Frankreich: Prä-Expositions-Prophylaxe „im Bedarfsfall“ wird in Studie getestet

Aids-Medikamente fallweise nehmen vor dem Sex, um eine eventuelle HIV-Infektion zu verhindern – dieses experimentelle Konzept will eine französische Studie ab Herbst 2011 untersuchen.

Frankreich startet seine eigene Studie zur Prä-Expositions-Prophylaxe. Die Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) ist ein experimentelles Konzept. Es sieht vor, dass mit HIV nicht infizierte Personen Aids-Medikamente nehmen, um sich vor einer potentiellen Infektion zu schützen.

Unter Federführung der halbstaatlichen ANRS (Agence nationale de recherches sur le sida et les hépatites virales) soll das Konzept einer PrEP in einer Studie in Frankreich und Kanada untersucht werden. Leiter der Studie ist Prof. Jean-Michel Molina (Paris, hôpital Saint-Louis).

Die Studie wendet sich an ’nicht HIV-infizierte Homosexuelle, die Analverkehr haben, in den vergangenen 6 Monaten mindestens zwei verschiedene Sex-Partner hatten und nicht systematisch Kondome benutzen‘.

Im Gegensatz zu anderen PrEP-Studien, die eine kontinuierliche Einnahme von Aids-Medikamenten vorsehen, verfolgt die ANRS-Studie das Konzept ‚fallweiser‘ Einnahme im Bedarfsfall („à la demande“). Die Teilnehmer sollen die bereit gestellten Aids-Medikamente nur in den Phasen nehmen, in denen sie sexuelle Begegnungen planen: zwei Tabletten vor der ersten sexuellen Begegnung, anschließend währen der ‚Phase sexueller Aktivität‘ alle 24 Stunden eine Tablette, und eine Tablette nach der letzten sexuellen Aktivität.

Die Studie wird in zwei Gruppen strukturiert: die Teilnehmer einer Gruppe erhalten Plazebo (wirkungsloses Schein-Medikament), die der anderen Gruppe eine Pille mit den beiden Wirkstoffen Tenofovir und Emtricitabine (als Kombi-Pille vermarktet unter dem Handelsnamen Truvada®). Diese Kombination war auch in der ‚iPrEx‘-Studie eingesetzt worden. Alle Studien-Teilnehmer erhalten während der Studie individuelle Begleitung und Beratung, Impfungen gegen Hepatitis, Kondome sowie Test-Angebote auf HIV und sexuell übertragbare Krankheiten.

Die Studie soll im September 2011 in Frankreich und Kanada (Québec) beginnen. In einer ersten Pilotphase der Studie sollen 500 Teilnehmer rekrutiert werden. Sollte die Rekrutierung der ersten Teilnehmer erfolgreich verlaufen, sollen insgesamt bis zu 1.900 Personen an der Studie teilnehmen. Primäres Auswerte-Kriterium der Studie ist eine HIV-Infektion (Serokonversion).

Im Jahr 2010 hatte die Gruppe TRT-5 (die an der seit Frühjahr 2009 laufenden Planung der Studie beteiligt war)  in einer von ihr koordinierten ‚community consultation‘ (z.B. über Schwulengruppen, Artikel in der Schwulen-Presse, lokale Ansprechpartner) Mitgliedern der Zielgruppen die Möglichkeit zu Fragen, Stellungnahmen und Kritik am Entwurf des Studienplans gegeben. Hieraus wurde ein Bericht erstellt (Consultation communautaire essai PrEP ANRS – Rapport du TRT-5), der inzwischen veröffentlicht wurde. Zudem erstellte TRT-5 ein Positionspapier (Essai de PrEP de l’ANRS : position de TRT-5 et points de vigilance), in dem die Position der Gruppe dargelegt und wesentliche Fragestellungen formuliert wurden.

Die Gruppe Gruppe TRT-5 (‚Groupe inter-associatif „traitements et recherche thérapeutique“‚) ist ein Zusammenschluss der wichtigsten Organisationen in Frankreich, die sich gegen Aids einsetzen. Mitglieder sind Actif Santé, Actions Traitements, Act Up-Paris, Act Up-Sud Ouest, Aides, Arcat, Dessine Moi Un Mouton, Nova Dona, Sida info Service und Sol En Si.

Die ANRS (Agence nationale de recherches sur le sida et les hépatites virales) ist eine 1992 gegründete Einrichtung, in der staatliche und Forschungs-Einrichtungen ihre Bemühungen der Aids- und Hepatitis-Forschung koordinieren und evaluieren. Gründungs-Mitglieder der ANRS sind das französische Forschungsministerium (ministère de la Recherche), das Centre national de la recherche scientifique (CNRS), das ‚Institut national de la santé et de la recherche médicale (INSERM) und l’Institut Pasteur; ab 1995 ist auch das Gesundheitsministerium (le ministère de la Santé) Mitglied.

Ende November hatte bereits die ‚iPrEx‘-Studie für Aufmerksamkeit gesorgt. Die iPrEx-Studie hatte eine 44%ige Schutzwirkung von Prä-Expositions-Prophylaxe konstatiert – war aber auch auf viele Fragen und Kritik gestoßen. Das US-Magazin ‚Time‘ hatte die iPrEx-Studie zum ‚bedeutendsten medizinischen Durchbruch 2010‘ erklärt.

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weitere Informationen:
ANRS
ANRS 23.11.2010: Nouvelles stratégies pour le dépistage et la prévention du VIH – Le programme de l’ANRS (pdf)
TRT5 18.01.2011: Consultation communautaire essai PrEP ANRS – Rapport du TRT-5 (pdf)
TRT-5 18.01.2011: Essai de PrEP de l’ANRS : position de TRT-5 et points de vigilance
Yagg 18.01.2011: Traitement pré-exposition: l’essai de l’ANRS prend forme
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Frankreich: kaum Missbrauch der kostenlosen Gesundheitsversorgung durch ‚Illegale‘

Die kostenlose Gesundheitsversorgung für Menschen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus in Frankreich wird kaum missbraucht. Dies ist das Ergebnis eines offiziellen Berichts der französischen Regierung.

