UN-Generalversammlung zu HIV/Aids vom 8. bis 10. Juni 2011

Vom 8. bis 10. Juni 2011 findet in New York eine Generalversammlung der Vereinten Nationen statt, die sich ausschließlich mit HIV und Aids beschäftigt.

Die Vereinten Nationen entschieden am 10. Dezember 2010 mit ihrer Resolution A/Res/65/180, dass vom 8. bis 10. Juni 2011 eine erneute Generalversammlung der Vereinten Nationen speziell zu HIV und Aids stattfinden soll. Sie soll sich damit beschäftigen, welche Fortschritte im Kampf gegen Aids und in der Erreichung der 2001 und 2006 von den Vereinten Nationen formulierten Ziele erreicht wurden.

Spezielle Generalversammlungen der Vereinten Nationen (United Nations General Assembly Special Session, UNGASS) zu HIV und Aids fanden u.a. bereits 2001, 2006 und 2008 statt. Besondere Bedeutung kommt der Generalversammlung zu HIV und Aids vom 25. bis 27. Juni 2001 zu, die Aids als weltweites Problem anerkannte und die „2001 Declaration of Commitment on HIV/AIDS“ verabschiedete. Bei der Generalversammlung 2006 wurde eine „Political Declaration on HIV/AIDS“ verabschiedet.

Die Generalversammlung 2011 wird aus einem Plenar-Treffen sowie 5 Panel-Diskussionen zu speziellen Themen bestehen. Ziel der Generalversammlung zu HIV und Aids 2011 ist die Verabschiedung einer neuen Deklaration, die auf den beiden bisherigen Deklarationen aufbaut und handlungsorientiert aufzeigen soll, wie der Kampf gegen Aids über 2010 hinaus weiter geführt werden soll.

In den Monaten vor der Generalversammlung soll die Deklaration von den UN-Mitgliedsstaaten vorbereitet werden. Zur Vorbereitung soll zudem eine informelle interaktive Anhörung der Zivilgesellschaft stattfinden. An dieser eintägigen Veranstaltung, die für den 8. April 2011 geplant ist, sollen Menschen mit HIV aktiv beteiligt werden. Zur Organisation der Beteiligung der Zivilgesellschaft wurde eine ‚Civil Society Task Force‘ eingerichtet.

Zudem verlangt die UN in ihrer Resolution, dass eine Aufstellung relevanter Repräsentanten der Zivilgesellschaft erstellt wird, insbesondere auch von Organisationen von Menschen mit HIV und Aids.

Für eine etwaige Teilnahme an der Vollversammlung selbst oder am Civil Society Hearing wird eine spezielle Internetseite eingerichtet unter der Adresse http://esango.un.org/event/unaidsmeeting/.

weitere Informationen:
United Nations: Draft resolution submitted by the President of the General Assembly – Organization of the 2011 comprehensive review of the progress achieved in realizing the Declaration of Commitment on HIV/AIDS and the Political Declaration on HIV/AIDS (pdf)
United Nations: 2006 Political Declaration on HIV/AIDS (pdf)
United Nations: 2001 Declaration of Commitment on HIV/AIDS (pdf)
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Frankreich: kaum Missbrauch der kostenlosen Gesundheitsversorgung durch ‚Illegale‘

Die kostenlose Gesundheitsversorgung für Menschen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus in Frankreich wird kaum missbraucht. Dies ist das Ergebnis eines offiziellen Berichts der französischen Regierung.

Ein französischer Regierungsbericht kann keine Hinweise darauf feststellen, dass dem französischen Gesundheitssystem durch Betrug oder Missbrauch durch Menschen mit illegal(isiert)em Aufenthaltsstatus nennenswerter Schaden entsteht. Entsprechende Vorwürfe rechtsgerichteter französischer Politiker erweisen sich damit als weitestgehend substanzlos.

Die Berichterstatter wiesen im Gegenteil darauf hin, dass vorgeschlagene Einschränkungen in der Gesundheitsversorgung Illegaler sich bald als kontraproduktiv erweisen würden. Der Bericht war bereits Ende November 2010 dem Parlament vorgestellt worden, war zunächst jedoch nicht öffentlich verfügbar (um die Debatte um eine Reform nicht zu beeinflussen, wie Beobachter vermuteten).

Analyse de l'évolution des dépenses au titre de l'aide médicale d'Etat
Analyse de l'évolution des dépenses au titre de l'aide médicale d'Etat

Frankreich hat im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten weltweit ein klar festgelegtes und kodifiziertes System, mit dem Menschen mit illegal(isiert)em Aufenthaltsstatus (in Frankreich: „sans-papiers“, ‚Papier-lose‘) Zugang zu Gesundheitsversorgung erhalten. Dieses System (Aide Médicale d’Etat) greift für Menschen, die nachweisen, dass sie sich seit mindestens drei Monaten im Land befinden und dort leben, und deren Einkommen sehr niedrig ist (unter 634€ monatlich).

Sind diese Minimal-Bedingungen erfüllt, bekommt er/sie (sowie etwaige Familienangehörige) für ein Jahr Zugang zum französischen Gesundheitssystem; nach Ablauf des Jahres kann ein erneuter Antrag gestellt werden. Ärzte und Krankenhäuser bekommen die Behandlungs-Kosten direkt vom französischen Staat erstattet.
Etwa 220.000 Personen nutzen pro Jahr die ‚Aide Médicale d’Etat‘ (AME); dem Französischen Staat entstehen hierdurch jährlich Kosten in Höhe von ca. 546 Mio. € (Wert für 2009). Auch für viele Menschen mit HIV in Frankreich, die einen ungeklärten Aufenthaltsstatus haben, ist die AME von existentieller Bedeutung.

Die AME war unter Lionel Jospin 2000 eingeführt worden, vorher galt eine Regelung auf Departement-Ebene. Der derzeitige Staatspräsident Sarkozy hatte im Januar 2007 während des Präsidentschafts-Wahlkampfes versprochen, die unentgeltliche AME beizubehalten. Allerdings wurden vom französischen Parlament im November 2010 umfangreiche Änderungen debattiert, darunter eine jährliche Eigenleistung von 30 €.

Seit Jahren wird das System AME von rechtsgerichteten Politikern angegriffen. Sie weisen auf steigende Nutzerzahlen und steigende Ausgaben hin. Sie führten dies auf weitgehenden Missbrauch und fehlende Kontrollen zurück. Hierfür konnte der Regierungsbericht keine Anzeichen finden.

Aids-Organisationen wie Aides oder ACT UP Paris kritisierten den Regierungsbericht. ACT UP Paris veranstaltete am 11. Januar 2011 eine Email-Protest-Aktion. Der Bericht sei nur ein Feigenblatt, um von einer verheerenden Reform abzulenken, die letztlich das bestehende System demontiere.

