Welt-Aids-Konferenz: UNAIDS fordert ‚Therapie 2.0‘

‚Null Neu-Infektionen, Null Diskriminierung, Null Aids-verursachte Tote‘ – dies ist das neuen Aids-Strategie der Vereinten Nationen. Um sie zu erreichen, fordert UNAIDS-Generaldirektor Michel Sidibé einen neuen Ansatz: ‚Therapie 2.0‘.

Zehn Millionen Tote könnten bis 2025 vermieden werden,und über eine Million neue HIV-Infektionen verhindert werden, wenn die Staaten weltweit mit einem unverstellten Blick auf die Behandlung der HIV-Infektion reagierten. Dies betonte UNAIDS-Generaldirektor Michel Sidibé während seiner Rede zur Eröffnung der XVIII. Welt-Aids-Konferenz in Wien am 18. Juli 2010.

Michel Sidibe bei Aids 2010 (Foto: UNAIDS)

UNAIDS fordere aus diesem Grund eine vereinfachte Therapie gegen HIV. Unter dem Schlagwort ‚Therapie 2.0‘ (Treatment 2.0) formulierte UNAIDS in einem neuen Report, der anlässlich der Konferenz vorgestellt wurde, einen neuen Ansatz. Ziel ist es dabei, die Behandlung der HIV-Infektion drastisch zu vereinfachen und den Zugang zu lebensrettenden Medikamenten deutlich zu verbessern.

Hierzu gehörten Anstrengungen in der Medikamenten-Entwicklung wie auch in der Preispolitik, die Frage wie Medikamente in der Prävention genutzt werden könnten, die Verbesserung der Gesundheitsversorgung wie auch der HIV-Testung, sowie die verstärkte Einbeziehung von Menschen aus den Communities – auch um den Bedarf an hochqualifizierten Ärzten und Laboren reduzieren zu können.

UN-Generalsekretär Ban-Ki Moon begrüßte die Teilenehmer in einer Video-Botschaft. Darin stellte der die neue Aids-Strategie der UN vor: ‚Null Neu-Infektionen, Null Diskriminierung, Null Aids-verursachte Tote‘.

Über 20.000 Delegierte nehmen an der Konferenz teil.

weitere Informationen:
Michel Sidibé, Generaldirektor UNAIDS, Eröffnungsrede bei der XVIII. International Aids Conference, Wien 18.07.2010 (pdf)
UNAIDS report: Treatment 2.0 – Is this the future of treatment? (pdf)
UNAIDS 13.07.2010: Ten million deaths and 1 million new HIV infections could be averted if countries meet HIV treatment targets
aidsmap 13.07.2010: UNAIDS calls for radical simplification of treatment to support HIV prevention
DAH 20.07.2010: Therapie 2.0
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5 UN-Organisationen kritisieren Verfolgung von Aids-Aktivisten und Sozialarbeitern

Fünf Organisationen der Vereinten Nationen drücken ihre Sorge aus, dass Verfolgung und Verurteilung von Aids-Aktivisten und Sozialarbeitern erfolgreiche HIV-Prävention beeinträchtigen.

Die fünf UN-Organisationen UNICEF, UNFPA, WHO, UNAIDS und UNDP kritisieren Verfolgung, strafrechtliche Maßnahmen, Verhaftungen und Verurteilungen von HIV-Aktivisten wie auch Gesundheits- und Sozialarbeitern. Hiermit werde nicht nur das Leben der betreffenden Menschen gefährdet, vielmehr würden weitere Menschen von dem abgehalten, was im Kampf gegen Aids am wichtigsten sei – zivilgesellschaftliches Engagement.

Insbesondere in mehreren Staaten Osteuropas und Zentralasiens seien Gesundheits- und Sozialarbeiter aufgrund ihrer persönlichen Aktivitäten verfolgt worden – Aktivitäten, zu denen sie sich verpflichtet gefühlt hätten in dem Bemühen, Leben zu retten, auch weil die HIV-Epidemie nicht warte, bis sich Gesellschaften in ihren Prinzipien und Handlungsansätzen auf die veränderte Situation eingestellt hätten.

Einer von vielen inhaftierten Aids-Aktivisten weltweit: Maxim Popov. Der 28jährige Aids-Aktivist aus  Usbekistan wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt – u.a. mit dem Vorwurf, er habe das “moralische Wohlergehen junger Usbeken gefährdet”.

Die fünf UN-Organisationen fordern, Regierungen weltweit sollten die Bedeutung von Gesundheits- und Sozialarbeitern bei der Prävention und Behandlung der HIV-Infektion anerkennen und die Komplexität ihrer Arbeit besser verstehen. Verfolgung und Unterdrückung seien kontraproduktiv und sollten beendet werden.

weitere Informationen:
UNAIDS 15.07.2010: Joint statement of UN agencies on criminal charges brought against HIV activists and health and social workers in eastern Europe and central Asia
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UNAIDS und UNDP unterstützen EKAF-Statement

Erstmals hat UNAIDS die weitreichende Bedeutung des EKAF-Statements sowohl für HIV-Übertragung als auch die Lebenssituation von Menschen mit HIV betont.

