HIV-positive Menschen demonstrieren gegen drohende Patentrechtsverschärfungen

Im März 2010 findet hinter verschlossenen Türen die letzte Verhandlungsrunde für ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Indien statt. Wenn Indien auf die Bedingungen der Europäischen Union eingeht, wäre für Millionen von Menschen in ärmeren Ländern der Zugang zu Medikamenten ernsthaft gefährdet, so die Befürchtung von HIV-positiven Aktivisten, die am 12. März 2010 in Delhi demonstrieren.

„Wir protestieren, um die indische Regierung aufzufordern, keinen Vertrag auf Kosten unseres Überlebens abzuschließen“, erklärt Loon Gante, Präsident des Delhi-Netzwerkes für Positive Menschen (Delhi Network of Positive People, DNP+). „Eine lebenslange Behandlung gegen HIV/Aids erfordert einen kontinuierlichen Zugang auch zu modernen Aids-Medikamenten. Internationale Handelsabkommen haben bereits jetzt einige neue Medikamente so verteuert, dass sie nicht mehr finanzierbar sind. Wir fordern nun, dass Indien keine Bestimmungen akzeptiert, die den Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten weiter behindern würden.“

Ärzte ohne Grenzen unterstützt die Forderung der indischen HIV-Kranken. „Die EU darf keine Bedingungen stellen, die den Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten weiter behindern“, sagt Oliver Moldenhauer von Ärzte ohne Grenzen in Berlin. „EU und Bundesregierung stellen die Interessen der Pharmaindustrie über die Gesundheit von HIV-Patienten.“

„92 Prozent aller Aids-Medikamente, die in ärmeren Ländern verwendet werden, stammen aus Indien. Indien gilt als Apotheke der Armen. Die Auswirkungen der laufenden Verhandlungen betreffen also bei Weitem nicht nur Indien“, sagt Leena Menghaney von Ärzte ohne Grenzen in Indien. „Wenn Indien nun nachgibt, würde der Zugang zu Behandlung für Menschen mit HIV/Aids im Verhandlungsprozess geopfert.“

Zu den Forderungen der EU gehört eine erschwerte Zulassung von Generikaprodukten und die Verlängerung des Patentschutzes, der bislang in Indien 20 Jahre beträgt. In der Vergangenheit wurden bereits häufiger in Indien hergestellte Medikamente auf dem Weg nach Lateinamerika oder Afrika beschlagnahmt. Die indische Regierung soll nun ihr Einverständnis dazu geben, dass Medikamente im Rahmen des neuen Freihandelsabkommens legal beschlagnahmt werden können.

Die informellen Gespräche zwischen Vertretern der EU und Indien sollen diese Woche in Delhi beginnen. Die offiziellen Verhandlungen finden im April in Brüssel statt. Laut EU sollen die Gespräche zum Freihandelsabkommen weit vor dem indisch-europäischen Gipfeltreffen im Oktober 2010 abgeschlossen sein.

(Pressemitteilung Ärzte ohne Grenzen Deutschland vom 12.03.2010)

Medikamentenpreise: rechtfertigt der Nutzen den Preis?

Ein bedeutender Teil der Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung entfällt auf Medikamente. Die Preise für neue Medikamente können die Hersteller in Deutschland bisher frei nach eigenem Ermessen festsetzen. Doch – rechtfertigt der Nutzen jeden Preis?

Gut ein Sechstel sämtlicher Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung entfällt allein auf Kosten für Arzneimittel (2008 nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 16,8%). „Noch immer ist Deutschland ein Paradies für die Arzneimittelindustrie: In keinem anderen europäischen Land kann sie die Preise so frei festsetzen“, schreibt SpON.

Noch deutlicher formuliert es Peter Sawicki, der erst jüngst geschaßte Chef des IQWIG:

„Für die Unternehmen [der Pharma-Industrie, d.Verf.] ist es in Deutschland paradiesisch: Alle Präparate werden sofort nach der Zulassung verordnet – zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu dem Preis, den die Industrie festlegt.“

Wenig erstaunlich, dass bei derartigen Markt-Strukturen die Kosten, die der Krankenversicherung (der gesetzlichen wie der privaten) für Arzneimittel entstehen, sehr hoch sind.

Doch entsprechende Instrumente stünden längst zur Verfügung. Schon seit längerem gibt es das Wirtschaftlichkeits-Gebot in der Krankenversicherung, und seit der Gesundheitsreform 2007 (GKV-WSG) ist es auch Aufgabe des IQWiG zu prüfen, ob die Preise für ein Arzneimittel in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen.

Damit ist neben die Nutzen-Bewertung eines Arzneimittels schon vor einigen Jahren auch die Kosten-Nutzen-Bewertung getreten. Vereinfacht gesagt bedeutet dies die Frage: steht der Preis eines Medikaments in einem vertretbaren Verhältnis zum gesteigerten Nutzen dieses Medikaments (im Verglich zu verfügbaren Standard-Therapien)? Eine solche Kosten-Nutzen-Bewertung kann dann Grundlage für die Festsetzung eines Höchstbetrages durch den GKV-Spitzenverband für nicht-festbetragsfähige Arzneimittel sein.

Das IQWIG erläutert

„Die Kosten-Nutzen-Bewertung berechnet die Kosten für die Behandlung eines einzelnen Patienten. Um diese Kosten abzuschätzen, wird in der Regel die Perspektive der Versichertengemeinschaft der gesetzlichen Krankenkassen gewählt. Dabei können neben den Ausgaben der Krankenkassen auch die Zuzahlungen der Versicherten einbezogen werden. Ebenso kann je nach Auftrag die Perspektive erweitert werden, um zum Beispiel Arbeitsausfallzeiten, Verrentungen und die finanzielle Belastung von Angehörigen zu berücksichtigen. Wenn es zum Beispiel um Krankheiten wie Demenz geht, spielen auch Pflege- kosten eine entscheidende Rolle und werden entsprechend berücksichtigt.“

Der Auftrag zu einer Kosten-Nutzen-Bewertung eines Medikaments wird vom Gemeinsamen  Bundesausschuss (G-BA) erteilt. Das IQWIG führt die Bewertung nach einem standardisierten Verfahren durch und erstellt Empfehlungen. Die Entscheidungen zur Erstattungsfähigkeit eines Medikaments werden i.d.R. vom G-BA (mit Überprüfung durch das Bundesministerium für Gesundheit) getroffen. Die Zuständigkeit für die Festlegung eines Höchstbetrags eines Medikaments hingegen liegt laut Gesetz alleine in den Händen der Gesetzlichen Krankenkassen. Die Krankenkassen werden dabei vom GKV-Spitzenverband vertreten.