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siehe auch: ondamaris / Bernd Aretz: Sans papiers darf nicht heißen sans sanitaire

weitere Informationen:
Informationen zu Bedingungen zur Aide Médicale d’Etat
Sida Info Service: L’Aide Médicale d’Etat (AME) – Rappels et nouveauté
Alain Cordier & Frédéric Salas: Analyse de l’évolution des dépenses au titre de l’aide médicale d’Etat (pdf)
ACT UP Paris 05.01.2011: Aide Médicale d’Etat : un rapport dissimulé pour une réforme dévastatrice
aidsmap 12.01.2011: France: minimal abuse of free healthcare for undocumented migrants; reforms will undermine public health
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Nationaler Aids-Beirat – quo vadis?

Der seit 1986 bestehende ‚Nationale Aids-Beirat‘ ist aufgelöst – und ein neuer wird derzeit berufen. Werden auch Menschen mit HIV beteiligt? Wird über, oder auch mit uns geredet?

Der ‚Nationale Aids-Beirat‘ konstituierte sich im Dezember 1986 zu Zeiten von Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth. Sein Ziel war es, die Bundesregierung in Fragen der nationalen Aids-Politik zu beraten. 23 (später bis 35) Experten verschiedener Disziplinen waren Mitglieder des Beirats, unter ihnen u.a. Prof. Martin Dannecker, Prof. Rolf Rosenbrock, Jan Leidel (Leiter Gesundheitsamt Köln), Prof. Reinhard Kurth und (seit 1998) Prof. Doris Schaeffer.

Martin Dannecker erläuterte im Januar 1987:

„Der Nationale Aids-Beirat ist eine Gruppe von Personen, die über Aids arbeitet und die Aufgabe hat, das Bundesgesundheitsministerium zu beraten und Vorschläge zu machen – auch zur Prävention. Es sind vor allem Mediziner in diesem Kreis, Virologen, Infektologen …“

Die wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags erläutern

„Der Nationale AIDS-Beirat besteht aus unabhängigen Sachverständigen, welche das Bundesministerium für Gesundheit bei Fragen bezüglich der Bekämpfung der Immunschwächekrankheit AIDS beraten. Rechtsgrundlage des Nationalen AIDS-Beirats ist die Koalitionsvereinbarung zu Beginn der 11. Legislaturperiode sowie ein Organisationerlass. Berufen werden die 23 Mitglieder des Beirats durch das BMG. Mitglieder können Personen aus allen relevanten gesellschaftlichen Gruppierungen sein, welche durch ihre berufliche Tätigkeit oder durch besondere Erfahrung qualifiziert erscheinen.“

Seit dem Jahr 2000 fanden nur drei (!) Sitzungen des ‚Nationalen Aids-Beirats‘ (NAB) statt, zuletzt im September 2006.

Der bisher bestehende ‚Nationale Aids-Beirat‘ wurde Ende Oktober 2010 von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler aufgelöst. Zur Begründung gab Rösler an, „neue Entwicklungen und Herausforderungen in der HIV/AIDS-Bekämpfung haben auch Auswirkungen auf die Aufgaben und Anforderungen an den Nationalen AIDS-Beirat“.

Der Bundes-Gesundheitsminister beruft derzeit bereits Mitglieder für einen neuen ‚Nationalen Aids-Beirat‘. Zu den Mitgliedern soll u.a. Prof. Dominik Groß (Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, RWTH Aachen) gehören.

Ob Gesundheitsminister Rösler auch Menschen mit HIV als Positiven-Interessenvertreter und -Experten in den neuen Nationalen Aids-Beirat beruft, ist nicht bekannt.
Eine Einbindung HIV-Positiver entspräche dem GIPA-Prinzip, Menschen mit HIV in die sie betreffenden Entscheidungen mit einzubeziehen – ein Prinzip, das von der Bundesregierung bereits 1994 auf dem Pariser Aids-Gipfel unterzeichnet wurde.

Aktualisierung 06.01.2011, 15:30 / 17:30:
Nationaler Aids-Beirat: demnächst Neu-Konstituierung – Chance zu Neu-Start mit Aidshilfen- und Positiven-Interessenvertretung vertan

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weitere Informationen:
Deutscher Bundestag Wissenschaftliche Dienste / Dr. Birgit Schröder 15.09.2010: Beratungsgremien bei der Bundesregierung und im Bundestag (pdf)
Erklärung von Paris – nichtamtliche Übersetzung
Paris Aids Summit – Paris Declaration
HIV&more 04/2010: Nationaler Aids-Beirat aufgelöst (pdf)
Spiegel 12.01.1987: Aids: Sex-Verbot für Zehntausende?
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Welt- Gesundheits- Organisation WHO von Pharmakonzernen ausspioniert?

Sind Arbeitsdokumente einer Arbeitsgruppe der Welt-Gesundheitsorganisation WHO zu innovativen Wegen der Finanzierung medizinischer Forschung illegal an Pharmakonzerne gelangt? Von Wikileaks enthüllte Dokumente deuten darauf hin.

Eine interne Arbeitsgruppe der Welt-Gesundheitsorganisation WHO befasste sich mit innovativen Wegen, medizinische Forschung zu finanzieren. Hintergrund ist auch der steigende Bedarf weniger entwickelter Staaten an Zugang zu bezahlbaren Medikamenten.

Von Wikileaks enthüllte Dokumente scheinen einem Bericht von „Intellectual Property Watch“ zufolge nun zu zeigen, dass interne Arbeitspapiere dieser WHO-Gruppe betroffenen Pharmakonzernen zur Verfügung standen, vermutlich über den Interessenverband Internationale Vereinigung der Pharmakonzerne (International Federation of Pharmaceutical Manufacturers and Associations (IFPMA)).

Die Meldung vom 10. Dezember 2010 beginnt

„Confidential documents related to the World Health Organization Expert Working Group on innovative financing for research and development surfaced today, revealing the group’s thinking as well as pharmaceutical industry thinking about the WHO process. The documents immediately raised concern about possible undue access to the process by industry; the WHO told Intellectual Property Watch the industry group was not supposed to have the documents.

