Blut-Tests bei Jobsuche nur in Ausnahmefall zulässig

Blut-Untersuchungen bei Stellen-Bewerbern sind nur im Ausnahmefall zulässig. Der Autokonzern Daimler unterlag vor der baden-württembergischen Datenschutz-Aufsicht.

Der Autokonzern Daimler hatte von Stellen-Bewerbern im Rahmen ihrer Bewerbung Blutproben verlangt, im damit Tests durchführen zu lassen. Die ermittelten Daten wurden zudem elektronisch gespeichert. Dies hatte der Radiosender NDR Info im Oktober 2009 aufgedeckt.

Der Vorgang hatte zu massiven Protesten von Datenschützern, aber auch Arbeitsrechtlern geführt. Die Berichte hatten auch zu Bedenken bei HIV-Positiven geführt, die um potentielle arbeitsrechtliche Probleme im Rahmen von Bewerbungs- oder Einstellungs-Untersuchungen fürchteten.

Daimler selbst rechtfertigte die Untersuchungen im Unternehmens-eigenen Blog schon kurz nach Bekanntwerden. Zugleich betonte das Unternehmen deren ‚Freiwilligkeit‘ und wies darauf hin, HIV-Tests würden „grundsätzlich nicht“ durchgeführt:

„Im Rahmen der Einstelluntersuchungen, die nicht während des Bewerbungsverfahrens stattfinden, werden Blutuntersuchungen vorgenommen. Diese Blutuntersuchungen sind freiwillig – außer es liegen gesetzliche Vorschriften vor. Gibt ein Bewerber die schriftliche Einwilligungserklärung nicht ab, ist dies jedoch kein Grund, ihn nicht einzustellen.
Die meisten Bewerber stehen der Untersuchung positiv gegenüber und können dadurch auch für sich selbst wichtige und bis dahin vielleicht unbekannte Hinweise erhalten. Diese Hinweise kann der Bewerber präventiv nutzen und sich einer Untersuchung bei seinem Hausarzt unterziehen. Bei den Blutuntersuchungen wird grundsätzlich nicht untersucht, ob zum Beispiel genetische Anlagen für Erkrankungen, eine HIV-Infektion oder eine Schwangerschaft vorliegen.“

Blutuntersuchungen bei Stellenbewerbern seien nur im Ausnahmefall zulässig, urteilte nun die Baden-württembergische Datenschutz-Aufsicht und rügte Daimler. Besonders problematisch sei die Vermischung von Pflicht- und freiwilligen Untersuchungen.

„Die Aufsichtsbehörde hat die festgestellten Datenschutzverstöße beanstandet und die Daimler AG aufgefordert, künftig datenschutzkonform zu verfahren.“

Die Datenaufsicht betonte in ihrer Stellungnahme

„Bei der Durchführung medizinischer Untersuchungen durch den Werksärztlichen Dienst fehlte offensichtlich das Bewusstsein, dass es sich dabei auch um eine Erhebung und Verarbeitung sensibler personenbezogener Daten handelt …“

Daimler kündigte an, gegen die Rüge der Datenschützer rechtliche Schritte einzulegen.

weitere Informationen:
SpON 28.10.2009: Kritik von Datenschützern – Daimler verlangt Blutproben von Bewerbern
Daimler-Blog 29.10.2009: INTERVIEW: Blutuntersuchungen als Einstellungsvoraussetzung?
Innenministerium Baden-Württemberg 29.03.2010: Abschluss der Überprüfung zu Gesundheitsuntersuchungen bei Daimler AG
SpON 29.03.2010: Bewerbungsverfahren – Daimler verstößt mit Bluttests gegen Datenschutz
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Aids und Arbeitsrecht 2: Mitteilung von HIV-Infektion und Aids?

Muss ich meine HIV-Infektion oder Aids-Erkrankung meinem Arbeitgeber mitteilen? Fragen, die viele Menschen mit HIV beschäftigen.

Rechtsanwalt Dr. Jörg Teumer hat sich für die Aids-Hilfe Dresden mit diesen und weiteren Fragen zum Thema Aids und Arbeit beschäftigt. Heute Teil 2: Mitteilungspflicht ja oder nein.

Vielen Dank an die Aids-Hilfe Dresden für die Nachdruck-Erlaubnis!

Fragerecht des Arbeitgebers und ärztliche Einstellungsuntersuchung bei Begründung des Arbeitsverhältnisses

I.) Darf ein Arbeitgeber bei Begründung des Arbeitsverhältnisses den Bewerber fragen, ob er mit HIV infiziert ist?

Der Arbeitgeber kann im Rahmen des Bewerbungsgesprächs oder eines Fragebogens uneingeschränkt Fragen nach beruflichen und fachlichen Fähigkeiten, Kenntnissen und Erfahrungen stellen. Fragen nach dem Gesundheitszustand des Bewerbers um eine Arbeitsstelle bedürfen dagegen einer besonderen Rechtfertigung. Hier steht dem Arbeitgeber ein Fragerecht nur dann zu, wenn er ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Fragen für das Arbeitsverhältnis hat. Hinsichtlich Aids ist dabei zu differenzieren nach Fragen zu einer HIV-Infektion und nach einer Aids-Erkrankung.

Die bloße Infektion mit dem HI-Virus führt in der Regel nicht zu einer konkreten Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Bewerbers, so dass seine Eignung für den Arbeitsplatz durch sie nicht in Frage gestellt ist. Die Frage nach einer HIV-Infektion muss der Bewerber demnach nur dann wahrheitsgemäß beantworten, wenn diese Einfluss auf dessen persönliche Eignung hat, wie z.B. in Berufen mit erhöhter Infektionsgefahr für Dritte, so u.a. im Gesundheitswesen oder bei der Herstellung von Lebensmitteln (Joussen, in BeckOK 2008, Rn. 86). Hieran hat sich auch nach Inkrafttreten des Antidiskriminierungsgesetzes nichts geändert, da eine Krankheit kein Benachteiligungsmerkmal im Sinne des AGG ist (Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169, 172; Moll, in Hb. Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2009, § 7, Rn. 26).

Ist die Frage nach einer HIV-Infektion demnach zulässig, muss sie der Bewerber wahrheitsgemäß beantworten, da sein Arbeitsvertrag ansonsten anfechtbar oder außerordentlich kündbar ist und er darüber hinaus ggf. auch Schadensersatzansprüchen ausgesetzt ist. Ist die Frage nach einer  HIVInfektion unzulässig, kann der Bewerber um den Arbeitsplatz seine Interessen dadurch wahren, dass er die Frage wahrheitswidrig beantwortet, ohne der Gefahr einer Anfechtung des Arbeitsvertrages ausgesetzt zu sein (Lichtenberg/Schücking, NZA 1990, 41, 44).

Hingegen ist die Frage nach einer vorliegenden Aids-Erkrankung zulässig, wenn die Erkrankung bereits so stark fortgeschritten ist, dass diese die Einsatzfähigkeit für die ausgeschriebene Stelle auf Dauer oder in periodisch wiederkehrenden Abständen erheblich beeinträchtigt oder aufhebt (Joussen, in BeckOK 2008, Rn. 86).

II.) Ärztliche Einstellungsuntersuchung
Der Arbeitgeber kann die Begründung eines Arbeitsverhältnisses unter Umständen auch davon abhängig machen, dass der Arbeitnehmer sich einer ärztlichen Untersuchung unterzieht und ihm ein Zeugnis über seinen Gesundheitszustand vorlegt. Manche Gesetzesbestimmungen schreiben eine ärztliche Untersuchung vor der Einstellung bzw. vor Beginn der Beschäftigung sogar vor (so u.a. § 32 Abs.1 JArbSchG oder § 81 Abs. 1 SeemG). Den Stellenbewerber trifft zwar keine Verpflichtung zur ärztlichen Untersuchung, jedoch wird der Abschluss des Arbeitsvertrages unterbleiben, wenn er die ärztliche Einstellungsuntersuchung verweigert. Denn der Arzt kann dem Bewerber insofern kein positives Zeugnis über dessen Gesundheitszustand ausstellen. Macht der Arbeitgeber die Einstellung davon abhängig, dass der Bewerber ihm ein ärztliches Zeugnis über seinen Gesundheitszustand vorlegt, so darf der Arzt jedoch nur die körperliche und gesundheitliche Eignung des Bewerbers im Hinblick auf den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz untersuchen.