Das Instrumentarium der Kosten-Nutzen-Analyse wurde bisher nur in wenigen Fällen angewendet. Der Gemeinsame Bundesauschuß erteilte erst im Dezember 2009 die ersten Aufträge zu einer Kosten-Nutzen-Bewertung (u.a. für bestimmte Medikamente zur Behandlung der Depression), mit dem Ergebnis wird frühestens im Winter 2010/11 gerechnet.

Wenn also Gesundheitsminister Rösler wie angekündigt „die Preisfindung der Arzneimittel kritisch prüfen“ will, wird er feststellen, dass mit der Kosten-Nutzen-Analyse ein potentiell sehr wirksames Instrumentarium bereits zur Verfügung steht. Eine Kostenbremse wäre möglich – vielleicht nicht ganz unter dem Beifall der Pharmaindustrie …

weitere Informationen:
FR 06.02.2010: Pharmakritiker Sawicki – Das Rezept der Profiteure
Ärzteblatt: Gemeinsamer Bundesausschuss: Mit Macht ins Zentrum
IQWIG: Methoden zur Kosten-Nutzen-Bewertung
Deutscher Bundestag – Wissenschaftliche Dienste: Die Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln (Januar 2009; pdf)
G-BA 18.12.2009: Gemeinsamer Bundesausschuss erteilt erste Aufträge zur Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln
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neue hitzestabile Ritonavir-Tablette in Europa zugelassen (akt.)

Eine neue Formulierung von Ritonavir (Handelsname Norvir®) als hitzestabile Tablette wurde in Europa zugelassen.

Ritonavir war einer der ersten Aids-Medikamente der Substanzklasse der Proteasehemmer, das zugelassen wurde. Inzwischen wird Ritonavir weit überwiegend nicht mehr direkt gegen HIV eingesetzt, sondern in niedrigerer Dosierung (meist 100 oder 200mg) als Booster, um den Wirkstoffspiegel anderer Medikamente zu erhöhen.

Bisher ist Ritonavir nur als Saft sowie als Kapsel verfügbar, die gekühlt aufbewahrt werden muss. Am 25. Januar 2010 wurde nun, wie Hersteller Abbott mitteilt, von der europäischen Arzneimittel-Agentur EMA eine Formulierung von Ritonavir als Tablette zugelassen. Die 100mg-Tablette, die bei Zimmertemperatur aufbewahrt werden kann, wird nach Angaben von Abbott so dosiert wie die bisherige Formulierung auch.

Nachtrag 12.02.2010:  Am 11. Februar teilte Abbott mit, dass nun auch in den USA die neue Formulierung zugelassen wurde.
AIDSmeds.com weist darauf hin, dass die neuen Tabletten mit Nahrung eingenommen werden sollten: „In addition, unlike the capsules, the new tablets must be taken with food.“

weitere Informationen:
abbott.com: New Heat-Stable Norvir® (Ritonavir) Tablet Approved in Europe
aidsmap 03.02.1010: New heat-stable ritonavir tablet approved in Europe
prnewswire 11.02.2010: Abbott Receives U.S. FDA Approval for Heat-Stable Norvir(R) (ritonavir) Tablets
aidsmeds.com 11.02.2010: FDA Approves Heat-Stable Norvir Tablets
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Ärzte ohne Grenzen: Patente auf Aids-Medikamente in den Patent-Pool!

Welt-Aids-Tag: ÄRZTE OHNE GRENZEN fordert von Pharmafirmen: Geben Sie Ihre Patente auf HIV/Aids-Medikamente in den Patentpool

Einen Tag vor dem Welt-Aids-Tag hat ÄRZTE OHNE GRENZEN mit einer Aktion auf dem Münchner Odeonsplatz die Pharmafirmen aufgefordert, ihre Patente auf HIV/Aids-Medikamente in einen Patenpool zu geben. Mitarbeiter der Organisation haben eine überdimensionale Pille über einen roten Teppich getragen und in einen Pool geworfen – symbolisch für die Patente der HIV/Aids-Medikamente, die die Pharmafirmen in den Patentpool geben sollen. In einem solchen Patentpool stellen Patentinhaber ihre Patentrechte anderen Herstellern für ärmere Länder zur Verfügung. Für Millionen HIV/Aids-Patienten wären die Auswirkungen eines Patentpools enorm. „Mithilfe dieser Patente können lebensnotwendige Medikamente entwickelt und zu erschwinglichen Preisen als Generika produziert werden“, sagte Oliver Moldenhauer, Koordinator der Medikamentenkampagne von ÄRZTE OHNE GRENZEN in Deutschland.

Nach aktuellen Angaben des HIV/Aids-Programms der Vereinten Nationen (UNAIDS) leben heute 33,4 Millionen Menschen mit dem Aidserreger HIV. Die Zahl der Todesfälle ist dank zunehmender Behandlung von HIV etwas zurückgegangen. Dieser Erfolg ist jedoch gefährdet. „Bei vielen unserer Patienten haben sich Resistenzen gebildet. Sie müssen nun zu neueren wirksameren Medikamenten wechseln. Im Moment sind diese aber für sie entweder nicht verfügbar oder nicht bezahlbar“, erklärte Moldenhauer.

ÄRZTE OHNE GRENZEN unterstützt daher die Idee des Patentpools und wirbt seit einigen Wochen dafür mit der E-Mail-Kampagne „Geben Sie Ihre Patente in den Pool!“, denn am 14./15. Dezember wird entschieden, ob der Patentpool von der internationalen Organisation UNITAID eingerichtet wird. UNITAID ist eine von 35 Staaten getragene Institution, die sich für einen besseren Zugang zu Medikamenten für HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria einsetzt. „Die Pharmafirmen müssen jetzt erkennen, dass es an ihnen liegt, die Patentblockade aufzuheben, damit Millionen HIV/Aids-Infizierte den bezahlbaren Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten erhalten“, sagte Moldenhauer. ÄRZTE OHNE GRENZEN behandelt derzeit mehr als 140.000 HIV/Aids-Patienten in rund 30 Ländern weltweit.