The documents appear to have come from the International Federation of Pharmaceutical Manufacturers and Associations (IFPMA), and include draft reports on innovative financing mechanisms from the working group as well as an analysis by the IFPMA on the reports’ contents. They were released on Wikileaks, a website that anonymously publishes sensitive documents“

Der zuständige WHO-Direktor betont, die Dokumente der Arbeitsgruppe seien nicht für den Pharma-Verband bestimmt gewesen und diesem auch nicht übergeben worden:

„IFPMA was not supposed to have working drafts of the expert working group in their possession and they were not given these documents,” said Precious Matsoso, director of Public Health Innovation and Intellectual Property (PHI) at the WHO, under whose auspices the expert working group falls.“

Die „Expert Working Group on R&D financing “ der Welt-Gesundheitsorganisation WHO arbeitet innerhalb der Abteilung ‚Public Health, Innovation and Intellectual Property‘. Ihre Aufgabe beschreibt sie

„This group will examine current financing and coordination of research and development, as well as proposals for new and innovative sources of funding to stimulate research and development related to Type II and Type III diseases and the specific R&D needs of developing countries in relation to Type I diseases.“

„The final report of the expert group will be presented to the Health Assembly in May 2010.“

weitere Informationen:
wikileaks / Artikel von ‚Intellectual Property Watch‘: Big Pharma caught spying on the WHO
wikileaks: Big Pharma inside the WHO: confidential analysis of unreleased WHO Expert Working Group draft reports, 8 Dec 2009 (mit Links zu den einzelnen Dokumenten auf mehreren Spiegeln von wikileaks)
WHO Expert Working Group on R&D financing
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[via ATN 14.12.2010]

Behindertenausweis bald EU-weit anerkannt?

Bisher endet Europa für Behinderte meist schon an der nächsten Grenze. Doch dies will die EU-Kommission nun ändern – Behindertenausweise sollen bald EU-weit anerkannt werden.

Für Behinderte hört Europa bisher oft noch an den nationalstaatlichen Grenzen auf. Wer in Deutschland als Schwerbehinderter anerkannt ist, ist dies noch längst nicht in einem anderen EU-Staat.

Eine einzige Ausnahme existiert bereits: EU-weit  werden Behinderten-Parkausweise anerkannt. Allerdings nur, wenn sie ab dem 1.1.2001 ausgestellt wurden – die vor 1.1.2001 ausgestellten Parkausweise für Behinderte verlieren Ende des Jahres 2010 ihre Gültigkeit.

Ansonsten aber heißt es bisher an den Grenzen: der Schwerbehindertenausweis wird ab hier nicht anerkannt. Dies kann für Behinderte weitreichende Folgen haben: die Begleitperson z.B., die -sofern das Kennzeichen „B“ vorliegt- im Zug unentgeltlich mit befördert wird, muss ab der Grenze bezahlen. Die Freifahrt im Nahverkehr endet an der Grenze – selbst wenn das Ziel dahinter liegt. Vor allem: der Schutz, den sie z.B. im Arbeitsrecht genießen, gilt ab Grenze nicht mehr.

Wesentlicher Grund dafür, dass EU-weit anerkannte einheitliche Schwerbehindertenausweise bisher fehlen: in den Mitgliedsstaaten werden sehr unterschiedliche Kriterien und Verfahren zur Anerkennung als Schwerbehinderter angewandt.

Doch nun will die EU diesen in Zeiten von Reisefreiheit und Grenzübertritt ohne Kontrollen seltsam „von gestern“ anmutenden Zustand ändern. Sie plant in einem ersten Schritt, Behinderten-Ausweise EU-weit anzuerkennen.  Dies teilte EU-Kommissarin Viviane Reding am 15. November 2010 mit.

EU-Kommissarin Viviane Reding (Photo: EU-Kommission)
EU-Kommissarin Viviane Reding (Photo: EU-Kommission)

Die geplante EU-weite Anerkennung von Behinderten-Ausweisen ist Teil des Zehn-Jahres-Planes, um die Rechte von Behinderten EU-weit zu stärken und ihre Lebenssituation zu verbessern. In diesem Plan formuliert die EU-Kommission:

„Für die ersten fünf Jahre werden folgende Ziele angestrebt:
* Ausarbeitung politischer Strategien für hochwertige integrative Bildung;
* schwerpunktmäßige Ausrichtung der Europäischen Plattform zur Bekämpfung der Armut auf Menschen mit Behinderungen. In dem Forum tauschen sich Sachverständige über bewährte Verfahren aus und berichten über ihre Erfahrungen;
* Anerkennung von Behindertenausweisen in der gesamten EU, um Gleichberechtigung am Arbeitsplatz, zu Hause und auf Reisen zu gewährleisten;
* Entwicklung von Normen für barrierefreie Wahllokale und Wahlwerbung;
* Berücksichtigung der Rechte von Menschen mit Behinderungen in Außenhilfeprogrammen und in Programmen für EU-Kandidatenländer.“

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weitere Informationen:
Zehnjahresstrategie für ein barrierefreies Europa
EU-Strategie für Menschen mit Behinderungen (2004–2010) (pdf)
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Krankenversicherung Schweiz: ‚Selbstzahler‘ (nicht nur mit HIV) vor Problemen

Selbstzahler-Tarife bereiten Patienten, auch HIV-Positiven, in der Schweiz Probleme – plötzlich stehen sie vor hohen Medikamenten-Rechnungen von mehreren Tausend Franken. Krankenversicherer geraten in Verdacht, sich auf diese Weise ihrer ‚teuren‘ Versicherten entledigen zu wollen.

„Das macht dann 7.500 Franken“, spricht der freundliche Apotheker und lächelt. Er kann ja nichts dafür – dass der Patient, der gerade seine HIV-Medikamente bei ihm abholt, bei einem Krankenversicherer ist, der einen ‚Selbstzahler-Tarif‘ hat. Der HIV-Positive hingegen steht vor einem Problem: woher eben auf die Schnelle 7.500 Franken nehmen?

So könnte es für einen HIV-Positiven in der Schweiz ab 1. Januar aussehen. W.B., wie ihn der Tagesanzeiger nennt, ist in einer Krankenversicherung, die ihren Tarif ab kommendem Jahr auf Selbstzahler umstellt. Die Folge: in der Apotheke wird er seine (hochpreisigen) Aids-Medikamente zukünftig zunächst selbst bezahlen müssen, bevor er die Rechnung dem Versicherer zur Erstattung einreicht – und wartet, bis das Geld bei ihm eingeht, genannt werden drei Wochen als Bearbeitunsgzeit.

Die betreffende Krankenkasse begründet ihre Umstellung damit, man wolle „die Eigenverantwortung der Patienten fördern“. Experten vermuten andere Beweggründe: Kostensenkung. Oder das Vergraulen „teurer“ Patienten.