Damit stellt sich die Frage, ob und inwieweit sich die ärztliche Einstellungsuntersuchung auf eine HIVInfektion erstreckt. Die Berechtigung zur Einbeziehung eines HIV- Antikörpertests in die Untersuchung ist grundsätzlich nach denselben Grundsätzen zu beurteilen wie die entsprechenden Einstellungsfragen. Demnach darf der HIV-Antikörpertest nur in wenigen Ausnahmefällen in die Einstellungsuntersuchung einbezogen werden. Wenn der Bewerber der Untersuchung durch den Arzt zustimmt, entbindet er diesen im Übrigen nur insoweit von der Schweigepflicht, als dass dieser dem Arbeitgeber mitteilen darf, ob der Bewerber “geeignet” oder “nicht geeignet” ist. Worauf der Arzt diese Diagnose im Einzelnen stützt, darf er dem Arbeitgeber nicht mitteilen (Wank, in ErfK 9. Aufl. 2009, § 28 BDSG, Rn. 10).

Aids und Arbeitsrecht 1: Kündigung wegen HIV oder wegen Aids?

Kann der Arbeitgeber mir kündigen – wegen HIV? Wegen Aids? Fragen, die viele Menschen mit HIV beschäftigen.

Rechtsanwalt Dr. Jörg Teumer hat sich für die Aids-Hilfe Dresden mit diesen und weiteren Fragen zum Thema Aids und Arbeit beschäftigt. Heute Teil 1: die Kündigung.

Vielen Dank an die Aids-Hilfe Dresden für die Nachdruck-Erlaubnis!

Kann einem Arbeitnehmer wegen einer HIV-Infizierung oder einer Aidserkrankung gekündigt werden und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

Zunächst ist danach zu differenzieren, ob das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist oder nicht.

I.) Kündigungsschutzgesetz ist nicht anwendbar

Ist das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar, kann das Arbeitsverhältnis, welches rechtlich ein Dienstvertrag im Sinne des § 611 BGB ist, grundsätzlich ohne Begründung in den in § 622 BGB genannten Fristen ordentlich gekündigt werden, wobei die Frist von der Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses abhängig ist. Ohne den durch das Kündigungsschutzgesetz vermittelten Bestandsschutz des Arbeitsvertrages kann auch das Arbeitsverhältnis eines mit HIV Infizierten oder an Aids Erkrankten gekündigt werden (Schaub, Arbeitsrecht 18. Aufl. 2009, Aids Abs. 3 Nr. 1). Es bedarf mithin nicht des Vorliegens eines Kündigungsgrundes im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG.
Eine sittenwidrige Unwirksamkeit der Kündigung eines nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterfallenden HIV-Infizierten oder an Aids Erkrankten nimmt die Rechtsprechung erst dann an, wenn sie auf einem verwerflichen Motiv des Kündigenden beruht, wie insbesondere Rachsucht oder Vergeltung, wenn sie aus anderen Gründen dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht (BAG v. 16.02.1989 – 2 AZR 347/88) oder wenn sie auf willkürlichen, sachfremden bzw. diskriminierenden Motiven beruht (BAG v. 24.01.2008 – 6 AZR 96/07). Nach dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) kommt hier z.B. eine Kündigung diskriminierenden Charakters wegen einer Behinderung in Betracht. Im Hinblick auf HIV/Aids ist dabei zu beachten, dass der Anwendungsbereich des AGG erst dann eröffnet ist, wenn eine Behinderung vorliegt, was das Vorliegen des Aids-Vollbildes voraussetzen dürfte, da die bloße HIV- Infektion (nur) Krankheitscharakter hat und sich die Begriffe “Krankheit” und “Behinderung” gegenseitig ausschließen (EuGH, Urteil vom 11.07.2006 – C-13/05). Diskriminierenden Charakter hat die Kündigung aber nicht, “wenn irgendein einleuchtender Grund für die Kündigung besteht” (BAG v. 24.01.2008 – 6 AZR 96/07).
Wird die Kündigung eines HIV- Infizierten oder an Aids Erkrankten z.B. auf Unzufriedenheit mit der Arbeitsleistung gestützt, “hat dies mit einer Benachteiligung wegen der Behinderung nichts zu tun” (BAG aaO).

Eine vom Arbeitgeber wegen einer HIV-Infektion oder Aids-Erkrankung gegenüber dem Arbeitnehmer ausgesprochene Kündigung ist bei Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (und auch in der Probezeit bei nach Ablauf dieser dem KSchG unterfallenden Arbeitsverhältnissen) damit in der Regel zulässig, wenn der Arbeitgeber die Kündigung nicht (allein) auf die Krankheit stützt.

II.) Kündigungsschutzgesetz ist anwendbar

a) Kündigung eines HIV- Infizierten
Sollte auf das Arbeitsverhältnis jedoch das Kündigungsschutzgesetz anwendbar sein (mindestens 10 Arbeitnehmer), kann die Infektion mit dem HI-Virus allein in der Regel eine personenbedingte Kündigung nicht begründen, da die HIV- Infektion – zumindest solange die Krankheit noch nicht zu ihrem Vollbild entwickelt ist – die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers nicht wesentlich herabsetzt (Rolfs, in BeckOK 2008, § 1 KSchG, Rn. 152). Dies gilt jedenfalls dann, wenn im Rahmen der Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten keine Gefahr der Übertragung des HI-Virus auf andere Personen besteht.

Anders wird dies aber beurteilt, wenn aufgrund der Infektion eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen zu erwarten ist, was dann der Fall ist, wenn durch die Infektion andere Personen gefährdet werden können, z.B. in der Lebensmittelherstellung oder in medizinischen Berufen aufgrund der Gefahr einer Kontaminierung mit Blut oder Körpersekreten (Hergenröder, in MüKo, 5. Aufl. 2009, § 1 KSchG, Rn. 136). Hier darf es dem Arbeitgeber nicht verwehrt werden, sich von einem solchen Arbeitnehmer, der eine infektionsgefährdende Tätigkeit ausübt, im Wege der Kündigung zu trennen.
Denn zum einen muss er ausschließen, dass eine arbeitsprozessbedingte Übertragung des Virus auf Dritte erfolgen kann (Dörner, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Aufl. 2007, § 1 KSchG, Rn. 224) und zum anderen ist er auch seinen weiteren Mitarbeitern gegenüber zur Fürsorge verpflichtet und hat diese vor gesundheitlichen Schäden durch eine ansteckende Krankheit zu schützen (Lepke, RdA 2000, 87, 90). Dabei sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeit aber zunächst Maßnahmen zur Vermeidung einer Ansteckung oder eine Versetzung an einen anderen freien Arbeitsplatz in einen Bereich ohne Ansteckungsgefahr zu prüfen und ist ggf. eine personenbedingte Änderungskündigung auszusprechen. Wenn aber in diesen Fällen die Gefahr nicht durch Einhaltung entsprechender Schutz und Versetzungsmaßnahmen beseitigt werden kann, verliert der Arbeitnehmer seine Eignung für die im Arbeitsvertrag zugesagte Tätigkeit. Darin liegt ein Grund, der eine ordentliche Kündigung nach dem Kündigungsschutzrecht sozial zu rechtfertigen vermag.

Im Rahmen arbeitsrechtlich begründeter Rechtsbeziehungen kann bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes deshalb ein Arbeitgeber einen HIV-infizierten Arbeitnehmer in der Regel dann nicht entlassen, wenn und soweit dieser seine arbeitsvertraglichen Pflichten unbeanstandet erfüllt und weder der Arbeitgeber noch dessen Geschäftspartner oder sonstige Dritte (z.B. Kunden), noch die übrigen Mitarbeiter des Betriebes im normalen beruflichen Umgang durch das HI-Virus angesteckt werden können.

b) Kündigung eines an Aids Erkrankten
Anders verhält es sich hingegen in den letzten Stadien der Krankheit, in dem das Leistungsvermögen aufgrund einer Vielzahl von Infektionen und auf Grund der Zerstörung des körpereigenen Abwehrsystems des Arbeitnehmers erheblich gemindert oder ganz aufgehoben, der Erkrankte zur Leistungserbringung nur noch teilweise oder gar nicht mehr in der Lage ist. In diesem Fall kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag personenbedingt kündigen, sofern feststeht, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht mehr zu erbringen vermag und auch die Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz ausscheidet. Es müssen mithin zum Zeitpunkt der Kündigung objektive Tatsachen vorliegen, die die ernste Besorgnis weiterer Erkrankungen rechtfertigen und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der betrieblichen und wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers führen, insbesondere wenn aufgrund des Fortschreitens der Aidserkrankung zum Vollbild für die Zukunft mit weiteren erheblichen Ausfallzeiten zu rechnen ist und eine Heilungsmöglichkeit ausscheidet, der Arbeitnehmer mithin auf Dauer daran gehindert ist, die von ihm geschuldete Leistung zu erbringen.
Da die Aids-Erkrankung den Arbeitnehmer zum Schwerbehinderten macht, bedarf die Kündigung, sobald die Schwerbehinderteneigenschaft vorliegt, der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes nach § 85 SGB IX.