Gleichzeitig betonte die Organisation, wie wichtig die Finanzierung der Bekämpfung von HIV/Aids ist. „Hier ist die neue Bundesregierung gefragt. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel müssen jetzt zeigen, wie ernst sie die Zusagen der G8-Gipfel nehmen“, so Moldenhauer. Der deutsche Beitrag zur Finanzierung der Gesundheit in den ärmeren Ländern muss massiv erhöht werden, um die Zusagen der G8-Gipfel von 2007 und 2008 zu erfüllen.

Die Aktionen im Rahmen der Patentpool-Kampagne zeigen Wirkung. Zahlreiche Pharmafirmen haben mit UNITAID Gespräche über eine Teilnahme am Patentpool aufgenommen. Inzwischen haben sich rund 15.000 Menschen mit mehr als 140.000 E-Mails an der Kampagne beteiligt. Interessierte können auf www.aerzte-ohne-grenzen.de/emailkampagne die Pharmafirmen auffordern, die Patente auf die wichtigsten HIV/Aids- Medikamente in den Pool zu geben.

(Pressemitteilung Ärzte ohne Grenzen)

Aids-Medikamente kartonweise gefunden

In einer Kleinstadt in Sachsen-Anhalt sind kartonweise Aids-Medikamente in einem Fußgänger-Tunnel gefunden worden.

Frankleben in Sachsen-Anhalt ist ein kleines beschauliches Dörfchen mit 1.700 Einwohnern, nahe Merseburg gelegen. Die Zahl der HIV-Patienten in der Region dürfte überschaubar sein. Umso erstaunter dürften Passanten gewesen sein, als sie am Sonntag Nachmittag neben einem Fußgänger-Tunnel in Frankleben Aids- und Krebs-Medikamente fanden – gleich mehrere Kartons.

Die Medikamente seien vermutlich von einem in der Nähe geparkten Lastwagen gestohlen worden, teilte die Polizei mit. Der Fahrer habe einen Diebstahl angezeigt. Nähere Angaben, insbesondere zur Herkunft der Medikamente, wolle man „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nicht machen.

Ob Passanten bereits Medikamente entnommen haben, ist nicht bekannt. Die Polizei warnte vor einer etwaigen Einnahme.
Der Wert der gefundenen Medikamente wird auf ca. 94.000 Euro geschätzt.

Ein erstaunlicher Fall: Aids-Medikamente fahren üblicherweise selten in Lastwagen durch die Gegend – sie werden den Apotheken eher durch Schnellieferdienste des Großhandels zugestellt, in Kleintransportern, zudem dann nicht kartonweise, sondern eher in kleinen Mengen.

weitrere Informationen:
Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd 16.11.2009: Medikamente aufgefunden
LVZ 17.11.2009: Medikamente gegen Aids und Krebs vermutlich von Lastwagen gestohlen
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ViiV – der „neue“ Riese auf dem Markt der Aids-Medikamente

Die Pharma-Konzerne Glaxo und Pfizer legen ihre HIV-Bereiche wie angekündigt zusammen. ViiV Healthcare heißt das neue Unternehmen, kündigten die Unternehmen nun an.

„ViiV“ – unter diesem Namen legen die Pharmakonzerne GlaxoSmithKline (GSK) und Pfizer ihre Aids-Medikamenten-Bereiche zusammen. Bereits im April 2009 hatten Glaxo und Pfizer angekündigt, ihre HIV-Bereiche zusammenzulegen. Am 3. November stellte sich das neue Unternehmen der Presse vor.

Glaxo bringt in das neue Unternehmen neun zugelassene Medikamente ein, Pfizer eines. An dem neuen Unternehmen wird Glaxo entsprechend anfangs einen Anteil von 85% und Pfizer von 15% halten; der jeweilige Unternehmensanteil soll zukünftig umsatzabhängig gestaltet werden. Zudem wird das Unternehmen mit insgesamt derzeit sieben Substanzen starten, die in Phase-1 oder Phase-2 – Studien auf ihre Wirksamkeit untersucht werden.

Global wird das neue Unternehmen einen Anteil am Markt für Aids-Medikamente in Höhe von 19% halten. Eindeutiger derzeitiger Marktführer ist das Unternehmen Gilead mit 31% Marktanteil.

Chef des neuen Unternehmens wird Dominique Limet, bisher General Manager von GSK Frankreich

Nerds ist der Name ‚Viiv‘ bisher als Markenname von Intel bekannt – 2006 eingeführt für den Versuch, mit dem PC ins Wohnzimmer vorzudringen.
Nun ist der gleiche Name auch Begriff für einen neuen Player auf dem Feld der Aids-Medikamente – entstanden aus der Fusion zweier schon bisher aktiver Unternehmen, und vermutlich geschuldet u.a. dem Versuch, die Marktposition zu verbessern und mit Größe eine höhere Profitabilität zu erreichen (economies of scale).

weitere Informationen:
aidsmap 03.11.2009: GSK and Pfizer launch joint venture, ViiV Healthcare
MedNous 20.04.2009: Dominique Limet to be CEO of new HIV company
ViiV Healthcare Pressemitteilung 03.11.2009: ViiV Healthcare launches:
A new specialist HIV company dedicated to delivering advances in HIV treatment and care CEO promises ‚relentless pursuit‘ of new treatments
POZ 03.11.2009: GSK and Pfizer Launch HIV-Specific Drug Company

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HIV 2009 – Das Buch zu HIV und AIDS

Das Fachbuch „HIV 2009 – Das Buch zu HIV und AIDS“ ist in der aktuellen Version als vorläufige pdf-Fassung zum kostenlosen Download verfügbar.

