Chemielaborant: Kündigung wegen HIV bleibt bestehen – Berufung erfolglos (akt.5)

Niederlage in der Berufungsverhandlung: die Kündigung eines Chemielaboranten wegen seiner HIV-Infektion bleibt bestehen. Eine Diskriminierung bestehe nicht.

Sebastian F. konnte sich auch in zweiter Instanz nicht durchsetzen. Vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg wurde am 13. Januar 2012 in der Berufungsverhandlung  seine Kündigung wegen HIV-Infektion verhandelt – das Urteil: die Kündigung war rechtens, sie bleibt bestehen, eine Diskriminierung wegen seiner HIV-Infektion sei nicht feststellbar. Auch eine Entschädigung stehe ihm nicht zu, unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit des AGG. Es müsse dem Arbeitgeber möglich sein, für die Herstellung von Medikamenten allgemein den Einsatz erkrankter Arbeitnehmer auszuschließen.
Eine Revision beim Bundesarbeitsgericht ist allerdings zugelassen.

Im Mittelpunkt der Argumentation: das „mögliche Restrisiko“, das eine Kündigung rechtfertige. Die Frage, ob das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz AGG hier Anwendung finde, wurde nicht konkret thematisiert – auch weil eine HIV-Infektion im AGG nicht explizit genannt wird.

Dies erfuhr ondamaris von einem Prozessbeobachter.

Der 24-jähriger Chemielaborant wurde von seinem Arbeitgeber fristlos gekündigt, wegen seiner HIV-Infektion. Zudem erhielt er ein sofortiges Hausverbot. Man habe das Wohl der eigenen Kunden zu berücksichtigen, so damals der Arbeitgeber, ein Pharmaunternehmen. In erster Instanz verlor der Chemielaborant vor dem Berliner Arbeitsgericht im Juli 2011 – dies erklärte die Kündigung für rechtens. Das Arbeitsgericht stellte damals u.a. fest:

„Der Arbeitgeber habe den Kläger zudem nicht wegen einer Behinderung diskriminiert und müsse daher auch eine Entschädigung nicht zahlen. Die bloße HIV-Infektion führe nicht zu einer Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit und stelle daher keine Behinderung im Rechtssinne dar.“
„Die Tatbestandsvoraussetzung für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG“ sei „nicht erfüllt“.

Tino Henn, Vorstand der Deutschen Aids-Hilfe, betonte hingegen im Vorfeld der heutigen Verhandlung

„Die Deutsche AIDS-Hilfe unterstützt Sebastian F. dabei. Dazu sagt Vorstandsmitglied Tino Henn: „Menschen mit HIV wegen ihrer Infektion zu entlassen ist ein schwerer Fall von Diskriminierung. Wir hoffen sehr, dass das Gericht in der zweiten Instanz klarstellt: HIV ist kein Kündigungsgrund! Da das Kündigungsschutzgesetz in der Probezeit nicht greift, brauchen wir hier die klare Aussage des Gerichts, dass Menschen mit HIV durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geschützt sind. Ansonsten könnten sich skandalöse Urteile wie dieses wiederholen.“

Am heutigen Freitag, 13.1.2012 erfolgte nun die Verhandlung in der Berufungsverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Berlin. Vertreten wurde Sebastian F. darin wie in der ersten Instanz durch Rechtsanwalt Jörg-André Harnisch und das ‚Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V.‘ (BUG), das als Beistand auftrat (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Aktenzeichen 6 Sa 2159/11).

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Aktualisierungen
13.01.2012, 14:20: In der Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts heißt es

„Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung für rechtswirksam gehalten. Die Kündigung sei nicht willkürlich und verstoße deshalb nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dem Arbeitgeber könne nicht verwehrt werden, für die Medikamentenherstellung allgemein den Einsatz erkrankter Arbeitnehmer auszuschließen. Die Entscheidung, einen dauerhaft mit dem HI-Virus infizierten Arbeitnehmer zu entlassen, sei auf dieser Grundlage nicht zu beanstanden. Da das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde, komme es auf die soziale Rechtfertigung der Kündigung nicht an.
Dem Arbeitnehmer stehe auch eine Entschädigung nach dem AGG nicht zu. Dabei könne dahinstehen, ob die bloße HIV-Infektion eine Behinderung im Sinne des AGG darstelle und ob der Arbeitnehmer im Vergleich zu anderen erkrankten Arbeitnehmern ungleich behandelt worden sei. Denn eine – einmal angenommene – Ungleichbehandlung des Arbeitnehmers sei wegen des Interesses des Arbeitgebers, jedwede Beeinträchtigung der Medikamentenherstellung durch erkrankte Arbeitnehmer auszuschließen, gerechtfertigt.“

13.01.2012, 17:00: Die deutsche Aids-Hilfe (DAH) bedauert das Urteil und betont, sie wolle erreichen, „dass künftig auch Menschen mit chronischen Erkrankungen durch das AGG vor Diskriminierung geschützt werden.“

14.01.2012, 09:40: der Berliner Fachanwalt für Arbeitsrecht Wolf Reuter kommentiert in seinem Blog