c) Sonderproblem Druckkündigung
Problematisch ist, ob bei Anwendbarkeit des KSchG eine Kündigung eines HIV-Infizierten auch dann zulässig ist, wenn die Belegschaft des Betriebes oder die Kunden des Arbeitgebers, nachdem die erworbene Immunschwäche des betreffenden Arbeitnehmers offenbar geworden ist, aus Angst vor einer Ansteckung den Arbeitgeber ultimativ auffordern, den betreffenden Arbeitnehmer zu entlassen und ihm gleichzeitig für den Fall seiner Untätigkeit betriebliche Nachteile in Aussicht stellen, etwa in Form von Eigenkündigungen oder des Abbruchs der Geschäftsbeziehungen. Es handelt sich insoweit um das Problem der Zulässigkeit einer sogenannten Druckkündigung.

Eine Drucksituation des Arbeitgebers kann die soziale Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung durchaus rechtfertigen. Im Falle einer HIV-Infizierung wird vom Arbeitgeber im Rahmen einer Fürsorgepflicht jedoch verlangt, dass er sich schützend vor den Arbeitnehmer stellt (ArbG Berlin v. 16.06.1987 24 Ca 319/86). Er muss alles ihm Zumutbare unternehmen, um eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu sichern und alle geeigneten Mittel ergreifen, um dem Druck entgegenzuwirken und eine Kündigung zu vermeiden. Derartige Mittel sind z.B. die intensive Aufklärung der Belegschaft über das mangelnde Ansteckungsrisiko bei normalen sozialen Kontakten am Arbeitsplatz, die Umoder Versetzung des infizierten Arbeitnehmers oder derjenigen Arbeitnehmer, auf die der Druck zurückzuführen ist (Dörner, in Ascheid/Preis/Schmidt, 3. Aufl. 2007, § 1 KSchG Rn. 227). Nur wenn es dem Arbeitgeber nicht gelingt, dass die Belegschaft mit dem betroffenen Arbeitnehmer weiter zusammenarbeitet, kann die Kündigung gerechtfertigt sein. Zudem müssen dem Arbeitgeber anderenfalls unbillige und unzumutbare Nachteile betrieblicher Art erwachsen, er wirtschaftlich schwer geschädigt und z.B. aufgrund von Massenkündigungen in seiner Existenz bedroht werden (ArbG Berlin aaO). Hat der Arbeitgeber den Druck selbst erzeugt, indem er der Belegschaft die bis dato unbekannte HIV-Infektion mitteilt, kann er sich zur Begründung der Kündigung nicht auf eine hierdurch geschaffene Drucksituation berufen (ArbG Berlin aaO).

d) fristlose Kündigung
Ist eine ordentliche fristgerechte Kündigung eines HIV-Infizierten wegen der Ansteckungsgefahr mit dem HI-Virus bei Anwendbarkeit des KSchG nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt, gilt dies erst recht für eine außerordentliche fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB. In der Regel wird es dem Arbeitgeber jedenfalls zugemutet werden müssen, die maßgebliche gesetzliche, tarifvertragliche oder die im Einzelarbeitsvertrag vorgesehene Kündigungsfrist einzuhalten (Lepke, RdA 2000, 87, 93).
Deshalb kommt selbst bei einer nicht auszuschließenden Ansteckungsgefahr des mit dem HI-Virus Infizierten gegenüber Anderen eine fristlose Kündigung in der Regel nicht in Betracht.

Anders ist es wiederum nach Ausbruch der Aids-Krankheit. Zwar kann eine ledigliche Minderung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers in Folge der Aids-Erkrankung nur in Ausnahmefällen den Grund für eine außerordentliche Kündigung bilden und ist es dem Arbeitgeber regelmäßig zuzumuten, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten (BAG v. 18.10.2000 – 2 AZR 627/99). Wenn und soweit aber feststeht, dass der Arbeitnehmer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weder die vertraglich geschuldete noch eine andere ihm zumutbare Tätigkeit zu verrichten in der Lage ist, kann auch eine außerordentliche Kündigung sachlich gerechtfertigt sein (Lepke, RdA 2000, 87, 94). Wenn eine negative Gesundheitsprognose bzgl. des voraussichtlichen Gesundheitsstandes vorliegt, die entstandenen und voraussichtlich eintretenden Arbeitsausfälle durch die Erkrankung zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers führen und der Arbeitnehmer in Folge der Erkrankung dauerhaft nicht mehr fähig ist, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen, rechtfertigen derartige Leistungsmängel auch eine außerordentliche Kündigung (Stoffels, in BeckOK 2008, § 626 BGB, Rn.144 ff.).

Um in solchen Fällen soziale Härten zu minimieren sollte der Arbeitgeber aus sozialen Erwägungen eine angemessene Schon- oder Auslauffrist einhalten – eine Verpflichtung hierzu besteht jedoch nicht (Lepke, RdA 2000, 87, 94).

Aids und Arbeitsrecht

Muss ich meine HIV-Infektion oder Aids-Erkrankung meinem Arbeitgeber mitteilen? Kann der Arbeitgeber mir kündigen – wegen HIV? Wegen Aids? Fragen, die viele Menschen mit HIV beschäftigen.

Rechtsanwalt Dr. Jörg Teumer hat sich für die Aids-Hilfe Dresden mit diesen und weiteren Fragen zum Thema Aids und Arbeit beschäftigt. Nach der heutigen kurzen Einführung folgen an den kommenden beiden Montagen die ausführlicheren Texte zu den beiden angeschnittenen Fragen.

Vielen Dank an die Aids-Hilfe Dresden für die Nachdruck-Erlaubnis!

Im Bereich des Arbeitsrechts sind in Bezug auf Aids die folgenden Fragen von besonderer Praxisrelevanz:

1.) Kann einem Arbeitnehmer wegen einer HIV-Infizierung oder einer Aidserkrankung gekündigt werden und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

2.) Muss der HIV-Infizierte oder der Aidskranke in der Bewerbung seine Infektion mit dem HI-Virus bzw. seine Aidserkrankung offenlegen und welche Besonderheiten sind bei einer ärztlichen Einstellungsuntersuchung zu beachten?

Der [in 2 Teilen in den kommenden beiden Wochen] folgende Beitrag wird sich mit diesen beiden Fragen auseinandersetzen. Voranzustellen ist zunächst, dass die Rechtsprechung und Fachliteratur im arbeitsrechtlichen Bereich bei beiden Fragestellungen streng zwischen HIV-Infektion und Aidserkrankung unterscheidet. Denn im Zeitraum der HIV-Infektion ist das körperliche Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers für gewöhnlich kaum beeinträchtigt und der Arbeitnehmer in aller Regel in der Lage, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, währenddessen bei der Aidserkrankung die Leistungsfähigkeit des Erkrankten im Regelfall erheblich gemindert ist.

HIV am Arbeitsplatz oder 40.000 HIV-positive Menschen in Beschäftigung

Zwei Drittel der HIV-Infizierten in Deutschland arbeiten.  Sie sind mit vielfältigen Problemen konfrontiert. Ein Gastbeitrag von Christian Kranich von der Münchner Aids-Hilfe:

HIV am Arbeitsplatz
oder
40.000 HIV-positive Menschen in Beschäftigung

Nur wenige Krankheiten haben sich in den letzten Jahren so rasant verändert wie Aids. Während früher – leider viel zu viele – Menschen mit HIV an Aids verstarben, hat sich seit Einführung der Kombinationstherapie im Jahr 1996 vieles verändert. Die Lebenserwartung von HIV-positiven Menschen ist mittlerweile annähernd identisch mit der von gesunden Menschen. 2/3 der ca. 63.000 HIV-infizierten Menschen in Deutschland gehen einer Arbeit nach. Dies ist annähernd der gleiche Anteil wie in der gesunden Normalbevölkerung.