In dem Statement zur 14. Sitzung des Human Rights Council (Agenda Item 3) vom 7. Juni 2010 betonen UNAIDS und UNDP, es sei sehr wichtig, Menschen mit HIV Zugang zu antiretroviraler Behandlung zu ermöglichen, da dies die HIV-Übertragung deutlich reduziere und eine große Bedeutung für Menschen mit HIV haben könne:

„It is even more critical to get those living with HIV on treatment as the latest science shows that treatment reduces HIV transmission by 92% at the population level, and can have even greater impacts for individuals.“

In einer Fußnote (zu „greater impact for individuals“) wird auf das (im Januar 2008 publizierte) EKAF-Statement („keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs„) hingewiesen.

Bisher hatte UNAIDS eine sehr ablehnende Position zum EKAF-Statement eingenommen. Weitere Forschung sei erforderlich, und nur Kondome seien ein wirksamer Schutz.

Die Deutsche Aids-Hilfe hatte bereits Anfang April 2009 in ihrem Positionspapier „HIV-Therapie und Prävention“ die große Bedeutung des EKAF-Statements betont und es zu praktikablen Botschaften weiterentwickelt (u.a. ‚Viruslast-Methode‚).

UNAIDS (Joint United Nations Programme on HIV/AIDS) ist eine Organisation der Vereinten Nationen mit dem Ziel, die verschiedenen HIV/Aids-Pandemie Aktivitäten einzelner Ländern im Kampf gegen Aids zu koordinieren.
Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (engl. United Nations Development Programme UNDP) ist ein Exekutivausschuss innerhalb der UN-Generalversammlung. UNDP unterstützt u.a. Programme der HIV/Aids-Bekämpfung.

[via Edwin J. Bernhard / criminal hiv transmission]

weitere Informationen:
UNDP & UNAIDS 07.06.2010: Statement by the Secretariat of the Joint United Nations Programme on HIV/AIDS (UNAIDS) and the United Nations Development Programme (UNDP) 14th Session the Human Rights Council Agenda (pdf)
criminal hiv transmission 09.06.2010: UNAIDS/UNDP supports Swiss statement, announces new Global Commission on HIV and the Law
aidsmap: UNAIDS/WHO statement (zum EKAF-Statement)
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Nachtrag 09.10.2010, 11:45 Uhr:
UNAIDS hat sich vor dem Human Rights Council zur Reduktion der HIV-Transmission durch Therapie geäußert und auch auf das EKAF-Statement verwiesen, sich jedoch nicht zur Frage des Kondomgebrauchs geäußert.
Titel des Artikels geändert von „UNAIDS und UNDP unterstützen EKAF-Statement und Viruslast-Methode“ auf „UNAIDS und UNDP unterstützen EKAF-Statement“.

UNAIDS besorgt über Urteil gegen ‚Schwulenpaar‘ in Malawi (akt.)

UNAIDS zeigt sich sehr besorgt nach der Verurteilung eines ‚Homo-Paares‘ in Malawi zu 14 Jahren Haft.

Steven Monjeza (26) und Tiwonge Chimbalanga (33) wurden am 28. Dezember 2009 verhaftet, nachdem sie öffentlich eine traditionelle Heiratszeremonie abgehalten hatten. Tiwonge Chibalanga bezeichnet sich selbst als „Auntie Tiwo“ und betrachtet sich als Frau. Am 18. Mai 2010 wurden beide zu jeweils 14 Jahren Haft und Zwangsarbeit verurteilt – wegen „unnatürlicher Handlungen“, groben Sittlichkeitsvergehens sowie um „die Öffentlichkeit zu schützen“, so das Gericht in Malawi.

Kriminalisierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung sei ein Rückschlag für die Menschenrechte, betont UNAIDS. Hierdurch würde zudem die öffentliche Gesundheit gefährdet. Kriminalisierung dränge Menschen in den Untergrund und behindere wirksame HIV-Prävention auf diese Weise massiv.

UNAIDS fordert alle Regierungen auf, für die volle Respektierung der Menschenrechte homosexueller Menschen Sorge zu tragen.

Frankreich, Großbritannien sowie die USA haben inzwischen offiziell auf die Verurteilung der beiden Menschen in Malawi reagiert und diese verurteilt. Das Weiße Haus verurteilte das Urteil aufs Schärfste und betonte, Diskriminierung auf Grundlage der sexuellen Orientierung sei unverantwortlich. Der französische Außenminister verurteilte das Urteil. Derartige Entscheidungen, und dies im Umfeld des Internationalen Tages gegen Homophobie, rechtfertigten internationales Engagement gegen derartige schwere Verletzungen der Menschenrechte auf Basis der sexuellen Orientierung, so das französische Außenministerium.
Von Seiten der offiziellen Politik reagierte in Deutschland bisher der Menschenrechtsbeauftragte im Auswärtigen Amt Markus Löning und appellierte an die Regierung von Malawi, den Strafvollzug auszusetzen. Bundesaußenminister Westerwelle und Bundesregierung / Bundeskanzleramt selbst äußerten sich bisher nicht.