„Das LAG hat dem Bundesarbeitsgericht (Revision zugelassen) eine harte Nuss mit auf den Weg gegeben. Nach der Pressemitteilung kann man eigentlich dahinstehen lassen, ob die HI-Infektion als Behinderung anzusehen wäre (anders vielleicht als die Hepatitis oder Herpesinfektion). Denn das LAG hat in einer intellektuell wirklich scharfen Weise scheinbar darauf abgestellt, ob die angenommene Diskriminierungssituation wirklich eine „andere“ Behandlung des Betroffenen darstellt – verglichen mit (unterstellt) nicht behinderten Arbeitnehmern. Der Arbeitgeber schließt nämlich jede Person von der spezifischen Arbeit aus, die einen Infekt hat, ohne Rücksicht darauf, ob er die Qualität einer Behinderung hat. Übersetzt könnte man auch sagen: Der Laborrauswurf trifft behinderte und nichtbehinderte Mitarbeiter mit einer Infektion gleichermaßen.
Dann liegt auch keine Diskriminierung vor.
Ob das eine geniale Lösung ist und der Realität gerecht wird, soll nun natürlich noch Erfurt entscheiden.“

15.01.2012, 12:00: Arbeitsrechts-Experte Prof. Markus Stoffels von der Universität Osnabrück weist im ‚beck-blog‘ darauf hin, es sei

„nicht sicher, ob die bloße (symptomlose) HIV-Infektion eine Behinderung im Sinne des AGG darstellt. Für eine ausgebrochene AIDS-Erkrankung wird man das wohl bejahen können. Das LAG lässt diese Frage sowie diejenige, ob der im Vergleich zu anderen erkrankten Arbeitnehmern ungleich behandelt worden ist, dahingestellt. Denn eine – einmal angenommene – Ungleichbehandlung des Arbeitnehmers sei wegen des Interesses des Arbeitgebers, jedwede Beeinträchtigung der Medikamentenherstellung durch erkrankte Arbeitnehmer auszuschließen, gerechtfertigt.“

Und Rechtsanwalt A. Martin weist in seinem Blog trotz der „Besonderheit des Falles“ darauf hin

„Zumindest ist eine Kündigung wegen HIV innerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (hier findet es aber wegen der Probezeit keine Anwendung) als personenbedingte Kündigung in der Regel nicht zulässig, da im Grunde von der HIV – Infektion kein Risiko für Dritte ausgeht und auch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht eingeschränkt ist.“

17.01.2012, 09:00: Juraforum zieht den ( verkürzten ? ) Schluss „Pharmaunternehmen müssen HIV-Infizierte Arbeitnehmer nicht weiter beschäftigen“.

18.01.2012, 09:00: haufe.de titelt zu dem Urteil „Kündigung von Assistent mit Aids-Infektion in der Probezeit = rechtens“, kommentiert dazu allerdings

„Die Frage, ob eine HIV-Infektion (ohne dass die Krankheit ausgebrochen ist) einen personenbedingten Kündigungsgrund darstellen kann, hat das BAG bisher noch nicht entschieden. Dies wird man grundsätzlich verneinen müssen, es sei denn, aus der Tätigkeit des Arbeitnehmers ergibt sich – wie im obigen Fall – eine Gefahr der Infektion anderer Arbeitnehmer oder Dritter (z. B. HIV-infizierte Krankenschwester).“

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weitere Informationen:
Berliner Morgenpost 13.01.2012: Diskriminierung – Chemielaborant klagt gegen Entlassung wegen HIV
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Arbeistgericht Berlin 05.08.2011: Arbeitsgericht Berlin weist Klage gegen Kündigung wegen HIV-Infektion ab
Deutsche Aids-Hilfe 29.11.2011: Kündigung wegen HIV – Berliner Chemielaborant muss in der Berufung Recht bekommen!
Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG): Hintergrundinformationen Berufung Sebastian F. (pdf)
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Pressemitteilung Nr. 05/12 vom 13.01.2012 – „Kündigung eines Arbeitnehmers mit HIV-Infektion“
queer.de 13.01.2012: Urteil in Berlin: HIV-Infektion ist Kündigungsgrund
DAH 13.01.2012: Menschen mit HIV brauchen einen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung!
Reuter Arbeitsrecht 13.01.2012: HIV ist kein Kündigungsschutz
beck-blog Prof. Markus Stoffels 14.01.2012: Kündigung eines Arbeitnehmers mit HIV-Infektion
RA A. Martin 14.01.2012: LAG Berlin-Brandenburg: Kündigung wegen HIV-Infektion in Probezeit zulässig!
Juraforum 16.01.2012: Pharmaunternehmen müssen HIV-Infizierte Arbeitnehmer nicht weiter beschäftigen
haufe.de 17.01.2012: LAG-Urteil: Kündigung von Assistent mit Aids-Infektion in der Probezeit = rechtens
Financial Times 24.01.2012: Urteil der Woche: Kündigung wegen HIV-Infektion
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Erektionsprobleme: HIV-Positiver erstreitet Entschädigung wegen Diskriminierung

Eine Entschädigung von 30.000 $ hat ein HIV-positiver Mann in Australien vor Gericht erstritten – die Behandlung seiner Erektionsproblem war nach Bekanntwerden seines HIV-Status abgebrochen worden.

