Begleiter, und vermutlich auch die Löcher im Gesicht, das Fett an verkehrten Körperstellen. Der Makel ist da – und er wird bleiben, er ist real.

Erster Schritt einer Lösung, eines Entkommens aus der Tretmühle von Stigmatisierung und Selbststigmatisierung könnte also sein, die Un-Hintergehbarkeit der Realität, dieses Makels zu akzeptieren.

Allerdings: das Mal mag real sein, nicht abänderbar. Aber auch die Bewertung? Die ist (persönlich oder gesellschaftlich) zugeschrieben. Ist das Mal tatsächlich ein Makel? Und ist dieser Makel wirklich mit all den negativen Zuschreibungen verbunden? Auch für die eigene Person selbst?

Alles hängt davon ab, wie das Mal interpretiert wird – als Makel? oder als Auszeichnung?

Diese Möglichkeit der Interpretation des Mals – sie kann vielleicht auch neue Wege aus der Selbststigmatisierung eröffnen.

Neben einer Interpretation werden auch diverse andere Versuche von Lösungsstrategien gelebt. Dazu gehören z.B. die ‚Flucht zu den gleichen‘ oder damit verwandt das Konzept, sich anderen Gruppen als der früheren eigenen sozialen Gruppe zuwenden (z.B. der ‚Fetisch-Szene‘), wenn man empfindet dass dort der Makel weniger Gewicht hat, weniger negativ bewerten wird, weniger wichtig ist.

Die Positiven-Cafés, die Positiven-Frühstücke, auch (in einer Nuance) die Positiven-Treffen – hier haben sie einen wesentlichen Kern ihrer Attraktivität. Sie sind Rückzugs-Räume, letzte Räume ohne oder doch mit deutlich weniger Stigmatisierung. Und für viele der letzte Ausweg, bevor sie sich völlig aus der Gesellschaft zurück ziehen.

Doch in einer (dauerhaften, ständigen) Separierung liegt kein Ausweg aus der Stigmatisierung. Wohl aber vielleicht in der Frage der Schwerpunkt-Setzung. Ist vielleicht anderes im Leben wichtiger geworden? Sind die Bereiche, in denen Stigmatisierung empfunden wird, wirklich immer im Kern des Seins, des Lebens?

Wird wirklich in jeder Situation gleichermaßen eine Folgen dieses ‚Makels‘ erlebt? Wo waren Unterschiede? Wo wurden vielleicht auch positive Erfahrungen gemacht? Diese positiven Beispiele und Erfahrungen zu erkennen, zu schätzen kann ein Schritt auf dem Weg aus der Selbststigmatisierung sein.

Welche inneren Normen befördern die eigene (Selbst-) Stigmatisierung?
In wie weit werden in der Selbststigmatisierung (unhinterfragt?) Bilder und Normen selbst übernommen, die mir von außen aufgesetzt wurden?

Wie gehen wir selbst mit unserer Andersartigkeit um? Das ist eine der zentralen Fragen, aus der Selbststigmatisierung erwächst.

Die Schuldfrage

Warum treten diese Probleme von Stigmatisierung, Diskriminierung bei HIV und Aids in besonderem Maß auf? Warum bei Krebs oder Diabetes wesentlich geringer, in anderer, niedrigerer Ausprägung?

Krebs, Aids, Diabetes – alle drei sind potenziell lebensbedrohliche Erkrankungen. Wo ist der Unterschied?
Anders ist zunächst die Angst – die Angst vor der Ansteckung.
Und: bei HIV, bei Aids geht es um Sex, um schwulen Sex, und das Bild der Gesellschaft „schwuler Sex ist schlecht“.

Der eigentliche Wesens-Unterschied jedoch liegt in einem anderen Merkmal. Krebs, Diabetes – sie sind etwas „Schicksalhaftes“. Bei HIV, bei Aids jedoch wird nicht diese Schicksalhaftigkeit unterstellt, sondern eine Verursachung. ‚Aids kriegt man nicht, Aids holt man sich‘. Eine Verursachung, die mit Verantwortungs-Bildern arbeitet und schnell landet bei der Frage nach – Schuld.

In dieser Schuld liegt das eigentliche stigmatisierende Element. In Bilder von Schuld, die nicht nur von außen an die Person heran getragen werden, sondern Bilder, die auch selbst von ihr, innerlich reproduziert werden. In Bildern von Schuld, auf die reagiert wird mit Versuchen, die eigene Unschuld zu beweisen.