Das Blog ‚Pharmama‘ nennt inzwischen bereits sechs Krankenkassen, die in der Schweiz auf derartige Selbstzahler-Tarife umgestellt haben. In der Schweiz ist eine grundlegende Krankenversicherung gesetzlich Pflicht, ergänzbar um freiwillige Zusatzversicherungen. Zahlreiche private Anbieter konkurrieren. Die Beiträge sehen i.d.R. eine Kostenbeteiligung der Patienten vor.

In der Gesundheitspolitik (insbes. französischsprachiger Länder und der Schweiz) werden derartige Selbstzahler-Tarife auch als ‚tiers garant‘ oder TG bezeichnet. Der Versicherer (tiers = Dritter, hier: Krankenversicherung) garantiert (grant) die Kostendeckung bei diesen TG-Tarifen, der Versicherte zahlt aber zuerst selbst, bekommt anschließend erstattet – ggf. nach Abzug einer Selbstbeteiligung. TG-Tarife stehen im Gegensatz zu ‚tiers payant‘ – Tarifen (TP), bei denen Arzt und Apotheker direkt mit der Kasse abrechnen (wie in Deutschland bei der gesetzlichen Krankenversicherung bisher üblich).

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Auch in der deutschen Gesundheitspolitik wird die Einführung von Selbstzahler-Tarifen überlegt. Der Bericht aus der Schweiz zeigt eindrücklich, dass Patienten (insbesondere auch chronisch Kranke) hier wachsam sein sollten. Das Beispiel macht bewusst, was es in der Praxis bedeuten kann, wenn Politiker vermeintlich „die Eigenverantwortung der Patienten fördern“ wollen.

Erfahrungsberichte aus der Schweiz zu Selbstzahler-Tarifen kommen oft zu einem einfachen Schluss, wie ein Beispiel des Präsidenten der Ärztegesellschaft Solothurn zeigt: „Der Tiers payant wird von den Versicherern bevorzugt, der Tiers garant von der Ärzteschaft.“

Und die Patienten? Die stehen zwischen allen Stühlen und im Zweifelsfall vor großen Problemen. Sie werden laut Ärztepräsident „von beiden Seiten mit Informationsmaterial eingedeckt – und, wie entsprechende Fragen am Ende der Sprechstunde immer wieder zeigen, haben viele von ihnen Mühe, dieses Problem richtig zu verstehen und zu werten.“

weitere Informationen:
Tagesanzeiger 20.10.2010: Wie eine Krankenkasse ihre teuren Patienten vergrault
Pharmamas Blog 20.10.2010: Wie eine Krankenkasse ihre (teuren) Kunden vergrault
Christoph Ramstein, Präsident der Gesellschaft der Ärztinnen und Ärzte
des Kantons Solothurn (GAeSO): Tiers garant versus Tiers payant –
Dichtung und Wahrheit (pdf)
Aids-Hilfe Schweiz 16.11.2010: Krankenkasse wechseln lohnt sich für viele HIV-Positive
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Resolution der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. zur Gesundheits- und Sozialpolitik der Bundesregierung

Die Mitgliederversammlung der Deutschen Aids-Hilfe (DAH) am 10. Oktober in Kassel hat die aktuellen Entwicklungen in der Gesundheits- und Sozialpolitik mit Ablehnung zur Kenntnis genommen. Dazu erklärt der Vorstand der DAH:

Die Lebenssituationen von Menschen mit HIV sind in Deutschland heute sehr unterschiedlich. Schätzungsweise zwei Drittel der HIV-Positiven arbeiten – so wie viele andere Menschen mit chronischen Krankheiten auch. Andere Positive hingegen sind auf Transferleistungen angewiesen – sei es aufgrund ihrer Infektion oder aus anderen Gründen (z.B. Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit oder fehlender Arbeitserlaubnis). Eine HIV-Infektion ist für die/den Betroffenen häufig nicht nur eine gesundheitliche, sondern auch eine starke soziale Belastung, die nicht jede/r problemlos abfedern kann. Menschen mit chronischen Krankheiten benötigen eine höhere finanzielle Unterstützung, um die drastischen Zuzahlungen bei medizinischer Versorgung sowie die vielen weiteren krankheitsbedingten Mehrbedarfe wie z.B. erhöhte Energiekosten, Fahrtkosten zum Arzt, gesundheitsfördernde Ernährung bezahlen zu können. Die Kostensteigerungen z. B. bei Energie und Zuzahlungen einerseits und die stagnierenden Regelleistungen andererseits treiben viele in die Armut.

Die sogenannten Reformpläne der Bundesregierung zum Gesundheitssystem, das „Sparpaket“ und die Änderungen bei den „Hartz IV“-Regelungen werden von der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. (DAH) mit großer Sorge und Empörung betrachtet: Die medizinische Versorgung von HIV-Positiven verbessert sich zwar stetig, die soziale Entwicklung hält dem nicht stand – im Gegenteil: die Situation verschlechtert sich zusehends. Die Mehrbelastungen von chronisch Kranken sind nicht hinnehmbar. Die Regelsätze reichen schon jetzt nicht aus: Wichtige Leistungen (z.B. Mehrbedarf für eine krankheitsbedingte Ernährung) wurden gestrichen. Dabei ist eine notwendige gesunde Ernährung durch den Anteil für Ernährung im Regelsatz nicht möglich.

Zusatzbelastungen, wie sie durch die sog. kleine Kopfpauschale auf alle Versicherten zukommen, treffen Menschen mit niedrigen Einkommen und in den Grundsicherungssystemen (Hartz IV und Grundsicherung bei Erwerbsunfähigkeit und Alter) doppelt. Die DAH lehnt diese Entwicklung ab.

Die Bundesregierung muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass chronisch Kranke am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Mängel bestätigt und eine Überprüfung angeordnet. Die nun von der Bundesregierung vorgelegten Änderungen der Regelsätze erfüllen diesen Auftrag nach Einschätzung der Deutschen AIDS-Hilfe nicht.
Die Deutsche AIDS-Hilfe fordert Parlament und Regierung daher zum Handeln auf:
– Deutliche Anhebung der Regelsätze für alle Empfänger von Transferleistungen.
– Finanzieller Ausgleich für die Mehrbelastung chronisch Kranker.
– Stopp der unsozialen Kopfpauschale.

Unsere Mitgliedsorganisationen, Freundinnen und Freunde rufen wir auf, die Petition des Deutschen Gewerkschaftsbundes gegen die sog. Kleine Kopfpauschale zu unterstützen. (www.stoppauschale.de) und sich den Protesten gegen den Sozialabbau anzuschließen.

(Meldung der Deutschen Aids-Hilfe)

WHO, UNICEF & UNAIDS: internationale Anstrengungen gegen Aids müssen intensiviert werden

Im Jahr 2009 wurden bedeutende Fortschritte dabei erzielt, den Zugang zu HIV-Prävention und -Therapie zu verbessern. Dennoch sei eine weitere Intensivierung erforderlich, betonen UNAIDS, WHO und UNICEF in einem gemeinsamen Bericht.