Ein französischer Regierungsbericht kann keine Hinweise darauf feststellen, dass dem französischen Gesundheitssystem durch Betrug oder Missbrauch durch Menschen mit illegal(isiert)em Aufenthaltsstatus nennenswerter Schaden entsteht. Entsprechende Vorwürfe rechtsgerichteter französischer Politiker erweisen sich damit als weitestgehend substanzlos.

Die Berichterstatter wiesen im Gegenteil darauf hin, dass vorgeschlagene Einschränkungen in der Gesundheitsversorgung Illegaler sich bald als kontraproduktiv erweisen würden. Der Bericht war bereits Ende November 2010 dem Parlament vorgestellt worden, war zunächst jedoch nicht öffentlich verfügbar (um die Debatte um eine Reform nicht zu beeinflussen, wie Beobachter vermuteten).

Analyse de l'évolution des dépenses au titre de l'aide médicale d'Etat
Analyse de l'évolution des dépenses au titre de l'aide médicale d'Etat

Frankreich hat im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten weltweit ein klar festgelegtes und kodifiziertes System, mit dem Menschen mit illegal(isiert)em Aufenthaltsstatus (in Frankreich: „sans-papiers“, ‚Papier-lose‘) Zugang zu Gesundheitsversorgung erhalten. Dieses System (Aide Médicale d’Etat) greift für Menschen, die nachweisen, dass sie sich seit mindestens drei Monaten im Land befinden und dort leben, und deren Einkommen sehr niedrig ist (unter 634€ monatlich).

Sind diese Minimal-Bedingungen erfüllt, bekommt er/sie (sowie etwaige Familienangehörige) für ein Jahr Zugang zum französischen Gesundheitssystem; nach Ablauf des Jahres kann ein erneuter Antrag gestellt werden. Ärzte und Krankenhäuser bekommen die Behandlungs-Kosten direkt vom französischen Staat erstattet.
Etwa 220.000 Personen nutzen pro Jahr die ‚Aide Médicale d’Etat‘ (AME); dem Französischen Staat entstehen hierdurch jährlich Kosten in Höhe von ca. 546 Mio. € (Wert für 2009). Auch für viele Menschen mit HIV in Frankreich, die einen ungeklärten Aufenthaltsstatus haben, ist die AME von existentieller Bedeutung.

Die AME war unter Lionel Jospin 2000 eingeführt worden, vorher galt eine Regelung auf Departement-Ebene. Der derzeitige Staatspräsident Sarkozy hatte im Januar 2007 während des Präsidentschafts-Wahlkampfes versprochen, die unentgeltliche AME beizubehalten. Allerdings wurden vom französischen Parlament im November 2010 umfangreiche Änderungen debattiert, darunter eine jährliche Eigenleistung von 30 €.

Seit Jahren wird das System AME von rechtsgerichteten Politikern angegriffen. Sie weisen auf steigende Nutzerzahlen und steigende Ausgaben hin. Sie führten dies auf weitgehenden Missbrauch und fehlende Kontrollen zurück. Hierfür konnte der Regierungsbericht keine Anzeichen finden.

Aids-Organisationen wie Aides oder ACT UP Paris kritisierten den Regierungsbericht. ACT UP Paris veranstaltete am 11. Januar 2011 eine Email-Protest-Aktion. Der Bericht sei nur ein Feigenblatt, um von einer verheerenden Reform abzulenken, die letztlich das bestehende System demontiere.

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siehe auch: ondamaris / Bernd Aretz: Sans papiers darf nicht heißen sans sanitaire

weitere Informationen:
Informationen zu Bedingungen zur Aide Médicale d’Etat
Sida Info Service: L’Aide Médicale d’Etat (AME) – Rappels et nouveauté
Alain Cordier & Frédéric Salas: Analyse de l’évolution des dépenses au titre de l’aide médicale d’Etat (pdf)
ACT UP Paris 05.01.2011: Aide Médicale d’Etat : un rapport dissimulé pour une réforme dévastatrice
aidsmap 12.01.2011: France: minimal abuse of free healthcare for undocumented migrants; reforms will undermine public health
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Frankreich: steigende HIV-Diagnosen bei Homosexuellen

Bei 2.500 Homosexuellen in Frankreich wurde 2009 eine HIV-Infektion festgestellt – 200 mehr als in beiden Vorjahren, ein Anstieg aufgrund vermehrter HIV-Tests. Zudem ist in Frankreich erstmals die Zahl der Aids-Toten bei Homosexuellen wieder gestiegen.

Das für Epidemiologie zuständige französische ‚Institut de Veille Sanitaire‘ (InVS) veröffentlichte im Vorfeld des Welt-Aids-Tags aktualisierte Zahlen für 2009.

Die Zahl der neu diagnostizierten HIV-Infektionen sowie der gemeldeten Aids-Fälle hat sich in Frankreich in den vergangenen Jahren wie folgt entwickelt (jeweils korrigierte Zahlen; Quelle: InVS):

2003: 7.400 HIV-Infektionen, 2.148 Aids-Fälle
2004: 7.600 / 2.059
2005: 7.500 / 2.011
2006: 7.000/ 1.769
2007: 6.400 / 1.553
2008: 6.500 / 1.558
2009: 6.700 /

Der Anteil Homosexueller an den 6.700 HIV-Neudiagnosen im Jahr 2009 beläuft sich nach Angaben des InVS auf 2.500 (2007 und 2008 jeweils 2.300). Von den 2.500 im Jahr 2009 neu diagnostizierten HIV-Infektionen bei Homosexuellen seien 38% bei ‚Gelegenheits-Sex‘, 26% bei anonymem Sex und 20% in einer stabilen Beziehung infiziert worden (bei 16% keine Information).

Der Anteil junger Schwuler unter 25 Jahren sei zwischen 2003 und 2009 von 8% auf 11% gestiegen. Der Anteil schwuler Männer über 50 Jahre liege weiterhin stabil bei 12%.

Beunruhigt zeigte sich das InVS, dass die Zahl der Sterbefälle in Folge von Aids, die in den vergangenen Jahren stetig gesunken war, bei Homosexuellen 2009 erstmals wieder angestiegen sei. Hauptgründe hierfür seien verspätete Testung und verspäteter Behandlungsbeginn.