Die Frage nach einem Weg aus der Selbststigmatisierung muss sich also mit dem Thema Verantwortlichkeit beschäftigen. Dabei liegt der Weg aus der aus Verantwortungs-Bildern resultierenden Stigmatisierung nicht darin, die eigene Unschuld zu beweisen. Sondern darin, die Zuschreibung zu verändern. Genau jene „Schuld“ anzunehmen (im Sinn einer Ursache, z.B.: ‚ja, aus dem und dem Verhalten könnte meine Infektion resultieren‘) – aber keine Scham zu empfinden, sich nicht schuldig zu fühlen.
‚Ja, ich habe Schuld – aber ich fühle mich nicht schuldig.‘

der Weg von den individuellen zu kollektiven Lösungen

Der WeG aus der Stigmatisierung und Selbst-Stigmatisierung ist jedoch nicht nur ein Weg des Einzelnen. Sondern von Individuen, die in Gesellschaften leben.

Der Weg geht von innen nach außen – und zurück. Wenn ich meine eigene Selbststigmatisierung erkenne und verändere, abbaue, kann ich auch die Gesellschaft mit meinem Stigma konfrontieren – und mit etwas Glück auch eine Reaktion bekommen, die mein eigenes Inneres wieder stärkt, meine eigene Selbst-Stigmatisierung abbauen hilft.

Daher gilt es, nicht nur einzeln individuelle Wege aus dem Stigma zu entwickeln, sondern auch kollektiv.
Vereinfacht formuliert: „Wenn wir selbst nicht offen über HIV reden, auch über ‚unser‘ HIV, wie wollen wir dann erreichen, dass in der Gesellschaft offen und ohne Stigmatisierung, Diskriminierung über HIV geredet wird?“

Hier stellt sich auch die Frage, wie viel Stigma im modernen Dogma „nur wer gesund lebt ist glücklich“ liegt.
Zu wie viel zusätzlicher Stigmatisierung führt die zunehmende Verabsolutierung des Ziels ‚Gesundheit‘ in der aktuellen Gesundheitspolitik? Insbesondere, wenn sie zunehmend mit der ‚Schuldfrage‘ verknüpft wird, wie z.B. bei Rauchern oder zu ‚ungesundem‘ Essen?

Auf kollektiver Ebene stellt sich auch die Frage, welche indirekten Folgen die Präventions-Kampagnen der DAH haben. So sinnvoll es präventionspolitisch sein mag, HIV-Prävention mit Abbildern junger, knackiger, gesund aussehender attraktiver Männer zu betreiben – wie viel Potenzial für Stigmatisierung liegt hierdrin auch? Werden hier nicht auch gerade diejenigen Bilder geprägt, an denen der Positive sich dann messen lassen muss, sich selbst misst – und in Stigmatisierung und Selbststigmatisierung landet?
Sind -neben den knackigen jungen Männern auf safer-sex-Plakaten- auch Plakate erforderlich, die die Realität darstellen, in all ihren angenehmen und weniger angenehmen Facetten?

Braucht  es wieder Fotografen wie den z.B. den 1993 verstorbene Jürgen Baldiga, Plakate wie die mit Ikarus und seinen Kaposis (‚Ich will mich nicht verstecken‘)? Bilder die das Leben mit HIV so zeigen wie es ist? Unverzerrt, ungeschönt, aber auch nicht reduziert auf nur die hässlichen Seiten?
Und – wenn oft der zurückgehende Zusammenhalt in den Communities beklagt wird, der zunehmende Rückzug ins Private – brauchen wir wieder mehr „Miteinander“?

Auswege aus der Stigmatisierung

– die Schuldfrage knacken
gesellschaftliche Werte, Normen und Zuschreibungen hinterfragen (wie berechtigt sind sie? Für mich selbst?)
einseitig negative Zuschreibungen vermeiden (Vielfarbigkeit einfordern, Leben mit HIV ist ein ‚Panoptikum‘ – ist nicht nur Nebenwirkungen und Leid, ist auch Lebensfreude, Sex, Liebe)
mehr Mut :-).

