Fundamentales Wort zum Montag

Fundamentalist – da fallen dem Medien-gefütterten Durchschnittsbürger wahrscheinlich Stichwörter ein wie ‚Bin Laden‘, ‚Islam‘, ‚Terrorismus‘.
Aber – es gibt auch christliche Fundamentalisten, nicht nur in den USA sondern auch in Deutschland.

Eine erschreckende Nachricht zu Fundamentalismus ging letzte Woche in der Vielzahl der Nachrichten unter. Das Europaparlament befasste sich mit einer Resolution „Die Gefahren des Kreationismus“. Und – die Resolution wurde abgelehnt, mit einer knappen Mehrheit christ- demokratischer Stimmen. Eine bestürzende Entscheidung, die wieder einmal zeigt, dass die Gefahren des Kreationismus hierzulande immer noch nicht ernst genommen werden.

Ein weiteres Wort, das vielen wohl bei dem Begriff ‚Fundamentalist‘ einfallen wird, ist der „Hassprediger“. Gerade angesichts der Debatten um Neubauten von Moscheen, ob in Berlin, Hamburg oder derzeit wieder Köln, wird gern das populistische ‚Argument‘ ins Feld geführt, man wisse doch nie, welche ‚Hassprediger‘ dort womöglich ihr Unwesen treiben würden.

Eine Person nun sicher nicht – das wissen wir seit letzter Woche. Nicht etwa, weil sich deren Gesinnung plötzlich gewandelt hat. Nein, das nicht. Viel einfacher – weil ein Gericht ihn weiß gewaschen hat.

Joachim Meisner, von Beruf Kardinal in Köln, hat es nun schriftlich. Nein, der Kölner Kabarettist Jürgen Becker darf Meisner nicht mehr als „Hassprediger“ bezeichnen, wie Oberschichtenfernsehen meldet.

Joachim Meisner, von den meisten Kölnern nie gewollt als Kardinal, wurde ihnen von Papst Johannes Paul II Ende 1988 trotz massiver Proteste dennoch auf’s Auge gedrückt.
Und er hat seitdem keine Mühe gescheut, ist keinem Konflikt-Thema ausgewichen. Ob Abtreibung und Schwangeren-Beratung durch katholische Frauen- Organisationen, Einsetzen gegen interreligiöse Gebete oder lesbische und schwule Lebenspartnerschaften – Meisner hat sich immer als das gezeigt, wozu einem eigentlich Assoziationen wie Stalinist, Fundamentalist oder Ähnliches kämen. Oder eben die Überspitzung, die Herr Becker wählte.

Aber das darf man ja nun nicht mehr, meint das Landgericht Köln.

Herr Meisner sprach in einem Interview (übrigens genau jenes Interview, in dem er der CDU das C absprach) 2005 einmal von einem „Miesmacher aus dem Mittelalter des vergangenen Jahrhunderts“.
Leider sprach er nicht in einer plötzlichen Offenbarung von Selbstkritik, sondern über den CDU-Politiker Heiner Geißler sowie über Hans Küng (u.a. geistiger Vater der Stiftung Weltethos).

Nachtrag 312.10.2007: auch Volker Beck darf nun Herrn Meisner nicht so nennen, sagt das Landgericht Köln

Neue Höchstlohn-Debatte

Während Gewerkschafter, Politiker und Arbeitnehmer beim Thema Mindestlohn noch heftig streiten, schaffen Manager beim Thema Spitzenlohn längst erfolgreich Fakten.

Zum Thema Mindestlohn wird immer noch erhitzt debattiert. Tariflöhne von vier Euro und weniger die Stunde sind insbesondere in den neuen Bundesländern keine Seltenheit, z.B. im Verkauf in Bäckereien. Aber selbst das kann noch unterschritten werden – im Friseur- Gewerbe beginnt der Tariflohn bei 3,05 Euro pro Stunde. 3,05€ pro Stunde – bei einer monatlichen Arbeitszeit von 160 Stunden ergibt das einen Monatslohn von 488 Euro …

Ganz andere Wege beim Thema Verdienst gehen die Chefs in der Wirtschaft – hier sind eher Spitzenlöhne angesagt. Nach einem Bericht des Manager-Magazins ist Deutsche Bank – Chef Josef Ackermann mit 13,2 Mio. € der bestbezahlte Chef eines Unternehmens mit Hauptsitz in Deutschland. In Europa ist Daniel Vasella an der Spitze, Chef des Pharmakonzerns Novartis – mit einem Jahresgehalt (2006) von 22,3 Mio. €.
Überhaupt, der Pharma-Industrie scheint es nicht so schlecht zu gehen: an Platz fünf in Europa folgt schon ein weiterer Pharma-Boss, der Chef des Pharma-Multis GlaxoSmithKline (GSK) mit 14,6 Mio. €.