Update 30-05.2010:
Malawis Staatspräsident Bingu hat die beiden Verurteilten am 29. Mai 2010 begnadigt.
Peter Tatchell 29-05.2010: Malawi couple pardoned by President

weitere Informationen:
NYT 18.05.2010: Gay Couple Convicted in Malawi
taz 20.05.2010: Rechtsprechung in Malawi – 14 Jahre Haft für schwules Paar
Samstag ist ein guter Tag 20.05.2010: 14 Jahre Haft für Schwulenpaar in Malawi
UNAIDS 20.05.2010: UNAIDS expresses serious concern over ruling in Malawi
Tetu 20.05.2010: La communauté internationale s’indigne de la condamnation du couple gay au Malawi
Auswärtiges Amt 20.05.2010: Erklärung des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung zur Verurteilung eines homosexuellen Paares in Malawi
Advocate 20.05.2010: White House Condemns Malawi Ruling
Box Turtle Bulletin 22.05.2010: The Malawi Couple: Gay or Transgender? Or Something Else?
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UNAIDS: Erfolge im Kampf gegen Aids

Die Zahl der neuen HIV-Infektionen ist im 8-Jahres-Trend um 17 Prozent gesunken. Der größte Fortschritt wurde in Subsahara-Afrika erzielt. Darauf weist UNAIDS hin.

Vor acht Jahren, im Jahr 2001 wurde die ‚United Nations Declaration of Commitment on HIV/AIDS‘ unterzeichnet. Seitdem ist die Zahl der neuen HIV-Infektionen in Afrika um 15% gesunken, in Ostasien um 25%. In Süd- und Südost-Asien betrug der Rückgang 10%. In Osteuropa hat sich die Epidemie nach einem dramatischen Anstieg bei iv-DrogengebraucherInnen abgeschwächt; in einigen Staaten gebe es allerdings Anzeichen für ein erneutes Ansteigen der Zahl der HIV-Neuinfektionen.

Zu dem Rückgang haben neben dem natürlichen epidemiologischen Verlauf vor allem  Erfolge der HIV-Prävention beigetragen, betont der Bericht „2009 AIDS epidemic update“, den UNAIDS am 24. November vorstellte.

Micèle Sidibé, Generaldirektor von UNAIDS, betonte die Notwendigkeit einer weiteren Verbesserung der HIV-Prävention:

„The good news is that we have evidence that the declines we are seeing are due, at least in part, to HIV prevention. However, the findings also show that prevention programming is often off the mark and that if we do a better job of getting resources and programmes to where they will make most impact, quicker progress can be made and more lives saved.“

Auch beim Zugang zu Aids-Medikamenten habe es in den vergangenen Jahren Verbesserungen gegeben. Allerdings kämen auf zwei HIV-Positive, die zusätzlich Zugang zu antiretroviraler Therapie bekommen, immer noch fünf neue HIV-Infektionen, so „Outlook 2010“, eine weitere neue UNAIDS-Publikation. Es sei schon aus diesem Grund wichtig, dass die HIV-Bekämpfung mit der Entwicklung der HIV-Epidemie Schritt halte und sie überhole.

‚Outlook 2010‘ gibt einen Überblick über den weltweiten Verlauf der HIV-Epidemie und bietet vertiefende Daten und Analysen.

Nachtrag 26.11.2009: „Armin Schafberger von der Deutschen Aids-Hilfe warnt im domradio-Interview dennoch vor zu großer Euphorie. Die Zahlen der Vereinten Nationen beruhten auf Schätzungen. Insgesamt sei die Situation nach wie vor ernst.“ domradio Köln

weitere Informationen:
Vereinte Nationen: Declaration of Commitment on HIV/AIDS „Global Crisis — Global Action“ (pdf)
UNAIDS: 2009 AIDS epidemic update (pdf)
UNAIDS: Outlook 2010 (pdf, 3,6 MB)
UNAIDS 24.11.2009: Eight-year trend shows new HIV infections down by 17%—most progress seen in sub-Saharan Africa
UNAIDS 24.11.2009: UNAIDS Outlook 2010: Fresh perspective on the AIDS epidemic and response
UNAIDS Slides „Global summary of the AIDS epidemic, 2008
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UN-Genralsekretär fordert Aufhebung der HIV-Einreiseverbote

Nach US-Präsident Obamas Ankündigung einer endgültigen Aufhebung des US-Einreiseverbots für HIV-Positive fordert der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon alle anderen Staaten mit HIV-Reisebeschränklungen  auf, dem US-Beispiel zu folgen.

US-Präsident Obama hatte am 30. Oktober 2009 für den 2. November ein Gesetz angekündigt, mit dem das US-Einreiseverbot für HIV-Positive per Januar 2010 abgeschafft wird.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon gratulierte Obama zu diesem Entschluss und forderte alle Staaten mit HIV-Reisebeschränkungen auf, diese ebenfalls abzuschaffen:

„I congratulate President Obama on announcing the removal of the travel restrictions for people living with HIV from entering the United States. I urge all other countries with such restrictions to take steps to remove them at the earliest.“

UNAIDS-Generaldirektor Michel Sidibé betonte, HIV-bezogene Einreisebeschränkungen hätten keinerlei Berechtigung in Public Health. Sie stellten Menschenrechtsverletzungen dar. Auch er forderte die Abschaffung noch bestehender Bestimmungen.