Die Initiatoren betonen auf ihrer Internetseite:

„Das Konzept heißt: Ein Buch zur HIV-Infektion zu machen, das

  1. vor allem Ärztinnen und Ärzten, aber auch Angehörigen anderer Berufe, die mit HIV-Patienten zu tun haben, praktische Hilfen gibt
  2. in Inhalt und Form unabhängig bleibt
  3. zugunsten der Lesbarkeit auf umständlichen, pseudowissenschaftlichen Slang verzichtet
  4. über das Internet frei verfügbar und abrufbar ist (entscheidende Änderungen sind auf dieser Webseite jederzeit kostenlos aufrufbar.

Das Konzept dieses Lehrbuches wurde 1991 von Bernd Sebastian Kamps entworfen.“

Auch wenn die Autoren in erster Linie ihre professionelle Zielgruppe betonen, das Buch kann  (bereits seit Jahren) auch für medizinisch ein wenig bewanderte Positive von großem Nutzen sein.

HIV 2009 – Das Buch zu HIV und AIDS
Übersicht der Kapitel und Autoren auf www.hivbuch.de
vorläufige Version als kostenloser pdf-Download hier

Wer die US-Sicht der Dinge vorzieht und englisch lesen mag, wird (ebenfalls unentgeltlich) z.B. hier fündig:
The Columbia University Handbook on HIV and Aids (pdf)

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Merck Top, Abbott Flop – US-Aktivisten bewerten Pharma-Konzerne

Gute Noten für den Pharmakonzern Merck, letzter Platz für den Multi Abbott – so lautet das Resüme eines Rankings von Pharmakonzernen, das US-Aids-Aktivisten vorgenommen haben.

Wie gut sind die Bemühungen führender Pharmakonzerne im Kampf gegen Aids in den USA?
US-amerikanische Aids-Aktivisten der Gruppe ATAC (Aids Treatment Advocacy Coalition) bewerteten neun auf dem Gebiet der Aids-Medikamente bedeutende Pharmakonzerne (Abbott Laboratories, Boehringer Ingelheim, Bristol-Myers Squibb, Gilead Sciences, GlaxoSmithKline, Merck, Pfizer, Roche und Tibotec Therapeutics).

Die Unternehmen wurden in 5 Kategorien bewertet: Entwicklungs-Portfolio neuer Substanzen und Vorhaben, Zugang zu Medikamenten, Preispolitik, Beziehungen zu HIV-Communities sowie Marketing-Praktiken.

Eindeutiges Resultat: der Pharmakonzern Merck (in Deutschland MSD auf dem Markt) gewann den ersten Platz, während der US-Multi Abbott das eindeutige Schlusslicht bildete.

ATAC Report Card (c) ATAC
ATAC Report Card (c) ATAC

Das ernüchternde Resüme von ATAC:

„the majority of pharmaceutical companies are not developing innovative, new long-term treatment options that offer improved efficacy, safety and tolerability when taken for decades“

Bob Huff, einer der Leiter von ATAC, wies darauf hin, dass selbst die besten der derzeit verfügbaren Aids-Medikamente nicht dafür entwickelt wurden, auf sichere Weise für einen derart langen Zeitraum eingenommen zu werden, wie Menschen mit HIV sie voraussichtlich benötigen werden.

Der Report zeige, so ATAC, dass einige Pharmakonzerne einen eindeutig besseren Job verrichten würden als andere Unternehmen. Ein Kriterium, das den erfolgreicheren Unternehmen gemeinsam sei, sei ein frühzeitiges Einbinden von Communities schon während früher Phasen der Medikamenten-Entwicklung.

ATAC gibt in dem Report auch klare Empfehlungen an Pharma-Unternehmen, wie sie den Bedürfnissen der Patienten besser gerecht werden könnten. Dies betreffe insbesondere Sicherheit und Wirksamkeit neuer Substanzen.

weitere Informationen:
ATAC 10.09.2009: Most Pharmaceutical Companies Receive Poor Grades on HIV/AIDS Drug Development Innovation, According to AIDS Treatment Activist Coalition Report Card (pdf)
New York Times 10.09.2009: AIDS Activists Issue Grades to Drug Companies
POZ 10.09.2009: ATAC Releases Pharmaceutical Company HIV/AIDS Report Card
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USA: Proteste gegen hohen Preis für Isentress

‚Krimineller Preis‘ für ein Aids-Medikament in den USA? Die Aids Healthcare Foundation aus Los Angeles fordert mit einer provokanten Aktion eine Reduzierung des Preises.

Die nicht unumstrittene US-amerikanische Aids-Organisation Aids Healthcare Organisation (AHF) fordert in den USA den Pharmakonzern Merck auf, den Preis für sein Aids-Medikament Isentress® zu reduzieren.
Die Postkarten-Aktion findet statt im Rahmen einer Kampagne der AHF, die sich die Reduzierung der Preise für Aids-Medikamente auch in den USA zum Ziel gesetzt hat. AHF ist in den USA der größte ‚Health Care Provider‘ auf dem Gebiet HIV/Aids.

Mercks Aids-Medikament Isentress® (Wirkstoff Raltegravir) ist in den USA das teuerste Medikament, das für die ‚first-line-Therapie‘ (die erstmalige Behandlung eines HIV-Positiven mit Aids-Medikamenten) zugelassen ist.

Criminal Aids Drug Pricing (c) AHF
Criminal Aids Drug Pricing (c) AHF

In den USA belaufen sich die Kosten allein für Isentress® (das in Kombination mit mindestens zwei weiteren Aids-Medikamenten eingesetzt wird) auf 12.864 US-$ pro Jahr und Patient. Auch in Deutschland gehört Isentress® zu den hochpreisigen Aids-Medikamenten: In Deutschland beläuft sich der Preis für eine Packung à 60 Pillen auf 1.062,03€, so dass sich Kosten von 12.744,36€ allein für dieses Medikament pro Patient und Jahr ergeben.

Auf der Rückseite der Postkarte (siehe Bild) wird die Aktion folgendermaßen erläutert:

“Richard T. Clark, CEO of Merck & Co. Pharmaceuticals, is wanted for pricing Merck’s HIV/AIDS drug Isentress so high that it is now the most expensive first-line HIV/AIDS drug. Recently approved by the FDA as a first-line treatment, Isentress is up to three times more expensive than other first-line treatments—as much as $12,864 per patient per year. This criminal pricing threatens to limit the ability of Medicaid and AIDS Drug Assistance programs nationwide to provide crucial lifesaving drugs to it patients.”