Am Rand der Pressekonferenz betontenVertreter des InVS, so die Homo-Internetsite Yagg, der Anstieg der Neudiagnosen bei schwulen Männern sei auf eine Zunahme der Zahl der HIV-Tests in dieser Gruppe zurückzuführen. Die epidemiologische Situation sei besonders bei Homosexuellen ‚beunruhigend‘. Es sei unumgänglich, Bemühungen für HIV-Tests zu intensivieren. Insbesondere sollten vermehrt HIV-Tests direkt nach Risiko-Situationen ermöglicht werden, damit die Zahl der HIV-Übertragungen in der Phase der frühen HIV-Infektion (in der die Infektiosität besonders hoch ist) gesenkt werden könne.

Erst vor wenigen Tagen hatten drei französische Organisationen, unter ihnen die schwulen Unternehmen, eine neue Kampagne für HIV-Tests bei französischen Homosexuellen vorgestellt.

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weitere Informationen:
InVS: Bulletin épidémiologique hebdomadaire Nr. 45 (30.11.2010)
InVS: Infection à VIH et sida – Base de données VIH
InVS: Infection à VIH et sida – Base de données sida
Yagg 29.11.2010: VIH chez les gays: les indicateurs sont au rouge
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Frankreich: (zuviel) Testen ist gut für die Gesundheit

Aus Anlass des Welt-Aids-Tags am 1. Dezember starten drei französische Vereinigungen eine Kampagne zu HIV-Tests für schwule Männer.

Träger der Kampagne sind ‚La Fédération LGBT‘, ‚Sidaction‘ und Sneg (die Vereinigung schwuler Unternehmen).

l'excès de dépistage est bon pour la santé
l'excès de dépistage est bon pour la santé

Sneg will die Kampagne u.a. über seine 650 Mitgliedsunternehmen verbreiten.

Besancon: schwuler Mann wegen HIV-Übertragung zu 2 Jahren Haft verurteilt

Ein HIV-Positiver wurde in Besancon zu zwei Jahren Haft verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, seinen Partner mit HIV infiziert zu haben.

Im ostfranzösischen Besancon steht im Oktober 2010 ein 36jähriger HIV-positiver schwuler Mann vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, seinen Partner mit HIV infiziert zu haben. Am 10. November 2010 fällt das „tribunal correctionnel“ sein Urteil: zwei Jahre Haft.

Der 36-Jährige wurde angeklagt wegen „administration de substance nuisible ayant entraîné une mutilation ou infirmité permanente“ (etwa: Verstümmelung oder bleibende Behinderung durch Anwendung schädlicher Substanzen).

Im Verlauf des Verfahrens entschuldigte sich der Beklagte bei seinem ehemaligen (heute 29jährigen) Partner, der das Verfahren angestrengt hatte. Beide hatten sich nach einigen Kontakten mit Kondom entschlossen, eine HIV-Test zu machen. Der Beklagte sagte danach seinem Partner, er sei (wie dieser) HIV-negativ. Einige Wochen später entdeckte der Partner jedoch ein Schreiben des Labors, in dem mitgeteilt wurde, dass er HIV-positiv sei. Im Juli2006 wurde dann auch bei dem Partner HIV diagnostiziert.

Die Staatsanwaltschaft hatte zwei Jahre Haft auf Bewährung gefordert. der Richter ging darüber hinaus und verurteilte den 36-Jährigen zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung. Der Verteidiger des Angeklagten kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen.

Die französische Positiven-Interessenvertretung „the warning“ betonte erneut die Notwendigkeit „intelligenter Informationskampagnen“ für Paare, damit sie in Dialog kommen auch über Serostatus und Sex-Verhalten. Zudem forderte „the warning“ für Frankreich offen Information darüber, dass eine wirksame Therapie mit antiretroviralen Medikamenten das HIV-Übertragungsrisiko senkt auf eine  Bereich, der dem bei Verwendung von Kondomen entspricht. Es sei leicht verständlich, dass es einer HIV-positiven Person zunächst schwer falle, den eigenen Serostatus dem Partner oder der Partnerin mitzuteilen – dies aber umso leichter falle, wenn beide über Serostatus und Sexverhalten mit einander sprächen, und beide Beteiligten wüssten, dass mit wirksamer Therapie das Übertragungsrisiko äußerst niedrig sei. Doch das französische Gesundheitsministerium blockiere bisher derartige Informationskampagnen.

weitere Informationen:
Le Progres 12.11.2010: Tribunal de Besançon : deux ans de prison ferme pour avoir contaminé volontairement son partenaire
Seronet: Besancon – 2 ans ferme
the warning 16.11.2010: Transmission du VIH : les procès, ça suffit !

Edwin J. Bernard: Why HIV „Crimes“ Harm HIV Prevention and People With HIV
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ACT UP Paris: Co-Präsident Stéphane Vambre zurück getreten (akt.)

Stéphane Vambre, Co-Präsident von ACT UP Paris, ist bereits am 16. September 2010 überraschend von seinem Amt zurück getreten, wie erst gestern bekannt wurde. „Unser Handeln ist von Wut aus Prinzip geprägt, nicht mehr von einer Wut der Kranken“, begründete Vambre seinen Schritt:

„Nos actions sont motivées par une colère de principe et non plus par une colère de malades.“

Seine Absicht sei nicht, einen ACT UP – internen Konflikt zu verursachen. Er habe sich lange Gedanken gemacht über seine Situation und die Funktionsweise von ACT UP Paris und seine Entscheidung reiflich überlegt.

Die Wut, die eigentlich die Aktionen von ACT UP treiben solle, richte sich derzeit eher nach innen. Statt des gemeinsamen Kampfes für die Rechte der Infizierten und Kranken stünden heute oft persönliche Ambitionen im Vordergrund. Demgegenüber sei es wichtig, diese Wut zukünftig wieder gegen die eigentlichen Gegner zu richten. Dazu forderte er eine demokratische Debatte.

Vambre kritisierte deutlich Art und Stil interner Prozesse. ACT UP sei entstanden als etwas wie die ‚Gewerkschaft der Kranken‘ – doch heute sei die Stimme HIV-Positiver oft kaum noch zu hören, werde gar verspottet. „Unser Handeln ist von Wut aus Prinzip geprägt, nicht mehr von einer Wut der Kranken.“

Der 37jährige Vambre, der öffentlich als „HIV-positiv und an Aids erkrankt“ auftritt und sich seit vier Jahren bei ACT UP engagierte, war seit März 2009 Co-Präsident von ACT UP Paris. Am 11. April 2010 erst war er in einer Wiederwahl als Co-Präsident bestätigt worden. Er war gleichzeitig (bezahlter) Verwaltungs-Leiter der Gruppe. Die Pariser ACT UP Gruppe ist die älteste und einer der wenigen in Europa noch existierenden ACT UP Gruppen.