„Placing travel restrictions on people living with HIV has no public health justification. It is also a violation of human rights. We hope that other countries that still have travel restrictions will remove them at the earliest.“

Über HIV-bezogene Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen informiert die von Deutscher Aids-Hilfe, EATG und IAS aufgebaute Datenbank hivtravel.org

weitere Informationen:
UNAIDS 31.10.2009: UN Secretary-General urges countries to follow the United States and lift travel restrictions for people living with HIV
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58% der Positiven weltweit haben keinen Zugang zu Aids-Medikamenten

Über vier Millionen HIV-Positive in nicht-Industriestaaten erhalten inzwischen antiretrovirale Therapie. Damit sind jedoch immer noch Millionen Positive weltweit von wirksamen Aids-Therapien ausgeschlossen. Dies zeigt ein neuer Bericht von UNAIDS, WHO und UNICEF.

Ungefähr 33 Millionen Menschen lebten 2007 mit HIV, 2,7 Mio. infizierten sich neu mit HIV. Die Region Afrika südlich der Sahara (Subsahara-Afrika) ist weiterhin die von HIV am stärksten betroffene Region der Welt, zwei Drittel aller HIV-Infizierten leben hier.

Die Staaten der Welt setzten sich schon auf dem ‚General Assembly High-Level Meeting on AIDS‘ im Jahr 2006 das Ziel, bis zum Jahr 2010 allen HIV-Infizierten weltweit Zugang zu wirksamer antiretroviraler Therapie zu ermöglichen.

Auch wenn sich die Situation der Medikamenten-Versorgung verbessert hat, ein Erreichen des Zieles „Behandlung für alle 2010“ scheint äußerst fraglich.

Ende 2008 hatten vier Millionen HIV-Positive in Staaten, die nicht zu den (finanzstarken) Industriestaaten zählen, Zugang zu antiretroviraler Therapie (im Jahr 2007 erst 3 Mio.).In Industriestaaten erhalten circa 700.000 Positive Aids-Medikamente, so dass die Gesamtzahl der behandelten Positiven weltweit auf ca. 4,7 Mio. geschätzt wird.

Der größte Fortschritt im Zuzgang zu antiretroviraler Behandlung wurde in Subsahara-Afrika erzielt: hier steig die Zahl der Positiven unter Therapie um 39% auf 2,9 Mio. (Ende 2008).
Ein wesentlicher Faktor dabei: sinkende Medikamenten-Preise in den Nicht-Industrie-Staaten. Hier sanken die Preise für antiretrovirale Medikamente in der Erst-Behandlung (first-line) um 10 bis 40 Prozent. Medikamente für Folge-Behandlungen (second-line) bleiben weiterhin teurer.

Trotz deutlicher Erfolge, das ‚2010-Ziel‘ ist weiterhin in weiter Ferne: erst 42% derjenigen HIV-positiven Menschen, die einer antiretroviralen Therapie bedürfen, hatten Ende 2008 auch tatsächlich Zugang zu Medikamenten (2007: 33%). Dies ist das Resüme des gemeinsamen Berichts von UNAIDS, WHO und UNICEF.

Towards universal access, September 2009 progress report
Towards universal access, September 2009 progress report

weitere Informationen:
Towards Universal Access – September 2009 Progress Report (pdf, englisch, 3,17MB)
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Michael Ballack gegen Aids

Michael Ballack, Fußballspieler und Mannschaftskapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, engagiert sich im Kampf gegen Aids. In einem Video erklärt er warum.

Auf seiner eigenen Internetseite erklärt Ballack mit Datum 15.10.2009:

„UNAIDS has its own YouTube channel, which is where you can watch an interview with Michael Ballack during which he talks about why he is committed to the fight against AIDS.“

Im eigenen UNAIDS-Channel von youtube findet sich das Video, das ursprünglich von Chelasea TV produziert wurde. Ballack ist bis Sommer 2010 vertraglich an den FC Chelsea gebunden.

youtube Interview mit Michael Ballack über Aids und UNAIDS (1.54 min.)

UNAIDS-Direktor in Berlin

Michel Sidibé, der neue Generaldirektor von UNAIDS, stattet am 12. und 13. Februar Berlin und der Aids-Hilfe einen Besuch ab.

Anfang Dezember war Michel Sidibé zum neuen UNAIDS-Direktor ernannt worden. Er wurde Nachfolger von Peter Piot, der UNAIDS seit der Gründung 1995 als Executive Director geleitet hatte.

Michel Sidibé, offiziell seit 1. Januar 2009 im Amt, war zuvor bei UNAIDS Deputy Executive Director of Programmes sowie Assistant Secretary-General of the United Nations.

Am 12. und 13. Februar 2009 ist Sidibé in Berlin, u.a. zu Gesprächen mit der Berliner und der Deutschen Aids-Hilfe.

