Ändern USA HIV-Einreiseverbot?

Menschen mit HIV und Aids sind in vielen Staaten der Welt nicht willkommen – Reisebeschränkungen oder gar Einreiseverbote stehen ihnen entgegen. Auch in den USA. Doch das könnte sich ändern.

Einer der Staten mit einer sehr strikten Politik gegen HIV-Positive sind die USA. Bereits seit 1993, seit dem Jesse ‚Helms-Act‘ besteht ein umfassendes Einreiseverbot für Menschen mit HIV und Aids.

Doch nun zeichnen sich Änderungen ab. Bereits vor Monaten war aus dem Weißen Haus angekündigt worden, dass das Einreiseverbot gelockert werden könnte.

Nun brachte die kalifornische Abgeordnete Barbara Lee (Demokraten) einen Gesetzentwurf ein, der -wenn umgesetzt- die Regelung der Einreise bei HIV wieder in die Hände der US-Gesundheitsbehörde HHS geben würde. Diese war bereits (seit 1987) vor 1993 auch bei HIV für entsprechende Regelungen zuständig. Weitere Gesetzentwürfe mit ähnlichem Ziel werden behandelt.

Eine Neu-Regelung des derzeit strikten Einreiseverbots ist insbesondere von besonderer Bedeutung für zahlreiche von Abschiebung bedroht Immigranten. Auch viele Touristen warten jedoch auf eine Abschaffung der strikten Regelungen.

Die USA sind bei weitem nicht der einzige Staat mit Einreisebeschränkungen für Menschen mit HIV und Aids. Eine gute Zusammenstellung der weltweit bestehenden Beschränkungen nach Staaten (u.a. auf Basis einer umfassenden Analyse der deutschen Aids-Hilfe) findet sich hier.

Heilungsverbot

Herr Fauci ist auf Reisen. Auf Reisen zu einem wichtigen Kongress. Einem Aids-Kongress, der im australischen Sydney stattfindet (dort, wo sie keine HIV-positiven Migranten mögen…).

Herr Fauci ist ein wichtiger Mann. Ein sehr wichtiger sogar 1). So wichtig, dass er andere belehren darf. Meint er.

„Hören Sie endlich auf, über eine Heilung von Aids zu reden!“, fordert er.

Nein, Herr Fauci, werden wir nicht. Wir wollen weiterhin eine Heilung von HIV / Aids. Keine Denkverbote bitte.

1) Herr Fauci ist Direktor des National Institutes of Allergy and Infectious Diseases und Aids-Berater der US-Regierung.

Lesbares über individuelles Risikomanagement

Matthias macht mich auf einen Artikel aufmerksam, der mir als SZ-Leser ansonsten durchgegangen wäre: Frauke Haß schreibt unter dem Titel „Die Lust auf nackte Haut“ über das Thema Sexualität und Prävention, aus Anlass des jüngsten Aids-Kongresses in Frankfurt.

Ein sehr lesenswerter Artikel, der u.a. individuelles Risikomanagement thematisiert, und der die üblichen Plattitüden und Vorwürfe gegen Schwule, HIV-Positive, Barebacker etc. vermeidet. Sehr lesenswert – und online hier zu finden.

Ein Artikel, der gut zur laufenden Debatte um die Weiterentwicklung der HIV – Prävention passt, und zu Diskussionen um von einigen Politikern geforderte repressive Maßnahmen, gegen die sich jüngst auch eine Resolution des 120. Positiventreffens wandte.

… und ein großes Dankeschön an Matthias … 🙂

Über Scheren, Vergessene Heilung und Defätismus

„Virale Schere“, „Heilung von HIV“ geht es plötzlich und unvermittelt durch die Medienwelten. Die beteiligten Forscher berichteten auch in Science über ihre Arbeit.

Wissenschaftlern aus Dresden und Hamburg gelang ein vermeintlicher Durchbruch gegen HIV. Ihnen sei es gelungen, mithilfe eines auf HIV zugeschnittenen Enzyms (Rekombinase) direkt gegen das in Zellen integrierte Provirus vorzugehen. Mit dem Enzym als „Schere“ sei es gelungen, provirale HIV-DNA aus dem Genom infizierter Zellen komplett zu entfernen.

Immerhin, das Wort Heilung ist damit doch einmal auf der Agenda. Hatten sich Ärzte, Politiker und nicht zuletzt Positive schon auf ein Leben mit permanenter Therapie eingestellt, kommt jetzt doch ein verloren geglaubtes Ziel wieder vor Augen: Heilung.
HIV ganz aus dem Körper entfernen.
Viele glauben ja längst nicht mehr daran.

Doch auch wenn eine Heilung von HIV weiterhin noch Zukunftsmusik ist (und keinerlei Anlass zu etwaiger neuer Sorglosigkeit) – immerhin ist das Thema Heilung mal wieder auf der Agenda.

Ja, ich weiss. Viele Fragezeichen.
Solch eine aufmerksamkeitsheischende Pressemitteilung ist natürlich einem aktuell stattfindenden Kongress zu schulden.
Alles nur Petrischale. Auf den Menschen übertragbar? Bis zu einer in der Praxis anwendbaren Lösung, wenn die denn machbar ist, wird es noch viele Jahre brauchen.
Und wenn es nicht widerstreitende kommerzielle Interessen gibt.

Und – die ‚DNA-Schere‘ ist ein ganz anderes Prinzip der Intervention als bisherige Chemotherapien gegen HIV. Erstmals würde mit Biotechnologie vorgegangen werden.
Brauchen wir eine neue Debatte über den Einsatz von Gentechnik, hier gegen HIV? Über Machbarkeit und Grenzen, Ethik, Verantwortung und Risiken? Oder ist ‚jedes Mittel recht‘?

Und dann kommen da ja auch noch einige defätistische Gedanken. Wenn eine Heilung möglich wäre – was wird aus all den Aids-Hilfen? Und aus all dem homosexuellen Pharmareferentinnen? Und stürzen Positive in tiefe Sinnkrisen, wenn sie ihr HIV nicht mehr haben?
Aber mit solch despektierlichen Überlegungen warte ich wohl besser, bis es soweit ist …

Über das Infektionsrisiko

Lässt sich das HIV-Infektionsrisiko durch die Partnerwahl senken? Oder durch eine wirksame anti-HIV-Therapie? Ein Blick in Zahlen und Studien und eine sachliche Debatte über neue Wege der HIV-Prävention hilft sicher mehr als Aufgeregtheiten à la Spahn.