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Bericht über den Workshop und anschließenden Themen-Treff „Schlechtes Karma? – Coping und Stigmamanagement“ am 31.01.2009 bei den Positiven Begegnungen 2009 in Stuttgart, Leitung Dr. Hella von Unger (Berlin) und Dr. Dr. Stefan Nagel (Dresden)

weitere Informationen:
Lesetipp thewarning 04.02.2009: ‚Pute‘ et ‚barebacker‘: analyse comparative de 2 stigmates
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Me absolvo – Wer vergibt wem was, und was ist Sünde?

Im Rahmen der ‚Positiven Begegnungen 2009‘ fand vom 29.1. bis 1.2.2009 im Stuttgarter Rathaus auch die Ausstellung „Bilder eines Stigmas“ statt.

Eines der ausgestellten Objekte:

Me absolvo - Michèle Meyer
Me absolvo - Michèle Meyer
Me absolvo - Michèle Meyer
Me absolvo - Michèle Meyer
Me absolvo - Michèle Meyer
Me absolvo - Michèle Meyer
Me absolvo - Michèle Meyer
Me absolvo - Michèle Meyer

Me absolvo
(K)Ein Ort des Verweilens.
Michèle Meyer
Beichtstuhl, begehbares Objekt: Aussen Original Zustand Holz mit Intarsien, 17. Jahrhundert. Innen: Mit Stoff, Objekten, kleinen Bildern etc. ausgestattet.

Positive Begegnungen 2009: Grußwort der Bürgermeisterin Müller-Trimbusch

Die Positiven Begegnungen 2009 in Stuttgart wurden u.a. mit einem Grußwort der  Bürgermeisterin für Gesundheit, Soziales und Jugend,  Gabriele Müller-Trimbusch eröffnet, die in Vertretung für Stuttgarts Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster sprach. Die Rede als Dokumentation:

Grußwort zur Veranstaltung der Deutschen Aidshilfe
„Positive Begegnungen – Konferenz zum Leben mit HIV/AIDS“
Rathaus, Großer Sitzungssaal
29. Januar 2009, 18:15 Uhr

Meine Damen und Herren,
liebe Gäste,

im Namen des Schirmherrn dieser Veranstaltung, Herrn Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster, begrüße ich Sie sehr herzlich hier bei uns im Rathaus zu den „Positiven Begegnungen 2009“.

„Leben mit HIV und AIDS“ – so heißt der Untertitel der „Positiven Begegnungen“. Ein Leben mit HIV und AIDS, das war in den ersten Jahren der AIDS-Pandemie kaum vorstellbar. Wer an AIDS erkrankt war, hatte meist nur eine Lebenserwartung von wenigen Monaten. Heute ermöglichen hochwirksame Medikamente, dass HIV-positive Menschen über viele Jahre, manchmal Jahrzehnte mit ihrer Infektion leben können. Doch die Behandlung hat ihren Preis: So wirksam die Medikamente sind, so viele Nebenwirkungen können sie auch haben, die die Erkrankten in ihrem täglichen Leben oft erheblich beeinträchtigen. Und trotz aller Bemühungen der Forschung bleibt die HIV-Infektion eine chronische Erkrankung, die nicht heilbar ist.

Zusammen mit den Neuinfektionsraten, die in den letzten Jahren leider wieder ansteigen, ergibt sich eine immer größere Zahl von Menschen, die mit HIV und AIDS leben.

In der breiten Öffentlichkeit wird das Bild von HIV und AIDS von mehreren Aspekten geprägt: Einerseits erscheint AIDS durch die relativ guten Behandlungsmöglichkeiten vielen Menschen nicht mehr als bedrohlich, sondern als Krankheit wie viele andere. Das öffentliche Interesse hat im Vergleich zu den 80er und 90er Jahren leider deutlich abgenommen. Sich mit Kondomen gegen eine Ansteckung zu schützen, erscheint manch einem vielleicht unnötig; es gibt doch Medikamente.

Doch ganz anders sieht es häufig aus, wenn im beruflichen
oder privaten Umfeld ein Mensch seine HIV-Infektion offenbart. Dann machen sich Angst und Unsicherheit bei den Personen in der Umgebung breit. Aus Furcht vor Ansteckung wird Distanz gehalten oder der Kontakt zu einem Erkrankten ganz abgebrochen. Der Arbeitsplatz gerät in Gefahr, weil der Arbeitgeber krankheitsbedingte Fehlzeiten fürchtet; vielleicht könnten Kunden ausbleiben, die nichts mit einem HIV-positiven Mitarbeiter zu tun haben wollen. Dies zeigt: AIDS ist doch keine Krankheit wie alle anderen. Wer HIV-positiv ist, überlegt es sich in der Regel sehr genau, wem er davon erzählt.