Ein etwas ungewöhnlicher Fall von Diskriminierung HIV-Positiver wird aus Australien berichtet: ein Mann wandte sich im Dezember 2008 in Sydney an das ‚Advanced Medical Institute‘. Er wollte sich dort wegen Erektionsproblemen behandeln lassen. Das Unternehmen wirbt in seinem Internetauftritt groß mit Slogans wie „Erektionsprobleme können behandelt werden“.

Er sprach persönlich mit einer Krankenschwester des Unternehmens, zudem telefonisch mit einem Arzt. Er berichtete dort auch über seine medizinische Situation, auch seine HIV-Infektion, sowie seine Medikamente. Zur Behandlung seiner Erektionsprobleme wurde ihm eine Behandlung empfohlen, die unter anderem aus Injektionen und Gels bestehen sollte.

Nachdem er die Kosten für ein acht Monate dauerndes Behandlungs-Programm bezahlt hatte, erhielt der Mann eine Spritze mit injizierbarem Material sowie eine Packung Gel. Beides wandte er den Vorschriften entsprechend an.

Kurze Zeit später jedoch erhielt er von dem Unternehmen die Nachricht, aufgrund seines HIV-Status kämen für ihn weitere Injektionsbehandlungen nicht in Betracht. Dies sei auf eine erst jüngst erfolgte Gesetzesänderung zurückzuführen. Er erhielt die bereits bezahlten Behandlungskosten nur zum Teil (1.295$) zurück erstattet.

Vor Gericht argumentierte das beklagte Unternehmen, es fühle sich verpflichtet die öffentliche Gesundheit vor der möglichen Verbreitung von Infektionskrankheiten zu schützen. Eine Behandlung der Erektionsprobleme könne möglicherweise eine HIV-positive Person wieder befähigen, sexuelle Kontakte mit anderen Personen zu haben, bei denen aufgrund der Anwendung der Injektionen Kontakt mit Blut des HIV-Infizierten möglich sei.

Der Direktor des Unternehmens betonte vor Gericht, er stimme mit seinen Ärzten überein, dass HIV-Positiven keine Injektionsbehandlungen verordnet werden sollten.

Das Gericht betonte in seinem Urteil, dass keiner der vom beklagten Unternehmen benannten Zeugen irgendwelche besonderen Erfahrungen in der Behandlung der HIV-Infektion hatte. Der Arzt des Klägers hatte im Verfahren darauf hingewiesen, dass bei adäquater Aufmerksamkeit für Hygiene und Prophylaxe keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit bestehe.

Das Gericht entschied am 7. Dezember 2010, die Behandlungsverweigerung sei aus Sicht der öffentlichen Gesundheit nicht begründbar gewesen. Es sprach dem Mann wegen Diskriminierung eine Entschädigung in Höhe von 30.000 $ zu. Zusätzlich muss das Unternehmen ihm die bereits bezahlten Behandlungskosten in Höhe von 1.995 $ ersetzen.

Das Unternehmen kündigte an, gegen das Urteil in Berufung gehen zu wollen.

weitere Informationen:
Perth Now 07.12.2010: HIV-positive man wins erection compensation
Medical Observer 07.12.2010: Erectile clinic fined for HIV discrimination
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Einstellungsuntersuchung: neue Regelung geplant

Die Bundesregierung plant mit einem Gesetzentwurf Neuregelungen zum Datenschutz von Beschäftigten – unter anderem auch zu Einstellungsuntersuchungen. Relevant könnten die geplanten neuen Regelungen auch werden für die Frage, ob und wie Untersuchungen auf HIV vor einer Einstellung zulässig sind.

Der Entwurf schlägt unter anderem Neuregelungen vor für die Frage, unter welchen Bedingungen zukünftig eine Abstellung von einer Einstellungsuntersuchung abhängig gemacht werden darf. Nach Absicht von Experten würden hierzu z.B. auch Untersuchungen auf HIV-Infektion bei Chirurgen gehören können.

Der Entwurf sieht zudem neue Regelungen zum Procedere für diese Einstellungsuntersuchungen vor (unter „§ 32a Ärztliche Untersuchungen und Eignungstests vor Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses“).