Diese Entwicklung hat das Thema „Aids und Arbeit“ nachhaltig verändert. Während früher „Ausstieg aus dem Erwerbsleben“ und „Berentung“ im Vordergrund unserer Arbeit standen, gilt es heute HIV-positive Menschen über die gesamte Dauer ihres Erwerbslebens zu begleiten. Heute diskutieren wir mit den Ratsuchenden die Frage, ob man sich am Arbeitsplatz outen soll oder besser nicht? Wir begleiten beim Stellenwechsel und bei der Angst vor medizinischen Erstuntersuchungen und helfen einen individuell passenden Umgang am Arbeitsplatz mit der chronischen Erkrankung HIV zu finden. Gegebenenfalls vermitteln wir auch an Rechtsanwälte, wenn es gilt, Diskriminierung und beispielsweise eine ungerechtfertigte, rechtswidrige Kündigung abzuwehren auf Grund von HIV beziehungsweise vorgeschobener andere Gründe.

Auch Arbeitslosigkeit ist für uns ein Thema. So gibt es für Langzeitarbeitslose Menschen mit HIV seit 1997 spezielle Angebote in der Münchner Aidshilfe, um sie bei der Rückkehr in den 1. Arbeitsmarkt zu unterstützen.

Viel zu wenige Menschen wissen, dass es nahezu keine Einschränkungen für HIV-positive Menschen am Arbeitsplatz gibt. Bei dem Einhalten der selbstverständlichen Hygiene-Schutzbestimmungen besteht für niemanden eine Ansteckungsgefahr. So kann ganz normal beim Friseur, im Service oder Küche eines Restaurants und auch im Krankenhaus in der Pflege gearbeitet werden, steht einer Beschäftigung an sich nichts im Wege. Einzige Einschränkungen sind – aufgrund erhöhter Verletzungsgefahr bei invasiven Tätigkeiten an offenen Wunden – Tätigkeiten im Operationssaal und das gesetzlich festgeschriebene Berufsverbot bei Piloten.

Das größere Problem – als die real nicht vorhandene Ansteckungsgefahr – stellen die unbegründeten Ängste vor einer Infektion am Arbeitsplatz dar. Die Unaufgeklärtheit der Gesamtbevölkerung und die damit einhergehenden irrationalen Ängste vor einer Infektion sind der Motor der Diskriminierung von HIV-positiven Menschen am Arbeitsplatz.

Da keine Ansteckungsgefahr besteht, muss in einer Bewerbungssituation niemand sagen, dass sie/er HIV-positiv ist. Auf Nachfrage kann gelogen werden. Lediglich wenn die Arbeitsfähigkeit für die verlangte Tätigkeit eingeschränkt ist besteht Mitteilungspflicht. Ein Beispiel für Mitteilungspflicht wäre die Bewerbung als Busfahrer/in und dass Nebenwirkungen eines Medikamentes Müdigkeit verursacht, so dass die Steuerung eines Fahrzeugs unmöglich ist.

Für Ärzte besteht bei der medizinischen Erstuntersuchung bei Neueinstellungen übrigens Schweigepflicht, insbesondere auch gegenüber dem Arbeitgeber! Ferner besteht für den Arzt grundsätzlich keine Notwendigkeit nach HIV zu fragen oder eine Testempfehlung abzugeben. Sollte dennoch ein HIV-Test durchgeführt worden sein und dieser positiv ausfallen, empfiehlt sich die selbstbewusste Frage, ob der Arzt gedenke, dies im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung (Schweigepflicht) weiterzugeben. Einzige Ausnahme wäre hier eine betriebliche Vereinbarung, aber diese besteht in den allermeisten Fällen nicht, da es an sich keinen gesetzlich verwertbaren Grund gibt, warum eine Firma keinen HIV-positiven Arbeitnehmer beschäftigen sollte.

Auffällig ist, dass überraschend viele der Betroffenen ihr Testergebnis am Arbeitsplatz erfahren. Dies ist eine sehr schwierige Situation. Da der Betroffene in diesem Schockzustand meist hilfebedürftig ist, kann aus Gründen der Überforderung häufig nicht die notwendige Aufklärung unter den Kollegen geleistet werden. Dies kann dazu führen, dass die Belegschaft in ihrer eigenen Verunsicherung panisch und mit Ausgrenzung reagiert. Für einen HIV-positiven Menschen stellt sich häufig die Notwendigkeit bei einer Offenbarung des Testbefundes, steuernd mit zu agieren. Dies gilt gleichermaßen im privaten wie im beruflichen Kontext. Entfällt diese Fähigkeit zur Mit-Steuerung auf Grund der dargestellten Umstände, entsteht häufig Beratungs- und Unterstützungsbedarf bei den Betroffenen, um ihre Situation am Arbeitsplatz arrangieren zu können. Eine diesbezügliche Unterstützung hat unmittelbar und schnell zu erfolgen, um möglichen größeren Schaden schon frühzeitig abzuwenden und deeskalierend zu wirken. Hier steht die Münchner Aids-Hilfe unterstützend zur Seite.

Zentrales Thema bei HIV in der Arbeitswelt bleibt die Frage nach der besseren Lösung: Outen am Arbeitsplatz oder lieber nicht? Als Aids-Aktivist der ersten Stunde mache ich keinen Hehl daraus, wie sehr ich es politisch begrüßen würde, wenn sich mehr mutige HIV-positive Menschen zur Sichtbarkeit am Arbeitsplatz entscheiden würden. Ich bin der Überzeugung, dass wir HIV-positive Vorbilder im Erwerbsleben brauchen. Es lässt sich dennoch kein „guter Rat“ auf Grundlage der gemachten Erfahrungen von Menschen mit HIV am Arbeitsplatz generieren. Unwiderlegbar bleibt leider auch der Fakt, dass Menschen nach einem Outing – unabhängig, ob gewollt oder fremdbestimmt – rechtswidrig gekündigt werden. Selbsthilfegruppen HIV-positiver Arbeitnehmer und die Münchner Aids-Hilfe sind bei der Entscheidungsfindung gute Gesprächspartner. Umso mehr Sichtbarkeit heute bei diesem Thema erzeugt wird, umso leichter wird es für all diejenigen werden, die nachfolgen wollen. Hier bleibt das politische Selbstverständnis jedes Einzelnen gefragt.

Christian Kranich
Münchner Aids-Hilfe
Leitung Arbeit und Beschäftigung

Abgestempelt auf dem Arbeitsamt

„Abgestempelt“ fühlen sich viele Menschen mit HIV auf dem Arbeitsamt – auch in Österreich, wie aktuelle Berichte wieder zeigen und zudem Datenschutz-Probleme offenbaren.

„Woher weiß das Arbeitsamt über meinen HIV-Status Bescheid?“, diese Frage stellen sich österreichische Positive. Immer wieder, so Presseberichte, würden Klienten des ‚Arbeitsmarktservice‘ AMS (so die österreichische Version der ‚Agentur für Arbeit‘) auf ihre HIV-Infektion angesprochen – ohne diese dem Amt vorher mitgeteilt zu haben.

Wiltrut Stefanek vom österreichischen Verein PulsHIV: „Es gibt immer wieder die Situation, dass das Arbeitsamt Bescheid weiß über eine Infektion. Wir haben auch Fälle, in denen Personen darauf angesprochen werden. Wir wissen nicht, woher das Arbeitsamt das hat.“

PulsHIV hat keine Informationen, wie viele dieser Fälle in der österreichischen Arbeitsverwaltung vorkommen. Die Aids-Hilfe Wien hingegen spricht von Einzelfällen.

Der Arbeitsmarktservice AMS bestreitet, unzulässig Informationen über den HIV-Status einer Person zu erheben. Allerdings könne es sein, dass Amtsärzte die Information über den HIV-Status im Zusammenhang mit der Begutachtung der Arbeitsfähigkeit der AMS mitteilten. Zudem werde selbstverständlich gespeichert, wenn jemand freiwillig seinen HIV-Status mitteile.