Überdurchschnittlich viele Menschen mit HIV und AIDS sind arbeitslos und auf staatliche Unterstützung angewiesen. Ihre Möglichkeiten, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, sind deutlich reduziert.

Ein Besuch im Kino, im Café, im Museum, ein Wochenendbesuch bei Freunden in einer anderen Stadt – das alles sind Dinge, die für uns selbstverständlich sind, nicht aber für einen Menschen, der wegen seiner HIV-Infektion keine Arbeit mehr findet. Auch dies ist eine Form von Ausgrenzung.

Die Entstigmatisierung von Menschen mit HIV und AIDS ist eine der großen Aufgaben der nächsten Jahre. Hier haben die AIDS-Hilfen bundesweit eine wichtige Funktion, indem sie Öffentlichkeit schaffen und auf die Probleme von Betroffenen hinweisen.

Die Stadt Stuttgart unterstützt dieses Anliegen im regionalen Arbeitskreis AIDS zusammen mit der AIDS-Hilfe Stuttgart und einer Reihe von anderen Akteuren: der AIDS-Beratungsstelle der Evangelischen Gesellschaft, anderen kirchlichen AIDS-Beratungsstellen und den Gesundheitsämtern in der Region.

Wir freuen uns ganz besonders, die „Positiven Begegnungen“ dieses Jahr in Stuttgart begrüßen zu dürfen. Dass die Konferenz hier im Rathaus stattfindet, unterstreicht die besondere Bedeutung, die wir dem Thema beimessen.

Sie haben ein dichtes Programm mit zahlreichen interessanten Themen vor sich, dennoch hoffe ich, dass Sie auch die Zeit finden, das breite kulturelle Programm unserer Stadt zu genießen.

Ich wünsche den „Positiven Begegnungen 2009“ einen erfolgreichen Verlauf mit vielen neuen Impulsen!

Virus-Mythen 4: HIV als Folge eines Lebensstils? (akt.)

Am Rande der Konferenz ‚Positive Begegnungen‘ war auch die ein oder andere Erstaunlichkeit zu bewundern, so auch diese:

PD DR. Sabine Hawighorst zu Aids
PD DR. Sabine Hawighorst zu Aids

Dieses „Expertenstatement“ der Privatdozentin Dr. Sabine Hawighorst-Knapstein, diese bemerkenswerte Äußerung fand sich in einer Publikation der AOK Baden-Württemberg, dem ‚JuSt Jugendpressedienst‘, Ausgabe ‚Das Winterheft 05.2008, Herausgeber und Verleger AOK Bundesverband.

Aids eine „lebensstilbedingte Infektionskrankheit“?
Gegen die „umsichtige Partnerwahl“ hilft?

Wenig erstaunlich, dass derlei Äußerungen auf wenig Begeisterung bei den Teilnehmern der ‚Positiven Begegnungen‘ stießen:

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Die Äußerung Hawighorst-Knapsteins rief zahlreiche Reaktionen hervor (von denen hier nur wenige dokumentiert sind)

Es ist bestürzend zu erleben, dass nach über 20 Jahren Aids-Prävention immer noch an derartigen Mythen gestrickt wird. Umso erstaunlicher, dass dies aus Kreisen der Gesetzlichen Krankenversicherung erfolgt, zumal von einer für den Bereich Gesundheit zuständigen Ärztin.
Wer die Autorin des „Expertenstatements“ nach ihren Beweggründen fragen möchte, oder einfach schildern möchte, wie diese Äußerungen auf ihn wirken, für den hat die Redaktion der Zeitschrift netterweise die Emailadresse der ‚Expertin‘ angegeben (siehe Foto).