Auch im Vorjahresvergleich können Spitzenmanager nicht klagen. Die Vorstands-Bezüge der im europäischen Aktienindex Stoxx50 gelisteten Konzerne stiegen von 2005 zu 2006 um immerhin 11,9%, die der 100 größten deutschen Unternehmen sogar um 14,5 Mio. €.

Nehmen wir einmal Herrn Vasella von Novartis. 22,3 Mio. Euro im Jahr 2006. Er war sicher ein fleißiger Manager, hat mehr als die Arbeitnehmer-üblichen 220 Tage gearbeitet, nehmen wir 260. Und er ist wahrscheinlich auch nicht in der Gewerkschaft, hat keine 37,5-Stunden- Woche, arbeitet im Durchschnitt vielleicht fleißige 12 Stunden pro Arbeitstag.
Das ergibt dann 3.120 Arbeitsstunden im Jahr.
22,3 Mio. € Jahresverdienst bei 3.120 Arbeitsstunden – das gibt einen Stundenlohn von 7.147 Euro. Und selbst wenn er ganz besonders fleißig wäre und 300 Tage im Jahr arbeitete, käme er immer noch auf einen Stundenlohn von 6.194€.

Weit über 7.000 € Stundenlohn – wie kann einer dieser europäischen Manager das einer thüringischen Bäckerei- Verkäuferin erklären, die für 3,05€ hinter dem Tresen steht?
Und – selbst der Mindestlohn von 7,50€ pro Stunde, den Gewerkschaften fordern, mutet gegenüber diesen Bezügen doch recht bescheiden an …
Bräuchten wir statt einer Mindestlohn- eine Höchstlohn- Debatte?

Nebenbei – ein gesetzlicher Mindestlohn ist in vielen (auch europäischen) Staaten längst Realität, teils seit vielen Jahren. So hat Frankreich einen gesetzlich garantierten Mindestlohn, genannt SMIC, von derzeit 1.254,28€ monatlich (Erhöhung derzeit in Vorbereitung). Und zugrunde gegangen ist die französische Wirtschaft daran offensichtlich bisher nicht …

Abbott gegen ACT UP

Der Pharmakonzern Abbott, der gerne mal drastisch wird, wenn es um die Medikamentenversorgung in ‚Entwicklungsländern‘ geht, geht nun gegen die Aktivistengruppe ACT UP Paris juristisch vor.

Abbott wirft ACT UP Paris eine ‚Cyber-Attacke‘ gegen den Internetauftritt des Konzerns vor. Am 26. April sei die Website des Konzerns für Stunden nicht erreichbar gewesen, genau am Vortag der jährlichen Aktionärs- Versammlung.
Am 23. Mai reichte der Konzern Klage in Paris ein, das Gericht setzte eine Anhörung für den 3. Oktober 2007 fest.

ACT UP Paris hatte nach dem drastischen Vorgehen des Pharmakonzerns gegen Thailand u.a. zu einem Internet-Protest am 26. April aufgerufen. Eine große Zahl Menschen hatte sich daran beteiligt. Massive Aufrufe der Abbott-Seiten sollten die Rechner des Internet- Auftritts des Konzerns verlangsamen oder überlasten.

ACT UP Paris betont angesichts der Abbott-Klage, dies sei das erste Mal, das ein Pharmakonzern eine Klage gegen die Gruppe eingereicht habe. Abbott zeigt sich scheinbar auch hier als zweifelhafte ‚Speerspitze‘ der Aids-Pharmaindustrie.

Der Pharmakonzern Abbott war erst jüngst massiv in die internationale Kritik geraten, nachdem er Thailand in der Auseinandersetzung um den Zugang zu lebenswichtigen Aids-Medikamenten drohte, dem Land zukünftig innovative Medikamente vorzuenthalten.

Australien – nicht positiv

Es ist schön in Australien. Die Werbung lädt uns ein, den Kontinent zu besuchen. Nur – willkommen ist nicht jeder.

Australien ist ein schöner Kontinent, voller touristischer Reize, voller fröhlicher Menschen, voller glücklicher Momente. Kurz – ein ideales Reise-Land.
Das suggeriert uns immer auf’s Neue die australische Tourismus-Werbung, und das scheinen auch immer mehr Touristen zu denken, wenn sie ihren Urlaub planen. Die Zahlen des australischen Tourismus boomen in den letzten Jahren kontinuierlich.