Michael Weinstein, Präsident der AHF, erklärt, es sei kriminell, für ein Aids-Medikament, zumal mit einem derartigen Marktanteil, einen derart astronomischen Preis zu nehmen:

“It is criminal for Merck to have priced its newest HIV/AIDS drug, Isentress at an astronomical $12,864 per patient per year—especially now that the FDA has approved the drug for first-line use, vastly increasing the drug’s market.“

Eine Reaktion von Merck (in Deutschland: MSD) auf die Protest-Aktion ist bisher nicht bekannt.

weitere Informationen:
Aids Healthcare Foundation 03.09.2009: AHF Challenges Merck’s “Criminal AIDS Drug Pricing” for Isentress
Business Wire 03.09.2009: AHF Challenges Merck’s „Criminal AIDS Drug Pricing“ for Isentress
aidsmap 15.09.2009: Raltegravir approved for first-line use in European Union
Business Wire 21.01.2010: Merck Rewrites History on Pricing Top AIDS Drug, Isentress, Says AHF
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Rückruf-Aktion Combivir (akt.2)

Der Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) ruft eine Charge des Aids-Medikaments Combivir zurück. Verdacht auf Produktfälschung wird als Grund angegeben.

Apotheken teilte GSK unterdessen mit:

‚GlaxoSmithKline (GSK) ruft in Deutschland die Charge R343741 des HIV-Medikaments Combivir 150 mg/300 mg Filmtabletten (PZN 8725085) aus dem  pharmazeutischen Grosshandel und aus Apotheken zurück. Der Chargenrückruf ist eine vorsorgliche Massnahme aufgrund des Verdachts einer Arzneimittelfälschung.
Die Originalcharge von GSK mit der Nummer R343741 wurde von GSK zwischen Mai und Juni 2008 an Grosshandel und Apotheken ausgeliefert. Kürzlich im Handel gefundene Ware mit dieser Chargennummer stellte sich als Fälschung heraus.
Dieser Chargenrückruf betrifft keine anderen Produkte, die von GlaxoSmithKline in Deutschland vertrieben werden. Die zuständige Überwachungsbehörde ist über diese Rückrufaktion informiert. Bitte schicken Sie Ihre Rücksendung (nach vorheriger sorgfältiger Prüfung der Chargennummer) an folgende Adresse: GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG, Retourenabteilung, -Rückruf Combivir-, Industriestrasse 32-36, 23843 Bad Oldesloe. Bei weiteren Fragen steht Ihnen das MED INFO & SERVICE CENTER gebührenfrei unter der Telefonnummer: (08 00) 1 22 33 55 zur Verfügung.‘

Einem Bericht in einem Forum zufolge soll die Polizei im Raum Bremen auf der Suche nach gefälschten Combivir-Packungen sein.

GSK hatte angekündigt, zeitgleich auch Aidshilfen über den Rückruf zu informierent:

„Gefälschte Combivir®-Packungen
Wir möchten Sie darüber informieren, dass GlaxoSmithKline (GSK) in Deutschland in Zusammenarbeit mit der zuständigen Landesbehörde die Charge R343741 (haltbar bis 01/2010) des HIV-Medikaments Combivir® 150/300 Filmtabletten (Wirkstoffe Lamivudin und Zidovudin) im pharmazeutischen Großhandel und bei Apotheken zurückruft. Der Chargenrückruf ist eine vorsorgliche Maßnahme aufgrund des Verdachts einer Arzneimittelfälschung.
Bei GSK Deutschland lag zunächst eine pharmazeutische Reklamation über eine einzelne Combivir-Packung® vor, die durch ausführliche Vergleichsuntersuchungen als Fälschung identifiziert wurde. Der Verdacht, dass weitere gefälschte Combivir®-Packungen in die deutsche Vertriebskette gelangt sind, hat sich nach weiteren Nachforschungen erhärtet.
Dabei handelt es sich nach bisherigen Erkenntnissen um Fälschungen der Umverpackung, der Gebrauchsinformation (Beipackzettel) sowie der Blisterpackung. Gefälschte Tabletten wurden bisher nicht gefunden. Analysen der aufgrund des Rückrufs zurückgesandten Ware werden weitere Aufschlüsse über das Ausmaß der Arzneimittelfälschung geben.
Die Sicherheit der Patienten steht für GSK an erster Stelle. Jeder Verdachtsfall einer Medikamentenfälschung wird daher sehr ernst genommen. Bei weiteren Fragen steht Ihnen unser MED INFO&SERVICE CENTER gebührenfrei unter Tel.: 0800-122 33 55 gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG“

Bereits in früheren Jahren war es zu Rückruf-Aktionen von Aids-Medikamenten durch GSK gekommen.

weitere Informationen:
Rückruf: Combivir 150 mg/300 mg, 60 Filmtabletten, Ch.-B.: R343741: Chargenrückruf, auch in Pharmazeutische Zeitung .
DAH-Blog 31.08.2009: Verdacht auf Arzneimittelfälschung bei Combivir®
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interessant zu lesen:
Prof. Schweim: „Arzneimittel-Fälschungen“ (pdf)

Danke an K.!

USA: Pharma-Konzern erneut wegen AIDS-Werbung abgemahnt

Die US-Medikamentenbehörde FDA hat den Pharmakonzern Abbott verwarnt. Eine Werbe-DVD des Konzerns für ein Aids-Medikament betone die Wirksamkeit übermäßig und verharmlose Nebenwirkungen.

Earvin ‚Magic‘ Johnson sollte Patienten über die Vorzüge von Kaletra ‚informieren‘. Der ehemalige US-Basketball-Star Magic Johnson ist offen HIV-positiv.
Auf einer Werbe-DVD des Pharmakonzerns Abbott wurde Magic Johnson interviewt. Elfeinhalb Minuten berichtete der inzwischen 49jährige ehemalige NBA-Star dort von den Vorteilen von Kaletra®, einem Aids-Medikament des Konzerns. Auf Risiken und Nebenwirkungen von Kaletra® hingegen wurde erst nach dem Interview am Ende des Films im Nachspann hingewiesen.