Im Rahmen der institutionellen Partnerschaft von UNAIDS mit dem queeren Film-Preis der Berlinale TEDDY AWARD besucht Michel Sidibé am Freitag 12.2.2009 zum ersten Mal Deutschland in seiner neuen Funktion. Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) hat aus diesem Anlass zivilgesellschaftliche Akteure im Feld HIV/ AIDS zu einem Treffen mit Michel Sidibé zu ihrer Mitgliedsorganisation SUB/WAY berlin e.V eingeladen.
Diskutiert wird über Chancen und Herausforderungen von zivilgesellschaftlichem Engagement im internationalen Kontext der HIV-Prävention. Der Schwerpunkt der Veranstaltung liegt auf dem Thema internationale Sexarbeit.

Carsten Schatz, Vorstandsmitglied der DAH, betonte im Vorfeld: „Gerade für den Zugang zu Sexworkern bedarf es neben den staatlichen Akteuren vor allem der zielgruppenspezifischen Prävention von Seiten der Zivilgesellschaft. Der Fachbereich Internationales der Deutschen AIDS-Hilfe setzt sich seit längerem mit dem Thema Sexarbeit auseinander und wird im Rahmen internationaler Kooperationen zukünftig gezielte Präventionsprojekte starten.“

Bereits am Vortag besuchte Sidibé die Berliner Aids-Hilfe, u.a. um deren Arbeit kennen zu lernen und Fragen internationaler Zusammenarbeit zu diskutieren. Bei dem Treffen, das teilweise im Rahmen des zweimal die Woche stattfindenden „Frühstücksbrunch“ der Berliner Aids-Hilfe stattfand, wurden auch das ‚Schöneberger Modell‘ (Verzahnung ambulanter, stationärer und psychosozialer Versorgung in Zusammenarbeit mit Selbsthilfeorganisationen) und die Kooperation mit der Ukraine sowie das Problem der Reisebeschränkungen für Menschen mit HIV und Aids besprochen.

UNAIDS: Aids Outlook

Mit dem neuen Bericht ‚Aids Outlook‘ richtet UNAIDS den Fokus auf einige Herausforderungen, denen nationale Aids-Politiken in den nächsten Jahren konfrontiert werden.

Die Aids-Politiken zahlreicher Staaten werden derzeit überarbeitet. 2009 beurteilt UNAIDS als ein Jahr des Übergangs und der Beschleunigung des Kampfes gegen Aids. ‚Aids Outlook‘ will Gelegenheit zur Reflexion des bisher Erreichten geben, wie auch der neuen Fokussierung auf zukünftige Schwerpunkte.

UNAIDS schreibt zu dem Report:

„This report is an opportunity for reflection. Reflection on what it has been possible to achieve with leadership as well as for refocusing on some key areas that are impeding progress. It is not a “how to manual” or a “policy statement”, but provides insights based on evidence on new ways to build on and improve the AIDS response.
The report begins by highlighting some recent achievements and challenges in addressing HIV. It provides examples of how countries are applying modelling techniques to better understand HIV incidence, with the aim of reinvigorating HIV prevention. AIDS Outlook concludes with an introduction to combination HIV prevention and its application.“

Der Report beinhaltet zudem ein Interview mit dem scheidenden UNAIDS-Direktor Peter Piot.

‚Aids Outlook‘ steht zum Download zur Verfügung (pdf).

Über die globale Aids-Epidemie berichtet UNAIDS in seinem ‚2008 Report on the global aids epidemic‘ (pdf).

HIV im Iran und der ‚illegale Sex‘

Der Iran hat eine Aids-Statistik vorgelegt – mit unerwartet detaillierter Offenheit.

18.320 Menschen sind der offiziellen Statistik zufolge im Iran HIV-positiv. Die reale Zahl dürfte weitaus höher sein, räumte ein Vertreter des Gesundheitsministeriums ein. UNAIDS schätzt die zahl der HIV-Infiziertem im Iran auf ca. 86.000.

69% der HIV-Positiven seien Drogengebraucher. Die verbleibenden 30% seien auf „illegale sexuelle Kontakte“ zurückzuführen.

Homosexualität ist im Iran (ebenso wie Prostitution und außerehelicher Sex) gesetzlich verboten (Höchststrafe Todesstrafe), Schwulenverfolgung im Iran alltäglich. Immer wieder kommt es zu Prozessen, Verurteilungen, Hinrichtungen Homosexueller im Iran. Asyl im Ausland scheint für viele homosexuelle Iraner der einzig gangbare Weg.

Angesichts der Tatsache, dass die Mehrheit der iranischen Bevölkerung sehr jung sie, befürchte er eine dritte Welle der HIV-Epidemie, äußerte Gesundheitsminister Lankarani. Mehr als die Hälfte der ca. 70 Millionen Iranerinnen und Iraner sind jünger als 25 Jahre.

Iran, so überraschend es scheinen mag, ist andererseits unter Experten bekannt für eine bemerkenswert pragmatische Aids-Politik.
Der scheidende UNAIDS-Direktor Peter Piot hat Iran schon vor einiger Zeit als ‚Musterland‘ bezeichnet. Piot sagte bereits 2006:

„Im Iran gibt es eine wachsende Zahl junger Menschen, die Drogen injizieren. Das Rauschgift stammt aus dem Nachbarland Afghanistan und ist beliebt, weil es billig zu haben ist. Die Gefängnisse im Iran sind voll mit jungen Drogenkonsumenten. Die Regierung im Iran geht allerdings pragmatisch mit dem Problem um: In allen Provinzen werden Methadon-Programme angeboten, auch in den Gefängnissen. Spritzen und Nadeln werden ausgetauscht. Und überall stehen Kondome unentgeltlich zur Verfügung. Ich wünschte, alle Länder der Region wären dazu bereit.“

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Michel Sidibe neuer UNAIDS-Direktor

Michel Sidibé wird neuer Direktor von UNAIDS und Nachfolger des scheidenden Peter Piot.