Allerdings ist nicht jedermann/frau in Australien willkommen. Menschen mit HIV und Aids sind dort nicht gern gesehen – erst recht nicht, wenn sie um Asyl nachsuchen.

Erst jüngst wieder, am 1. Juni, betonte der australische Premierminister John Howard trotz internationaler Proteste zum wiederholten Mal, HIV-infizierte Flüchtlinge und Migranten sollten am Betreten des Kontinents gehindert werden.

Auch die International Aids Society IAS, Veranstalterin u.a. der zweijährlichen Welt-Aids-Konferenzen, verurteilte Howards Äußerungen.
Die IAS ist bisher meist sehr strikt in ihrem Umgang mit Staaten, die dermaßen gegen Menschen mit HIV und Aids vorgehen. So finden in den USA keine Welt-Aids- Konferenzen statt – seit auf Betreiben des ultrakonservativen US-Politikers Jesse Hellms ein Einreiseverbot für HIV-Positive gilt. 1992 verlegte die IAS aus diesem Grund sogar ihr internationales Büro von New York nach Amsterdam.

Doch nun gilt diese IAS-Haltung nicht mehr ganz. Die für Juli diesen Jahres geplante Aids-Konferenz im australischen Sydney solle trotz Howards Äußerungen stattfinden, verkündete die IAS.

Allerdings betonte die IAS auf einer Pressekonferenz, sie hoffe die Konferenz zu einem Mittelpunkt der Kritik an Howards Haltung machen zu können.

Einreisen nach Australien zu Urlaubs- oder kurzzeitigen Geschäftsreisen sind bisher möglich. Touristen (nicht nur aber insbesondere auch schwule) könnten sich dennoch schon aus Gründen der Solidarität gut überlegen, ob sie in diesem Land wirklich noch ihren Urlaub verbringen möchten …

Nikotin und Verbote

Dieses Schild wird ja bald ganz überflüssig …

Rauchfrei
… und damit auch der Unsinn auf dem Schild. Denn, wenn schon der Bahnhof rauchfrei ist, wieso hat er dann gleichzeitig ein Raucherbereiche? Aber wie gesagt, das erledigt sich ja demnächst, wenn alle Züge und Bahnhöfe komplett rauchfrei werden.
Die Bahn nimmt damit das voraussichtlich für den 1. September 2007 (Inkrafttreten) zu erwartende Nichtraucherschutzgesetz vorweg. Selbiges sieht zwar die Möglichkeit von Raucher-Ausnahmen vor (wie abgeschlossene Raucherwagen), hiervon will die Bahn jedoch keinen Gebrauch machen. Nichtrauchen überall, komplett – so das Motto der Bahn.

Womit sich die Frage stellt, wie sinnvoll denn das ist.

Sicher, rauchfreie Räume sind etwas sehr Angenehmes. Ich bin selbst Nichtraucher (seit 15 Jahren, nach vielen vielen Jahren des Nikotinkonsums davor). Und ich genieße es, einmal nicht in verqualmten Kneipen zu sitzen, oder im Restaurant nicht den Tabakrauch des Nebenmanns zum Essen dazu ‚genießen‘ zu müssen.

Aber diese Rigidität, diese Sehnsucht alles gleich mit dem maximalen Verbot zu belegen irritiert mich sehr.

Jegliches Verbot ist eine Bevormundung, eine Einschränkung von Freiheit. Und je mehr wir uns an eine Kultur gewöhnen, die mit Verboten als ’normalem‘ Regelungs-Instrument arbeitet, desto mehr verlieren wir schleichend an Freiheit.

Was ist denn so schlimm daran, einen Waggon je Zug den Rauchern zuzugestehen? Und eine Nische je Bahnhof dazu? Haben nicht auch Raucher ein Recht auf ein Mindestmaß an Service?

Muss es immer gleich ein Verbot sein?
Müsen wir immer unnötig in Verbots-Orgien und Hysterien verfallen?

PS: Interessante Gedanken hierzu auch in der taz – danke Norbert

Wachsam wie eine Eule

Schäuble legt nach: Wenn seine hysterischen Maßnahmen so nicht gehen, dann muss dafür halt das Grundgesetz geändert oder ergänzt werden. Schließlich geht es „um ernste Sachen“.

Und – eigentlich, ja eigentlich, warum nicht auch klammheimlich? Wenn die alle nicht wollen, machen wir’s eben so. Einfach So. Nicht möglich, wir sind doch in einer Demokratie?
Aber hallo …

So überraschte erst vorgestern die Bundesregierung mit der Mitteilung, dass Online-Durchsuchungen längst gang und gäbe sind: das Bundesamt für Verfassungsschutz durchsucht schon seit Sommer 2005 munter anderer Leute Computer, und der Bundesnachrichtendienst ebenfalls. Nicht einmal die Parlamentarische Kontrollkommission war hierüber informiert.
Nur zur Erinnerung: der Bundesgerichtshof hat im vergangenen Herbst erst das Bundeskriminalamt mit einem ähnlichen Vorhaben gestoppt.