Zur generellen Frage der Zulässigkeit der Erhebung gesundheitsspezifischer Daten betont der Entwurf:

„Daten eines Beschäftigten über die rassische und ethnische Herkunft, … die sexuelle Identität, die Gesundheit, … dürfen nur unter den Voraussetzungen erhoben werden, unter denen nach § 8 Absatz 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes eine unterschiedliche Behandlung zulässig ist.“

Er stellt in Sachen Behinderung nochmals klar:

„Der Arbeitgeber darf von dem Beschäftigten keine Auskunft darüber verlangen, ob eine Schwerbehinderung oder Gleichstellung mit einer Schwerbehinderung nach § 68 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch vorliegt.“

Zum Procedere einer Einstellungsuntersuchung sieht der Entwurf vor:

„Der Beschäftigte muss in die Untersuchung nach Aufklärung über deren Art und Umfang sowie in die Weitergabe des Untersuchungsergebnisses an den Arbeitgeber eingewilligt haben. Dem Beschäftigten ist das vollständige Untersuchungsergebnis mitzuteilen. Dem Arbeitgeber darf nur mitgeteilt werden, ob der Beschäftigte nach dem Untersuchungsergebnis für die vorgesehenen Tätigkeiten geeignet ist.“

Wesentlich bei Einstellungsuntersuchungen dürfte die Frage sein, in welchen Fällen sie überhaupt zulässig sind. Dem Entwurf zufolge darf eine Einstellung nur dann von einer ärztlichen Untersuchung abhängig gemacht werden,

„wenn und soweit die Erfüllung bestimmter gesundheitlicher Voraussetzungen wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme darstellt.“

Und präzisiert

„Der Arbeitgeber darf die Begründung des Beschäftigungsverhältnisses von einer sonstigen Untersuchung oder Prüfung abhängig machen, wenn die Untersuchung oder Prüfung wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung erforderlich ist, um festzustellen, ob der Beschäftigte zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme für die vorgesehenen Tätigkeiten geeignet ist (Eignungstest). Der Beschäftigte muss in den Eignungstest nach Aufklärung über dessen Art und Umfang sowie in die Weitergabe des Ergebnisses des Eignungstests an den Arbeitgeber eingewilligt haben. Der Eignungstest ist nach wissenschaftlich anerkannten Methoden durchzuführen, sofern solche bestehen. Dem Beschäftigten ist das Ergebnis des Eignungstests mitzuteilen. Sind Eignungstests ganz oder teilweise durch Personen durchzuführen, die einer beruflichen Schweigepflicht unterliegen, darf dem Arbeitgeber insoweit nur mitgeteilt werden, ob der Beschäftigte nach dem Ergebnis des Eignungstests für die vorgesehenen Tätigkeiten geeignet ist“.

Der Gesetzentwurf wird derzeit im Bundesrat behandelt, dessen Ausschüsse zahlreiche Änderungsvorschläge formuliert haben (siehe Link unten).

weitere Informationen:
Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes – Gesetzentwurf der Bundesregierung Stand 24.8.2010 (pdf)
Bundesrat: Änderungsvorschläge (pdf)
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17. Mai: „Homophobie verletzt die Menschenwürde“ (akt.2)

Von Jamaika bis Saudi-Arabien – in vielen Staaten wird Homosexualität auch im 21. Jahrhundert noch kriminalisiert. Der 17. Mai ruft als Internationaler Tag gegen Homophobie Gesellschaft und Politik dazu auf, Vorurteile und Diskriminierung zu überwinden und die selbstbestimmte Sexualität aller als Grundrecht zu schützen. „Homophobie stellt eine unverhohlene Verletzung der Menschenwürde dar, sie stellt die Grundrechte in Frage und kann nur verurteilt werden“, so Parlamentspräsident Jerzy Buzek.

Unter Homophobie versteht man Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit, unter Transphobie die Ablehnung und Diskriminierung von transsexuellen Menschen.

Haftstrafen für Mitwisser?

Die Diskriminierung von Homosexuellen ist in vielen Staaten der Erde immer noch nicht nur gesellschaftlich und individuell, sondern auch rechtlich verankert: neben Geldbußen drohen in verschiedene afrikanischen und arabischen Staaten oder in der Karibik Gefängnis oder sogar die Todesstrafe auf homosexuelle Handlungen.

Jüngst machte Uganda von sich reden, wo eine Gesetzesvorlage die Einführung der Todesstrafe vorsah und auch alle „Mitwisser“ homosexueller Lebensweise unter Strafe stellen würde. Mittlerweile hat sich allerdings sowohl Staatspräsident Museveni als auch die Regierung Ugandas gegen die Verabschiedung des Gesetzes ausgesprochen.

„Verstecken und verleugnen“

Doch auch in vielen Ländern Europas ist es noch nicht lange her, dass homosexuelle Handlungen unter Strafe standen. Und auch heute werden beispielsweise Demonstrationen von Homosexuellen als Störung der öffentlichen Ordnung untersagt, werden Homosexuelle in Europa offen diskriminiert und fühlen sich viele Homosexuelle und Transsexuelle dazu gezwungen, ihre sexuelle Orientierung „zu verstecken oder zu verleugnen“, wie der Europa-Abgeordnete Raül Romeva i Rueda anmerkt. Der spanische Grüne ist Berichterstatter für den Vorschlag einer Anti-Diskriminierungsrichtlinie, die derzeit im Ministerrat der EU feststeckt.

Besonders deutlich werde die anhaltende Diskriminierung durch Gewaltverbrechen, die sich aus dem Hass gegen Homo- und Transsexuellen speisen, so der Parlamentarier.