ACT UP Paris kommentierte Vabres Schritt in einer ersten Stellungnahme, man verstehe nicht, weswegen es nicht zu einer einvernehmlichen gemeinsamen Lösung gekommen sei. Eine offizielle Reaktion soll in den kommenden Tagen folgen wurde am 12.10. bekannt. Dort benennt ACT UP Paris zahlreiche Handlungsfelder, denen man die Priorität einräumen müsse, „im Kontext einer katastrophalen Politik“, ohne weiter konkret auf den Rücktritt einzugehen.

weitere Informationen:
Stephane Vambre im Tetu-Interview 03.05.2010: Stéphane Vambre: «Même si on est malade, on peut se dépasser dans l’effort» (etwa: „Auch wenn man krank ist, kann man sich Mühe geben“)

Yagg 05.10.2010: Exclusif: Stéphane Vambre quitte ses fonctions de co-président d’Act Up-Paris
Yagg 06.10.2010: Démission de Stéphane Vambre, co-président d’Act Up-Paris: « Nos actions sont motivées par une colère de principe et non plus par une colère de malades »
Yagg 12.10.2010: Act Up-Paris réagit officiellement à la démission de Stéphane Vambre de ses fonctions de co-président
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Frankreich: bald generell HIV-Test?

Steht Frankreich vor einem Wechsel seiner Aids-Politik? Ein neuer, von der Tageszeitung ‚Libération‘ enthüllter Plan von Gesundheitsministerin Bachelot empfiehlt HIV-Tests für die gesamte Bevölkerung.

HIV-Tests stellen einen Schwerpunkt dar im neuen „Aids-Plan 2010 bis 2014“ der französische Gesundheitsministerin Bachelot. Der Plan wurde am 6. oktober 2010 von der französischen Tageszeitung ‚Libération‘ in einem Artikel enthüllt.

„Dies ist ein Kampf, der mich schon mein ganzes Leben begleitet. Ich habe nicht vor, einen weiteren nutzlosen Plan vorzulegen“, kommentierte Gesundheitsministerin Roselyne Bachelot:

„C’est un combat qui a accompagné toute ma vie. Je n’allais pas faire un énième plan qui ne serve à rien.“

Im Mittelpunkt des neuen Plans: ein HIV-Test der gesamten französischen Bevölkerung, allerdings auf freiwilliger Basis.

„Wir haben heute die Möglichkeit, die HIV-Epidemie zu stoppen“, erklärte Bachelot. „6 oder 7.000 Neu-Infektionen jedes Jahr sind einfach nicht hinnehmbar.“

Für einige Bevölkerungsgruppen, darunter insbesondere Homosexuelle, will Bachelot ein „besonders offensives Screening“ vorschlagen. Hierzu sollen schon in Kürze mehr als zehn „Community-Test-Zentren“ eingerichtet werden.

Ab Dezember sollen mit einer Informations-Kampagne alle Mitarbeiter im Gesundheitswesen sensibilisiert werden.

Teile des Aids-Plans waren bereits im Umfeld der Welt-Aids-Konferenz in Wien bekannt geworden, auch dass der Schwerpunkt auf HIV-Tests liegen solle. Der Aids-Plan beruht unter anderem auf den Empfehlungen eines Berichts von France Lert und Gilles Pialoux; dort wurde der Einsatz von HIV-Tests „als Mittel der Prävention“ empfohlen.

Zur Finanzierung des Aids-Plans stünden für den Zeitraum von fünf Jahren insgesamt eine Milliarde Euro zur Verfügung, so Bachelot.

Libération 06.10.2010: Sida : vers le dépistage général (kostenpflichtig)
Yagg 06.10.2010: Le dépistage généralisé au cœur du nouveau plan sida de Roselyne Bachelot
Gilles Pialoux et France Lert: „Prévention et réduction des risques dans les groupes à haut risque vis-à-vis du VIH et des IST“ (pdf)
Aids 06.10.2010: Alors que Roselyne Bachelot annonce les bonnes feuilles du futur plan national VIH, les députés de la majorité renvoient les malades mourir dans leur pays
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Kurz notiert … September 2010

29. September 2010: Der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria lässt seinen neuen Verwaltungssitz in Genf bauen, für 92 Mio. sFr. Die Fertigstellung ist für 2015 geplant.

Langwierige und kostspielige Bürokratie behindert in China eine adäquate medizinische Versorgung und Betreuung HIV-Positiver, so US-Forscher David Ho.

28. September 2010: Mit dem ‚Positive Justice Projectwendet sich erstmals ein landesweites Projekt in den USA gegen HIV-Positive kriminalisierende Gesetze. Das Projekt wurde gegründet vom ‚Center for HIV Law and Policy‚.

Francoise Barré-Sinoussi, Medizin-Nobelpreis-Trägerin und Mit-Entdeckerin des HIV, fordert in ‚Le Monde‘ für Frankreich Druckräume für Drogengebraucher: „Il est urgent d’ouvrir des centres d’injection supervisée de drogues“

27. September 2010: Mit dem Pharmahersteller Gilead hat erstmals ein Medikamenten-Hersteller im Aids-Bereich für noch Patent-geschützte Medikamente (hier: Atripla®, Truvada®) einen Rabattvertrag abgeschlossen, mit der AOK Berlin (gültig seit Juli 2010).

Robert Mugabe, diktatorischer Staatschef von Simbabwe, beabsichtigt die Einführung von HIV-Zwangstests im Land.

26. September 2010: Zukünftig soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Kostenübernahme für ein neues Medikament nur noch ablehnen können, wenn er dessen Unzweckmäßigkeit beweisen kann. Eine entsprechende als pharmafreundlich betrachtete Änderung plant die Bundesregierung.

20. September 2010: Das Mikrobizid ‚Pro2000‘, ein vaginal anzuwendendes Gel, hat in einer Studie keine Wirkung gezeigt.

18. September 2010: In Russland wurden Aids-Aktivisten verhaftet. Sie hatten gegen Versorgungsprobleme bei Aids-Medikamenten protestiert. Die Versorgungsprobleme haben bereits zu Therapie-Unterbrechungen geführt.