Wie hübsch, dann auch noch nebenbei zu erfahren, dass die Vorratsdaten-Speicherung, erst jüngst beschlossen, früher kommt – nämlich schon ab 1. Januar 2008.

Zwar hat Schäuble inzwischen einen winzigen Schritt rückwärts gemacht und ein Moratorium in Sachen der Online-Durchsuchungen verkündet (vorläufige Untersagung). Aber es wird dringend Zeit, dem Thema mehr und breitere Aufmerksamkeit zu geben. Schließlich steht es auch um den Datenschutz von Patienten nicht immer zum Besten.
Wie gut, dass es da die Eule gibt:

Die Initiative ‚OwlContent‘ will das Thema Datenschutz und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wieder mehr ins Bewusstsein bringen.

Die Initiatoren: „Diese Initiative verfolgt den Zweck, in sympathischem Gewand (gewissermaßen im Federkleid eines Uhus) das Thema Datenschutz unter Weblogs populärer zu machen sowie einen Überblick über Beiträge zum Thema zu ermöglichen und damit das Bewusstsein der Öffentlichkeit gegen eine drohende umfassende Durchleuchtung des Bürgers durch Staat und/oder Wirtschaft zu schärfen.“

Jede/r kann mit seinen Datenschutz-relevanten Beiträgen auch beim Weblog des Projekts teilnehmen. Auch ondamaris ist dabei – und trägt deswegen seit gestern die Eule

Also – Eule, sei wachsam!

PS
Gerade heutzutage wird der gute alte Humboldt so gerne zitiert wird, mit seiner Aussage „ohne Sicherheit ist keine Freiheit“. Und soll damit gerne zum Zeugen für Verschärfungen und Freiheitseinschränkungen gemacht werden. Dazu gibt es hier einen schönen Text, der zeigt in welchem Kontext Humboldt dies sagte (und dass er damit wohl schwerlich zum Zeugen heutiger Verschärfungen zu machen ist).

Sonderausschuss zu Homophobie in Polen?

Das EU-Parlament könnte schon bald einen Sonderausschuss zur Homophobie in Polen einsetzen.

Der liberale Politiker Watson (Vorsitzender der Fraktion der Liberalen im EU-Parlament) kündigte an, die Fraktionschefs im EU-Parlament würden schon bald darüber beraten, einen Sonderausschuss zu den jüngsten Entwicklungen in Polen einzusetzen.

Die Hetze und Agitation von Teilen der polnischen Regierung, von Regierunsgmitgliedern und Mitgliedern der die Regierung tragenden Parteien ist in den letzten Monaten immer unerträglicher geworden – bis zu bizarren Vorschlägen, auch nur die Erwähnung von Homosexualität im Unterricht zu verbieten.

Das Europaparlament hatte sich schon mehrfach in Stellungnahmen besorgt über die Zunahme rassistischer und antihomosexueller Gewalt in Polen gezeigt.

MinisterMutation

Kann bitte mal jemand den Bundes-Innenminister auf Verfassungsmäßigkeit überprüfen?

Dass Menschen, die einst -innerhalb ihres politischen Horizonts, ihres Weltbilds- vernünftige, klar denkende Politiker waren, sich zu regelungs- und verfolgungs- wütigen Staatsbürokraten verändern, sobald sie Innenminister werden, diese Mutation war ja schon des öfteren zu bestaunen. Aber dermaßen hysterisch?

Früher gab es Zeiten, da mussten selbst Grundschul- Lehrer und Bademeister sich überprüfen lassen, ob sie auf dem „Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ stehen. Gesinnungs-Schnüffelei, schimpften viele damals. Dass manche oberste Staatsbedienstete besondere Pflichten haben, mochte ja angehen, aber doch nicht Bademeister …
Und heute? Ob Herr Sch. diese Prüfung von damals heute bestehen würde?

Wichtige grundlegende Rechte unserer Gesellschaft sind ihm nicht mehr viel wert, scheint es.
Die Unversehrtheit der Wohnung – na ja, aber ein wenig wollen wir doch in Ihrem PC schnüffeln, da ist ja wohl nichts gegen zu sagen, oder? Übrigens, Ihre Verbindungsdaten speichern wir dann gleich mal monatelang auf Vorrat, haben Sie doch sicher nichts gegen? Wer nichts zu verbergen hat, warum sollte sich der über solche Maßnahmen beschweren? Ach übrigens, die Unschuldsvermutung schaffen wir auch gleich mit ab …

Was halten Sie eigentlich von der Idee des Herrn Sarkozy (früherer Amtskollege, derzeit Präsidenten- Kandidat in Frankreich), ein ‚Ministerium für Nationale Identität‘ zu gründen? Wär‘ das nicht auch was für uns, Herr Sch.