Antidiskriminierungsgesetzgebung ein Zeichen nach Innen und an die Welt

Raül Romeva i Rueda setzt vor allem auf Sensibilisierungskampagnen, Dialog und gesetzliche Regelungen gegen Diskriminierung. Die vorgeschlagene Anti-Diskriminierungsrichtlinie sei „nicht nur ein Zeichen nach Innen, diskriminierende Verhaltensweisen abzustellen, sondern auch eine Botschaft an den Rest der Welt, dass die EU es ernst meint mit der Gleichberechtigung aller und mit dem Schutz der Grundrechte“.

Es gebe innerhalb der EU allerdings ein starkes Gefälle zwischen Ländern „wo die Gesellschaft, die Politik und die Behörden tolerant sind und Homosexuelle und Transsexuelle gut integriert werden“, und andererseits Ländern, die sehr weit von einer derartigen Akzeptanz entfernt sind, betont Romeva i Rueda.

Auf der Grundlage der EU-Verträge und der EU-Grundrechtscharta sollten daher alle EU-Organe dazu beitragen, bei Politikern und Behörden Änderungen zum Schutz der Rechte von Homosexuellen und Transsexuellen zu bewirken, so der Europa-Abgeordnete.

(Pressemitteilung des Europäischen Parlaments)

Der Präsident des Europäischen Parlaments Jerzy Buzek äußerte sich inzwischen auch in einer Video-Botschaft zum Internationalen Tag gegen Homophobie: Video message from the President of the European Parliament, Jerzy Buzek.

UNAIDS-Direktor Michel Sidibé betonte in einer Stellungnahme zum Tag gegen Homophobie erneut, Homophobie stelle ein gravierendes Hindernis für wirksame HIV-Prävention dar.

Catherine Ashton, betonte das Festhalten am Prinzip der Nicht-Diskriminierung: Declaration by the High Representative, Catherine Ashton, on behalf of the European Union on the International Day Against Homophobia, 17 May 2010 (pdf).


Gesetzesinitiativen und Urteile zum Diskriminierungsschutz

Im Jahr 2009 gab es einige interessante Entwicklungen und Tendenzen hinsichtlich des Schutzes vor Diskriminierung. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat Gesetzesinitiativen, Urteile und sonstige Entwicklungen in einem Jahresrückblick für Sie zusammengestellt. Es überrascht nicht, dass insbesondere den Europäischen Gerichtshof, aber auch die deutschen Gerichte Fragen der Altersdiskriminierung vermehrt beschäftigt haben.

AGG_2009

Antidiskriminierungsstelle des Bundes:
Urteile, Gesetzesinitiativen und Entwicklungen zum Diskriminierungsschutz im Jahr 2009 (pdf, 500 KB)

via die andere welt
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HIV-Positiver erstreitet Entschädigung wegen Diskriminierung

Ein HIV-Positiver erstritt vom Casino Berlin eine Entschädigung wegen Diskriminierung. Er war in einer internen Stellenausschreibung benachteiligt worden.

Berlin. Das Casino Berlin hatte intern eine Stelle zur Besetzung ausgeschrieben. Zahlreiche hausinterne Bewerbungen gingen ein, unter ihnen auch die eines HIV-positiven Mannes. Alle Bewerber auf die Stele wurden zu Gesprächen eingeladen – der HIV-positive Mitarbeiter nicht. Alle hausinternen Bewerbungen wurden dem Betriebsrat vorgelegt – die des HIV-positiven Mitarbeiters nicht.

Ein klarer Fall von Diskriminierung, sagte das Landesarbeitsgericht Berlin in einer am 9.10.2008 mitgeteilten Entscheidung und verurteilte das Casino Berlin zur Zahlung von 1.000 Euro wegen Verstoßes gegen das AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, früher: Antidiskriminierungsgesetz).

Die Klage des Mannes wurde bereits im Berufungsverfahren verhandelt.

Der -im konkreten Fall sträflich nicht eingeschaltete- Betriebsrat hätte darauf dringen können, behinderte Bewerber (wie den HIV-positiven Kläger) bei der Besetzung der besser bezahlten Stelle zu berücksichtigen. Der Mann konnte letztlich jedoch nicht nachweisen, dass er die Stelle bekommen hätte. Dies spiegelt sich in der letztlich nicht sehr großen Höhe der Entschädigung. Dr. Bettina Theben, Anwältin des Klägers und Dozentin für Arbeits- und Gleichstellungsrecht an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin, freut sich dennoch „Das Urteil zeigt: Das Gleichbehandlungsgesetz stärkt Betroffene bei der Durchsetzung ihrer Rechte effektiv. Arbeitnehmer können nun auch gegen verdeckte Diskriminierungen vorgehen“.