In einem Film über den an den Folgen von Aids verstorbenen Sänger der Gruppe ‚Queen‘  Freddy Mercury soll Sascha Baron Cohen (bekannt u.a. aus ‚Borat‘) die Hauptrolle übernehmen.

16. September 2010: HIV-positive Patienten hatten einen ähnlichen Verlauf wie HIV-Negative bei Infektionen mit H1N1 („Schweinegrippe„), berichten spanische Forscher.

US-Forscher berichten, dass inzwischen über ein Drittel der Fälle von Kaposi Sarkom bei HIV-Positiven mit mehr als 250 CD4-Zellen auftreten.

Die HIV-Prävention bei schwulen Männern in Frankreich benötigt neue Ansätze – die Neu-Diagnosezahlen sind hoch. Wissenschaftler des französischen Public Health Instituts behaupten, die HIV-Infektion sei bei schwulen Männern in Frankreich „außer Kontrolle“.

14. September 2010: Das Durchfallmittel Loperamid ist unter bestimmten Voraussetzungen wieder verordnungsfähig.

10. September 2010: Apotheken dürfen ihren Kunden in geringem Umfang Preisnachlässe auf verschreibungspflichtige Medikamente gewähren, urteilte der Bundesgerichtshof (Az. I ZR 193/07, 72/08 u.a.). Über die Frage, ob die deutscher Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente auch für im Ausland sitzende Internetapotheken gilt, wird der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe später befinden.

9. September: Die Bundesregierung plant offenbar, sich aus dem Global Fonds zur Bekämpfung von Aids. Tuberkulose und Malaria zurückzuziehen. Zahlreiche Organisationen protestieren.

8. September 2010:  Der US-Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS) erwirbt die Biotech-Firma Zymo Genetics für 885 Mio. US-Dollar. BMS will damit u.a. sein Portfolio an Substanzen gegen Hepatitis C stärken.

7. September: Bei der Entlassung des IQWIG-Chefs Peter Sawicki spielte auch das Bundeskanzleramt eine Rolle, berichtet SpON.

6. September 2010: Ein Drittel aller HIV-Positiven haben posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS). Darauf weisen britische Forscher hin.
Im Epidemiologischen Bulletin 35/2010 des Robert-Koch-Instituts (RKI) werden Ergebnisse zur Erarbeitung von Standards in der Prävention von sexuell übertragbaren Infektionen (STI) durch die Arbeitsgemeinschaft „Sexuelle Gesundheit“ vorgestellt.

4. September 2010: Dürfen Kliniken HIV-Patienten ambulant behandeln? Nein, sagt das Sozialgericht Hannover – und setzt damit einen Streit fort, der seit langem zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken entbrannt ist.

2. September 2010: „Wenn einer verantwortlich ist, dann bin ich das.“ Der Staatspräsident Kubas Fidel Castro bedauert die Hetze gegen Schwule in Kuba und übernimmt die Verantwortung. Zu einer etwaigen Entschädigung äußert er sich nicht.

Frankreich: HIV-Test-Zentren für Schwule

Die französische Gesundheitsministerin Bachelot plant, ab kommendem Jahr in Frankreich 10 Zentren für HIV-Tests einzurichten, die sich speziell an Homosexuelle wenden.

Roselyn Bachelot, die französische Gesundheitsministerin, plant Änderungen an der französischen Aids-Politik. Dies teilte sie am Rand der Welt-Aids-Konferenz in Wien mit.

Roselyne Bachelot-Narquin, französische Gesundheitsministerin
Roselyne Bachelot-Narquin, französische Gesundheitsministerin

Zwei wesentliche Elemente der von ihr geplanten Änderungen:
– vermehrte HIV-Testung der Allgemeinbevölkerung („renforcement du dépistage au sein de la population générale“), und
– zehn Homo-HIV-Test-Zentren ab 2011 und unter Beteiligung von NGOs („Sur des groupes plus ciblés, et en particulier les gays, je veux ouvrir, dès 2011, 10 centres de dépistage dans lesquels les associations interviendront“:
Diese Änderungen kündigte Bachelot in einem Interview mit der französischen Tageszeitung ‚Liberation‘ an. Bei den geplanten ‚Homo-HIV-Test-Zentren‘ seien allerdings noch einige rechtliche Fragen zu klären.

In Sachen HIV-Test sei ihr vorrangiges Ziel, zu entstigmatisieren, zu banalisieren.

Zur Frage von Drogen-Konsumräumen äußerte sich Bachelot zuzrückhaltend; man müsse sich zunächst mit den Beteiligten abstimmen. Ein Bericht des staatlichen Instituts INSERM (Institut National de la Santé Et de la Recherche Médicale) hatte sich jüngst für ‚Druckräume‘ ausgesprochen.

Vertreter von Aids-Organisationen zeigten sich enttäuscht von Bachelots Interview. „Ein Schritt vor, und frei zurück“, kommentierte ein Vertreter von Aides. Auch was die geplanten Test-Zentren angeht, zeigte er sich enttäuscht. man wolle nicht zum Kaffee-Kochen degradiert werden, sondern selbst Tests anbieten können.

In dem Interview kündigte Bachelot an, Frankreich werde sein finanzielles Engagement im internationalen Kampf gegen Aids mit jährlich 300 Millionen Euro fortsetzen. Hinzu kämen 160 Mio. € für UNITAID, die internationale Einrichtung zum Erwerb von Medikamenten gegen HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose.

weitere Informationen:
Liberation 19.07.2010: Bachelot : «Il faut banaliser le dépistage anonyme et gratuit»
Yagg 19.07.2010: Roselyne Bachelot: « Il faut banaliser le dépistage anonyme et gratuit »
ACT UP Paris 19.07.2010: Roselyne Bachelot-Narquin à Vienne
Yagg 19.07.2010: Vienne 2010: Les associations très déçues par l’interview de Roselyne Bachelot
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BMS reagiert auf Proteste

Versorgungs-Krise mit Didanosin? Zahlreiche Organisationen protestieren, der Pharmakonzern BMS wiegelt ab.