Dass einige Menschen im Land meinen, mit seinen Maßnahmen und Vorschlägen wie eben jetzt der Abschaffung oder Einschränkung der Unschulds- Vermutung 1) gefährde der Herr Innenminister (und nicht nur der…) die Grundlagen unserer Demokratie, statt sie zu beschützen, das findet er nun erstaunlich. Eine „unerträgliche Diffamierung“ sei es, wenn man seine Vorschläge als Anschläge auf die Verfassung empfinde, ein „infames Spiel“.

Na, aber was sind sie denn sonst? Die Unschulds- Vermutung abzuschaffen dürfte wohl kaum mit dem Grundgesetz vereinbar sein … und zutiefst antidemokratisch.

Oder ist das ganze gar nur Theaterdonner – soll ablenken, damit die irritierte Bevölkerung nicht weiter über die gestern beschlossene Ausweitung der Speicherung von Telefondaten nachdenkt?

1) Die Unschuldsvermutung ist Teil des Rechtsstaats- Prinzips (Art. 20 Grundgesetz) und von Artikel 6 (2) der Europäischen Menschenrechts-Konvention. Es besagt, dass ein Beschuldigter bis zum rechtskräftigen Beweis des Gegenteils als unschuldig gilt und auch so behandelt wird. Es verbietet einer Strafe gleichkommende Maßnahmen schon im Vorgriff einer Verurteilung.

Ravensbrück

Nach einem Besuch in Fürstenberg (Havel) / Ravensbrück könnte man sich so einige Fragen stellen, z.B.

– warum ist die Gedenkstelle für das Frauen- Konzentrationslager Ravensbrück immer noch so unscheinbar und schlecht ausgeschildert?
– was ist los an einem Ort, der an der ehemaligen Lagerstraße, in unmittelbarer Nähe zur Gedenkstätte, einen Supermarkt-Neubau genehmigt, dessen Eröffnung erst durch internationale Proteste gestoppt wird?
– wie viel (besser gesagt, wie wenig) Geld ist dieses Land bereit für Gedenkstätten zur Verfügung zu stellen?
– warum wird das Schicksal lesbischer Frauen in der Gedenkstätte kaum erwähnt?
– …

Allein, nach einem Tag in Ravensbrück ist mir nicht nach (öffentlichem) Schreiben zumute. So müssen einige Fotos genügen:

Ravensbrück 01
Ravensbrück 02

Ravensbrück 03Ravensbrück 04Ravensbrück 05Ravensbrück 06

Werbeterror

Nu is aber genug.

Ja, Werbung an sich mag ja okay sein, manchmal sogar nützlich, informativ oder unterhaltsam. Aber das ist nun wirklich zu viel.

Werbeterror 01

Werbeterror 02Eine ganze Station vollgekleistert mit Apfel- Werbung. Alles zugewerbt, nicht nur Werbeflächen, nein auch Böden, Wände, Säulen.

Das ist purer Werbeterror. Weg damit.
Oder gleich die ganze Station umbenennen in ‚Grüner Apfel‘?

Und wie nennen wir dann das Lifestyle-Planen-Krankenhaus in Mitte?

Wahlen in Cottbus wieder prüfbar

Einen kleinen Erfolg gibt es in Sachen Wahlcomputer zu vermelden: die Stadt Cottbus plant heute zu beschließen, den Kauf von Wahlcomputern rückgängig zu machen.

Wahlcomputer sind in Deutschland gemäß Bundeswahlgesetz zugelassen.
Und sie sind unsicher weil manipulierbar, wie mehrfach gezeigt wurde. Zudem bieten Wahlcomputer im Gegensatz zu den bisherigen schriftlichen Abstimmungsverfahren keine Möglichkeit, das Ergebnis nach Abschluss der Wahl zu überprüfen – es liegen keine Stimmzettel als Belege vor. Kritiker bezeichnen Wahlcomputer aus diesem Grund auch als ’nicht demokratietauglich‘.

Bereits im Herbst letzten Jahres hatte sich eine Petition gegen Wahlcomputer gewendet, über 45.000 Unterstützer/innen hatten sich der Petition angeschlossen. Die Bedenken werden nun dem Petitionsausschuss des Bundestags vorgetragen.