Ein bemerkenswertes Urteil – meines Wissens der erste Fall, bei dem das AGG zugunsten eines Menschen mit HIV wirkte.
Das Urteil zeigt deutlich, dass es lohnenswert ist, sich gegen Diskriminierungen zu wehren – und dass das lange erstrittene (und bekämpfte) Antidiskriminierungsgesetz auch für HIV-Positive eine sinnvolle Sache sein kann.
Zudem jedoch auch ein Urteil, das einmal mehr zeigt, dass Menschen mit HIV und Aids im Berufs- und Alltagsleben Gefahr laufen diskriminiert zu werden – und betont, wie wichtig Initiativen wie positivarbeiten sind. Zu hoffen ist, dass auch der neue Vorstand der DAH diesem Thema wieder mehr Aufmerksamkeit widmet …

Kompassnadel für Knut Dehnen und Volker Beck

Das Schwule Netzwerk NRW hat am 5. Juli 2008 im Rahmen seines CSD-Empfangs die Kompassnadel 2008 verliehen. Preisträger sind in diesem Jahr Knut Dehnen und Volker Beck. Die Laudatio hielt die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer.

Knut Dehnen „gründete 1994 die Selbsthilfegruppe homosexueller Alkoholikerinnen und Alkoholiker (ShAlk) in Duisburg. Abhängigkeit von Alkohol und damit entstehende Probleme finden auch innerhalb der schwul-lesbischen Szenen wenig Aufmerksamkeit. Dehnens langjähriger und unermüdlicher ehrenamtlicher Einsatz führt immer wieder vor Augen, dass für viele Menschen krisenhafte Lebenssituationen nicht ohne weiteres zu meistern sind und ihre Probleme nicht ignoriert werden dürfen: ‚Viele von uns wollen nicht anonym bleiben, wir wollen Suchtprobleme in der Community offen ansprechen.'“

Volker Beck, Bundestagsabgeordneter und 1. Parlamentarische Geschäftsführer von Bündnis 90 / Die Grünen „zeichnet sich durch seinen Einsatz für die Bürgerrechte von Schwulen und Lesben aus, wie beispielsweise in seinem Engagement für Lebenspartnerschafts- und Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Sein Einsatz für die schwul-lesbische Emanzipationsbewegungen in Osteuropa und sein Engagement für die Entschädigung und das Andenken an die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus bringen zentrale Themen der schwul-lesbischen Emanzipation in das öffentliche Bewusstsein zurück. Kraftvoll machte Volker Beck im Zusammenhang des Aktionstags gegen Homophobie im Fußball auch deutlich, ‚dass wir uns leider unsere Empörung immer wieder selbst organisieren müssen‘.“

Kurznachrichten 06.02.2008

Das Arbeitsgericht Hamburg urteilt „AGG muss richtlinienkonform ausgelegt werden“ – auch kirchliche Arbeitgeber können nicht unter Verweis auf ihr kirchliches Selbstbestimmungsrecht grenzenlos gegen das AGG (früher Anti-Diskriminirungs-Gesetz) verstoßen.

„Polizei jagt fiesen Aids-Mann“ – so titelte ein Kölner ‚Boulevard-Blatt‘ noch gestern, heute ist die Schlagzeile immerhin in „Er infizierte seine Chat-Liebe mit Aids“ geändert … reicht eine Schlagzeile der ersten Art schon für den Presserat? Man kann auch sachlicher informieren …

Um Informationen bemüht sich auch ein kanadisches Präventions-Projekt, um Informationen über sexuell übertragbare Krankheiten wie Chlamydien, Lymphgranulom (LGV), Shigellose und Syphilis. Unter anderem mit einem sehenswerten Clip – ‚Syphilis – Der Film‘ sozusagen … (durchklicken grand public -> Syphilis -> Vidéo, Film mit englischem und französischem Ton).

Der US-Pharmakonzern Gilead könnte in den USA bedeutende Patente auf seine Substanz Tenofovir verlieren. Das ‚Patent Office‘ der USA hat Gilead vier bedeutende Patente auf die Substanz aberkannt. Tenofovir wird von Gilead unter dem Handelsnamen Viread vermarktet, die Substanz ist auch in den Kombi-Pillen Truvada und Atripla enthalten. Sollte die Berufung von Gilead gegen die Entscheidung scheitern und der Konzern diese Patente verlieren, könnten evtl. weitere Unternehmen die Substanz herstellen. Zudem, so betonte Ärzte ohne Grenzen, könnte die Entscheidung Einfluss auf die Patentierbarkeit der Substanz in Staaten wie Indien und Brasilien haben, in denen dringend weitere bezahlbare Aids-Medikamente benötigt werden.

Stiftung zur Förderung der Homosexuellen- Diskriminierung

So so, in NRW soll eine ’schwul-lesbische Förderstiftung‘ gegründet werden, und von Herrn Michael Kauch, seines Zeichens FDP-MdB (Mitglied des Bundestags) erfahren wir auch, was die Stiftung denn Gutes bewirken soll:

Pressemitteilung Kauch

So so, eine staatlich unterstützte Stiftung, von Lesben und Schwulen gegründet, die „die Diskriminierung homosexueller Menschen fördern“ soll.

Wie soll das Kind denn heißen? Wie wär’s mit „DHDS Deutsche Homo- Diskriminierungs-Stiftung“? Oder einfach „Anti-Homo“?