Michel Sidibé, neuer UNAIDS-Direktor (Foto: UNAIDS)
Michel Sidibé, neuer UNAIDS-Direktor (Foto: UNAIDS)

Ende des Jahres 2008 beendet der bisherige UNAIDS-Direktor Peter Piot seine Amtszeit. Nun wurde anlässlich des Welt-Aids-Tags von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon der neue Generaldirektor benannt – Michel Sidibé, bisheriger stellvertretender Leiter.

Sidibé (56) stammt aus Mali und hat vor seiner Zeit bei UNAIDS 14 Jahre lang beim Kinderhilfswerk der Vereinten Natiuonen UNICEF gearbeitet.

UNAIDS: vier Kandidaten als Nachfolger von Piot

UNAIDS-Direktor Peter Piot beendet im Dezember diesen Jahres seine Amtszeit. Vier Kandidaten stehen für seine Nachfolge in der engeren Auswahl.

Peter Piot, derzeit Direktor von UNAIDS (Foto: Imperial College London)
Peter Piot, derzeit Direktor von UNAIDS (Foto: Imperial College London)

Seit ihrer Gründung 1995 ist Peter Piot „Executive Director“ der Aids-Organisation der Vereinten Nationen UNAIDS. Ende Dezember 2008 endet seine Amtsperiode. Bereits im Juni bei der UN-Generalversammlung zu HIV/Aids (2008 High Level Meeting on Aids) hatte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon angekündigt, Piot werde nicht für eine weitere Amtszeit zur Verfügung stehen.

UNAIDS hat nach Bekanntwerden des Rückzugs Piots eine Findungskommission eingesetzt. Diese wählte aus 117 Bewerbungen sieben Kandidaten für nähere Interviews aus. Vier Kandidaten empfiehlt das UNAIDS Programm-Koordinierungs-Board für die endgültige Wahl:

Tim Barnett ist seit 1996 Mitglied des Parlaments von Neuseeland (Labour Party). Früher arbeitete er für Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) insbesondere in Großbritannien.

Stefano Bertozzi ist Aids-Forscher und Gründungsdirektor der Abteilung für Gesundheits-Ökonomie und -Politik an Mexikos Institute of Public Health. Er ist zudem Mitglied einer Arbeitsgruppe des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria.

Michel Sidibe ist derzeit Vertreter des Direktors von UNAIDS. Er arbeitet seit 20 Jahren für die Vereinten Nationen.

Debrework Zewdie ist Direktorin des Global HIV/Aids Program der Weltbank. Sie war an der Bildung des Multi-Country HIV/Aids Program der Weltbank beteiligt.

Die Entscheidung über den nächsten Direktor von UNAIDS wird im Programm-Koordinierungs-Board gefällt, letztlich mit der Stimme des Vorsitzenden (derzeit der US-Vertreter). Ernannt wird der neue Vorsitzende von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.

Peter Piot will wieder zurück in eine akademische Laufbahn. In einer Pressemitteilung heißt es, er werde Direktor des neuen Institute of Global Health des Inperial College London.

Einreiseverbote mit HIV: internationale Arbeitsgruppe (akt.)

Menschen mit HIV und Aids werden immer noch in einigen Staaten an der Einreise gehindert (Einreiseverbote oder -einschränkungen), in einigen anderen bestehen die restriktive Aufenthaltsbestimmungen. Dies gilt nicht nur für Staaten wie Nordkorea, sondern auch immer noch für China oder die USA. So wurde erst jüngst einem kanadischen Mann die Einreise in die USA verweigert, als er angab, HIV-positiv zu sein.

UNAIDS, die Aids-Organisation der Vereinten Nationen, betont wie zahlreiche andere Organisationen und Experten immer wieder, dass es für derartige Einreisebeschränkungen keine vernünftige Grundlage gibt. Im Gegenteil, sie sind diskriminierend und können zudem potenziell wirksame Aids-Bekämpfungsmaßnahmen beeinträchtigen.
Auch der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria hat erst jüngst dazu alle Staaten aufgefordert, schnellstens etwaige bestehende Aufenthalts- und Einreisebeschränkungen für Menschen mit HIV/Aids aufzuheben (6th meeting, 12./13.11.2007).

UNAIDS und IAS unternehmen nun einen neuen Anlauf, um gegen weltweit bestehende Reisebeschränkungen für Menschen mit HIV und Aids vorzugehen.