Dass die Zahl der HIV-Neu-Infektionen möglichst gering gehalten werden sollte, ist unstrittig. Über den Weg, dieses Ziel zu erreichen, hingegen gibt es große Meinungsunterschiede – bis hin zu Äußerungen, die darauf zielen, Positiven einseitig die Verantwortung zu zu weisen, oder gar Vorschlägen, die de facto versuchen mit dem Strafrecht Prävention zu betreiben.
Diese Aufgeregtheiten führen sicherlich nicht zu einer seriösen Debatte, die sie die jüngste Resolution des 120. Positiventreffens einforderte. Ein Blick in einige Zahlen und Studien hingegen vielleicht schon. Zahlen, die einige Informationen liefern können

– wo Infektionen stattfinden,
– ob es hilft, seinen Sexpartner nach dem HIV-Status zu suchen (Serosorting), oder
– wie sich eine Kombitherapie auf die Infektiosität auswirkt.

Wo finden Neu-Infektionen statt?
Wenn diskutiert wird, wie auf steigende Zahlen an HIV- Neudiagnosen zu reagieren sei, lohnt neben einer differenzierten Betrachtung nach Regionen auch ein Blick darauf, in welchem Kontext denn Infektionen stattfinden: Ein wesentlicher Teil (etwa 25%) findet in Beziehungen statt, bei Heteros sogar etwa 50% 1).
Ein weiterer großer Teil findet statt durch Menschen, die selbst erst kurze Zeit HIV-infiziert sind (und dies u.U. nicht einmal selbst wissen): eine kanadische Studie kam zu dem Ergebnis, dass 50% der HIV-Übertragungen durch Menschen mit primärer HIV-Infektion stattfinden. Eine US-Studie geht sogar von 70% aus, eine weitere US-Studie ergab, dass 77% der jungen HIV-infizierten US-Großstadt-Schwulen sich ihrer HIV-Infektion nicht bewusst sind.
Der Anteil von (HIV-Übertragungen durch) Positive mit chronischer unbehandelter oder behandelter HIV- Infektion hingegen lag in der kanadischen Studie bei 15% bzw. 12%.
Der hohe Prozentsatz bei Menschen mit primärer HIV- Infektion trat dabei in allen Betroffenengruppen (homo, hetero, iv-Drogengebrauch) auf, und unabhängig von der Zahl der Sexualpartner. Einer der Gründe könnte darin liegen, dass diese ungetestet HIV-Positiven scheinbar besonders häufig zu unsafen Sexpraktiken tendieren, wie eine CDC-Studie zeigt.

Die hohe Infektiosität in den ersten Monaten der HIV- Infektion könnte ein sinnvoller Ansatz für Präventions- Maßnahmen sein – viel eher als ziellose Präventions- Kampagnen à la „… geht jeden an“ oder blinde Schuldzuweisungen an Positive.

Schützt Serosorting? oder – die vermeintlich ‚Negativen‘ …
Eine beliebte Strategie, Risiken (vermeintlich?) besser zu managen ist das Serosorting – HIV-Positive suchen sich als Sexpartner möglichst Positive, Negative suchen sich möglichst Negative.

Allerdings: HIV-Negative (oder besser: Personen, die selbst davon ausgehen, derzeit HIV-negativ zu sein) erhöhen ihr Risiko sich mit HIV zu infizieren durch diese Strategie, wie Studien zeigen.
Der Grund: unerkannte HIV-Infektionen – Menschen, die sich für HIV-negativ halten, tatsächlich jedoch positiv sind, nur bisher nicht von ihrer Infektion wissen. Menschen, die diese Serosorting-Strategie anwenden, tendieren (denkend sie seien ja negativ) mit anderen vermeintlich ‚Negativen‘ zu unsafem Verhalten, wie mehrere Studien z.B. aus Australien und den USA zeigen. Und wenn die Annahmen über den Serostatus eines der Beteiligten sich als falsch erweisen, kann aus der vermeintlichen Schutz-Strategie leicht ein Gefährdungs-Szenario werden.

Serosorting à la „Negativ sucht Negativ für unsafen Sex“- eine Strategie, die sich gerade bei (vermeintlich?) HIV-Negativen als ein äußerst problematischer Weg erweisen könnte …

Über den Einfluss der Therapie
Dass die HIV-Viruslast (neben weiteren Faktoren wie dem Vorhandensein oder Fehlen von ‚Geschlechts- Krankheiten‘) ein wesentlicher Faktor für die Infektiosität ist, ist seit längerem bekannt, ebenso dass eine erfolgreiche Therapie, die die Viruslast deutlich absenkt, damit auch die Infektiosität senkt.
Eine neuere Studie fand, dass erfolgreich antiretroviral behandelte Positive mit niedrigerer Wahrscheinlichkeit HIV übertragen – sowohl im Vergleich mit unbehandelten Positiven als auch mit Positiven, die eine Therapiepause einlegen. Neben der niedrigeren Viruslast wurde als weitere Ursache festgestellt, dass Positive, die eine antiretrovirale Therapie machten oder gemacht hatten, in geringerem Umfang zu sexuell riskanten Praktiken tendierten.
Die Erkenntnis, dass eine erfolgreiche Therapie die Übertragungs- Wahrscheinlichkeit reduziert, ist übrigens nicht so neu – schon 2005 zeigte eine spanische Studie einen deutlichen Therapie-bezogenen Rückgang der HIV-Übertragung zwischen stabilen heterosexuellen Paaren mit unterschiedlichem HIV-Status. Und auch eine ugandische Studie von 2003 (die sich mehr mit dem hohen Infektionsrisiko während der Phase der Primär- Infektion befasste, s.o.) kam zu dem Ergebnis, dass bei Heteros unter einer Viruslast von 1.500 Kopien keine HIV-Übertragung stattfand. Seitdem wird von vielen Forschern davon ausgegangen, dass über einer Viruslast von 1.500 Kopien ein signifikantes HIV-Übertragungsrisiko besteht.

Das Resumé? Im Interview mit der posT 1) antwortet Roger Staub auf die Frage des Interviewers zum Infektionsrisiko „lange unter der Nachweisgrenze, das Risiko können Sie vernachlässigen“ mit „das Risiko besteht wahrscheinlich gar nicht“.

Es geht hier nicht darum, unsafen Sex in welcher Konstellation auch immer zu propagieren, oder gar Reklame für Pillen-Konsum zu machen, oder für einen frühen Therapie-Beginn. Eine antiretrovirale Therapie zu beginnen ist eine wichtige persönliche Entscheidung, die jedem Positiven frei überlassen bleiben muss. Viele Positive wollen oder können keine antiretrovirale Therapie nehmen. Sei es z.B. wegen Problemen mit dem Aufenthaltsstatus oder fehlender Kranken- Versicherung, weil sie angesichts ihres Immunstatus keine Therapie brauchen oder für erforderlich halten, oder auch weil sie generell die Kombitherapie ablehnen. Auch die (aus welchem Grund auch immer getroffene) Entscheidung, keine Therapie zu machen, ist zu respektieren.