Wiltrut Stefanek hat selbst Erfahrungen mit dem AMS. Sie hörte einst, als sie wegen Arbeitsvermittlung vorsprach, als Antwort „Kommen Sie wieder, wenn Sie gesund sind.“ Gesagt hatte sie dem AMS nichts von ihrer HIV-Infektion – wohl aber wusste das Jugendamt davon.

siehe auch:
die Presse 26.11.2009: Vertrauliche Daten: HIV-Tests gelangen zum AMS
der standard 27.11.2009: HIV-positiv und in der Jobwelt „abgestempelt“
Wiener Zeitung 27.11.2009: Wenn Ämter über HIV Bescheid wissen
DAH: HIV und Arbeit – Die Fakten (pdf)
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Menschen mit HIV brauchen flexible Beschäftigungsmodelle

Welt-AIDS-Tag 2009: Menschen mit HIV brauchen flexible Beschäftigungsmodelle
Deutsche AIDS-Stiftung fördert Qualifizierungsprojekte

Heute leben in Deutschland rund 67.000 Menschen mit HIV und AIDS – mehr als je zuvor. Dies liegt an der verbesserten Therapierbarkeit der Infektion, die Betroffenen ein längeres Überleben ermöglicht. „Nach neuesten Schätzungen des Robert-Koch-Instituts haben sich im Jahr 2009 rund 3.000 Menschen neu infiziert – das bedeutet eine Stabilisierung der Neuinfektionen auf niedrigem Niveau“, so Dr. Christoph Uleer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen AIDS-Stiftung, anlässlich der Pressekonferenz zum Welt-AIDS-Tag. Die bessere gesundheitliche Situation geht allerdings nicht mit einer besseren materiellen Lage einher: Viele Betroffene – insbesondere die seit vielen Jahren infizierten und therapierten – haben ihre Arbeit verloren, sind auf Rente und Grundsicherung angewiesen. Um HIV-Infizierten, deren gesundheitliche Situation es erlaubt, die Chance auf einen Wiedereinstieg ins Berufsleben zu geben, fördert die Stiftung bundesweit insgesamt sechs Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekte. Sie ermöglichen es Menschen, die in gewissem Umfang – zeitweise oder auf Dauer – arbeiten können, eine zu ihrer Situation passende Arbeit oder Ausbildung zu finden.

Experten schätzen, dass sich rund 50 Prozent aller HIV-Infizierten in einem Arbeitsverhältnis befinden. Eine Blitzumfrage der Stiftung unter AIDS-Hilfen und Beratungsstellen ergab, dass rund ein Viertel ihrer Klienten arbeitet. Dagegen sind unter den Antragsteller/innen bei der Stiftung nur 15 Prozent erwerbstätig. Dies erklärt sich daraus, dass die Deutsche AIDS-Stiftung vor allem denjenigen von HIV betroffenen Menschen hilft, denen es finanziell besonders schlecht geht.

Die Umfrage ergab außerdem, dass Betroffene immer noch nicht offen mit ihrer Erkrankung umgehen können. Die wenigsten trauen sich, ihre Infektion am Arbeitsplatz bekanntzumachen. Die Rückkehr in die Erwerbstätigkeit ist auch aus anderen Gründen schwierig: Wer einmal seine Rentenansprüche aufgibt und arbeitet, muss nach einem erneuten Ausscheiden wieder das gesamte Anerkennungsverfahren für eine Rente durchlaufen. Viele Betroffene wissen nicht, wie sich ihre gesundheitliche Situation entwickelt, und verzichten daher aus Angst, Rentenansprüche zu verlieren und schließlich noch schlechter dazustehen, auf einen Wiedereinstieg. „Die Deutsche AIDS-Stiftung fordert daher die Möglichkeit einer „Arbeit auf Probe“, die der oft wechselhaften gesundheitlichen Situation von Menschen mit HIV und AIDS Rechnung trägt. Einstieg und Ausstieg aus der Berufstätigkeit müssten vereinfacht werden, Rentenansprüche erhalten bleiben“, betont Dr. Ulrich Heide, geschäftsführender Vorstand der Deutschen AIDS-Stiftung.

(Pressemitteilung der Deutschen Aids-Stiftung)

Veranstaltungstipp: „HIV-Positiv, im Erwerbsleben und jetzt auch noch ’ne Wirtschaftskrise“

HIV-Positiv, im Erwerbsleben und jetzt auch noch ´ne Wirtschaftskrise  –  Interessenvertretung von Menschen mit HIV im Erwerbsleben

Schon im dritten Jahr treffen sich im Waldschlösschen Menschen, die HIV-Positiv sind, im Erwerbsleben stehen und gerne grundsätzlich zu einer Veränderung des Bildes von HIV-Positiven Menschen im Erwerbsleben beitragen möchten. Wir sind Manager, Selbstständige, Angestellte oder gerade auf der Suche nach einem neuen Job.

Wir bringen uns persönlich ein und diskutieren, wie wir Veränderung erreichen. Wir beschäftigen uns mit konkreten Projekten, die Aufzeigen, was unsere Interessen sind oder die zur Annäherung der Angebote an unsere Interessen führen. Hierbei haben wir schon eine Menge bei der Wahrnehmung unserer Interessen erreicht.
Wie können wir die öffentliche Wahrnehmung verändern, an welcher Stelle bekommen wir die passgenauen Informationen zur rechten Zeit oder welche Angebote sollen Aidshilfen anbieten, die sie derzeit nicht anbieten? Das sind die Themen, die uns interessieren.
Auf diesem Arbeitstreffen wollen wir wieder konkrete Projekte anstoßen und unsere Meinung deutlich formulieren. Eingeladen sind alle, die sich selbst in den Prozess der Meinungsbildung zu diesem Komplex einbringen möchten, bisher aber keine Chance gesehen haben, tatsächlich etwas zu verändern.
Jeder bringt sich in diesen Prozess soweit ein, wie es seine persönlichen Ressourcen hinsichtlich Zeit und Engagement zulassen.
Themen könnten z.B. lauten: An welchen Punkten betrifft uns als HIV-Positive Menschen die Wirtschaftskrise und welche Unterstützung erwarten wir von der Aidshilfe oder anderen Institutionen? Als HIV-positiv outen ja/nein/warum? Wie können wir es schaffen, dass es ein Sprachrohr für Menschen mit HIV im Erwerbsleben gibt, ohne dass man gezwungen wird sich zu outen?

Moderation: Olaf Lonczewski, Mitglied bei Positiv e.V., Vorstandsmitglied der AIDS-Hilfe NRW e.V.

Fr, 28.08.2009 – So, 30.08.2009

Anmeldung über www.waldschloesschen.org

VA-Nr. 9638
26,- EUR; Fahrtkosten werden erstattet.
Fr, 18:00 Uhr bis So, 14:30 Uhr

Forderungskatalog: die nicht-medizinischen Belange HIV-positiver Menschen

Menschen mit HIV haben Bedürfnisse und …, die weit über wirksame Medikamente und gute Therapien hinaus reichen. Englische Organisationen haben nun einen Forderungskatalog veröffentlicht.

Medizinisch gesehen hat sich die Situation von Menschen mit HIV und Aids in den vergangenen 10, 15 Jahren deutlich verbessert, besonders in den Industriestaaten, aber zunehmend auch in weniger entwickelten Staaten.

Doch die Situation von Menschen mit HIV wird nicht nur durch die medizinische Situation, durch Medikamente und Behandlungen bestimmt.

Für viele HIV-Positive ist ihr Leben auch geprägt von Sorgen ob ihrer finanziellen Situation (von Verarmung bis Hartz IV). Andere sorgen sich um ihre Wohnsituation, oder um ihre berufliche Zukunft. Manche haben Probleme, sich adäquat und ihrer Situation entsprechend zu ernähren. Oder leiden unter Problemen mit ihrer psychischen Gesundheit, oder unter sexuellen Problemen.

Der Umfang von nicht-medizinischen Faktoren, die die Lebensbedingungen von Menschen mit HIV beeinträchtigen können, ist groß.

Englische Organisationen aus dem Aids-Bereich wollen dies nun nicht weiter hinnehmen, sondern konzertiert dagegen vorgehen. Ihr erster Schritt: ein gemeinsamer Forderungskatalog, in dem sie die Probleme sichtbar machen und auf 17 Gebieten Ziele benennen:

FRAMEWORK FOR BETTER LIVING WITH HIV IN ENGLAND
FRAMEWORK FOR BETTER LIVING WITH HIV IN ENGLAND

Das „Framework for better Living with HIV in England“ wurde gemeinsam erstellt von mehreren englischen HIV- und Aids-Organisationen: African HIV Policy Network, Black Health Agency, George House Trust, NAM (National Aids Manual), NAT (National Aids Trust) und Positively Women.