Der Cottbusser Stadtrat hatte eigentlich – nach erfolgreichen Versuchen bei bisherigen Wahlen (mit aus Köln ausgeliehenen Geräten) – beschlossen, 74 Wahlmaschinen des niederländischen Herstellers Nedap (Typ ESD1) zu kaufen.

Gegen den Einsatz von Wahlcomputern hatten sich mehrere Cottbusser Bürger (u.a. mit Unterstützung des Chaos Computer Clubs) gewandt, auch mit einem Einspruch, der jedoch vom Wahlprüfungsausschuss zurückgewiesen wurde.

Nun jedoch scheinen die Bedenken zu fruchten: die Cottbusser Stadtverordneten wollen auf ihrer Sitzung am heutigen Mittwoch beschließen, den geplanten Kauf rückgängig zu machen. Die Wahlcomputer seien nicht sicher genug, äußerte ein CDU-Stadtverordneter gegenüber der Presse.

Vorreiter beim Einsatz von Wahlcomputern ist derzeit Nordrhein-Westfalen und dort insbesondere Köln (570 eingesetzte Wahlcomputer). In den Niederlanden werden Wahlcomputer landesweit genutzt.
Inzwischen mehren sich jedoch die Bedenken gegen Wahlcomputer auch international. So plant Italien, auf den Einsatz von Wahlcomputern bald wieder zu verzichten.

Noch mehr Cruise-Sch…

Wie der Caliban (unter dem wunderbaren Titel „Schwule, Heten und andere Katastrophen“) mitteilt, ist wohl wieder einmal von Wundern (oder Katastrophen?) zu berichten: Tom Cruise ist zu Jesus mutiert.

Die Scientology-Sekte betrachte Tom Cruise als ihren neuen Jesus, melden mehrere englischsprachige Medien. Cruise sei vielfach für seine Ansichten angegriffen und kritisiert worden, in Zukunft werde er hierfür angebetet werden. Cruise ist seit den 1980ern Mitglied von Scientology.

Nun ist mir diese Sekte (nach persönlichen Erfahrungen im Bekanntenkreis schon vor 25 Jahren) mehr als suspekt. Was man/frau von Cruise als Jesus nun halten mag? Vielleicht hat des Künstlers Kind Suri das schon ausgedrückt … ‚Baby Poop‘, einfach sch…

Schade, einige der Cruise-Filme mochte ich echt gerne, zumindest unter dem Aspekt, gut unterhalten zu werden. Das hat sich nun definitiv erledigt …

Käufliche Proteste

Demonstrationen, das Recht, seine eigene Meinung, auch in der Gruppe, öffentlich zu äußern, gehört zu den Grundrechten und ist im Grundgesetz garantiert (Versammlungsfreiheit). Sie sind ein wichtiger Bestandteil einer freiheitlichen Gesellschaft – und drohen gerade, in die Klauen von Geschäftemachern zu geraten.

Findige Geschäftsleute haben eine neue Idee entdeckt und beginnen sie im Internet zu vermarkten: miete dir deine Demonstranten.

Auf einer Internetplatform, die auch Stretchlimousinen und Stripperinnen feilbietet, stehen in der Art eines Marktplatzes (unter der Kategorie Personal / Demonstrant) bereits mehrere Hundert Personen bereit, sich für Demonstrationen jeglicher Art gegen Geld als Teilnehmer mieten zu lassen. Mit Photo und persönlichen Daten versehen, kann der Demonstrations-Organisator sich hier seinen Massenprotest drapieren lassen – zu Preisen von derzeit 145,- Euro pro Einsatztag. Gemietete Demonstrationen – Demokratie als Operette und das Recht auf freie Meinungsäußerung als Farce.

Als einer der Vorreiter dieser unappetitlichen Vorgänge erweist sich ausgerechnet die Ärzteschaft in Deutschland.
Anlässlich ihrer Protestaktionen gegen die Pläne der Bundesregierung zur Gesundheitsreform „mietete“ sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung Presseberichten zufolge Ende 2006 etwa 170 Mitarbeiter eines Dienstleistungsunternehmens und „beschäftigte“ sie als Demonstranten für die Interessen der deutschen Ärzteschaft. Das, was in Zeitung und TV als „demonstrierende Ärzte“ und Beleg für massenhafte demokratische Proteste dargestellt wurde, war nichts weiter als ein Spektakel, eine Inszenierung, ein gekaufter Protest.