Es geht vielmehr darum anhand der Fakten über Infektionsrisiken zu informieren – und nicht einseitig Verantwortung oder gar ‚Schuld‘ (z.B. für vermeintlich deutlich steigende Infektionszahlen) bei Positiven oder Barebackern abzuladen.

Und es geht darum, jedem aufgrund zutreffender Informationen selbst eine freie Entscheidung zu ermöglichen, welche Risiken er eingehen möchte, welche nicht, und in welchen Situationen er sich wie verhalten und schützen möchte.

Schließlich sollten auch Entscheidungen über eine zielgerichtete Weiterentwicklung von Präventions- Maßnahmen zur Stabilisierung und Absenkung der Rate der Neu-Infektionen auf Fakten basiert sein, nicht auf Hysterie oder Propaganda.

1) Roger Staub ist Leiter der Sektion Aids beim schweizerischen Bundesamt für Gesundheit (BAG). Das komplette Interview mit Roger Staub ist zu lesen in der Ausgabe Juli/August 07 der „posT“ (S. 15-24), als pdf hier

Das vergessene Wort Heilung

Die Bekämpfung von Aids kann aus medizinischer Sicht sicherlich derzeit als Erfolgsgeschichte betrachtet werden. Ein Thema allerdings ist dabei nahezu völlig in Vergessenheit geraten. In Vergessenheit bei Forscher, bei Ärzten, bei Politikern, und selbst bei HIV-Positiven – das Thema „Heilung“.

30 Jahre Aids, 25 Jahre HIV, 20 Jahre ACT UP – Aids kommt langsam in die Jahre, die Jubiläen werden zahlreicher. Selbst das Aufkommen hochwirksamer Therapien gegen HIV hat sein zehnjähriges Jubiläum schon hinter sich. Nach Jahren der Angst und Kämpfe sind viele leiser, beinahe still geworden, genügsam.

Die Bekämpfung von Aids kann aus medizinischer Sicht sicherlich als Erfolgsgeschichte betrachtet werden. Nach der Entdeckung von HIV und eines kausalen Zusammenhangs mit dem Immundefekt Aids wurden schon bald wirksame Medikamente verfügbar. Die Forschung erzielte enorme Erfolge in überraschend kurzer Zeit.
Die gesamte Forschung konzentrierte sich in den folgenden Jahren auf neue, noch wirksamere Medikamente. Erst in den vergangenen Jahren konnte dank massivem politischem Druck als zweiter Forschungsschwerpunkt die Impfstoff-Forschung hinzu kommen.

Ja, die Bekämpfung von Aids war bisher eine große medizinische Erfolgsgeschichte. Heute haben HIV- Infizierte die Aussicht, vergleichsweise lange leben zu können, oft viele Jahre ein beinahe ’normales‘ Leben zu führen. Alles große Erfolge.

Erfolg – das heißt jedoch bis heute immer noch: Menschen, die mit HIV infiziert sind, müssen ein Leben lang täglich Medikamente nehmen (wenn sie denn überhaupt Zugang zu ihnen haben). Müssen mit dem Virus leben. Mit den negativen Folgen der HIV-Infektion. Und den Neben- und Folgewirkungen der Medikamente.

Wollen wir uns wirklich damit ‚zur Ruhe setzen‘?
Wollen wir uns darauf ausruhen, lebenslang Pillen nehmen zu müssen?
Pillen zudem, die dermaßen teuer sind, dass ein Großteil der Positiven der Welt sie sich nicht leisten kann?

Ist es nicht eigentlich erstaunlich, dass das Wort „Heilung“ im Zusammenhang mit Aids beinahe völlig in Vergessenheit geraten ist?
Niemand hat es mehr auf seiner Agenda, die Deutsche Aids-Hilfe nicht, Aids-Hilfen vor Ort nicht, Aktivisten nicht, und auch Positivengruppen und -Treffen nicht. Fast könnte man meinen, es gebe in Aids- Zusammenhängen kein größeres Tabu als das einer „Heilung“.

Wir selbst, Positive, aber auch Ärzte und Politiker haben uns scheinbar satt und zufrieden eingerichtet in einem Zustand der medikamentösen Therapie, einer chronischen Infektionskrankheit.

„Heilung?!! – Mensch, nun weck doch keine unrealistischen Hoffnungen. Das ist doch vom Tisch!“
Diese Reaktion kommt oft, meist, wenn das Thema „Heilung“ doch angesprochen wird.

Erinnern wir uns. Wie absurd schien es vor 30, vor 25, vor 20, selbst noch vor 15 Jahren, so wirksame Medikamente gegen Aids zu haben, dass damit ein vergleichsweise erträgliches Leben möglich ist. Therapierbarkeit von Aids – noch vor nicht allzu vielen Jahren galt dies als unvorstellbar, als absurd. Heute ist es weitgehend Realität.

Wodurch das Unvorstellbare, nämlich wirksame Medikamente doch möglich wurde? Auch dadurch, dass wir kämpften, forderten, Hoffnungen und Wut hatten. Wir hatten die Einstellung, es muss bald wirksame Medikamente geben – denn sonst sterben wir alle weg wie die Fliegen. Mit dem status quo abfinden? Niemals!

Und warum haben wir diese Einstellung heute nicht? Was hindert uns daran, auch eine ‚Heilung‘ (von HIV) zu fordern? Warum solcher Pessimismus?
Wenn wir selbst sie schon nicht anstreben, nicht auf der politischen Agenda haben – warum sollte sich dann irgend jemand sonst ernsthaft darum bemühen?

Als Positive, Aktivisten, Aids-Hilfen sollten wir uns daran erinnern, wie der heutige Therapiezustand erreicht wurde.
Dieser Therapie-Erfolg lag nicht nur an der Arbeit der forschenden Pharmaunternehmen, von Forschern, Ärzten und Kliniken. Ihm lag auch zugrunde, dass wir ihn wollten, forderten! Das wir laut und unüberhörbar dafür eintraten, auch gegenüber Politik, Forschern, Industrie. Dass wir sagten, so nicht! Es muss etwas passieren!

Wenn wir wollen, dass eine Heilung von HIV wieder auf die Agenda kommt, müssen wir also selbst dafür sorgen, dass sie dorthin kommt.
Wenn nicht wir, wer sonst?

Die satte Zufriedenheit mit dem Zustand einer mit Medikamenten therapierbaren chronischen Erkrankung ist keine Lösung auf Dauer! Was im Blick auf die Vergangenheit ein großer Erfolg ist, kann im Blick auf die Zukunft nur ein Zwischenschritt bis zum großen Ziel einer Heilung von der HIV-Infektion sein!