Der US-Medikamentenbehörde FDA (Food and Drug Administration) missfielen die „Informationen“ der DVD. In dem Video würden die schwerwiegenden Nebenwirkungen (z.B. auch Medikamenten-Wechselwirkungen) minimiert und die Wirksamkeit übermäßig dargestellt, so die Behörde.

Wörtlich heißt es in dem FDA-Schreiben „The promotional DVD minimizes the serious risks of the drug, overstates the efficacy of Kaletra, and includes unsubstantiated claims.“ Die Verstöße seien schwerwiegend, so der Abteilungsleiter „drug marketing“ der FDA.

Zudem kritisierte die FDA Aussagen in der Werbe-DVD, Magic Johnsons HIV sei seit 5 Jahren, seit er das beworbene Medikament nehme, nicht mehr nachweisbar. Dies suggeriere, auch allen oder vielen anderen Positiven würde es mit dem Medikament so ergehen. Persönliche Erfahrungen einer Person seinen hingegen kein allgemeingültiger Nachweis; der FDA seien keine Studien bekannt, die zeigten, dass bei therapie-erfahrenen Erwachsenen Kaletra® fünf oder mehr Jahre lang effektiv wirke.

Kaletra® ist dem Wirtschaftsdienst Bloomberg zufolge das zweitwichtigste Produkt des Pharmakonzerns und trage mit Umsätzen von 1,47 Milliarden US-$ (2008) allein zu 5% zu den gesamten Erträgen des Konzerns bei.

Der Pharmakonzern hat die Verwendung der DVD eigenen Angaben zufolge bereits eingestellt. Man wolle mit der FDA zusammenarbeiten, um auf die Bedenken einzugehen, so ein Unternehmenssprecher. Das Video war auf der US-Website des Konzerns allerdings noch mindestens bis 10. Juli 2009 abrufbar.

Bereits im Oktober 2004 war Abbott von der FDA verwarnt worden, nachdem eine Anzeige für Kaletra® keine Informationen zu Risiken und Nebenwirkungen enthielt, und zudem suggerierte, HIV-Positive die das Medikamente einnehmen würden für mindestens 5 Jahr gesund bleiben.

Die FDA zeigten sich besorgt, dass der Pharmakonzern weiterhin Werbung für sein Medikament mache, die fehlleitend sei und gegen Bundesrecht verstoße. Abbott wurde aufgefordert einen Plan vorzulegen, wie zukünftig wahrheitsgemäße, nicht fehlleitende und komplette Botschaften sichergestellt werden sollen.

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weitere Informationen:
POZ 24.07.2009: FDA Warns Abbott Over Kaletra Ad Featuring Magic Johnson
Bloomberg 22.07.2009: Abbott Warned Over Drug Ad Featuring ‘Magic’ Johnson
„Warning Letter“ der FDA an Abbott vom 14.07.2009 (pdf)
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Enthaltsamkeit vom Pharmakonzern?

Pharmakonzerne stellen Medikamente her. Und betätigen sich gelegentlich in sozialen Projekten und Zusammenhängen. In Kanada gibt’s von einem Pharmakonzern, der auch Aids-Medikamente herstellt, auch Enthaltsamkeit empfohlen.

„Are you at risk?“ lautet der englische Untertitel der Kampagne „One Life – Une Vie“, mit der sich der Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS), Hersteller zahlreicher Aids-Medikamente, schon seit einiger Zeit in Kanada in der HIV-Prävention engagiert.

Die Kampagne weist einige Merkwürdigkeiten auf, wie die französische Organisation „the warning“ in einem Artikel betont.

One Life - Screenshot (Ausschnitt)
One Life - Screenshot (Ausschnitt)

So kann der interessierte Leser, die interessierte Leserin auf der (englischen und französischen) Website der Kampagne in einem Test das individuelle HIV-Risiko ermitteln.
Oder?
Gefragt wird u.a. danach, ob man/frau jemals ungeschützten Sex hatte, Sex unter Drogen, oder Sex mit einem/r HIV-Positiven.
Fragen nach Risiko-Faktoren, die insgesamt sinnvoll erscheinen mögen (wenn man sich auch als HIV-Positiver ungern als Risikofaktor bezeichnen lässt).
Bemerkenswert allerdings: selbst wer unverändert alle Antworten auf die 10 Fragen bei „nein“ belässt, bekommt (auch unabhängig vom angegebenen Geschlecht) als Antwort

„Your result: Based on your answers you are at risk of contracting the HIV virus.“

Ooops – keine Risikofaktoren, nichts angegeben – aber doch ein HIV-Risiko?
Wozu dann die Fragen?
Seriöse Tests sehen anders aus?

Erstaunt fragt sich der Betrachter zudem, wie denn die kurz darauf angegebene Auswertung aller bisherigen Test-Teilnehmer

Overall results:
62 % of respondents are at risk
42 % of males respondents
20 % of females respondents

zustande kommen kann – wenn alle Ergebnisse des Tests immer zu dem Resultat „you are at risk“ führen?

Noch spannender wird die Site, wenn es zu konkreten Ratschlägen kommt, wie man/frau sich denn vor HIV schützen könne.

„Wer hätte je gedacht, dass das ABC auch vor HIV schützt?“, fragt dort der Pharmakonzern BMS. Und hat auch gleich die Antwort parat: vor HIV-Infektionen schützen Abstinenz (sexuelle Enthaltsamkeit), (sexuelle) Treue (nur ein Partner), sowie Kondome.

Abstinenz, Treue, Kondome – die einzigen Strategien, sich vor einer HIV-Infektion zu schützen? Die wirksamsten? In dieser Reihenfolge?

„the warning“ zeigt sich in dem Bericht erstaunt, dass zahlreiche Aids- und Community-Organisationen (auch Organisationen von HIV-Positiven) laut Angaben der Sites „Partner“ dieser Kampagne sind. Die französische Organisation hat den Pharmakonzern aufgefordert, sich zu den Merkwürdigkeiten zu äußern.

Ist der Papst neuerdings Vorstandsvorsitzender von BMS?, mag man sich angesichts dieser Kampagne, ihrer Merkwürdigkeiten und Ratschläge erstaunt fragen.