Der Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb plant, eine Fabrik in Frankreich zu schließen. In dieser wird eine Formulierung des Aids-Medikaments Videx® hergestellt, die insbesondere bei Babys und Kleinkindern eingesetzt wird. Experten befürchten durch die Schließung und Verlagerung der Produktion eine monatelange Versorgungskrise bis zur Wiederaufnahme der Produktion in den USA Mitte 2011..

Experten der Organisation UNITAID sowie zahlreiche Nichtregierungsorganisationen forderten daraufhin den Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS) auf, seine Fabrik in Frankreich nicht zu schließen. Die Versorgung mit einem wichtigen Aids-Medikament dürfe nicht unterbrochen werden.

ACT UP Paris protestierte am 23. Juni 2010 vor dem französischen Konzern-Sitz von BMS gegen die Schließung und das Verhalten des Konzerns.

23. Juni 2010 – ACT UP Paris protestiert gegen BMS (Foto: ACT UP Paris)

Inzwischen reagierte der Pharmakonzern BMS auf seiner Internetseite auf die Proteste. Das Unternehmen teilte mit, man sei zusammen mit allen Beteiligten engagiert dabei, für Patienten die Versorgungssicherheit zu garantieren. Es gebe derzeit eine angespannte Situation, aber keine Versorgungs-Unterbrechungen.

ACT UP Paris bezeichnete die Stellungnahme von BMS als wenig überzeugend. BMS bestätige vielmehr erneut seine Verachtung für die Belange von Menschen mit HIV und Aids.

weitere Informationen:
ACT UP Paris 29.06.2010: Videx : BMS ne convainc pas, mais confirme son mépris pour les malades du sida
ACT UP Paris 23.06.2010: 7000 enfants en danger de mort – Bristol Myers Squibb : profits criminels
BMS Frankreich 23.06.2010: Information concernant Videx® (Didanosine) et son changement de lieux de production
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Solidays – 3 Tage Festival gegen Aids

An diesem Wochenende finden in Paris die ‚Solidays‘ statt – ein dreitägiges Festival mit über 200 Künstlern, die sich gegen Aids und für Menschen mit HIV engagieren.

Paris Longchamps, 25. bis 27. Juni 2010 – drei Tage, 200 Künstler, über 80 Konzerte, über 200.000 erwartete Zuschauer. In Paris findet an diesem Wochenende ein Aids-Benefiz der besonderen Art statt, „für das Leben und für die Solidarität“.

Es soll wieder eine „erogene Zone der Solidarität“ werden, wie die Veranstalter das Konzert 2008 bezeichneten. 160.000 Zuschauer wohnten dem dreitägigen Spektakel damals bei.

Die ‚Solidays‘ wollen der finanziellen Krise zahlreicher Aids-Organisationen begegnen – in Frankreich reduzieren zahlreiche Kommunen und Departements ihre Unterstützung für Aids-Organisationen.

Solidays (Screenshot)
Solidays (Screenshot)

Die ‚Solidays‘ finden 2010 bereits zum zwölften Mal statt. Ins Leben gerufen wurden sie von der Organisation ‚Solidarité Sida‘ (Aids-Solidarität).

Seit ihrer Gründung konnten die ‚Solidays‘ bisher insgesamt 10,6 Millionen Euro erwirtschaften, die für HIV-Prävention sowie für die Unterstützung HIV-Positiver eingesetzt werden.

weitere Informationen:
solidays
Solidarité Sida
Tetu 24.06.2010: Solidays 2010: record d’affluence en vue pour le festival contre le sida
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Robert Badinter – oder die Würde der Menschen

„Es gibt kein ‚aber‘!“ – Mit diesen Worten steht Robert Badinter immer wieder ein für die Unbedingtheit des Verbots der Todesstrafe. 1981 hat Frankreich weitgehend ihm, damals Justizminister unter Mitterrand, die Abschaffung diskriminierender Gesetze gegen Homosexuelle zu verdanken.

Erst jüngst jährte sich in Deutschland ein beinahe schon vergessenes Jubiläum: am 11. Juni 1994 trat die Abschaffung des §175 in Kraft. Auch Frankreich hatte seine gegen Homosexuelle gerichteten Gesetze. Und einen Mann, der bei der Abschaffung dieser (und anderer) Gesetze eine besondere Rolle hatte: der weit über Frankreich hinaus für seinen Kampf für die Abschaffung der Todesstrafe bekannt gewordene Robert Badinter.

Zur Würdigung von Robert Badinter heute ein Gastbeitrag aus Frankreich von Manfred:

Robert Badinter – oder die Würde der Menschen.

Es gibt Momente, Eindrücke, die sich ein für allemal ins Gedächtnis eingraben: die außerordentliche Ansprache des französischen Justizministers Robert Badinter am 17. September 1981 vor der Nationalversammlung in Paris, in der er für die Abschaffung der Todesstrafe plädierte, gehört zu ihnen. Dass diese Rede „außerordentlich“ war, basierte nicht nur auf der ein für allemal einmaligen Persönlichkeit des Redners, sondern auch an dem Thema und der Heftigkeit der Debatten, von der wir uns heute nur schwer ein Bild machen können. *)

Dass ich dieser Persönlichkeit vor wenigen Wochen bei einem Spaziergang im Luxemburggarten in einer Wegbiegung geradezu in die Arme lief, war Anstoß, sich anderer seiner Engagements zur Verteidigung der Würde des Menschen, gleich in welcher Form, zu erinnern:

Robert Badinter Juni 2010
Robert Badinter im Jardin du Luxembourg, Paris, Juni 2010

Vor drei Jahren wurde der 25. Jahresstag gefeiert, an dem die von Präsident Mitterrand versprochene und von Robert Badinter eingeleiteten Wahl zur Abschaffung des unter dem Vichy-Regime herausgegebenen Gesetzes von der Nationalversammlung stattfand, das homosexuelle Verbindungen unter 21 Jahren mit Gefängnis von sechs Monaten bis zu drei Jahren und einer Geldstrafe von 6 bis 20.000 Franken bestrafte, während solche von Heterosexuellen nur unter 15 Jahren verboten waren.

Zwei Fakten nur, die den lebenslangen, er wurde 1928 geboren, nie nachlassenden Kampf eines Mannes -in anderem Zusammenhang würde man von einem „Gerechten – d’un juste“ sprechen- zur Erhaltung und zugunsten der Unantastbarkeit der Menschenwürde verdeutlichen.