Niemand kann sicher sein, ob eine Heilung jemals möglich sein wird. Aber – das galt auch lange für die Möglichkeit hochgradig wirksamer und (halbwegs) verträglicher Medikamente.

Und, wenn wir selbst nicht die Heilung fordern, wenn wir selbst nicht an die Möglichkeit glauben – dann werden wir bei diesem Thema ganz sicher nicht voran kommen. Erreichen werden wir nur, was wir auch fordern.

Das Beispiel der Medikamente zeigt: es lohnt sich für seine Interessen zu kämpfen.

Sorgen wir dafür, dass neben der Entwicklung wirksamer Impfstoffe auch die Heilung der HIV-Infektion wieder auf die Agenda kommt! Fordern wir, wozu wir alles Recht haben: dass mehr dafür unternommen wird, an Möglichkeiten der Heilung der HIV-Infektion zu forschen!

eine Karte an Frau Merkel

Die heroingestützte Behandlung Opiatabhängiger hat im bisherigen Modellprojekt nach Überzeugung aller Beteiligten ihren Erfolg gezeigt. Doch Unionspolitiker gefährden nun eine Fortsetzung des erfolgreichen Modells. Eine Postkarten-Kampagne soll auf die Erfolge aufmerksam machen.

Seit dem 2002 initiierten Modellprojekt können Schwerstabhängige statt mit Methadon auch mit Heroin behandelt werden. Die das Projekt begleitenden Forscher, Fachverbände, Selbsthilfe, Wohlfahrts- Verbände wie auch die am Projekt beteiligten Städte sind (unabhängig von ihrer politischen Couleur) der Überzeugung, dass das Projekt erfolgreich ist.

Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass eine heroingestützte Behandlung

  • die gesundheitliche und soziale Situation verbessert,
  • illegalen Drogenkonsum und Delinquenz reduziert, und
  • die Wohn- und Arbeitssituation verbessert.

Doch dieses erfolgreiche Modellprojekt ist nun gefährdet. Unionspolitiker (unter ihnen auch der u.a. durch seinen Aids-Antrag bekannte Jens Spahn) verweigern eine Fortsetzung. Wollen mit aller Macht, entgegen aller positiven Ergebnisse aus ideologischen Gründen verhindern, dass Heroin für bestimmte Anwendungsfälle als Medikament anerkannt und in die Regelversorgung übernommen wird.

Da der Widerstand nur aus Teilen der CDU/CSU- Bundestagsfraktion kommt, soll nun mit einer bis Ende August laufenden Postkarten-Aktion Bundeskanzlerin Merkel aufgefordert werden, die heroingestützte Behandlung abzusichern.
HeroinKarteDie Angaben auf den Karten sind authentisch: die Zitate sind von DrogengebraucherInnen, die mit Heroin behandelt werden, selbst Ort und Vorname sind real. Nur die dargestellten Personen sind Modelle. Die Karten sind über die Aidshilfen erhältlich.

Abzocke mit Kondomen?

Das mit Klingeltönen und Co. fleißig Geld verdient wird, manchmal auch mit unsauberen Methoden, geht ja immer mal wieder durch die Medien. Aber nun – auch mit Kondomen?

Unter der Adresse www.aidsschutz.com könnte man/frau ja ein interessantes Präventions-Angebot vermuten. Vielleicht Informationen, wie man sich vor HIV schützen kann.

Genau darauf scheint der Anbieter auch zu spekulieren, wirbt er doch auf der Seite mit Slogans wie „Hol dir dein gratis Kondom“ oder „Länger! Besser! Geiler!“
Da schreit den Geiz-ist-geil – Bürger dann noch der Knopf an „Jetzt anmelden und kostenlos testen!“

Allein – es gilt Vorsicht walten zu lassen. Das gratis Kondom könnte ein teurer Spaß werden.

Wer leichtfertig in dem vorbereiteten Formular seine Adressangaben macht, sollte genau überlegen. Vor allem beim Häkchen an dem kleinen Kästchen, das da so hübsch sagt man bitte „um sofortige Zusendung des Testkondoms“.

Wer jetzt darauf wartet, bald ein gratis Kondom in seinem Briefkasten vorzufinden, könnte eine Überraschung erleben.
Denn mit dem Häkchen hat er auch die AGB akzeptiert. Und in denen heißt es, dass der Teilnehmer „nach Anmeldung“ nicht nur ein gratis Kondom erhält, sondern auch „Der Teilnehmer zahlt für den Versand von jeweils 12 Kondomen monatlich. Das Entgelt beträgt 8 € monatlich, insgesamt 96€ jährlich. Dieser Betrag ist auf Rechnung zu zahlen“. Die Rechnung wird dann auch noch im voraus gestellt.

Man/frau hat also einen Vertrag abgeschlossen, auch noch über 12 Monate, und mit automatischer Verlängerung „um weitere 12 Monate, falls nicht spätestens 3 Monate vor Ablauf“ gekündigt wird.

Und sollten Sie denken, Sie schleichen sich doch noch davon, warnt die Site unmissverständlich im Kleingedruckten dass die IP-Adresse gespeichert wird und der Nutzer über diese identifizierbar sei.

Der gratis Test eines Kondoms könnte also eine teure Sache werden …

Foren – Beiträgen zufolge wird für dieses ‚Angebot‘ auch massenhaft mit Mails geworben. der Anbieter scheint bereits einschlägig bekannt zu sein.

Dank an den Prinz, der mich darauf aufmerksam gemacht hat 🙂

Strafrecht gegen unsafen Sex – ein Blick über die Grenzen

Die Bundesregierung lässt untersuchen, wie andere EU-Staaten mit strafrechtlichen Maßnahmen gegen HIV-Übertragung vorgehen. Ein Blick über die Grenzen öffnet erschreckende Perspektiven.

Marion Caspers-Merk (SPD), parlamentarische Staatssekretärin im Bundes- Gesundheitsministerium, bestätigte Presseberichten zufolge gegenüber dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Volker Beck auf Nachfrage, in einem derzeit laufenden Forschungs- Vorhaben werde untersucht, welche Erfahrungen andere EU-Staaten mit strafrechtlichen Maßnahmen gegen Aids allgemein sowie speziell der Anbahnung von Bareback- Sex im Internet gemacht haben.
„Wenn die Ergebnisse vorliegen, werden wir über weitere Maßnahmen sprechen“, so Caspers-Merk. Alles, was „erwiesenermaßen nutzt, werde umgesetzt“, kündigte sie an.