Auf einem Ende Februar von UNAIDS und Internationaler Aids-Gesellschaft veranstalteten Treffen unter Leitung von Peter Piot gründeten 35 Teilnehmer aus aller Welt eine internationale Arbeitsgruppe, die in den nächsten sechs Monaten Schwerpunkte zur Bekämpfung diskriminierender Einreisebestimmungen setzen soll. Insbesondere soll die Arbeitsgruppe Empfehlungen für UNAIDS erstellen, wie weiter mit dem Ziel der Abschaffung von Einreisebeschränkungen vorgegangen werden sollte. Diese Empfehlungen sollen anlässlich der Internationalen Aids-Konferenz in Mexiko im August 2008 vorgestellt werden.

In der Arbeitsgruppe ist auch die deutsche Aids-Hilfe vertreten, die mit der von ihr erstellten umfassenden Datensammlung zur Situation weltweiter Einreisehemmnisse grundlegende Vorarbeiten geleistet und eine umfassende Übersicht erstellt hat.

Weiterführende Informationen zu Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Menschen mit HIV und Aids in der umfassenden Übersicht „international travel restrictions„.

Nachtrag 29.4.2008: An vielen Grenzen ist die Einreise mit HIV-Medikamenten nicht erwünscht oder nicht zulässig. Hierzu gehören nach Berichten der Deutschen Aids-Hilfe auch die Vereinigten Arabischen Emirate, die bei Einreisen mit Medikamenten besonders restriktive Regelungen haben sollen.

UNAIDS über HIV und Strafrecht

Nicht nur in Deutschland stehen immer wieder Menschen mit HIV vor Gericht, weil ihnen fahrlässige oder gar vorsätzliche Infektion vorgeworfen wird. ‚HIV und Strafrecht‘ ist zu einem kontroversen Diskussionsthema geworden, und zum Gegenstand erhitzter Debatten.

Die Aids-Organisation der Vereinten Nationen UNAIDS hat dieses Thema aufgegriffen. Im Rahmen einer dreitägigen Konferenz vom 31. Oktober bis 2. November wurde die Tendenz zur Kriminalisierung von HIV-Positiven im Kontext nationaler Aids-Bekämpfungs-Strategien diskutiert.

Die Teilnehmer, unter ihnen Parlamentarier, Richter, Strafrechtsexperten und Menschen mit HIV, betonten anschließend ihre Sorge über den offensichtlichen Anstieg von Fällen, in denen Menschen mit HIV kriminalisiert wurden. Sie befürchten zudem eine erneute Diskriminierung und Stigmatisierung HIV-Positiver.

„Eine klare Botschaft hat dieses Treffen,“ betonte Seema Paul, UNAIDS Chief of Policy Coordination, „das Strafrecht ist eine sehr stumpfe Waffe im Umgang mit HIV.“

Weitere Informationen:
UNAIDS: Is HIV transmission a crime?

Strafrecht gegen unsafen Sex – ein Blick über die Grenzen

Die Bundesregierung lässt untersuchen, wie andere EU-Staaten mit strafrechtlichen Maßnahmen gegen HIV-Übertragung vorgehen. Ein Blick über die Grenzen öffnet erschreckende Perspektiven.

Marion Caspers-Merk (SPD), parlamentarische Staatssekretärin im Bundes- Gesundheitsministerium, bestätigte Presseberichten zufolge gegenüber dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Volker Beck auf Nachfrage, in einem derzeit laufenden Forschungs- Vorhaben werde untersucht, welche Erfahrungen andere EU-Staaten mit strafrechtlichen Maßnahmen gegen Aids allgemein sowie speziell der Anbahnung von Bareback- Sex im Internet gemacht haben.
„Wenn die Ergebnisse vorliegen, werden wir über weitere Maßnahmen sprechen“, so Caspers-Merk. Alles, was „erwiesenermaßen nutzt, werde umgesetzt“, kündigte sie an.

Caspers-Merks Ankündigung passt gut in den Kontext der jüngsten Bundestagsdebatten zu Aids, insbesondere auch dem ‚Spahn-Antrag‚, der ebenfalls auf strafrechtliche Maßnahmen gegen Bareback zielte und hier insbesondere die Erfahrungen von Österreich (EU- Mitglied) und der Schweiz (nicht EU-Mitglied) ansprach. Im (am 23. März im Bundestag beschlossenen) ‚Spahn-Antrag‚ wurde die Bundesregierung aufgefordert, die Erfahrungen Österreichs und der Schweiz mit Strafrechts- Verschärfungen auf eine Übertragbarkeit auf Deutschland zu untersuchen.

Wie sieht die Situation in diesen beiden Ländern aus?

Österreich:
§ 178 und § 179 StGB behandeln die vorsätzliche bzw. fahrlässige Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten. Für eine Strafbarkeit genügt, dass eine Infektion durch eine Handlung möglich gemacht wird (Infektion nicht erforderlich für Strafbarkeit). Nach österreichischer Rechtsprechung liegt Fahrlässigkeit bereits dann vor, wenn ein Betroffener zwar nichts von seiner Infektion weiß, aus den konkreten Umständen aber Kenntnis davon erlangt haben müsste.
Bisher fanden circa knapp 40 Verfahren statt, ca. 30 Personen wurden verurteilt.
Die Einschätzung, Bareback sei per se etwas ganz Gefährliches, wird auch von den österreichischen Aidshilfen in der Öffentlichkeit geteilt. Die Aidshilfe würde sich bemühen, Bareback-Veranstaltungen zu verhindern, wenn dies nicht erfolgreich sei auch mit rechtlichen Schritten, so ein Vertreter der Aidshilfe Wien.