Kommerzielle Anbieter käuflicher Demonstranten wie der o.g. Marktplatz jubeln natürlich über diesen Dammbruch. Während sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung damit herausredet, das ganze sei ja nicht als Demonstration angemeldet gewesen, das war ja nur die Abschlussveranstaltung einer PR-Kampagne. Ach so …

Proteste zu kommerzialisieren ist ein zutiefst antidemokratischer Schritt.
Der dazu führen könnte, dass Interessen zunehmend nur noch dann eine Chance haben öffentlich wahrgenommen zu werden, wenn entsprechend Kapital hinter ihnen steht. Der die Form der Demonstration als Weg der öffentlichen Meinungsäußerung insgesamt diskreditieren könnte. Der Demokratie wieder einen Schritt mehr dahin führen könnte, dass sie zu einem ‚Brot-und-Spiele-Zirkus‘ verkommt.

Die Kommerzialisierung von ‚Protesten‘ mag vielleicht für manche Funktionäre und Wirtschaftsvertreter eine reizvolle Vorstellung sein – mein Ziel bleibt eine Demokratie, in der möglichst viele Menschen an der Willensbildung und an Entscheidungsprozessen beteiligt sind, z.B. im Sinne einer partizipatorischen Demokratie .

Polizei MySpace?

MySpace plant, eine private Polizei gegen Sexualstraftäter einzuführen. Mit eigenen Datenbanken, ‚automatischer Pädophilenerkennung‘ und vorbeugender Fahndung.

Erst vor Kurzem habe ich ja geschrieben, warum ich plane mein MySpace-Profil wieder abzuschalten. Heute hat MySpace (via SpON) noch einen Grund nachgeliefert: MySpace hat sehr kurzfristig vor, Rasterfahndung in privater Hand aufzubauen.

MySpace hat Angst um seinen Ruf. In der US-Presse war es anscheinend zu mehreren Berichten gekommen, dass Pädophile versucht haben, MySpace als Forum für Kontaktanbahnungen zu benutzen.

Nichts fürchtet ein Forum wie MySpace, das gerade erst für viele Hunderte Millionen Dollar an Herrn Murdoch verkauft wurde, mehr als schlechten Ruf. Das schadet dem Image, und erst recht dem Börsenkurs (der Mutter Murdoch namens NewsCorp). Zudem lässt es die Nutzerzahlen erodieren, was wiederum weiterer Schaden ist.

Als Reaktion darauf hat MySpace nun vor, einen Site-interne Polizei einzurichten.
Die soll innerhalb von 30 Tagen eine Datenbank aller 550.000 wegen Sexualstraftaten verurteilten US-Amerikaner aufbauen. Für diese hauseigene Datenbank will MySpace erstmalig die (bisher getrennten) Daten aller Bundesstaaten zu einer integrierten Sexualstraftäter-Datenbank zusammenführen.
Alle Einträge in dieser neuen Datenbank sollen dann regelmäßig mit den MySpace-Profilen abglichen werden. Zudem soll die Datenbank als ‚vorbeugende‘ Identifizierungshilfe dienen.

Früher (zu Herolds Zeiten) nannte man das Rasterfahndung. Das war damals schon ziemlich eklig und vor allem umstritten, aber immerhin noch in staatlicher Hand, (vermeintlich) staatlich legitimiert und einer gewissen Kontrollmöglichkeit unterworfen.

Nun aber – Rasterfahndung elektronisch, und das ganze in privater Hand?
Erstmalig werden alle Daten in einer Datenbank zusammengeführt – und dann privat?
Irgendwelche MySpace-Mitarbeiter dürfen sich anmaßen Schnüffel-Privatstaat zu spielen?
Und das auch noch ‚vorbeugend‘, ohne konkreten ‚Tatverdacht‘? Wo bleibt die Unschuldsvermutung?
MySpace als privaten Schnüffel-Polizei?

Aber MySpace (bzw. wohl der ehrenwerte Herr Murdoch) treibt’s noch weiter.
Da könnten die Sexualstraftäter ja auf die Idee kommen, sich mit falschen Angaben anzumelden (oh, das werden wohl nicht nur die machen, wenn ich da an Gayromeo denke …). Also macht er in Washington Lobbyarbeit für ein Gesetz, das Sexualstraftäter zwingen soll, ihre Emailadresse zentral registrieren zu lassen und keine anonymen Emailadressen zu benutzen.
MySpace wird nebenbei (auch) zu einem Werkzeug Murdoch’scher konservativer Politik.

Es geht hier nicht darum, Sexualstraftaten zu verharmlosen. Aber es geht darum, wer macht Ermittlungen, Strafverfolgung (der Staat oder Private?). Es geht um Freiheitsrechte. Und um Polizei-Instrumente in privater Hand.