Caspers-Merks Ankündigung passt gut in den Kontext der jüngsten Bundestagsdebatten zu Aids, insbesondere auch dem ‚Spahn-Antrag‚, der ebenfalls auf strafrechtliche Maßnahmen gegen Bareback zielte und hier insbesondere die Erfahrungen von Österreich (EU- Mitglied) und der Schweiz (nicht EU-Mitglied) ansprach. Im (am 23. März im Bundestag beschlossenen) ‚Spahn-Antrag‚ wurde die Bundesregierung aufgefordert, die Erfahrungen Österreichs und der Schweiz mit Strafrechts- Verschärfungen auf eine Übertragbarkeit auf Deutschland zu untersuchen.

Wie sieht die Situation in diesen beiden Ländern aus?

Österreich:
§ 178 und § 179 StGB behandeln die vorsätzliche bzw. fahrlässige Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten. Für eine Strafbarkeit genügt, dass eine Infektion durch eine Handlung möglich gemacht wird (Infektion nicht erforderlich für Strafbarkeit). Nach österreichischer Rechtsprechung liegt Fahrlässigkeit bereits dann vor, wenn ein Betroffener zwar nichts von seiner Infektion weiß, aus den konkreten Umständen aber Kenntnis davon erlangt haben müsste.
Bisher fanden circa knapp 40 Verfahren statt, ca. 30 Personen wurden verurteilt.
Die Einschätzung, Bareback sei per se etwas ganz Gefährliches, wird auch von den österreichischen Aidshilfen in der Öffentlichkeit geteilt. Die Aidshilfe würde sich bemühen, Bareback-Veranstaltungen zu verhindern, wenn dies nicht erfolgreich sei auch mit rechtlichen Schritten, so ein Vertreter der Aidshilfe Wien.

Schweiz:
Art. 231 StGB (Verbreiten einer gefährlichen menschlichen Krankheit) – Strafbarkeit selbst dann, wenn die (bis dato nicht infizierte) Person zugestimmt hat, allerdings muss Infektion stattgefunden haben (nicht nur Versuch).
Zudem möglich: Körperverletzung oder versuchte Tötung nach Art. 122, 123, 111 & 112 StGB.
Bisher über 30 Ermittlungsverfahren, mehr als 20 Personen verurteilt. Auch die Übertragung von Hepatitis C wird strafrechtlich verfolgt.
Die geltenden Regelungen werden in der Schweiz immer wieder kritisch kommentiert und Abschaffung gefordert (wie 2001 von der Aidshilfe Schweiz), sie sind aber weiterhin in Kraft. Im Gegenteil, Roger Staub vom Bundesamt für Gesundheit (Schweiz) ist stolz darauf durchgesetzt zu haben, dass die Einhaltung der Präventionsvereinbarung in den Betrieben kontrolliert und mit Schließung gedroht wird.

In den EU-Staaten
ist die Situation hinsichtlich des strafrechtlichen Umgangs mit HIV-Infektionen sehr unterschiedlich. Die Kriminalisierung von Positiven ist EU-weit in unterschiedlichem Umfang ein Problem.
Vor diesem Hintergrund befasst sich mit diesem Thema nicht nur das vom BMG in Auftrag gegebene Gutachten, sondern auch eine Untersuchung von GNP+ und Terrence Higgins Trust, deren erste Ergebnisse im November 2006 in Glasgow vorgestellt wurden.
Diese Analyse betrachtet den Bereich der Staaten, die die Europäische Konvention für Menschenrechte unterzeichnet haben. In mindestens 21 dieser Staaten fanden Verurteilungen wegen HIV-Infektion statt – ‚Spitzenreiter‘ waren Schweden sowie Österreich und die Schweiz.

Eine Tendenz zum zunehmenden Einsatz des Strafrechts stellt auch UNAIDS fest und warnt, dies führe möglicherweise zu einer Rückkehr zur alten (und wenig erfolgreichen) Politik der Schuldzuweisungen, zunehmender Stigmatisierung und abnehmender Eigenverantwortung für den eigenen Schutz. Die Anwendung des Strafrechts bei HIV-Übertragung sei unangemessen und kontraproduktiv, diese Erkenntnis von 2002 gelte auch 2007 unverändert.

Letztlich steht hinter vielen dieser Regelungen wie z.B. in der Schweiz oder Österreich, aber auch einigen Bemühungen deutscher Politiker und Homosexueller die (meines Erachtens irrige) Vorstellung, Epidemien ließen sich mit Repression bekämpfen.

Kann das Strafrecht überhaupt ein Mittel erfolgreicher Prävention sein?
Vielleicht lässt sich dies mit der Gegenfrage beantworten, ob die Strafbarkeit von Einbrüchen bisher einen Einbruch verhindert hat …

Vielleicht sollte den Warnungen und Hinweisen z.B. von UNAIDS mehr Beachtung geschenkt werden.

Das hindert allerdings auch zahlreiche Schwule nicht daran, Strafverschärfungen zu fordern (wie z.B. die LSU). Und besonders bizarr wird es, wenn Aidshilfen sich wie in Österreich an die Seite der Ermittler und Verfolger stellen.

Leider ist zu befürchten, dass die derzeit angestellten transnationalen Vergleiche nicht etwa dazu führen, dass in Richtung der liberaleren Gesetzgebungen reformiert wird. Vielmehr dürften (wie es der Spahn-Antrag ja vormacht) die schärferen Vorschriften als vermeintliche ‚guten Beispiele‘ dienen, auch hierzulande weitere Strafrechts-Verschärfungen vorzuschlagen und letztlich einzuführen (bei der derzeitigen Verbots- Manie…).

Caspers-Merks Ankündigung, alles was sich als nützlich erweise werde auch hierzulande umgesetzt, lässt für die nähere Zukunft wohl nichts Gutes ahnen…

Material:
Österreich: Rechtsgutachten Prof. Hinterhofer „Zur Strafbarkeit von Sexualkontakten HIV-Infizierter Personen nach §§ 178, 179 StGB“ (im Auftrag der österreichischen Aids-Hilfen) als pdf
hier
UNAIDS: Criminal law, public health and HIV transmission (2002, pdf
hier)
UNAIDS: Crminalisation of HIV transmission (2007, pdf
hier)
UNAIDS: handbook for Legislators on HIV/AIDS, Law and Human Rights (1999, pdf
hier)
EATG: Criminalisation of HIV transmission (workshop, 8th International Congress on Drug Therapy in HIV Infection; Programm und Links zu den einzelnen Vorträgen
hier)
die umstrittene Sendung von Report Mainz über Barebacking (28.11.2005) als Video und Mitschrift
hier

Repressive Mottenkiste im Bundestag

Am Freitag hat der Bundestag in einer weniger als einstündigen (von Phoenix live übertragenen) Sitzung einige Anträge zur Aids-Politik beraten und beschlossen.