TheGayDissenter hat bei der AOK nachgefragt – und eine erstaunliche Antwort bekommen: ‚Partnerwahl mit der AOK‘
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Selbsthilfekonferenz zeichnet verändertes Bild über das Leben mit HIV

Zum Abschluß der ‚Positiven Begegnungen‘ zog die deutsche Aids-Hilfe folgendes Fazit (Pressemitteilung der DAH vom 01.02.2009):

Positive Begegnungen in Stuttgart – Selbsthilfekonferenz zeichnet verändertes Bild über das Leben mit HIV

Auf der heute [am 1. Februar] in Stuttgart zu Ende gegangenen „Positiven Begegnungen – Konferenz zum Leben mit HIV und Aids“ zeichneten die mehr als 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ein vielfältiges, vor allem aber ein verändertes Bild zum Leben mit HIV und Aids im Jahr 2009. In zahlreichen Plena, Workshops, einer Ausstellung, einer Trauerinstallation im Stuttgarter Rathaus sowie mit einer Aktion in der Stuttgarter Innenstadt thematisierten Menschen mit HIV die diesjährigen Schwerpunkte Stigmatisierung und Diskriminierung. Die Workshops und Vorträge der viertägigen Selbsthilfekonferenz fanden erstmals in einem Rathaus statt. Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) will mit diesem Schritt in die Öffentlichkeit – in die Mitte der Gesellschaft – die Arbeit der Aidshilfen besser erfahrbar machen und über das Leben mit HIV als chronischer Krankheit informieren.

Carsten Schatz, Mitglied des Vorstandes der DAH, erklärt dazu:

„So, wie sich das Leben mit HIV und Aids verändert hat, muss sich auch das in der Öffentlichkeit verbreitete Bild der Erkrankung verändern. Dazu werden Menschen mit HIV und Aids und ihr Interessenverband, die Deutsche AIDS-Hilfe, einen Beitrag leisten. Themen wie Arbeit und Altern mit HIV, ohne Angst vor gesellschaftlicher Ausgrenzung und die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme werden die Aktivitäten der Selbsthilfegruppen von Menschen mit HIV/Aids in Deutschland, Österreich und der Schweiz in den kommenden Jahren bestimmen. Dazu gehört auch eine umfassendere und differenziertere Information der Medien, der Politik und von Interessensverbänden.

Aids geht uns nach wie vor alle an, denn Ignoranz grenzt aus und macht krank.“

Positive Begegnungen 2009 – Eröffnungs-Veranstaltung

Am 29. Januar 2009 begannen mit einer Eröffnungsveranstaltung die ‚Positiven Begegnungen 2009‚, die Konferenz zum Leben mit HIV und Aids.

Die ‚Positiven Begegnungen‘ – hervorgegangen aus Bundespositivenversammlung und Bundesversammlung der An- und Zugehörigen von Menschen mit HIV und Aids – wurden weiterentwickelt, haben sich verändert. In Stuttgart wurden längere Workshops als bisher angeboten (teilweise über einen ganzen Tag, in einem Fall über zwei volle Tage), zusätzlich bestand die Möglichkeit, Themen spontan zu bearbeiten oder vertiefen in sog. Thementreffs, die Teilnehmer autark anberaumen konnten. Zudem fanden zahlreiche Begleit-Veranstaltungen statt, vom Rahmen-Programm in der Aids-Hilfe über Vorträge über eine Kondom-Studie bis zu Veranstaltungen in Kirchen. Und erstmals war die ‚PoBe‘ eine Veranstaltung für Teilnehmer aus drei Staaten – neben Positiven aus Deutschland nahmen erstmals auch HIV-infizierte Männer und Frauen aus Österreich und der Schweiz teil.

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Dr. Stefan Timmermanns, Referent für Menschen mit HIV und AIDS der Deutschen Aids-Hilfe, begrüßte die Teilnehmer der von Positiven aus  Österreich, der Schweiz und Deutschland vorbereiteten Konferenz und führte charmant durch die Eröffnungs-Veranstaltung, die zunächst mit einem kulturellen Highlight begann – einer ‚Akrobatik am Red Ribbon‘ von ‚Charismo‘ (Video folgt).

Dr. Stefan Timmermanns, DAH
Dr. Stefan Timmermanns, DAH

Stuttgarts Bürgermeisterin für Gesundheit, Soziales und Jugend,  Gabriele Müller-Trimbusch, begrüßte die Teilnehmer stellvertretend für Stuttgarts Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster, der die Schirmherrschaft über die ‚Positiven Begegnungen 2009‘ übernommen hat (Rede Müller-Trimbusch).
Müller Trimbusch erinnerte daran, dass bereits die Bundespositiven- Versammlung 1994 in Stuttgart stattgefunden habe – damals noch nicht mit dem Rathaus als Konferenzort.