In den darauf folgenden Jahren, in denen er u.a. auch von 1986 bis 1995 Präsident des Verfassungsrates war, und bis heute hat er nicht nachgelassen sich um Gesellschaftsfragen zu sorgen, aufmerksam zu verfolgen, welchen Lauf unsere Gesellschaft nimmt – oder welchen Entgleisungen sie ausgesetzt ist.

Er hat die von Frankreich offizielle Unterbreitung einer Erklärung vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen für die „Allgemeine Straffreiheit bei Homosexualität“ – „Pour une dépénalisation universelle de l’homosexualité » mitgetragen. Überhaupt: Fragen welche die „Sitten“ betreffen („les moeurs“ würde man in hier Frankreich sagen) finden bei ihm immer ein offenes Ohr.  So ist es nicht selten, ihn von Zeit zu Zeit in einem Fernsehinterview zu sehen, oder ihm in einer Gesprächsrunde im Radio zu begegnen, in der er vor Tagen von einem Journalisten als „le sage des sages“ –der Weise unter den Weisen- vorgestellt wurde. Bei Grundsatzfragen wie z.B. die Erhaltung der Menschenrechte, die Unantastbarkeit der Menschenwürde scheint für ihn keine Diskussion möglich zu sein. Und das ist gut so. In einem kürzlichen Fernsehgespräch über die Abschaffung der Todesstrafe wagte eine seiner Gesprächspartnerinnen ein: „Natürlich, sie haben Recht. Aber …“ Wie ein Peitschenhieb kam seine Unterbrechung: „Non, Madame, il n’y a pas de mais!“ – Nein, Madame, es gibt kein Aber !“ Ende der Diskussion.

Hier ein kurzer Auszug aus der Rede von Robert Badinter – und welch ein Redner! – am 20. Dezember 1981 anlässlich der Abstimmung über die Straffreiheit bei Homosexualität:

« Diese Versammlung kennt die Art von Gesellschaft, die immer von Willkür, von Eigenmächtigkeit, Intoleranz gekennzeichnet war. Der Fanatismus oder der Rassismus haben ständig Jagd auf die Homosexualität gemacht. Eine solche Diskriminierung, diese Unterdrückung sind unvereinbar mit den Prinzipien eines großen Landes der Freiheit wie das unsere. Es ist endlich an der Zeit sich bewusst zu werden, was Frankreich den Homosexuellen schuldet, wie allen anderen Bürgern in vielen Bereichen.

Monsieur – oserais-je un cher Monsieur? car vous êtes cher à mon coeur – Merci.

Manfred

*) Seine Bemühungen, sein regelrechter Kampf um die Abschaffung der Todesstrafe hat eigentlich schon 1972 (siehe: Wikipedia) begonnen.

** Unter seinen vielen Veröffentlichen befindet sich auch ein Buch über „Oscar Wilde – oder die Ungerechtigkeit“

Merci – vielen Dank an Manfred für diese Würdigung Robert Badinters‘ !

„Respektier mich wie ich bin!“ – Frankreich sensibilisiert afrikanische Migranten für Homophobie

Homophobie von und gegenüber Migranten – eine an in Frankreich lebende Migranten aus Afrika gerichtete Kampagne der staatlichen Gesundheitsbehörde thematisiert die Lebenssituation homosexueller Migranten und Hass und Gewalt.

Samba ist ein junger Afrikaner, der noch bei seinen Eltern lebt. Samba ist homosexuell. „Du bist nicht mehr mein Sohn. Raus aus meinem Haus!“ – mit diesen Worten wirft ihn sein Vater aus dem Elternhaus.

"Toi-même tu sais!" - Deux Frères, Screenshot
"Toi-même tu sais!" - Deux Frères, Screenshot

Samba möchte in Freiheit leben, sein Leben genießen, seine Homosexualität leben. Mit dem Schiff reist er nach Frankreich, Land der Freiheit – nur um dort zu entdecken, dass das Land der Menschenrechte alles andere ist als ein Paradies für Schwule. Gerade in dem Land, von dem er sich Freiheit versprach, begegnen ihm verbale Gewalt, ob direkt und aggressiv oder subtil (‚ich hab ja nichts gegen Homosexuelle, aber es gibt doch Grenzen …‘), aber auch offener Hass und Gewalt – Homophobie, auch von Menschen die wie er Migrant sind.

In dem Video „Deux Frères“ („Zwei Brüder“) fährt Samba mit seinem Bruder Dioré durch das nächtliche Paris, erinnert sich an wichtige und oft schmerzhafte Erfahrungen, erzählt seine Geschichte …

Das Homophobie unter Migranten aus Subsahara-Afrika thematisierende Video ist Teil der Kampagne „«Toi-même tu sais!» (Du weißt es selbst!). Diese Kampagne beschäftigt sich (bereits in der zweiten Staffel) u.a. in Videos und Magazinen mit Gesundheitsfragen bei in Frankreich lebenden Menschen aus (Subsahara-) Afrika: „Im Herzen der Vorstadt – zwischen Gesundheitsfragen und dem Leben im Viertel“.

Jede Folge thematisiert eine für Migranten aus Subsahara-Afrika wichtige Gesundheitsfrage oder für die Gesundheit risikoreiche Situation, versucht Lösungswege aufzuzeigen und Präventions-Botschaften zu transportieren. Produziert wird die Kampagne vom französischen ‚Institut national de prévention et d’éducation pour la santé‘ (Inpes), dem französischen Pendant zur BZgA in Deutschland.

weitere Informationen:
Video „Deux Frères“ der 2. Staffel der Kampagne „Toi-même tu sais!“
Internetseite Toi-même tu sais!
Tetu 15.05.2010: Vidéo: Une fiction pour sensibiliser les migrants africains à l’homophobie
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Frankreich: Schülerinnen und Schüler gegen Homophobie

„Homosexualität ist kein Problem, Homophobie ist eines“, mit diesem Slogan und einer Kampagne wendet sich die französische ‚Schülergewerkschaft‘ FIDL gegen Homophobie an französischen Schulen.