In zahlreichen Staaten mit niedrigem oder mittlerem Einkommen, darunter einigen mit sehr hohen HIV-Infektionszahlen, konnte 2009 der Zugang zu HIV-Prävention und antiretroviraler Therapie deutlich verbessert werden. Dies stellt der Bericht fest, der den Fortschritt des Kampfes gegen Aids in 144 Staaten mit niedrigem oder mittlerem Einkommen untersucht.

Dies zeige einmal mehr, dass das Ziel des „universal access“ (universeller Zugang zu Prävention und Therapie) möglich und erreichbar sei. Global allerdings sei die Erreichung dieses Zieles weiterhin in großer Ferne – schon aus diesem Grund sei es erforderlich, dass die Staatengemeinschaft an ihren Anstrengungen im Kampf gegen Aids festhalte und diese intensiviere.

„Wir sind auf dem richtigen Weg, sollten dort weitergehen, allein – uns fehlen 10 Milliarden US-$“, betonte der stellvertretende UNAIDS-Direktor Dr Paul De Lay. „Bei der Wiederaufffüll-Konferenz [für den Zeitraum 2011 – 2013] zum Globalen Fonds nächste Woche in New York haben wir die Chance für eine sinnvolle Investition und Sicherstellung des Kampfes gegen Aids.“

Towards universal access: Scaling up priority HIV/AIDS interventions in the health sector
Towards universal access: Scaling up priority HIV/AIDS interventions in the health sector

Der am 28. September 2010 vorgestellte Bericht ist bereits der vierte in einer Reihe von Fortschritts-Berichten.

WHO, UNICEF, UNAIDS: „Towards universal access: Scaling up priority HIV/AIDS interventions in the health sector“
Zusammenfassung (pdf, 1,57 MB)
Bericht in Kapiteln hier

bisherige Berichte:
2009 progress report
2008 progress report
2007 progress report
2006 progress report
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siehe auch:
SZ 29.09.2010: UN-Bericht zu HIV und Aids – Langsamer Fortschritt
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GKV-Finanzierungsgesetz benachteiligt Menschen mit Behinderung

Das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz) benachteiligt Menschen mit Behinderung. Aus diesem Grunde hat der Bundesgeschäftsführer der BAG SELBSTHILFE, Dr. Martin Danner, am 14. September 2010 einen Brief an Hubert Hüppe, den Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, geschrieben. Darin fordert Dr. Danner den Behindertenbeauftragten auf, sich dafür einzusetzen, dass Menschen mit Behinderung von der Entrichtung von Zusatzbeiträgen ausgenommen werden.

Mit dem GKV-Finanzierungsgesetz sucht die Bundesregierung den Einstieg in eine durch Zusatzbeiträge finanzierte gesetzliche Krankenversicherung. Menschen mit einem geringen oder gar keinem Einkommen sollen einen automatischen Sozialausgleich erhalten. Dieser soll letztendlich dadurch erfolgen, dass Sozialleistungsträger die Zusatzbeiträge an die gesetzliche Krankenversicherung überweisen. Der Sozialausgleich soll jedoch auf einen jährlich vorab bestimmten durchschnittlichen Zusatzbeitrag beschränkt sein.

Tatsache ist, dass sehr viele Menschen mit Behinderung auf Transferleistungen wie die Eingliederungshilfe oder ALG II angewiesen sind. Für diese Menschen wären die nun vorgesehenen Regelungen nicht nur diskriminierend, sondern hätten auch unzumutbare Konsequenzen hinsichtlich ihrer Versorgung. Da die Beitragszahlung auf den durchschnittlichen Zusatzbeitrag beschränkt wäre, hätten diese Menschen aufgrund ihrer Behinderung keinen Zugang mehr zu allen gesetzlichen Krankenkassen. Zudem ändert sich das Niveau der Zusatzbeiträge ständig. Dies hat zur Folge, dass Menschen mit Behinderungen unter Umständen jährlich die Krankenkasse wechseln müssen, was gerade bei komplexen Krankheitsbildern zu gravierenden Nachteilen und zu einem unzumutbaren Papierkrieg führen würde.

Weiter wäre Menschen mit Behinderung der Zugang zu kassenspezifischen Angeboten aus Rabattverträgen, kassenindividuellen Hilfsmittelverträgen, Verträgen der integrierten Versorgung, bestimmten Reha-Einrichtungen und zu Satzungsleistungen bestimmter Kassen verschlossen. Dies ist insbesondere deshalb unangemessen, weil gerade solche Krankenkassen behinderungsadäquate Leistungen anbieten werden, die im Kassenwettbewerb auf Versorgungsqualität und nicht auf einen Billigbeitrag setzen.

Schließlich ist zu befürchten, dass die Kostenträger, insbesondere die Kommunen, diejenigen Beträge nicht mehr für die Versorgung und Förderung von Menschen mit Behinderungen ausgeben werden, die sie für die Bereitstellung der Beiträge für die GKV aufwenden müssen. Auch unter diesem Gesichtspunkt droht eine erhebliche Verschlechterung der Versorgungssituation von Menschen mit Behinderungen.

Aus den vorstehenden Gründen hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bislang die entsprechenden Passagen des GKV-Finanzierungsgesetzes für die anstehenden Kabinettsberatungen nicht mitgetragen. Der Bundesgeschäftsführer der BAG SELBSTHILFE bat Hubert Hüppe in dem Schreiben vom 14. September dringend, sich in seiner Position als Behindertenbeauftragter der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass Menschen mit Behinderungen von der Entrichtung von Zusatzbeiträgen ausgenommen werden oder dass zumindest die Kostenträger verpflichtet werden, nicht nur den durchschnittlichen Zusatzbeitrag, sondern den kassenindividuellen Zusatzbeitrag zu entrichten. Die Kommunen müssten jedoch dann entsprechende Kompensationsleistungen erhalten, erklärte Dr. Martin Danner.

(Pressemitteilung der BAG Selbsthilfe)

Selbsthilfe und Pharma-Sponsoring – Materialsammlung

Selbsthilfe und Sponsoring stehen in einem Spannungsverhältnis. Einem potentiell gefährlichen Spannungsverhältnis, das insbesondere aus der Erwartung nach Nutzen für den Sponsor rührt. Besonders problemträchtig wird dieses Spannungsfeld, wenn es sich um Selbsthilfe und Gesundheit handelt – wie dies bei Aids-Hilfe oder Positiven-Selbsthilfe der Fall ist.