Neben dem Aids-Aktionsplan der Bundesregierung stand dabei auch ein Antrag zahlreicher Abgeordneter (bes. Jens Spahn/CDU) sowie der Fraktionen von CDU/CSU und SPD zur Abstimmung.

Jens Spahn (CDU) ging -geschmückt mit einem Red Ribbon- insbesondere auch auf den von ihm mit initiierten Antrag ein. Er betonte die ‚große Einigkeit bei diesem Thema – im Grundsatz zumindest‘.
Er sprach dabei munter von ‚dramatisch steigenden Infektionszahlen‘, und von ‚Risikogruppen‘ (und nicht etwa ‚Betroffenengruppen‘), als ginge von Schwulen, DrogengebraucherInnen oder Frauen per se ein Risiko aus. Zudem betonte er zum Thema der Selbstverpflichtung bei ‚Anbietern anonymer sexueller Kontakte‘, dass in Großstädten ’stark steigende Infektionszahlen‘ festzustellen seien.

Spahn betonte im Vorgriff auf vermutete Äußerungen von seiten Becks (Grüne) und Parrs (FDP), ihm ginge es nicht um die Kriminalisierung Einzelner, sondern darum die Partybetreiber zu erreichen.

Die meisten folgenden Redner der Debatte gingen mehr auf verschiedene Aspekte des Aids-Aktionsplans ein, lobten die Regierung und betonten einzelne Lücken wie das Fehlen des Themas Heroinvergabe für Schwerstabhängige (Bender/Grüne; nebenbei: eben jener Spahn ist ebenfalls einer der deutlichen Gegner auch der Heroinvergabe) oder illegalisierte MigrantInnen (Knoche/Linke).

Auffällig war quer durch die Beiträge aller Redner, dass keiner der Abgeordneten es schaffte, zwischen der Zahl der Neu-Diagnosen und der der Neu-Infektionen zu unterscheiden.

Besonders erstaunlich war der Beitrag der Abgeordneten Knoche (Die Linke. PDS). Sie (die früher immerhin einmal Gesundheitsexpertin und drogenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag war, bevor sie als Parteilose stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken wurde) bezeugte die ‚Anerkennung‘ ihrer Fraktion für den Aids-Aktionsplan der Bundesregierung und sprach von einem ’sehr guten Bericht‘. Kurz wurde kritisch auf die patentrechtliche Situation eingegangen. Zum Spahn-Antrag: nichts.

Fast folgerichtig, dass die Fraktion ‚Die Linke‘ sich bei der Abstimmung über diesen Antrag (16/4111) der Stimme enthielt. Hat die ‚linke‘ ‚Opposition‘ hierzu keine Meinung? Oder teilt sie etwa stillschweigend gar Spahns Ansichten?

Es blieb den Abgeordneten Bender und Beck von den Grünen vorbehalten, besonders zum Spahn-Antrag auch inhaltlich kritische Anmerkungen zu machen. Frau Bender bezeichnete Spahns Vorschläge als „Griff in die Mottenkiste der Repression“. Zu einer Infektion gehörten immer mindestens zwei Beteiligte. Sie nahm sein so gern zitiertes Beispiel der Österreichischen und Schweizer Maßnahmen auseinander: die Neuinfektions-Zahlen pro Million Einwohner lägen dort mit 55 und 95 deutlich über den deutschen (32) – und daran solle man sich ein Beispiel nehmen? (Spahn reagierte darauf mit dem Hinweis, selbst die österreichische Aidshilfe betone, wie unterstützend die dortigen Maßnahmen seien. Gekontert von Bender, wie wenig erfolgreich dies bei der Senkung der Neuinfektions-Zahlen sei).

Beck betonte (unter Beifall auch von Parr/FDP), man solle das Strafrecht beiseite lassen und Prävention und den realistischen Umgang mit Gefährdungs- Situationen in den Vordergrund stellen, nicht Tabus aufbauen.

Nach Abschluss der Debatte wurde der Spahn-Antrag mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD angenommen, bei Gegenstimme der Grünen und Enthaltung der FDP und der Linken.

Dies bedeutet in der Umsetzung nun u.a., dass

  • die bisherigen Präventions- Kampagnen weiterentwickelt werden sollen, einschließlich neuer Ansätze bei Migranten (der Antrag nennt nur die männliche Form) sowie zu ‚bare backing‘

  • Private-Public-Partnerships (in dieser Reihenfolge) in der HIV-Prävention wohl ausgebaut werden, einschließlich Beteiligung der Pharmaindustrie

  • der Druck auf ‚Anbieter von Orten sexueller Begegnung‘ erhöht wird, Kondome und Gleitmittel auszulegen, sowie auf Werbung und Unterstützung für unsafen Sex ‚vollständig‘ zu verzichten (womit Anbieter von sog. Bareback- oder ‚Biohazardmen‘- Parties nun wohl auf sehr dünnem Eis stehen dürften und auch z.B. Saunen- und Darkroom-Betreiber mit neuen Problemem rechnen könnten).

Nach zwei Jahren soll dies in einem Bericht geprüft werden, ggf. sind Vorschläge für eine rechtliche Regelung (!) vorzubereiten.
Zudem soll die Bundesregierung prüfen, ob die (wie von Bender dargestellt ja so Infektionszahlen-senkenden) Erfahrungen aus Österreich und der Schweiz bei der Verschärfung des Strafrechts in Deutschland handhabbar wären zur ‚Eindämmung der kommerziellen Angebote von ungeschützem Sex‘.

Wieder ist also ein Schritt mehr zu einer repressiveren Aids-Politik in Deutschland zu konstatieren. Ein Schritt, den der Bundestag mit großer Mehrheit und kaum Widerspruch vollzog.

Nebenbei bemerkt: es fiel auf, dass sowohl der Abgeordnete Parr (FDP) als auch eben jener Spahn (CDU) sich für das Kompetenznetz und dessen Kohortenstudie stark machten. Das scheint das Kompetenznetz gute Lobbyarbeit geleistet zu haben. Auf welchen bedeutenden Projektergebnissen oder wichtigen Forschungsergebnissen des Kompetenznetz hingegen die positive Einschätzung seitens der beiden Politiker beruht, blieb ungenannt. Auch strukturelle Probleme und die Fragen rund um den Datenschutz in der Kohortenstudie blieben unberührt.

Materialien:
Links auf die Bundestagsdrucksachen gibt’s in diesem früheren Posting

Bundestag beschließt HIV-Antrag am Freitag

Der Antrag „Maßnahmen zur Bekämpfung von HIV/Aids in Deutschland“ (früher Entwurf ‚Gesetz gegen fahrlässige HIV-Verbreitung‚, Initiative der Abgeordneten Spahn et al sowie von CDU/CSU und SPD) wird am kommenden Freitag, 23. März, im Bundestag abschließend behandelt.