Gabriele Müller-Trimbusch
Gabriele Müller-Trimbusch

Dr. Norbert Otto (Daimler Benz Leiter Politische Aussagen und Public Policy) begrüßte die Teilnehmer in Vertretung für den Personal-Vorstand und Arbeitsdirektor  Günter Fleig, der ebenfalls die Schirmherrschaft über die ‚Positiven Begegnungen 2009‘ übernommen hat. Er betonte, kein Unternehmen könne heute mehr Aids ignorieren. Dies gelte hierzulande, besonders aber in Ländern, in denen Aids viel mehr verbreitet ist.
Daimler habe seit 1991 in Südafrika eine Richtlinie gegen die Stigmatisierung HIV-Infizierter und stelle für seine HIV-positiven Mitarbeiter seit 1999 eine kostenfreie medizinische Versorgung zur Verfügung. Seit 2002 biete das Unternehmen in Zusammenarbeit mit der GTZ auch HIV-Test und -Aufklärung an. Derzeit werde daran gearbeitet, die unternehmenseigenen Maßnahmen auch auf mittelständische Zulieferbetriebe im Umfeld auszuweiten. Diese Maßnahmen seien nicht nur für die Betroffenen und ihre Angehörigen von Nutzen, sondern auch im Interesse des Unternehmens.

Dr. Norbert Otto
Dr. Norbert Otto

Aber auch in Deutschland sei HIV Thema im Unternehmen. So seien HIV und Aids selbstverständlich Thema in der Berufsausbildung junger Mitarbeiter; dabei werde auch mit lokalen Aids-Hilfen zusammengearbeitet.

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Dr. Otto überreichte einen Spenden-Scheck über 5.000 Euro an den Vorstand der DAH.

Joachim Stein, Vorstandsmitglied der Aids-Hilfe Stuttgart, betonte in seinem Grußwort, er freue sich sehr, dass Aids-Hilfe, Positive und die Konferenz ‚Positive Begegnungen‘ im Rathaus „mit offenen Armen empfangen“ worden seien. Die Zusammenarbeit mit der Stadt Stuttgart sei als lokale Aids-Hilfe gut und konstruktiv; demgegenüber kritisierte er das Land, dessen finanzielle Unterstützung der Aids-Arbeit seit Jahren unverändert sei.

Joachim Stein
Joachim Stein

Laura Haldig-Hoppenheit, auch genannt „die Übermutter der Schwulenszene im Großraum Stuttgart“ und Ehrenmitglied der Deutschen Aids-Hilfe, unterstützt seit vielen Jahren die Positiven Begegnungen und prägte auch in diesem Jahre wieder vielfältig die Veranstaltung mit, u.a. mit ‚Lauras Café‘ als zentralem Treff und Ort der Begegnung.

Laura Haldig-Hoppenheit
Laura Haldig-Hoppenheit

Jürgen Frank sammelt seit sieben Positiven Begegnungen Spenden und konnte auch diesmal wieder einen Scheck über 4.088,88€ überreichen.

Jürgen Frank bei der Scheckübergabe
Jürgen Frank bei der Scheckübergabe

Tino Henn, Mitglied des Vorstands der Deutschen Aids-Hilfe, dankte in seiner Eröffnungsrede allen beteiligten, besonders der Vorbereitungsgruppe sowie der Bundesgeschäftsstelle für die intensiven Arbeiten um die Veranstaltung zu ermöglichen.

Tino Henn
Tino Henn

Henn thematisierte in seiner Rede insbesondere die Probleme, die HIV und Aids immer noch im Arbeitsleben bereiten, sowie die Notwendigkeit einer aktiven Anti-Diskriminierungs-Politik. Für die Zukunft forderte er Sozialleistungen, die sich am realen Bedarf orientieren.

Zum Abschluß der Eröffnungsveranstaltung forderte der Schwule Männerchor Stuttgart Rosda Note auf „listen to the voice inside“ und empfahl den Teilnehmer „Oh Männer klagt ein dass man euch akzeptiert – steht auf!“.

Rosa Note
Rosa Note

weitere Informationen:
ondamaris: Arbeiten mit HIV – alles andere als unkomplizierte Normalität
ondamaris: Tino Henn Eröffnungsrede der Positiven Begegnungen 2009
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