Ziel des Forderungskatalogs soll es nach Aussage einer der Initiatorinnen auch sein, eine Vision zu erstellen, auf die zukünftig hingearbeitet werden könne, und so einen Rahmen für einzelnen Aktivitäten abzustecken.

weitere Informationen:
aidsmap 03.06.2009: Meeting the non-medical needs of people with HIV in England: document sets ambitious goals
Framework for better Living with HIV in England (pdf)
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Kostenfaktor Aids – Reagieren ist nicht mehr genug

Aids als Kostenfaktor – was zunächst zynisch klingt, ist gesellschaftliche Realität in vielen Staaten Afrikas. Unternehmen sind gezwungen, sich mit HIV und Aids auseinanderzusetzen.

Aids als Kostenfaktor – was zunächst zynisch klingt, ist gesellschaftliche Realität in vielen Staaten Afrikas. Unternehmen sind gezwungen, sich mit HIV und Aids auseinanderzusetzen. Und Aids ist ein ‚Markt‘ geworden.

HIV und Aids werden immer mehr auch zu einem Faktor, der für Unternehmen relevant wird. Weniger in Deutschland, sehr viel mehr im Afrika südlich der Sahara. Besonders in Südafrika, das in besonderer weise von HIV betroffen ist.

Das Wirtschaftsmagazin ‚Capital‘ bringt es in einem aktuellen Artikel auf den Punkt:

„Wer in Südafrika produzieren will, muss mit einem rechnen: Aids.“

Und so sehr Aids ein Kostenfaktor für Unternehmen geworden ist, die HIV-Epidemnie hat auch ein zweites ökonomisches Gesicht:

„In Südafrika ist Aids auch ein großes Geschäft.“

Lesenswert:

Capital: Südafrika: Kostenfaktor Aids

HIV-Infektion und Berufsausübung

HIV-Infektion und Berufsausübung“ – eine neue Publikation informiert kurz über wichtige Fragen zu Beruf und HIV.

Schränkt mich meine HIV-Infektion bei der Ausübung meines Berufs in irgendeiner Form ein? Kann ich meinen Wunsch-Beruf zukünftig überhaupt als Positiver ausüben? Gibt es rechtliche Beschränkungen oder Regelungen? Muss ich meinen Arbeitgeber informieren?

Menschen mit HIV sind bei ihrer Berufswahl und Berufsausübung mit einer Vielzahl auch rechtlicher Fragen konfrontiert. HIV und Arbeiten – immer noch bei weitem kein unkompliziertes Thema. Eine erste Kurzinformation zu vielen wesentlichen Problemen liefert jetzt eine Broschüre, die der Juristenkreis der Aids-Hilfe Köln erstellt hat.

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„Jur-Info Nr. 2 – HIV-Infektion und Berufsausübung“ informiert auf 10 Seiten über die Themenbereiche HIV-Infektion und Berufswahl, Informationspflicht über die HIV-Infektion im Einstellungsverfahren, Verschwiegenheitspflicht, HIV-Infektion als Kündigungsgrund sowie Besonderheiten bei Berufen im Gesundheitswesen.

Juristenkreis der Aids-Hilfe Köln: Jur-Info Nr. 2: HIV-Infektion und Berufsausübung, als pdf
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HIV-Einreisebeschränkungen = Berufsverbote?

Immer noch haben zahlreiche Staaten der Welt teils rigide Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Menschen mit HIV – mit für die Betroffenen teils drastischen Konsequenzen, wie einige Beispiele zeigen.

Die teilweise dramatischen Auswirkungen der Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Menschen mit HIV werden in der Arbeit der Aidshilfen tagtäglich sichtbar. Auch bei der Deutschen AIDS-Hilfe kommen jede Woche drei bis fünf Anfragen an, bei denen es zum Teil um ganz existentielle Fragen geht.

Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Menschen mit HIV können  teils drastischen Konsequenzen haben, bis hin zu de facto – Berufsverboten. Zu welchen Folgen die bestehenden Einreise- und Aufenthaltsbegrenzungen für Menschen mit HIV und Aids führen können, zeigen einige Beispiele aus der Praxis:

dienstlich in die USA – ohne Frau und Kinder?
Ein Mitarbeiter im gehobenen Dienst einer deutschen Bank soll von seiner Firma für zwei Jahre in die Vereinigten Staaten verschickt werden. Seine Frau und sein Kind sind HIV-infiziert und auf eine antiretrovirale Behandlung angewiesen. Welche Chancen hat er, Frau und Kind trotz des Einreiseverbotes für HIV-Positive mit in die USA zu nehmen? Soll er es über den Weg des so genannten Visa Waivers versuchen? Was, wenn der offizielle Antrag abgelehnt wird? Wie steht es dort mit der Übernahme der medizinischen Behandlungskosten? Seine einzige Klarheit besteht darin, dass er das Angebot seiner Bank nicht ausschlagen kann, da dies einen ungeheuren Karriereknick bedeuten würde.

Karriere in Gefahr wegen Aufenthaltsbestimmungen?
Um einen möglichen Karriereknick geht es auch bei der Anfrage eines schwulen Mannes, dem eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universität in Südostasien angeboten wurde. Die Unterlagen der DAH zeigen für dieses Land in der Vergangenheit strikte Aufenthaltsbestimmungen für Menschen mit HIV an. Gleichzeitig gibt es Anzeichen, dass die bisher strenge Praxis in der jüngsten Vergangenheit aufgrund des Drucks vonseiten des Global Funds gelockert haben soll. Er entscheidet sich, das im Moment nicht kalkulierbare Risiko in kauf zu nehmen und es zu versuchen! Er vereinbart, mit der DAH in Verbindung zu bleiben, denn solche Rückmeldungen über konkrete Fälle sind für deren Datensammlung Gold wert.

Schüleraustausch: doch nicht in die USA?
Traurig stimmt die Anfrage des Sozialdienstes einer Universitätsklinik: Die von der Sozialarbeiterin betreute HIV-positive Jugendliche hat das Angebot, an einem Schüler(innen)-Austausch in die USA teilzunehmen. Die viel beachteten Veränderungen der Einreisebestimmungen für HIV-Positive betreffen nur kurze Aufenthalte (Geschäftsreisen, Kongresse, Tourismus). Bei längeren Aufenthalten bleiben die bekannten Einschränkungen bestehen. Also stellt sich auch in diesem Fall die Frage, ob man über das Visa-Waiver-Programm eine Ausnahme erreichen kann. Wird man im Fall der 16-Jährigen eine Ausnahme machen oder wird sie – schon vor Beginn ihrer Ausbildung – am eigenen Leibe erfahren, wie es um das Thema HIV und berufliche Zukunft bestellt ist?

Urlaub in Mexiko, Trip nach San Francisco?
Gute Nachrichten gab es nur für ein schwules Pärchen, das zusammen nach Mexiko reisen wollte. Hier kann man die HIV-Medikamente unbedenklich bei sich führen. Mexiko gehört zu den wenigen vorbildlichen Ländern, die keinerlei Einschränkungen kennen. Die zweite Frage, ob in diesem Fall denn auch ein Kurztrip von Mexiko nach San Francisco drin wäre, konnte positiv entschieden werden. Unter Hinweis auf die immer noch gültigen Bestimmungen in den USA sind wir übereingekommen, dass man den Trip mit der gebotenen Vorsicht wagen sollte. Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre ja, nach Deutschland zurückgeschickt zu werden – und da will man letzten Endes ja sowieso wieder hin. Schließlich steht in diesem Fall ausnahmsweise keine berufliche Existenz auf dem Spiel.

Quelle für alle genannten Beispiele: Karl Lemmen, DAH-Referent für Qualitätsentwicklung und Psychosoziales (Danke!)

Wer von weiteren Fällen berichten möchte, kann diese an Karl Lemmen mailen.

Arbeiten mit HIV – alles andere als unkomplizierte Normalität

Mit HIV zu arbeiten – für viele HIV-infizierte Realität und Problem zugleich. In Südafrika engagieren sich internationale Konzerne für HIV-Prävention und für ihre HIV-positiven Mitarbeiter.

In seiner Eröffnungs-Rede der Positiven Begegnungen 2009 bezeichnete DAH-Vorstand Tino Henn die Daimler AG als “ Arbeitgeber, der mit gutem Beispiel vorangeht“ – und konnte sich beim ‚Leiter Politische Aussagen und Public Policy‘ des Konzerns für eine Spende in Höhe von 5.000€ bedanken.

Daimler? Ein Autokonzern? Was hat der mit Aids zu tun? Und dann noch als ‚Vorreiter‘?
Diese Frage mag sich nicht nur mancher Teilnehmer der ‚Positiven Begegnungen 2009‘ gestellt haben. Schließlich – gerade HIV-Positive verbinden mit dem Thema HIV, Arbeit und Arbeitgeber oftmals eher Ängste und Befürchtungen.