Sponsoring ist im Gegensatz z.B. zum Mäzenatentum nicht interessenfrei. Ein Mäzen unterstützt eine Organisation, ein Projekt ohne Forderung nach einer direkten Gegenleistung, insbesondere keine geschäftliche Nutzenerwartung. Genau dies ist ein wesentlicher Unterschied zum Sponsoring: bei Sponsoring erfolgen finanzielle Leistungen verbunden mit der Erwartung, eine Gegenleistung zu erhalten, die dem geschäftlichen Nutzen dient (z.B. einen Marketing-Nutzen).

Nicht erst seit Pharmakonzerne dazu übergegangen sind, Groß-Veranstaltungen wie CSDs zu sponsern, stellt sich die Frage, wie mit diesem Konflikt-Potential umgehen, nicht nur im Bereich von Aidshilfe und Positiven-Selbsthilfe, sondern auch im Bereich der Schwulen- und Lesbenorganisationen.

Wie weit darf Sponsoring gehen? Wie geht man mit Nutzenerwartungen des Sponsors um? Wo sind Grenzen? Ist ein ‚faires Gleichgewicht‘ zwischen einem Konzern mit all seinen (nicht nur Marketing-) Ressourcen und einer meist eher knapp ausgestatteten Selbsthilfe-Gruppe überhaupt möglich? Wie kann die Gratwanderung zwischen eigenen Bedürfnissen (i.d.R. finanzieller Natur) und Fragen wie Moral, Glaubwürdigkeit, Neutralität gelingen?

Die Fragen sind nicht neu; bisherige Versuche eine Antwort zu finden können helfen, das eigene Verhalten zu überprüfen und den eigenen Umgang mit Sponsoring zu verbessern. Eine Material-Sammlung:

Richtlinien und Informationen zum Umgang mit  Pharma-Sponsoring aus dem Bereich der Selbsthilfe

BAG Selbsthilfe und Paritätischer Wohlfahrtsverband: Leitsätze der Selbsthilfe für die Zusammenarbeit mit Personen des privaten und öffentlichen Rechts, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen, insbesondere im Gesundheitswesen (diese Leitsätze wurden auch von der DAH Deutschen Aidshilfe unterzeichnet)

Deutscher Aids-Hilfe: Leitsätze zur Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie

BAG Selbsthilfe: Unabhängigkeit der Selbsthilfe: Monitoring- Ausschüsse legen 2. Jahresbericht vor

Der Paritätische: Sponsoring (pdf)

Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V.: Gemeinsame Empfehlung zur Förderung der Selbsthilfe, Überarbeitungs-Entwurf, 18.03.2010

„Selbsthilfegruppen: unabhängig trotz Industriesponsoring?“ Interview (2008) mit Professor Englert, Vorsitzender der Deutschen ILCO (html)

Informationen Dritter

Ersatzkassen und ihre Verbände (Hg.): Ungleiche Partner – Patientenselbsthilfe und Wirtschaftsunternehmen im Gesundheitssektor (pdf)

Dr. med. Kirsten Schubert, Prof. Dr. rer. nat. Gerd Glaeske: Einfluss des pharmazeutisch-industriellen Komplexes auf die Selbsthilfe, November 2006 (pdf)

Zeit 17.12.2006: Martina Keller: Patient gesucht – Pharmakonzerne entdecken Selbsthilfeorganisationen als lukrativen Vertriebsweg

Zeit 19.05.2005: Martina Keller: Pharmaindustrie – Geben und einnehmen

Erika Feyerabend: Problematische Partnerschaften – Selbsthilfegruppen
und die Pharmaindustrie, März 2005  (pdf)

Theodor-Springmann-Stiftung: „Korrupt oder korrekt: wie bleibt die Selbsthilfe unabhängig?“, Tagungsband zur Fachtagung am 27. April 2007 im Rathaus Schöneberg von Berlin (Bestellung)

Richtlinien und Informationen zum Umgang mit Pharma-Sponsoring aus dem Bereich der Pharma-Industrie

EFPIA (European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations): Code of Practice on Relationships between the Pharmaceutical Industry and  Patient Organisations, 05.10.2007 (pdf)

Verein „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V.“: FSA-Kodex zur Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen („FSA-Kodex Patientenorganisationen“), 13.06.2008 (pdf)

Verband forschender Arzneimittel-Unternehmen 06.10.2003: Grundsätze des vfa bei der Zusammenarbeit mit Patienten-Selbsthilfegruppen

(Die Materialsammlung beruht in Teilen auf der Zusammenstellung „Selbsthilfe und Sponsoring“ der NAKOS Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen – danke an Silke Eggers für den Hinwies!)

Mehr statt weniger – Ärzte ohne Grenzen macht mit Aktion auf Finanzierungslücken der Gesundheitsversorgung in ärmeren Ländern aufmerksam

Am Donnerstag, dem 9. September 2010, macht Ärzte ohne Grenzen mit einem Aktionstag in Berlin auf die fatalen Folgen der Unterfinanzierung von globalen Gesundheitsaufgaben aufmerksam. Anlass sind die beabsichtigten Kürzungen der Mittel zum Globalen Fonds durch die Bundesregierung. Vor dem Bundeskanzleramt wird Ärzte ohne Grenzen am Donnerstagmorgen ein Behandlungszelt aufschlagen, wie es die Organisation in ihren Projekten nutzt. Gleich darauf wird das Zelt wegen Haushaltskürzungen wieder geschlossen. Symbolisch werden sich Menschen vor dem Zelt in eine Warteschlange einreihen und vergeblich auf lebensnotwendige Medikamente warten.

Der Globale Fonds ist das wichtigste Finanzierungsinstrument im Kampf gegen die drei großen Infektionskrankheiten Aids, Tuberkulose und Malaria. Seit seiner Gründung im Jahr 2002 konnten durch den Fonds insgesamt 4,9 Millionen Menschenleben gerettet werden. Eine Kürzung der Mittel für den Fonds hätte zur Folge, dass wichtige Programme zur Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose geschlossen werden müssten und lebensnotwendige Hilfe Millionen von Menschen vorenthalten würde.

Ärzte ohne Grenzen fordert Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der Aktion auf, dafür zu sorgen, dass von den Kürzungsplänen des Entwicklungsministeriums Abstand genommen wird. Die Mittel für den Fonds müssen erhöht, nicht gesenkt werden.

(Pressemitteilung Ärzte ohne Grenzen)

Bundessozialgericht: Hygiene-Mehrbedarf für HIV-Positive

Ein HIV-positiver Kläger konnte sich vor dem Bundessozialgericht durchsetzen: der vom Träger der Grundsicherung abgelehnte Mehrbedarf für Hygien sei rechtens – zuständig sei allerdings der Träger der Sozialhilfe (hier: das Land Berlin). Über die konkrete Höhe des Mehrbedarfs muss nun eine Verwaltungsentscheidung befinden.