Wollen wir mal hoffen, dass das vor dem Antidiskriminierungsgesetz Bestand hat :-;)

Oder sieht so „an Freiheit und Wettbewerb orientierte Sozialpolitik“ (Zitat aus der Kauch-Website zu seinem Politik-Verständnis im Feld Soziales) aus?

Ausgegraben hat das Ganze the gay dissenter

Wer positiv ist fliegt raus

„Wer HIV-positiv ist, fliegt raus“ – das gibt es heute nicht mehr?

Doch, doch, und ganz offen.

Viele HIV-Positive leben gut ohne Therapien oder können ihre Infektion erfolgreich antiretroviral behandeln lassen.
Und – sie wollen arbeiten. Oder sie müssen, z.B. schon aus ökonomischen Gründen.

Wenn da nicht Arbeitgeber wären, die dem im Wege stünden.
Wie zum Beispiel die Lufthansa. „Die wohl härteste Eingangsuntersuchung“ rühmt die ‚Financial Times‘ die Einstellungsuntersuchungen der Lufthansa für Piloten. Und

„wer beispielsweise HIV-positiv ist, fliegt raus.“

Nun hat die Lufthansa, soweit ich mich erinnere, in der Vergangenheit immer begründet, das Risiko eines HIV-positiven Piloten im Cockpit sei einfach zu groß, z.B. bei neurologischen Problemen.

Da mag man sich fragen, ob dies inzwischen (z.B. angesichts besserer Therapie- und Untersuchungs- Möglichkeiten) wirklich noch so generell gilt. Ob wegen HIV wirklich jeder HIV-positive Pilot nicht tragbar ist.
Und vor allem – warum ihnen nicht einfach ein anderer Job, z.B. am Boden, angeboten werden kann, statt sie an die Luft zu setzen.

Wir leben 2007 …
Und die Arbeits-Bedingungen als HIV-Positiver sind immer noch alles andere als ’normal‘.

Nein, Diskriminierung gibt es ja überhaupt nicht mehr …

Müssen sich Bewerber als Stewardess eigentlich auch immer noch auf HIV testen lassen?

Nur zur Erinnerung: schon vor vielen Jahren war das Verhalten der Lufthansa Anlass für einige ACT UP – Aktionen (wie z.B. Die-Ins) …

Nachtrag 12.10., 12:19: hierzu passt auch gut die Geschichte, die Sabine heute gepostet hat „What We Can’t Talk About“. 20% der HIV-infizierten Dänen und Däninnen behalten ihre Diagnose für sich. Ob das in Deutschland so viel anders ist ?

EuGH entscheidet über Rechte von Lebenspartnern

Sind eingetragene Lebenspartnerschaften in ihren Rechten mit der Ehe gleichzustellen? Diese Frage wird auch in Deutschland kontrovers diskutiert – derzeit sind schwule und lesbische Lebenspartnerschaften deutlich benachteiligt. Doch inzwischen befasst sich der EuGH mit dieser Ungleichbehandlung.

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, läuft derzeit vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein Verfahren, das weitreichenden Einfluss auf die zukünftigen Rechte in Lebenspartnerschaften haben könnte.

Herr M. lebt seit Jahren mit seinem Partner in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Sein Partner verstirbt. Er beantragt beim (in diesem Fall zuständigen) Versorgungswerk der deutschen Bühnen (VddB) eine Hinterbliebenen-Rente. Doch das VddB lehnt den Antrag ab – nur Ehegatten würden eine Hinterbliebenen-Rente erhalten, so die Begründung.

Herr M. will sich damit nicht zufrieden geben. Vor dem Bayrischen Verwaltungsgericht klagt er gegen den VddB. Das Gericht legt den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor, der bitte die Frage klären möge, wie in diesem Fall die Antidiskriminierungs-Richtlinie der Europäischen Union anzuwenden sei.

Insbesondere wird sich der EuGH mit den Fragen auseinandersetzen müssen, ob Arbeitgeber und Sozialversicherungen (hier Rente) Vergünstigungen auf Ehepaare beschränken dürfen, und generell, ob eingetragene Lebenspartnerschaften mit der Ehe gleichgestellt werden müssen.

Das Verfahren vor dem EuGH hat inzwischen begonnen. Am 19. Juni 2007 fand in Luxemburg eine erste Anhörung statt.
Herr M. wird in dem Verfahren durch die ILGA Europe vertreten in Person von RA Dr. Graupner (RKL Lambda, Wien), Prof. Wintemute (Kings College, London) und Manfred Bruns (LSVD, Berlin).

Der Kläger wird in seinem Begehren zudem von der Europäischen Kommission unterstützt.
Die Schlussplädoyers des Generalanwalts beim EuGH sind für den 6. September 2007 vorgesehen. Anschließend wird eine Entscheidung des EuGH erwartet.

Apologeten

Die CDU scheint zu merken, dass ein Anti-Diskriminierungs-Gesetz doch nicht so verkehrt ist

„Das [Allgemeine Gleichbehandlungs-] Gesetz bringt auf jeden Fall etwas.“
Ah ja, nun, das ist erfreulich.
Und die von manchen konservativen und Wirtschafts- Apologeten angekündigte Katastrophe?
Hat’s nicht gegeben. „Und sie wird nach meiner Prognose auch nicht eintreten.“
Nun ja, das ist ja auch erfreulich.