Doch für viele Arbeitgeber ist HIV längst ein Thema in ihrer Personal- und Unternehmens-Politik. In den Staaten, in denen HIV und Aids die Funktionsfähigkeit der Unternehmen bedrohen. In Afrika zum Beispiel.

UNAIDS beschreibt das ‚Aids-Desaster‘ folgendermaßen: Jede Stunde gibt es in Afrika 400 neue HIV-Infektionen und 285 Aids-Tote. Jede Stunde verlieren 340 Kinder ihre Eltern, verlieren 100 Kinder ihren Lehrer, ihre Lehrerin.

Der weitaus größte Teil der weltweit etwa 33 Millionen HIV-Infizierten Menschen lebt in Afrika südlich der Sahara. Der mit am stärksten von HIV betroffene Staat ist Südafrika. 5,6 Millionen Südafrikaner und Südafrikanerinnen sind mit HIV infiziert, die meisten von ihnen im erwerbsfähigen Alter. Nur jeder siebte Südafrikaner hat eine Krankenversicherung. Nur jeder Dritte der HIV-Positiven, die antiretrovirale Medikamente benötigen, erhält diese auch.

Für die Arbeitgeber in Südafrika ist Aids längst zu einem Problem geworden. Zu einem großen Problem, das die Arbeitsfähigkeit der Unternehme zu gefährden droht, wenn sie nicht aktiv werden.
„Wenn wir nichts unternommen hätten, wären Hunderte unserer Mitarbeiter gestorben“, zitiert die FAZ eine Sprecherin des Diamanten-Konzerns DeBeers. Und lässt einen Sprecher von Mercedes-Benz Südafrika ergänzen „Wenn wir nichts gemacht hätten, hätten wir uns Kranken-, Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherungen nicht mehr leisten können.“

In Südafrika geht Daimler tatsächlich mit gutem Beispiel voran. Als erstes internationales Unternehmen begann es 1999, Mitarbeiter mit antiretroviralen Medikamenten zu versorgen – inzwischen gibt der Konzern in Südafrika für HIV- und Aids-Behandlung jährlich 9,4 Mio. Rand (etwa 700.000€) aus.

Auch andere Konzerne engagieren sich. Ähnlich wie Daimler haben auch Volkswagen und BMW eigene HIV-Präventionsprogramme, verteilen an Beschäftigte unentgeltlich Kondome, bieten gratis HIV-Tests an, ebenso psychologische Beratung und Betreuung für HIV-positive Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Die Unternehmen machen dies nicht nur aus Menschenfreundlichkeit und Altruismus. Täten sie nichts – drastisch wären die Folgen. Die Fehlzeiten und krankheitsbedingte Ausfälle würden deutlich steigen, die Produktivität sinken, zahlreiche Kosten (wie für unternehmenseigene Versicherungen) steigen. Und – Arbeitnehmer sind gleichzeitig auch Kunden, Konsumenten.

Eine von Mercedes-Benz in Auftrag gegebene Studie, so die FAZ, habe ergeben, dass die Gesamtkosten von HIV und Aids -würde das Unternehmen nichts gegen HIV unternehmen- bald das Drei- bis Fünffache der gesamten Lohnkosten ausmachen würden.

Sich gegen HIV und Aids zu engagieren rechnet sich also für die Unternehmen. Engagement – schon im eigenen Interesse.

Dass sich internationale Konzerne im Kampf gegen HIV engagieren, ist begrüßenswert – umso mehr in einem Land wir Südafrika, in dem die Regierung lange Zeit eher durch Ignoranz, Fehlentscheidungen auffiel und die Interessen der eigene (auch der HIV-positiven) Bevölkerung aus den Augen verlor.
Der HIV-positive Arbeitnehmer in Deutschland mag sich manches Mal wünschen, ein solchermaßen engagiertes Verhalten von Unternehmen, ein Eintreten gegen HIV und für eigene HIV-infizierte Mitarbeiter wäre auch hierzulande häufiger Realität. Positiv arbeiten – leider immer noch weit entfernt davon unkomplizierte Normalität zu sein.

weitere Informationen:
Global Business Coaliton on HIV/Aids, Tuberculosis and Malaria
Daimler AG Interaktiver Nachhaltigkeitsbericht 2008: Unsere Aktivitäten gegen HIV / Aids in den verschiedenen Ländern
Volkswagen AG Nachhaltigkeitsbericht (pdf) (siehe u.a. Aids Care)
BMW Group Aktivitäten gegen HIV und Aids
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Positive Begegnungen 2009 – Eröffnungs-Rede von Tino Henn

Im Folgenden als Dokumentation die Rede von Tino Henn, Vorstandsmitglied der deutschen Aids-Hilfe, anlässlich der Eröffnung der ‚Positiven Begegnungen 2009.

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer,
liebe Freundinnen und Freunde,

im Namen des Vorstands der Deutschen AIDS-Hilfe e. V. heiße ich Sie herzlich willkommen zu den Positiven Begegnungen 2009.

„Positive Begegnungen“ – der Name dieser Konferenz zum Leben mit HIV, der größten Selbsthilfekonferenz in Europa, ist Programm: HIV-Positive begegnen anderen Menschen mit HIV, und sie begegnen ihrer sozialen Umwelt. Es geht bei dieser Veranstaltung darum, sich auszutauschen, sich selbst und andere zu hinterfragen und gemeinsam Strategien zu entwickeln, um ein möglichst gutes Leben mit HIV zu ermöglichen. Dazu gehört – getreu unserem Konzept der Strukturellen Prävention – ganz zentral, Strukturen zu verändern, die uns behindern, diskriminieren und stigmatisieren.

Was brauchen wir dafür? An erster Stelle Mut. Zum Beispiel den Mut, das Leben mit HIV und anderen „versteckten Behinderungen“ in die Öffentlichkeit zu tragen – etwa ins Stuttgarter Rathaus, mitten in die Schwabenmetropole. Lassen Sie mich an dieser Stelle der Stuttgarter Stadtverwaltung für ihre Gastfreundschaft unseren herzlichen Dank aussprechen und zugleich die Bürgermeisterin der Stadt Stuttgart des Referats für Soziales, Jugend und Gesundheit Frau Gabriele Müller Trimbusch herzlich willkommen heißen!

Mut gehört dazu, meine Damen und Herren – das war schon das Motto des zweiten Europäischen Positiventreffens, das 1988 in München stattfand. Mut, offen als Positiver auf die Straße zu gehen. Mut, Diskriminierung zu benennen und etwas dagegen zu tun.

Lassen Sie mich kurz auf zwei Themen eingehen, mit denen wir uns auf dieser Konferenz beschäftigen wollen, um gemeinsam und mit neuem Mut für unsere Interessen einzutreten: die Einschränkungen für HIV-Positive im Erwerbsleben und die soziale Sicherung für Menschen mit HIV und Aids.

Meine Damen und Herren, die Medikamente gegen HIV ermöglichen es vielen Positiven, über Jahre und Jahrzehnte gut mit dem Virus zu leben. Dennoch wird die Infektion häufig zum Problem für Beruf und Karriere. Da stellen sich Fragen wie „Erzähle ich meinem Arbeitgeber und den Kollegen davon?“, „Muss ich Nachteile befürchten?“, „Werden mich die Kollegen meiden oder sogar mobben?“ oder auf den ersten Blick nicht so präsente Fragen wie „Was passiert, wenn mich mein Arbeitgeber zu einem Auslandsaufenthalt zum Beispiel nach China schicken will, wo Menschen mit HIV, wie in einigen anderen Ländern auch, kaum ein Arbeitsvisum und manchmal gar keine Einreiseerlaubnis bekommen?“.

Sie sehen, es braucht viel Kraft, Selbstbewusstsein und Kreativität, um sich am Arbeitsplatz zu outen und sich dagegen zu wehren, ins Abseits geschoben zu werden. Und es braucht Arbeitsagenturen, Jobcenter, Arbeitgeber und Arbeitsmediziner, die mit gutem Beispiel vorangehen. Die für Menschen mit HIV und anderen chronischen Krankheiten oder Behinderungen diskriminierungsfreie Bedingungen schaffen. Es braucht Menschen und Organisationen, die weiterhin dafür kämpfen, dass Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Menschen mit HIV und Aids weltweit abgeschafft werden.