Das Gericht verurteilte den Träger der Sozialhilfe, „die Kosten des Hygienebedarfs des an AIDS erkrankten Klägers zu tragen“. Das Bundessozialgericht teilte in einer Pressemitteilung mit:

„Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hat am 19. August 2010 in dem Verfahren B 14 AS 13/10 R entschieden, dass die Kosten des Hygienebedarfs eines an AIDS erkrankten Leistungsempfängers nach dem SGB II in vergangenen Zeiträumen vom Träger der Sozialhilfe und nicht vom Grundsiche­rungsträger zu tragen waren. In der Zukunft dürfte allerdings eine Zuständigkeit der SGB II-Leistungs­träger für Fälle wie den vorliegenden aufgrund der neuen Norm des § 21 Abs 6 SGB II bestehen.“

Allerdings ergänzte das Gericht:

„Hinsichtlich der Höhe des tatsächlich notwendigen Bedarfs des Klägers wird erst noch abschließend eine Verwaltungsentscheidung zu ergehen haben.“

Das Bundessozialgericht hatte sich in mündlicher Verhandlung am 19. August 2010 (9:30 Uhr) in einer Revision mit der folgenden Frage zu befassen

„Ist einem Hilfebedürftigen, der laufende Leistungen nach SGB 2 bezieht und der aufgrund einer Aids-Erkrankung einen dauerhaft erhöhten Bedarf an Hygienemitteln (Reinigungs-, Körperpflege und Desinfektionsmittel) hat, mangels Rechtsgrundlage im SGB 2 Hilfe in sonstigen Lebenslagen gem § 73 SGB 12 zu gewähren?“ (Quelle)

Ein 1968 geborener HIV-positiver Mann bezieht Rente sowie ergänzend Grundsicherung. Er beantragte 2007 beim Job-Center Berlin-Mitte, Mehrbedarf aufgrund von mit seiner HIV-Infektion in Zusammenhang stehende Mehraufwendungen für Hygienebedarf (Wäsche, Bettwäsche, Toilettenpapier etc.) anerkannt zu bekommen. Das Job-Center lehnte dies ab.

Das Sozialgericht Berlin lehnte eine diesbezügliche Klage gegen den Träger der Grundsicherung (Job-Center Berlin-Mitte) ab. Es verurteilte jedoch den Träger der Sozialhilfe (Land Berlin), den Hygiene-Mehrbedarf gemäß § 73 SGB XII zu gewähren (Aktenzeichen der Vorinstanz Sozialgericht Berlin: SG Berlin – S 94 AS 2311/08 -).

Beide, Grundsicherungsträger wie auch Sozialhilfeträger, gingen in Revision. § 73 sei nur für besondere Bedarfslagen zuständig, der Kläger führe jedoch allgemeine Symptome einer Aids-Erkrankung an, die bei fast jedem Aids-Kranken aufträten.

weitere Informationen:
Bundessozialgericht: Sozialhilfeträger zuständig für den Hygienebedarf eines an AIDS erkrankten Leistungsempfängers der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II)
Bundesozialgericht B 14 AS 13/10 R
Sozialticker 02.08.2010: Bundessozialgericht – Terminvorschau Nr. 44/10
DAH 20.08.2010: Bundessozialgericht: Hygienemehrbedarf für HIV-Positiven rückwirkend anerkannt
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Unabhängigkeit der Selbsthilfe: Monitoring- Ausschüsse legen 2. Jahresbericht vor

Vielen auf dem Gebiet der Gesundheit aktiven Organisationen stellt sich die Frage, wie mit Mitteln Dritter, besonders der Pharma-Industrie umzugehen sei. Finanzierungsbedarf und Forderung nach Unabhängigkeit können leicht in Konflikt geraten (siehe auch Kommentar „Selbsthilfe oder Propaganda? Über Schleichwege des Pharma-Marketings„).

BAG Selbsthilfe und der Paritätische Wohlfahrtsverband haben Leitsätze erarbeitet zum Umgang mit Pharma-Geldern (siehe Dokumentation „Leitsätze der Selbsthilfe für die Zusammenarbeit mit Personen des privaten und öffentlichen Rechts, Organisationen und Wirtschaftsunternehmen, insbesondere im Gesundheitswesen“). Ihre Einhaltung wird in einem Monitoring-Verfahren gesichert. Dazu die folgende Presseerklärung der BAG Selbsthilfe:

2. Jahresbericht zum Monitoring- Verfahren der BAG SELBSTHILFE und des FORUMs chronisch kranker und behinderter Menschen im PARITÄTISCHEN GESAMTVERBAND veröffentlicht

Unabhängigkeit und Neutralität sind seit Jahren ein wichtiges Thema bei den Mitgliedsverbänden der BAG SELBSTHILFE und des FORUMs chronisch kranker und behinderter Menschen im PARITÄTISCHEN Gesamtverband. Dies gilt insbesondere für den Umgang mit der Pharmaindustrie. Aus diesem Grunde haben die BAG SELBSTHILFE und das FORUM im PARITÄTISCHEN Leitsätze erarbeitet, die die Grenzen des Zulässigen aufzeigen. Die Einhaltung dieser Leitsätze wird durch das sogenannte Monitoring- Verfahren gesichert, in dem mögliche Verstöße überprüft werden. Um zukünftige Verstöße zu vermeiden, beraten die Monitoring-Ausschüsse zudem die Mitgliedsverbände.

Die Eigenmittel der chronisch kranken und behinderten Menschen, die die Selbsthilfeorganisationen tragen, reichen oftmals nicht aus, die Vielzahl ihrer Aktivitäten zu finanzieren. Von daher sind die Organisationen häufig auf Spenden und Förderungen angewiesen. Auch Wirtschaftsunternehmen fördern Selbsthilfeprojekte. Die Annahme dieser Fördermittel birgt aber die Gefahr, dass sich die Selbsthilfeverbände bewusst oder unbewusst an den Anliegen der Wirtschaftsunternehmen orientieren, oder dass die Unternehmen gezielt versuchen, auf die Willensbildungsprozesse der Selbsthilfe Einfluss zu nehmen.