Zudem wird in der Sitzung vom Freitag über den Aids-Aktionsplan der Bundesregierung berichtet.

Materialien:
Antrag „Maßnahmen zur Bekämpfung von HIV/Aids in Deutschland“ (Bundestags-Drucksache 16/3615)
Beschlussempfehlung und Bericht des Gesundheitsausschusses hierzu (Bundestags-Drucksache 16/4111)
„Aids-Aktionsplan der Bundesregierung“ (Bundestags-Drucksache 16/4650)

HIV vor Gericht: 2 – ist die Abstammung wirklich alles?

Ein einziges virologisches Untersuchungsverfahren (siehe erster Teil des Artikels) hat in Großbritannien die strafrechtliche Situation für Positive in der Praxis drastisch verändert. Angeklagte bekennen sich in Prozessen, in denen es um die Frage einer bewussten HIV-Infektion einer anderen Person geht, bewusst schuldig, um so zumindest (straf-) mildernde Umstände erreichen zu können.

Aber – ist wirklich alles nur noch „eine Frage der Abstammung“? Reicht es, die ‚Verwandtschaft‘ zweier HI-Viren nachzuweisen, um die Schuldfrage zu beantworten? Kann das Verfahren der phylogenetischen Analyse dazu helfen, oder werden hier Inhalte in seine Ergebnisse hinein interpretiert, die nicht vorhanden sind?

Es lohnt sich also, auch hierzulande darüber nachzudenken, welche Relevanz diese Technik eigentlich für die Beurteilung einer ‚Schuldfrage‘ haben kann.

Bei einer phylogenetischen Analyse kann mit Hilfe eines phylogenetischen Baums dargestellt werden, wie eng verwandt zwei Spezies eines Virus miteinander sind.
Im Gegensatz z.B. zur menschlichen Erbinformation DNA allerdings verändert sich HIV ständig – eine „definitive“ Zuordnung ist nicht möglich.

Zudem finden HIV-Infektionen i.d.R. in so genannten Clustern statt (Gruppen von Menschen), Untersuchungen zeigen, dass die Mehrzahl der HIV-Infizierten Teil solcher ‚Netzwerke‘ sind. Bei allen Mitgliedern eines Cluster oder Netzwerks werden also hochgradig ähnliche HIV-Spezies zu finden sein.

Zeigt eine phylogenetische Analyse, dass zwei HIV-Spezies miteinander (evtl. auch eng) verwandt sind, so zeigt dies zunächst nur, dass beide Personen evtl. dem gleichen Cluster angehören.
Und – selbst bei engster Verwandtschaft zweier HIV-Spezies kann die phylogenetische Analyse nichts aussagen über die Infektions-Richtung, also ob A den/die B infiziert hat, oder umgekehrt. Nicht einmal darüber, welcher von beiden zuerst infiziert wurde / länger infiziert ist.

Damit ist eine phylogenetische Analyse nicht geeignet, einen „sicheren Beweis“ zu schaffen, dass eine Person eine bestimmte zweite Person mit HIV infiziert hat.

Vielmehr könnte die infizierte Person auch (selbst bei nahe verwandten HIV-Spezies) z.B. von einer anderen Person des gleichen Clusters infiziert worden sein. Oder beide Personen, A und B, wurden unabhängig voneinander mit ähnlichen HIV-Stämmen von anderen Personen des gleichen Clusters infiziert.

Ergebnis: eine phylogenetische Analyse, die zunehmend vor Gericht in Strafprozessen Verwendung findet, scheint nicht geeignet, um einen definitiven Beweis zu führen, dass eine Person von einer anderen mit HIV infiziert wurde.

Diese Einschätzung der Bedeutung phylogenetischer Test führte in Großbritannien dazu, dass erstmals im August 2006 ein Strafverfahren wegen HIV-Infektion trotz Verwendung phylogenetischer Tests mit „nicht schuldig“ beendet wurde.

Weiterführende Informationen gibt es in dem (englischsprachigen) Paper „The use of phylogenic analysis as evidence of HIV transmission“, erstellt von NAM und NATals html hier, als pdf hier.

Eine erfreuliche Nuance immerhin ist dem phylogenetischen Verfahren abzugewinnen: dass zwei HIV nicht oder nur sehr entfernt miteinander verwandt sind, für diese Aussage ist es einsetzbar – und kann damit durchaus den Negativ-Beweis führen: dass A den/die B nicht infiziert haben kann.

Nachsatz: Teil zwei dieses Artikels stützt sich wesentlich auf den Artikel „hiv forensics“ in der März-Ausgabe von ‚aids treatment update‘

HIV vor Gericht: 1 – alles eine Frage der Abstammung

In Strafverfahren vor Gericht, in denen es um die Frage geht, ob ein Angeklagter eine Person mit HIV infiziert hat, kommt zunehmend ein Verfahren zur Anwendung, mit dem die Verwandtschaft zweier HI-Viren untersucht werden kann.

Zahlreiche Positive wurden in den vergangenen Monaten wegen Übertragung von HIV verurteilt, besonders in Großbritannien (siehe u.a. hier und hier). Bei den meisten Prozessen in Großbritannien spielte ein recht neues Untersuchungsverfahren eine wesentliche Rolle, die phylogenetische Analyse.

Strafverfahren mit dem Vorwurf der HIV-Übertragung haben in der Regel ein Problem: für die Vorgänge beim Zeitpunkt der Infektion gibt es keinen Zeugen (der bezeugen könnte, dass A den oder die B infiziert hat). Deswegen müssen die Verfahren auf Indizien und andere Beweisverfahren zurückgreifen.

Hier kommt die phylogenetische Analyse ins Spiel: mit Hilfe einer phylogenetischen (übers.: stammesgeschichtlichen) Analyse kann untersucht werden, wie eng verwandt zwei HIV-Varianten miteinander sind (dargestellt über einen so genannten phylogenetischen Baum).

Bereits seit längerem spielt diese phylogenetische Untersuchung eine wesentliche Rolle bei der Beurteilung einer HIV-Übertragung durch Bluttransfusionen (pdf hier, Literatur u.a. hier).

In jüngster Zeit jedoch beginnen sie auch in zivilrechtliche Verfahren Einzug zu halten: mithilfe phylogenetischer Analysen kann in einem Verfahren wegen HIV-Infektion auch untersucht werden, wie eng z.B. das HIV eines Angeklagten und des Klägers miteinander verwandt sind.
Anwälte und Staatsanwaltschaft könnten also versucht sein, diese Methode zu benutzen, um ihr Beweisproblem zu lösen – die Ergebnisse einer phylogenetischen Analyse als vermeintlicher ‚Beweis‘, dass der Beklagte den Kläger infiziert haben müsse.