Schweiz:
Art. 231 StGB (Verbreiten einer gefährlichen menschlichen Krankheit) – Strafbarkeit selbst dann, wenn die (bis dato nicht infizierte) Person zugestimmt hat, allerdings muss Infektion stattgefunden haben (nicht nur Versuch).
Zudem möglich: Körperverletzung oder versuchte Tötung nach Art. 122, 123, 111 & 112 StGB.
Bisher über 30 Ermittlungsverfahren, mehr als 20 Personen verurteilt. Auch die Übertragung von Hepatitis C wird strafrechtlich verfolgt.
Die geltenden Regelungen werden in der Schweiz immer wieder kritisch kommentiert und Abschaffung gefordert (wie 2001 von der Aidshilfe Schweiz), sie sind aber weiterhin in Kraft. Im Gegenteil, Roger Staub vom Bundesamt für Gesundheit (Schweiz) ist stolz darauf durchgesetzt zu haben, dass die Einhaltung der Präventionsvereinbarung in den Betrieben kontrolliert und mit Schließung gedroht wird.

In den EU-Staaten
ist die Situation hinsichtlich des strafrechtlichen Umgangs mit HIV-Infektionen sehr unterschiedlich. Die Kriminalisierung von Positiven ist EU-weit in unterschiedlichem Umfang ein Problem.
Vor diesem Hintergrund befasst sich mit diesem Thema nicht nur das vom BMG in Auftrag gegebene Gutachten, sondern auch eine Untersuchung von GNP+ und Terrence Higgins Trust, deren erste Ergebnisse im November 2006 in Glasgow vorgestellt wurden.
Diese Analyse betrachtet den Bereich der Staaten, die die Europäische Konvention für Menschenrechte unterzeichnet haben. In mindestens 21 dieser Staaten fanden Verurteilungen wegen HIV-Infektion statt – ‚Spitzenreiter‘ waren Schweden sowie Österreich und die Schweiz.

Eine Tendenz zum zunehmenden Einsatz des Strafrechts stellt auch UNAIDS fest und warnt, dies führe möglicherweise zu einer Rückkehr zur alten (und wenig erfolgreichen) Politik der Schuldzuweisungen, zunehmender Stigmatisierung und abnehmender Eigenverantwortung für den eigenen Schutz. Die Anwendung des Strafrechts bei HIV-Übertragung sei unangemessen und kontraproduktiv, diese Erkenntnis von 2002 gelte auch 2007 unverändert.

Letztlich steht hinter vielen dieser Regelungen wie z.B. in der Schweiz oder Österreich, aber auch einigen Bemühungen deutscher Politiker und Homosexueller die (meines Erachtens irrige) Vorstellung, Epidemien ließen sich mit Repression bekämpfen.

Kann das Strafrecht überhaupt ein Mittel erfolgreicher Prävention sein?
Vielleicht lässt sich dies mit der Gegenfrage beantworten, ob die Strafbarkeit von Einbrüchen bisher einen Einbruch verhindert hat …

Vielleicht sollte den Warnungen und Hinweisen z.B. von UNAIDS mehr Beachtung geschenkt werden.

Das hindert allerdings auch zahlreiche Schwule nicht daran, Strafverschärfungen zu fordern (wie z.B. die LSU). Und besonders bizarr wird es, wenn Aidshilfen sich wie in Österreich an die Seite der Ermittler und Verfolger stellen.

Leider ist zu befürchten, dass die derzeit angestellten transnationalen Vergleiche nicht etwa dazu führen, dass in Richtung der liberaleren Gesetzgebungen reformiert wird. Vielmehr dürften (wie es der Spahn-Antrag ja vormacht) die schärferen Vorschriften als vermeintliche ‚guten Beispiele‘ dienen, auch hierzulande weitere Strafrechts-Verschärfungen vorzuschlagen und letztlich einzuführen (bei der derzeitigen Verbots- Manie…).

Caspers-Merks Ankündigung, alles was sich als nützlich erweise werde auch hierzulande umgesetzt, lässt für die nähere Zukunft wohl nichts Gutes ahnen…

Material:
Österreich: Rechtsgutachten Prof. Hinterhofer „Zur Strafbarkeit von Sexualkontakten HIV-Infizierter Personen nach §§ 178, 179 StGB“ (im Auftrag der österreichischen Aids-Hilfen) als pdf
hier
UNAIDS: Criminal law, public health and HIV transmission (2002, pdf
hier)
UNAIDS: Crminalisation of HIV transmission (2007, pdf
hier)
UNAIDS: handbook for Legislators on HIV/AIDS, Law and Human Rights (1999, pdf
hier)
EATG: Criminalisation of HIV transmission (workshop, 8th International Congress on Drug Therapy in HIV Infection; Programm und Links zu den einzelnen Vorträgen
hier)
die umstrittene Sendung von Report Mainz über Barebacking (28.11.2005) als Video und Mitschrift
hier