Scheint das AGG, früher Antidiskriminierungsgesetz, also doch ein wenig erfolgreich zu sein.
Trotz aller Bedenken und Katastrophen-Szenarien, die von Wirtschaftsbossen und konservativen Politikern an die Wand gemalt wurden.

Ach so. Von wem die Zitate stammen?
Nein, nicht von Volker Beck.
Auch nicht von irgendeinem Verbandsfunktionär des LSVD.

Sondern das ist aus dem CDU-geführten Bundesministerium für Frauen, Familie und Senioren zu hören. Von Martina Köppen, Leiterin der dort angesiedelten Antidiskriminierungsstelle. Im Gespräch mit der SZ (11.7.07)

Schwul auf Arbeit – alles klar?

Respekt und gleiche Bedingungen am Arbeitsplatz sind für viele Schwulen, Lesben und Bisexuelle bisher nicht Realität. Ein Handbuch aus Schweden zeigt Beispiele, wie hier Veränderungen erreicht werden können.

‚Homosexualität – das ist doch reine Privatsache. Das hat doch mit dem Arbeitsleben nichts zu tun!‘ – Diese Einstellung hört man immer wieder, immer noch.
Und doch, es gilt massiv zu widersprechen. Solange Homo- und Bisexuelle im Arbeitsleben diskriminiert und benachteiligt werden, ist es eben nicht nur ‚reine Privatsache‘.

Stelle ich das Foto des Partners / der Partnerin auf den Schreibtisch? Bringe ich ihn/sie mit zur nächsten Betriebsfeier, oder verschweige ich sie/ihn schamhaft? Schon einfache Fragen zeigen, dass es oft um eine Gleichberechtigung am Arbeitsplatz noch nicht gut bestellt ist.

Eine offene Gesellschaft, gleichberechtigte und nicht diskriminierende Arbeitsbedingungen sind für viele Schwule, Lesben und Bisexuelle immer noch keine Realität.
Egal ob Arbeiter oder Managerin, Angestellte oder Aushilfskraft – jede/r, auch Lesben und Schwule sollte am Arbeitsplatz gleiche Bedingungen und Rechte haben. Dieses Ziel erreichen zu helfen ist Anliegen von ‚All Clear‘.

„All Clear“ soll den Herausgebern zufolge als Trainings- Werkzeug dienen, um „uns selbst offene Arbeitsräume schaffen zu helfen, in denen jede/r unabhängig von seiner/ihrer sexuellen Orientierung willkommen ist und respektiert wird“.

All Clear besteht aus einem 60eitigen Handbuch und einer CD-ROM. Beide sollen Anregungen geben und Methoden vorschlagen, um ein Bewusstsein für die Frage der Arbeitsbedingungen von Schwulen, Lesben und Bisexuellen zu schaffen und Einstellungen zu ändern. Adressaten sind Arbeitnehmer genauso wie Arbeitgeber und Gewerkschaften.

Ein breites Spektrum möglicher Quellen von Ungleichbehandlung und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung wird in den Handbuch thematisiert. Der Themenbereich HIV/Aids, gerade für schwule Männer ebenfalls ein potenzieller Ansatz für Ängste und Diskriminierungen, wird hingegen leider nahezu gar nicht behandelt.

All Clear wurde ursprünglich für die Situation in Schweden entwickelt und auf schwedisch verfasst. Aufgrund des Interesses weit über Schweden hinaus wurde die Broschüre 2006 mit Unterstützung des Europäischen Sozialfonds der EU ins Englische übersetzt (und stellenweise an internationale Gegebenheiten angepasst), die Videos auf der CD-Rom wurden auf englisch untertitelt.

Die Broschüre (mit CD) kann unentgeltlich direkt bei FrittFram online bestellt werden (Lieferzeit ca. 3 Wochen).

Missliche Lage

Das gerade erst kurze Zeit in Kraft befindliche Antidiskriminierungsgesetz (das ja anders heisst, aber selbiges sein sollte) hat anscheinend Folgen, die die schlimmsten Befürchtungen übertreffen.

Heterosexuelle Mitbürger sehen sich inzwischen (wie hier unsere Aufnahme aus dem Hauptbahnhof in Köln) schon gezwungen, auf ihre missliche Lage anonym aufmerksam zu machen.

Gleichberechtigung Leider konnte die Redaktion niemanden der unbekannten Protestierer für eine Stellungnahme erreichen. So fehlen bisher weiter tiefere Einblicke in diese skandalöse Situation.
Die Frage bleibt offen, wie massiv der schwule Mainstream inzwischen schon den heterosexuellen Mitbürger unterdrückt, diskriminiert.

Ob die Landesregierung nun endlich handelt und eine Stelle für die Gleichberechtigung der Heterosexualität schafft, ist bisher nicht bekannt. Der zuständige Ausschuss soll allerdings eine Reise nach Polen planen, um sich über die dortigen erfolgreichen Maßnahmen zu informieren.