Ein Arbeitgeber, der mit gutem Beispiel vorangeht, ist die Daimler AG, und deshalb freue ich mich sehr, Herrn Dr. Norbert Otten, Leiter Politische Aussagen und Public Policy, heute als unseren Gast begrüßen zu können. Wir danken der Daimler AG für die eben überreichte Spende von 5000,- €.

Bereits 1991 hat das Unternehmen erstmals eine Richtlinie zur Nicht-Diskriminierung infizierter Mitarbeiter verabschiedet. Im Jahr 2005 wurde eine konzernweite Richtlinie eingeführt, in der sich das Unternehmen gegen die Diskriminierung von Menschen mit HIV und Aids ausspricht, Betroffenen Vertraulichkeit zusichert und sich für Präventionsmaßnahmen einsetzt. HIV/Aids wird bei der Daimler AG als chronische Krankheit behandelt. Ein Beispiel, das hoffentlich Schule macht – dafür setzen wir uns ein.

Mut und Engagement, meine Damen und Herren, brauchen wir auch für das zweite von mir genannte Thema, das uns immer drängender beschäftigt: Die soziale Sicherung von Menschen mit HIV hat sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Hierzu trugen und tragen viele Faktoren bei. Zum Beispiel:
die Einführung von Hartz IV,
die Verschlechterungen bei den Erwerbsminderungsrenten,
die sehr niedrigen Rentenerhöhungen,
die Streichung bisher gewährten Mehrbedarfs.
Die Gesundheitsreformen, die Änderungen im SGB, besonders das Hartz-IV-Gesetz und dessen Folgen, haben besonders für sowieso schon niedrige Einkommensbereiche wie Bezieher von Hartz IV und von Grundsicherung negative Auswirkungen. Mit großer Sorge, häufig auch mit Wut und Empörung, beobachten wir diese Veränderungen. Der Sozialstaat gerät immer stärker unter Druck. Die Folge: überall in Deutschland lebt ein nennenswerter Anteil der Menschen mit HIV in Armut oder nahe an der Armutsgrenze. Die Deutsche AIDS-Hilfe wird sich daher verstärkt dafür einsetzen, dass sich Sozialleistungen endlich am realen Bedarf orientieren und nicht noch weiter gekürzt werden. Wir appellieren an die Politikerinnen und Politiker und an das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Weichen für einen sozialen Schutz von Menschen mit HIV oder anderen chronischen Erkrankungen zu stellen. Bei den diesjährigen, aber auch den zukünftigen Wahlen werden wie sie an ihren Taten messen.
Ohne das jahrzehntelange Engagement von vielen Einzelnen stünden wir jetzt nicht hier, wären wir nicht so weit. Jeder, der sich engagiert und mitmacht, ist Vorbild für andere innerhalb der Community. Und die Selbsthilfebewegung von Menschen mit HIV und Aids, die selbstbestimmt und selbstverantwortlich handeln, ist oft Vorbild für andere. Darauf können wir stolz sein, und darauf sind wir auch weiterhin angewiesen. Denn nur so und nur gemeinsam können wir die Herausforderungen, die auf uns zukommen, meistern. Und davon wird es auch in Zukunft mehr als genug geben.

Ich danke allen, die an der Vorbereitung dieser Konferenz mitgewirkt haben: der Vorbereitungsgruppe, den Helferinnen und Helfern in Stuttgart, unserem Ehrenmitglied Laura Halding-Hoppenheit, der AIDS-Hilfe Stuttgart, den Küchenkräften und nicht zuletzt den Kolleginnen und Kollegen in der Bundesgeschäftsstelle in Berlin.

Meine Damen und Herren, liebe Freunde, ich wünsche uns allen, dass wir miteinander ins Gespräch kommen, Ideen entwickeln, Dinge anstoßen und mit Mut, Entschlossenheit und Kraft nach Hause zurückkehren. Mögen die Positiven Begegnungen uns viele positive Begegnungen bringen!

HIV-Positiver erstreitet Entschädigung wegen Diskriminierung

Ein HIV-Positiver erstritt vom Casino Berlin eine Entschädigung wegen Diskriminierung. Er war in einer internen Stellenausschreibung benachteiligt worden.

Berlin. Das Casino Berlin hatte intern eine Stelle zur Besetzung ausgeschrieben. Zahlreiche hausinterne Bewerbungen gingen ein, unter ihnen auch die eines HIV-positiven Mannes. Alle Bewerber auf die Stele wurden zu Gesprächen eingeladen – der HIV-positive Mitarbeiter nicht. Alle hausinternen Bewerbungen wurden dem Betriebsrat vorgelegt – die des HIV-positiven Mitarbeiters nicht.

Ein klarer Fall von Diskriminierung, sagte das Landesarbeitsgericht Berlin in einer am 9.10.2008 mitgeteilten Entscheidung und verurteilte das Casino Berlin zur Zahlung von 1.000 Euro wegen Verstoßes gegen das AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, früher: Antidiskriminierungsgesetz).

Die Klage des Mannes wurde bereits im Berufungsverfahren verhandelt.

Der -im konkreten Fall sträflich nicht eingeschaltete- Betriebsrat hätte darauf dringen können, behinderte Bewerber (wie den HIV-positiven Kläger) bei der Besetzung der besser bezahlten Stelle zu berücksichtigen. Der Mann konnte letztlich jedoch nicht nachweisen, dass er die Stelle bekommen hätte. Dies spiegelt sich in der letztlich nicht sehr großen Höhe der Entschädigung. Dr. Bettina Theben, Anwältin des Klägers und Dozentin für Arbeits- und Gleichstellungsrecht an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin, freut sich dennoch „Das Urteil zeigt: Das Gleichbehandlungsgesetz stärkt Betroffene bei der Durchsetzung ihrer Rechte effektiv. Arbeitnehmer können nun auch gegen verdeckte Diskriminierungen vorgehen“.

Ein bemerkenswertes Urteil – meines Wissens der erste Fall, bei dem das AGG zugunsten eines Menschen mit HIV wirkte.
Das Urteil zeigt deutlich, dass es lohnenswert ist, sich gegen Diskriminierungen zu wehren – und dass das lange erstrittene (und bekämpfte) Antidiskriminierungsgesetz auch für HIV-Positive eine sinnvolle Sache sein kann.
Zudem jedoch auch ein Urteil, das einmal mehr zeigt, dass Menschen mit HIV und Aids im Berufs- und Alltagsleben Gefahr laufen diskriminiert zu werden – und betont, wie wichtig Initiativen wie positivarbeiten sind. Zu hoffen ist, dass auch der neue Vorstand der DAH diesem Thema wieder mehr Aufmerksamkeit widmet …

Positiv arbeiten

HIV-infiziert, an Aids erkrankt, das wird häufig immer noch mit Krankheit, Siechtum, Bildern von ausgezehrten jungen Menschen assoziiert. Nicht jedoch mit Arbeit.

Und doch – Zahlen aus der Schweiz z.B. zeigen, dass 70% der HIV-Positiven dort erwerbstätig sind. Und oftmals ist von Menschen, die mit ihrer HIV-Infektion nicht berufstätig sind zu hören, dass sie ja eigentlich gerne arbeiten würden. Eigentlich … wenn nicht …

Denn Menschen mit HIV und Aids müssen sich in der Arbeitswelt immer noch mit Vorurteilen, Ausgrenzung, Diskriminierung auseinandersetzen. Nur zu oft heißt die Realität beim Thema HIV und Arbeit immer noch ‚wer positiv ist fliegt raus‚.

Auf Seiten der Arbeitgeber gibt es seit einiger Zeit Initiativen, die sich mit der Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Menschen mit HIV beschäftigen. Auch das EU-geförderte Progamm EQUAL hat sich mit HIV und Aids am Arbeitsplatz beschäftigt und u.a. einen Kurzfilm hierzu produziert (im Rahmen des Link-Up-Projekts der Deutschen Aids-Hilfe).

Selten jedoch haben sich bisher Menschen mit HIV direkt selbst zu ihren Problemen im Arbeitsleben geäußert.
Dies will nun einen neue Initiative ändern: positivarbeiten.de. Die am 31. März 2008 neu eröffnete Website will „Möglichkeiten des Austausches zwischen HIV-Infizierten Menschen, die im Erwerbsleben stehen“ bieten und eine Platform zum gegenseitigen Erfahrungsaustausch sein. Die Teilnahme an den Diskussionsforen ist anonym möglich.