Jetzt noch mehr: MySpace ist nicht mehr my space …

Abgeordnete (etwas) transparenter

Mit Transparenz (z.B. in Sachen Einkünfte) haben’s einige Abgeordnete ja nicht so sehr. Ihr Abstimmungsverhalten allerdings wird nun etwas leichter überschaubar.

Bereits zur Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus hab ich ja über Kandidatenwatch geschrieben. Inzwischen gibt es diese Form der Transparenz nicht nur für (einzelne) Wahlen und deren Kandidaten, sondern auch ständig, im Verlauf der gesamten Wahlperiode – für die Mitglieder des Deutschen Bundestags.

Auf Abgeordneten-Watch kann jedermann/frau Fragen an seine Abgeordnete/n stellen. Eine elektronischer Online-Sprechstunde mit allen 614 Bundestagsabgeordneten, bei der jede/r Interessierte den gesamten Dialog mitlesen kann.
Aber nicht nur das. Abgeordneten-Watch ermöglicht auch, einige zusätzliche Informationen über Abgeordnete einzuholen (die auch schon im Bundestags-Handbuch publiziert sind), sowie – besonders interessant – das Abstimmungsverhalten von Abgeordneten zu verfolgen.

Die Möglichkeit, etwas über das Abstimmungsverhalten zu erfahren, besteht natürlich nur bei namentlichen Abstimmungen im Bundestag. In diesem Fall allerdings bietet Abgeordneten-Watch dann (bei von der Redaktion als wichtig erachteten Abstimmungen) Informationen zum Abstimmungsverhalten bezogen auf die jeweilige Abstimmung, und dazu bei den Abgeordneten, wie sie sich bei bestimmten Abstimmungen verhalten haben.

Das kann durchaus interessant sein, so erfahre ich hier z.B., dass von den Berliner Bundestagsabgeordneten Renate Künast (Grüne) für das Antidiskriminierungsgesetz gestimmt hat, jedoch gegen die Mehrwertsteuer-Erhöhung. Gregor Gysi (Linke) hingegen stimmte gegen die MWSt-Erhöhung, aber auch gegen das Antidiskriminierungsgesetz.

Wer sich daraufhin (oder aus anderem Anlass) an eine/n Abgeordnete/en mit einer Frage wenden möchte – dafür bietete Abgeordneten-Watch eine direkte Funktion. Die Startseite hierfür zeigt zudem an, wieviele Fragen der/m Abgeordneten bisher in dieser Legislaturperiode gestellt, wieviel davon von ihr/ihm beantwortet wurden.

Eine weitere Form von Transparenz, die nützlich erscheint. Sollte der ärgerliche Antragsentwurf in Sachen ‚fahrlässige HIV-Verbreitung‚ es jemals bis in den Bundestag schaffen, wird sich hoffentlich doch eine Fraktion finden lassen, die auf namentlicher Abstimmung besteht. Dann werden wir ja sehen, wer tatsächlich für mehr Repression stimmt …

Aber auch für andere Abstimmungen dürfte dieses Tool eine sinnvolle Sache sein … wie ich mir überhaupt bei so manchem vermeintlich demokratisch legitimierten Gremium ein wenig mehr Transparenz wünsche …

Antrittsbesuch

Heute ist Polens Premierminister (und Parteichef der PiS) Kaczynski in Berlin. Über die Diskriminierung von Schwulen und Lesben in Polen wird vermutlich nicht gesprochen werden.

Jaroslaw Kaczynski ist heute zu seinem offiziellen Antrittsbesuch in Berlin.
Gesprochen wird sicher über: eine Gaspipeline durch die Ostsee, ein ‚Zentrum gegen Vertreibung‘, die EU, vielleicht generell über die gestörten Beziehungen.

Gesprochen wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht darüber, wie immer noch in Polen mit Lesben und Schwulen umgegangen wird.

Das konservative doppelte Lottchen der polnischen Restauration, das nun trotz einer tiefen Regierungskrise doch gemeinsam weiter an der Macht bleibt, kann mit seiner systematischen Diskriminierung und Unterdrückung von Schwulen und Lesben weiter machen.

Als Staatspräsident Lech Kaczynski im März an der Humboldt-Uni eine Rede hielt, kam es noch zu massiven Protesten von Lesben und Schwulen.

Mehr zur Situation von polnischen Lesben und Schwulen und einer polnischen Schwulen- und Lesbengruppe in Frankfurt/Oder auch in diesem Gayweb-Artikel.
Ein weiterer Bericht über die März-Demo gegen Kaczynski findet sich hier.
Einige schöne Zitate aus einem Times-Interview Lech Kaczynskis über Homosexualität finden sich in Argus‘ Blog.