„Neger … schwul … Nutte … Lesbe …“  Zwei Jungs und zwei Mädchen fragen den Betrachter „Hast du ein Problem damit?“ Mit diesem Motiv und einigen weiteren startet die französische Schülerinnen- und Schüler-Organisation FIDL eine landesweite Kampagne gegen Homophobie an Gymnasien und höheren Schulen (lycée).

schwul, lesbisch - haste ein Problem damit? (ein Motiv der FIDL-Anti-Homophobie - Kampagne)
schwul, lesbisch - haste ein Problem damit? (ein Motiv der FIDL-Anti-Homophobie - Kampagne)

Vom 17. April bis 17. Juni sollen die Motive der Kampagne in Anzeigen landesweit erscheinen, parallel wurde eine Internetseite gestartet.

Junge Homosexuelle sehen sich immer noch mit Zurückweisungen und Aggressionen konfrontiert, betont FIDL. Vor Intoleranz werde man nicht weiter die Augen verschließen, Gleichheit leben unabhängig von Geschlecht oder sexueller Orientierung sei das Gebot. Aus diesem Grund habe man die Kampagne gestartet.

Homosexualität ist nicht das Problem, Homophobie ist es! (ein Motiv der FIDL-Anti-Homophobie - Kampagne)
Homosexualität ist nicht das Problem, Homophobie ist es! (ein Motiv der FIDL-Anti-Homophobie - Kampagne)

FIDL, „le syndicat lycéen“ wie sich die Organisation im Untertitel nennt, wurde 1987 als Fédération Indépendante et Démocratique Lycéenne gegründet. Sie entstand in Reaktion auf das damals geplante „Gesetz Devaquet“, mit dem u.a. Zugangsbeschränkungen an Universitäten eingeführt werden sollten. Der Gesetzentwurf wurde Ende 1986 zurückgezogen, Innenminister Alain Devaquet musste aufgrund der Massenproteste am 8. Dezember 1986 zurücktreten.

weitere Informationen:
homophobie.fidl.org
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schwuler surfen

Homophobie ist im Sport immer noch ein weit verbreitetes Problem. Nicht nur im Fußball, auch beim Surfen. Doch nun hat ein Franzose ein Internetportal für schwule und lesbische Surfer/innen gestartet.

Seit einigen Jahren jedoch scheint die Homophobie im Fußball ins Wanken zu geraten, wenn auch langsam. Zahlreiche Proficlubs haben inzwischen auch schwule Fanclubs. Einer von elf Fußballern ist schwul – und über das Coming-out eines schwulen Profi-Fußballers wird weiterhin viel spekuliert. Eine Dokumentation über Homosexualität im Fußball erhält den Grimmepreis. In Deutschland wie auch in Frankreich engagieren sich Fans und Offizielle uns sagen nein zu Homophobie im Fussball.

Fast scheint es, als gerate mit dem Fußball die letzte Domäne der Homophobie im Sport ins Wanken. Doch – wie sieht es aus beim Boxen, beim Rugby (außer nackten Rugby-Spielern) oder in der Formel 1? Oder – beim Surfen?

Frankreich hat entlang seiner zahlreichen Küsten viele Traumstrände zu bieten (und, nebenbei, auch viele besuchenswerte schwule Strände). Und Frankreich hat zahlreiche „Surf Spots“, Orte mit besonders guten Bedingungen für’s Wellenreiten, für  Surfen – ob Lacanau Océan, Hossegor oder Biarritz, um nur drei Beispiele zu nennen, die alle auch Plätze des internationalen ‚Surf-Zirkus‘ sind, mit ihren Wettbewerben, Championships etc.

Traumstrand

Braungebrannte junger Männer (und Frauen) lassen sich hier bewundern, gut gebaut, breitschultrig, wohl muskliert. Und doch – schon ein Besuch an Surf-Stränden, ein Beobachten einer der zahlreichen nationalen und internationalen Surf-Wettbewerbe wie z.B. der ‚Lacanau Pro‘ zeigt schnell: Surfen erweckt den Eindruck, eine Bastion wahrer Männlichkeit, ein Brennpunkt der Heterosexualität zu sein. Trotz aller gut gebauten Körper, kraftstrotzenden Männer, eng anliegenden Neopren-Kombis – von offen schwulen Männern und lesbischen Frauen weit und breit keine Spur.

Doch – dies soll sich nun ändern. Zumindest wenn es nach Thomas, einem schwulen Surfer geht. Er hat eine Internet-Community für schwule Surfer und lesbische Surferinnen gegründet – und schon kurz nach dem Start über 60 Teilnehmer/innen.

„Ich bin seit vielen Jahren Surfer,“ berichtet er im französischen Homo-Magazin Tetu. „Ich habe viel im Ausland gelebt, in Sydney und Los Angeles … Oft habe ich versucht, andere schwule Surfer kennen zu lernen, erfolglos.“ Dem wollte Thomas ein Ende bereiten – und gründete www.gaysurfers.net, eine Community für schwule Surfer und lesbische Surferinnen. Eine Site, die es (auch anonym) ermöglicht, Freundschaften zu knüpfen und Kontakte zu halten, Photos online zu stellen, Tipps auszutauschen.

Ob die Surf-Szene sehr homophob ist? Nun, schwer zu sagen, betont Thomas. Verschlossen ist sie auf jeden Fall. Über Sexualität wird wenig geredet, auch nicht unter den Hetero-Surfern. Und dass Homosexualität nicht gerade begrüßt werde, zeige schon die Geschichte zweier auch international bekannter Surfer (Cheyne Horan und Robbins Thompson, siehe ‚weitere Informationen‘ unten), die nach Bekanntwerden ihrer Homosexualität ihre Sponsoren verloren.

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weitere Informationen:
www.gaysurfers.net
Tetu 28.03.2010: Pour les surfeurs gays, c’est «vivons heureux, restons cachés»
Advocate 25.02.2008: In Search of Gay Surfers
The Free Library 1997: Beached by homophobia; how Robbins Thompson caught a wave of antigay sentiment and quit the professional surfing circuit
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Sag es wie du willst …

Wie gehe ich mit meine HIV-Status um? Sage ich es „ihm“ / „ihr“, dass ich HIV-positiv bin? Eine französische Kampagne macht eine  Vorschlag …

„Sag es, wie du willst – das wichtigste ist, drüber zu sprechen“

eine Präventionskampagne von SNEG (französischer Verband schwullesbischer Unternehmen) und CitéBeur (französische xxx-Video-Site)