Soziales Engagement auch von Unternehmen, Pharmakonzernen mag begrüßenswert sein, und eventuell auch Präventionskampagnen. Aber so?

Abstinenz, Treue und Kondome – das alte ABC einer Präventions-Politik, wie sie die US-Regierung unter dem früheren US-Präsidenten Bush vertreten hat. Eine Präventions-Politik, die nur zu oft schon ihr Versagen erwiesen hat.

Dass BMS diese „Informationen“ unter der Aufforderung „seperate fact from fiction“ präsentiert, mutet schon  beinahe zynisch an.  Abstinenz macht krank, ist kein tauglicher weg der HIV-Prävention, dies zeigen immer wieder Studien.

So werden Virus-Mythen befördert.
Wirksame HIV-Prävention sieht vermutlich anders aus …

weitere Informationen:
TheWarning 14.07.2009: Une vie… One life : BMS n’aime pas les séropos et les étrangers
„One Life – Une Vie“ – Kampagne in Kanada (englische Site are you at risk – französische Site)
TheWarning 21.07.2009: BMS n’y comprend vraiment rien à la prévention et ferait mieux de s’abstenir
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Norvir-Preis: Abbott gewinnt Klage

Der Pharmakonzern Abbott hat in San Francisco eine Klage wegen der 400%igen Erhöhung des US-Preises für das Aids-Medikament Norvir gewonnen.

Im Jahr 2003 erhöhte der Pharmakonzern Abbott den Preis für sein Aids-Medikament Norvir® (Wirkstoff Ritonavir). Doch es folgte nicht eine ‘normale’ Preiserhöhung – der Pharmakonzern verfünffachte den Preis direkt (siehe Bericht “Gewinne Gewinne Gewinne“).

Gegen diese Preiserhöhung des Konzerns wandten sich in den USA mehrere Gesundheits-Unternehmen sowie Lobby-Gruppen. Sie erhoben gegen Abbott Klage. Der Großhandelspreis von Norvir® sei in den USA durch die Erhöhung von 51,30$ auf 257,10$ für 30 Kapseln à 100mg gestiegen. Damit missbrauche Abbott seine Monopolstellung.

Ein Gericht in San Francisco wies nun am 07. Juli 2009 die Klage zurück. Abbott hatte vorher Presseberichten zufolge 10 Millionen US-$ gezahlt, und sich zudem bereit erklärt, dass das Gericht dennoch kläre, ob die Preiserhöhung einen illegale Geschäftspraxis sei.

Die Rechtsanwälte der Kläger prüfen, ob sie Berufung gegen das Urteil einlegen.

Das Monopol, das Abbott derzeit de facto mit Ritonavir zum Boosten anderer Substanzen hat, wird vermutlich bald durch Zulassung von Booster-Substanzen anderer Hersteller beendet.

weitere Informationen:
ondamaris 15.11.2007: Norvir-Preis vor Gericht
365gay.com 08.07.2009: Appeals court rules for Abbott in AIDS drug case
BNET 08.07.2009: Why Abbott Is Allowed to Manipulate GSK and BMS’s AIDS Drug Prices
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Aids-Riese mit 20% Markt-Anteil – Glaxo und Pfizer legen HIV-Bereich zusammen

Weitere Konzentration im Markt der Aids-Medikamente: die Pharmakonzerne GlaxoSmithKline (GSK) und Pfizer kündigen an, ihre HIV-Bereiche zusammen zu legen.

Die Pharmakonzerne GlaxoSmithKline und Pfizer haben angekündigt, zukünftig ihre HIV-Aktivitäten zusammen zu legen. Dazu soll ein neues gemeinsames Unternehmen gegründet werden. Dies kündigten die beiden Konzerne am Donnerstag (16.4.2009) an.

GSK ist bereits jetzt einer der bedeutendsten Hersteller von Aids-Medikamenten. Allerdings hat der Konzern derzeit nur wenige erfolgversprechende neue Substanzen gegen HIV in der Forschung. Pfizer hingegen hat eine recht volle Forschungs-Pipeline im HIV-Bereich.

Das neue gemeinsame Unternehmen wird von Beobachtern auf einen Marktwert von bis zu 5 Milliarden US-$ geschätzt. Es wird am weltweiten Markt für Aids-Medikamente einen Anteil von ca. 19% halten. derzeit hätte das gemeinsame Unternehmen bereist 11 zugelassene Aids-Medikamente im Portfolio.

GSK wird zunächst einen Anteil von 85% an dem Joint Venture haben, Pfizer von 15%. Der Pfizer-Anteil kann im Fall des Erfolgs bisher in der Entwicklung befindlicher Substanzen auf bis zu 30,5% steigen.
Chef des neuen Unternehmens soll der bisherige Glaxo-CEO Dominique Limet werden.

Ein Beweggrund für die Zusammenarbeit ist die Chance, Forschungs- und Entwicklungs-.Kosten zu reduzieren. In der Wirtschaftspresse wurde der Schritt auch als Möglichkeit für GSK betrachtet, aus dem HIV-Bereich (durch Ausgliederung) auszusteigen.

Danke an C. für den Hinweis!

Wall Street Journal 16.04.2009: GlaxoSmithKline, Pfizer to Combine HIV Businesses
FAZ: Glaxo und Pfizer gründen JV für HIV-Medikamente
wral.com 16.04.2009: GlaxoSmithKline, Pfizer form new company to fight HIV
GlaxoSmithKline 16.04.2009: GlaxoSmithKline and Pfizer announce innovative agreement to create a new world-leading, specialist HIV company
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Aids-Medikamente kein Geschäft mehr? Aber doch, klar …

Ein Aids-Medikament als „Profit Pill“? Als die Pille, die ein Unternehmen ganz nach vorne bringt? Eine spannende Geschichte um eine gar nicht so spannende Substanz …

Aids-Medikamente sind kein Geschäft mehr? Keine ausreichenden Gewinne, kaum Profit?
Solcherlei Bedenken sind des öfteren zu hören – vor allem wenn es darum geht, Pharmakonzerne benötigten einen höheren Profit, um weiterhin innovative Medikamente zu erforschen.

Es gibt auch andere Geschichten.
Eine erzählt Forbes.com.