Diese Idee ist keineswegs ein Hirngespinst – in Großbritannien wurden bereits zahlreiche Prozesse wegen absichtlicher oder fahrlässiger HIV-Infektion geführt, in denen die phylogenetische Analyse eines der wesentlichen Beweisverfahren war. Staatsanwaltschaften versuchten, mit Hilfe der Ergebnisse einer phylogenetischen Untersuchung die Vorgänge rund um die in Frage stehende Infektionskette zu rekonstruieren.

Dieses Untersuchungsverfahren wird jedoch wird nicht nur in Großbritannien, sondern auch in Deutschland angewandt. So soll ein Labor in Mecklenburg-Vorpommern mit diesen Untersuchung bereits große Umsätze machen.

Dass die Folgen dieser neuartigen Untersuchungsmethode gravierend sein können, zeigt wiederum der Blick nach Großbritannien: hier hat dieses Verfahren inzwischen drastische Auswirkungen. In einem Großteil der Fälle, die vor Gericht landen, erklären sich die Angeklagten schon vorab für schuldig, um so zumindest auf mildernde Umstände (und damit ein niedrigeres Strafmaß) wegen ihres Geständnisses hoffen zu können.

Die phylogenetische Analyse der HIV-Verwandtschaft kann also die Situation in Strafprozessen u.U. gravierend verändern. Aber – ist also alles nur „eine Frage der Abstammung“? Ist es in Zukunft nur noch die Frage einer biochemischen Analyse, um eine Infektion(skette) nachzuweisen? Dazu mehr im zweiten Teil des Artikels.

Gesundheit: weitere Rückwärtsrollen …

Die Zahl der Fälle, in denen gegen Positive juristisch vorgegangen wird, steigt. In Großbritannien, wo eh schon zahlreiche Positive verurteilt wurden, ist nun ein weiteres Urteil bekannt geworden.

Ein 38jähriger Italiener wurde in Glasgow wegen bewusster Übertragung von HIV und Hepatitis C verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen seine frühere Freundin infiziert zu haben, indem er bewusst keine Kondome verwandte.
Erstmals erfolgte damit in Großbritannien eine Verurteilung auch aufgrund einer Infektion mit Hepatitis C, wie Aidsmap berichtet.

Eine fahrlässige oder vorsätzliche Infektion mit HIV ist auch in Deutschland bereits seit langem strafbar. Auch erfolgen Verurteilungen wegen HIV-Infektion, i.d.R. mit der Anklage der fahrlässigen Körperverletzung.

Dennoch planen Politiker, unter ihnen mit federführend der CDU-Obmann im Gesundheitsausschuß Jens Spahn (26), eine weitere Verschärfung der Gesetzeslage: ein Gesetz gegen fahrlässige HIV-Verbreitung befindet sich auf dem parlamentarischen Weg (derzeit in den Ausschüssen).

Spahn ist auch beteiligt an der ablehnenden Haltung der CDU-Bundestagsfraktion zur Heroin-Abgabe an Schwerstabhängige. Es gehe darum, keine harte Droge zu enttabuisieren oder zu legalisieren, so Spahn (z.B. gegenüber N24 oder via Tagesspiegel, außerdem sei eine Heroin-Therapie zu teuer. Spahn stellt sich damit selbst gegen Politiker aus der eigenen Partei, die an erfolgreichen Modellprojekten beteiligt sind und auf deren Fortführung dringen.

Spahn, der u.a. auch Mitglied der ‚Kerntechnischen Gesellschaft‘ und des ‚Förderkreises deutsches Heer‘ ist, der auch an der umstrittenen parteiübergreifenden Initiative ‚Generationen- Gerechtigkeit‘ einiger Jung-Parlamentarier beteiligt war, als weiteres Anzeichen dafür, wie Aids- und Gesundheitspolitik insgesamt nach und nach in immer konservativeres Fahrwasser gerät?

Über Kondome und Ignoranz

Dass einige Politiker im Bundestag einen Antrag eingebracht haben, mit dem die ‚fahrlässige HIV-Verbreitung‘ zukünftig unter Strafe gestellt werden soll, geistert ja inzwischen sogar durch die sich ansonsten oftmals eher weniger durch Inhalt profilierenden Gratis-Homoblätter.

Dabei gerät allerdings gerne in Vergessenheit, dass eine bewusste Infektion eines/r anderen bereits heute strafbar sein kann – und dass schon heute Positive auch in Deutschland wegen ‚gefährlicher Körperverletzung‘ verurteilt werden, wie jüngst ein schwuler Mann in Memmingen.

Unterdessen läuft auch in Würzburg seit Ende Dezember 2006 ein Verfahren wegen bewusster HIV-Infektion (das außerhalb der regionalen Medien kaum wahrgenommen wird). Ein 38jähriger Mann afrikanischer Abstammung muss sich dort vor Gericht verantworten. Ihm wird zur Last gelegt, mit mindestens sieben Frauen ungeschützten Sex gehabt zu haben; mindestens eine davon wurde mit HIV infiziert. Als Motiv wird ihm Rache vorgeworfen.
(In einem anderen Fall wurde gestern ein sehbehinderter HIV-positiver Berliner freigesprochen, der in Notwehr einen Potsdamer in den Finger gebissen hatte, der ihn vorher mehrfach rassistisch beleidigte und angriff.)

Ein Teil der schwulen Szene reagiert, eine langsam wachsende Zahl von Betreibern schwuler Treffpunkte schließt sich einer freiwilligen Selbstverpflichtung an (insbes. kostenloses Bereitstellen von Kondomen und Gel), in Berlin sogar unter einem „Markennamen“: safety4free.

Umso mehr macht es mich sauer, wenn (gerade auch in Berlin) immer noch Betreiber von Sex-Orten wie Darkrooms oder Saunen sich weigern, unentgeltlich Kondome auszugeben. Und, darauf angesprochen, reagieren mit Kommentaren wie ‚das musste dir schon selbst mitbringen‘ oder ‚das können wir uns hier nicht leisten‘.
Wem sie mit ihrer Ignoranz in die Hände spielen, ist wohl offensichtlich … und der Gast mag vielleicht nachdenken, ob er (es gibt Auswahl genug) nicht lieber an Orte gehen mag, die sich Gedanken um die Szene und ihre Gäste machen – und im Bedarfsfall Kondome bereit stellen.

Es gilt, ein Klima zu erhalten (oder auszubauen), das Solidarität ermöglicht, Diskriminierung vermeidet und so erst die Basis für Präventionsbemühungen bietet.

Die Versuche, Positive zu kriminalisieren, einseitig „Schuld“ und „Verantwortung“ nur einer Seite zuzuweisen, schreiten derweil voran. Wachsam bleiben.