Die Geschichte des Unternehmens Gilead und eines einzigen Medikaments.
Gilead, einst ein kleines, wenig bedeutendes Unternehmen, weit ab davon, es mit den großen Pharmakonzernen der Welt aufzunehmen. Und – auf dem Markt der Aids-Medikamente beinahe ein Nobody.
Tenofovir – keine gerade besonders spannende Substanz, alles andere als der „große Wurf“, der die Behandlung von HIV-Positiven weit nach vorne bringen würde.
Und dennoch – Gilead und Tenofovir (vermarktet als Viread®), das ist eine der großen Erfolgsgeschichten der Pharmaindustrie der letzten Jahre. Mit Milliarden-Umsätzen und einem sprunghaft gestiegenen Unternehmenswert …

Lesenswert erzählt bei Forbes:

The Profit Pill – How one drug allowed Gilead Sciences to beat big pharma at its own game

Forbes‘ Schlußfolgerung:

„Gilead’s success shows that the old-fashioned pharmaceutical model of finding the right chemical pill and deploying your sales force to tell doctors about its advantages isn’t dead yet.“

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[via Stationäre Aufnahme]

Nebenwirkungen und Langzeitfolgen der Medikamente großer Sorgen-Faktor

Nebenwirkungen und Langzeitfolgen der Therapien gegen Aids stellen eine bedeutenden Sorgen-Faktor bei der Entscheidung über eine Therapie dar – und werden zugleich von Positiven unter Therapie als gravierende Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität erlebt. Besonders herausstechend: die Lipodystrophie und ihre Folgen.

Die britische HIV-Zeitschrift „hiv treatment update“ befragte ihre LeserInnen, u.a. zu Fragen von Therapie, Therapiebeginn und Therapie-Problemen.2.194 Personen beteiligten sich an der Befragung – und ihre Antworten zeigten unter anderem, dass Nebenwirkungen der Therapien weiterhin ein bedeutendes Problem darstellen.

Haben Sie Sorgen wegen möglicher Nebenwirkungen der Therapien? „Ja“ (‚major‘ und ‚important‘) sagten 78% der Befragten. Und, noch überraschender, es zeigten sich keine Unterschiede zwischen Befragten, die antiretrovirale Therapien neu beginnen oder denen, die eine Therapie wieder aufnehmen wollten. Die Sorgen um Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen gleich deutlich ausgeprägt – eine Entscheidung für und Erfahrung mit den Therapien scheint keineswegs die Sorge um Nebenwirkungen zu mindern. Ebenso war die Sorgen um Nebenwirkungen (im Gegensatz zu anderen Sorgen wie Wechselwirkungen oder Stigmatisierung) nahezu gleich hoch ausgeprägt bei Teilnehmern aus Industriestaaten und aus weniger entwickelten Ländern (in denen 22%.der Teilnehmer lebten).

Bei denjenigen Befragten, die zum Zeitpunkt der Befragung eine antiretrovirale Therapie durchführten, war die Sorge um Nebenwirkungen deutlich geringer (38 bzw. 50%) – allerdings war in dieser Gruppe dafür die Sorge um Langzeit-Folgen der HIV-Therapien mit 60% deutlich höher ausgeprägt.

Die Teilnehmer, die bereits antiretrovirale Therapien nahmen (77% in Industriestaaten, 49% in weniger entwickelten Staaten), wurden auch befragt danach, welche Nebenwirkungen sie erfahren haben, und deren Schwere.

Die mit Abstand am häufigsten irgendwann während der Therapiezeiten erlebten Nebenwirkungen waren Übelkeit und Durchfälle (80-90%) sowie psychologische Wirkungen, Erschöpfung / Anämien und Hautprobleme.Über 60% gaben zudem an, an sexuellen Funktionsstörungen zu leiden; über 60% (Industriestaaten) bzw. nahezu 75% (weniger entwickelte Staaten) gaben zudem an, an Fettumverteilungs-Störungen (Lipodystrophie) zu leiden.

Zudem wurden die Positiven unter Therapie befragt, welche Nebenwirkungen die gravierendsten Auswirkungen auf ihre Lebensqualität hätten.Spitzenreiter hier mit 28% (sowohl in Industriestaaten als auch weniger entwickelten Staaten): Lipodystrophie (Fettansammlungen und Fettverlust).

Einer der Befragten brachte es folgendermaßen auf den Punkt:

„Trotz des Erfolges der hochwirksamen Therapien hat Lipodystrophie verheerende Auswirkungen.“

„the nam treatment survey“, hiv treatment update Nr. 183, Januar / Februar 2009

Diese Befragung dürfte sicherlich nicht repräsentativ sein, zumal sie ’nur‘ die LeserInnen eines britischen Magazins für HIV-Positive umfasst. Dennoch zeigt sie eindeutig, dass das Thema Nebenwirkungen der antiretroviralen Therapien für viele HIV-Positive ein großer Sorgen-Faktor bei der Frage einer Therapie-Entscheidung ist – und, wie die Befragung zeigt, kein unberechtigter.

Eine Nebenwirkung sticht durch ihre Bedeutung besonders hervor – die Lipodystrophie, die Fettansammlungen an Bauch und Nacken bzw. Fettverlust an Extremitäten und im Gesicht. Dass angesichts der Bedeutung dieses Themas sowie der stigmatisierenden Folgen die Kassen sich immer noch weigern, die Kosten der verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten zu übernehmen, ist nicht hinnehmbar. Nebenwirkungs-Management, höhere Lebensqualität darf nicht -wie in diesem Fall- zur Luxus-Medizin für wenige werden.

Dass der Anteil an HIV-Positiven, die an Lipodystrophie leiden, in den weniger entwickelten Staaten zudem nochmals deutlich höher ist als in Industriestaaten, zeigt auf bestürzende Weise, in welchem Umfang hier zwar Therapien zur Verfügung stehen, aber eben suboptimale (u.a. auf Basis von d4T)
Die Frage der Versorgung HIV-Infizierter in weniger entwickelten Staaten mit antiretroviralen Therapien ist eben nicht nur eine Frage des ‚ob‘ und des ‚wie viel‘, sondern auch der Qualität der verfügbaren Therapien.