Es ist unabdingbar, dass die Selbsthilfeverbände als Anlaufstellen von ratsuchenden Menschen ihre Neutralität und Unabhängigkeit bewahren. Um dies zu gewährleisten, gibt es seit 2005 das sogenannte Monitoring-Verfahren, das der Beratung und Information der Mitgliedsverbände dient, mit dem aber auch die Leitsätze weiterentwickelt und Verstöße gegen diese Leitsätze sanktioniert werden sollen. Der Monitoring-Ausschuss nimmt dabei selbst initiativ Prüfungen problematischer Fälle vor. Weiter bringen die Mitgliedsorganisationen eigene Fälle ein, wenn sie einen Verstoß gegen die Leitsätze befürchten. Aber auch Dritte – wie beispielsweise Krankenkassen – können sich an die Monitoring-Prüfstelle wenden, wenn sie bei Verbänden den Verdacht auf einen Verstoß gegen die Selbsthilfe-Leitsätze vermuten. Die Ausschüsse haben im vergangenen Jahr 13 Fälle entschieden, weitere Verfahren sind derzeit noch in der Bearbeitung.

Das Monitoring Verfahren soll jedoch nicht nur dazu dienen, vergangene Verstöße festzustellen, sondern auch neue zu verhindern. So wurde etwa ein Muster zur Selbstauskunft für Wissenschaftliche Beiräte entwickelt. Denn viele Selbsthilfeorganisationen werden von ihren wissenschaftlichen Beiräten in medizinischen Fragen beraten und möchten wissen, ob es hier Kontakte zu Wirtschaftsunternehmen gibt und wie diese aussehen. Zur Erläuterung der Leitsätze hat der Monitoring-Ausschuss zudem die Arbeitshilfe aktualisiert, die den Verbänden die Leitsätze anhand praktischer Beispiele und entschiedener Fälle konkret nahe bringen soll. „Die Arbeitshilfe ist eine sehr gute inhaltliche Ergänzung zu den Leitsätzen, so dass die Selbsthilfeorganisationen chronisch kranker und behinderter Menschen eine noch größere Handlungssicherheit im Umgang mit Wirtschaftsunternehmen erhalten“, fasst Dr. Martin Danner, Geschäftsführer der BAG SELBSTHILFE, das Arbeitsergebnis zusammen. „Die Verbände können jetzt noch einfacher als bislang konkrete Vorhaben anhand der Arbeitshilfe überprüfen und einschätzen“, urteilt Burkhard Stork, Leiter der Bundesgeschäftstelle der Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung DCCV e.V. und Vorsitzender des Monitoringausschusses.

Die BAG SELBSTHILFE e.V. – Bundesarbeitsgemeinschaft SELBSTHILFE von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen – ist die Vereinigung der Selbsthilfeverbände behinderter und chronisch kranker Menschen und ihrer Angehörigen in Deutschland. Sie ist Dachverband von 109 bundesweit tätigen Selbsthilfeorganisationen, 14 Landesarbeitsgemeinschaften und 5 Fachverbänden. Über ihre Mitgliedsverbände sind in der BAG SELBSTHILFE mehr als eine Million Menschen mit körperlichen, seelischen und geistigen sowie Sinnes-Behinderungen und Menschen mit unterschiedlichsten chronischen Erkrankungen zusammengeschlossen.

Das „Forum chronisch kranker und behinderter Menschen“ wurde im Jahre 1986 als ein übergreifender Zusammenschluss von 37 der 92 bundesweit agierenden Selbsthilfeorganisationen und zugleich Mitgliedsverbänden des PARITÄTISCHEN Gesamtverbandes gegründet. Das FORUM vertritt die Interessen chronisch kranker und behinderter Menschen im PARITÄTISCHEN nach innen (Mitglieder, Verbandsrat, Vorstand, Hauptgeschäftsstelle) und außen. Der PARITÄTISCHE Gesamtverband unterstützt diese Aktivitäten auf Bundesebene und durch seine 15 Landesverbände.

(Pressemitteilung der BAG Selbsthilfe)

Patente Lösung – Equitable Licensing

Gegen HIV gibt es gute Medikamente, doch die können sich nur wenige leisten. Für rund 60 Prozent der HIV-Positiven weltweit ist eine Behandlung zu teuer. Dr. Christian Wagner-Ahlfs von der Kampagne „Med4all“ erklärt, wie faire Pharma-Patente für mehr Gerechtigkeit sorgen könnten.

Herr Wagner-Ahlfs, „Medizin für alle“ – das klingt populistisch.
Finden Sie? Pharmaforschung wird etwa zur Hälfte mit öffentlichen Geldern finanziert. Ihre Ergebnisse sollten deshalb auch allen zur Verfügung stehen – nicht nur ausgewählten Menschen, die sich die teuren Medikamente leisten können.

Wollen Sie die Pharma-Industrie ruinieren?
Es geht nicht darum, die Produkte der Pharma-Industrie zu verschenken. Aber sie sollten ihren Zweck erfüllen. Und der ist es, dafür zu sorgen, dass möglichst viele kranke Menschen gesund werden. Aber die besten Medikamente nützen nichts, wenn sie niemand bezahlen kann.

Wer ist davon betroffen?
Vier Fünftel der Weltbevölkerung leben in Entwicklungsländern. Die meisten von ihnen können sich in der Regel keine Medikamente leisten. Das gilt nicht nur für HIV und Malaria, sondern auch für Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen.

Ihr Lösungsvorschlag heißt „Equitable Licensing“, also faire Lizenzvergabe. Wie würden Sie das einem Kind erklären?
Um ein Arzneimittel zu entwickeln, braucht es viele, viele Jahre. Deshalb sind viele Menschen daran beteiligt – an Universitäten, in Forschungseinrichtungen und in Unternehmen. Diese Zusammenarbeit muss genau geregelt werden. Deshalb schließen diese Menschen komplizierte Verträge ab. „Equitable Licensing“ bedeutet, diese Verträge so zu gestalten, dass später auch die Menschen in ärmeren Ländern die neue Arznei bezahlen können.

Wie könnte das funktionieren?
Dafür gibt es verschiedene Wege. Man könnte zum Beispiel im Vertrag vereinbaren, dass Medikament in ärmeren Ländern günstiger anzubieten. Oder man verzichtet auf ein Monopol und vergibt die Lizenz an mehrere Pharma-Firmen. Dadurch entsteht Wettbewerb und die Preise sinken.

Ist das nicht utopisch?
Nein, solche Verträge gibt es schon, etwa für verschiedene Impfstoffe. Und die günstigsten Tabletten für HIV-Therapien in Afrika stammen heute aus indischer Produktion – der Wettbewerb durch Generika wirkt.

Die Pharma-Industrie würde Ihnen entgegnen: Ohne exklusiven Patentschutz kann kein Unternehmen die hohen Forschungskosten finanzieren.
Das Argument, nur die Industrie hätte die nötigen Kompetenzen, um neue Medikamente zu entwickeln, scheint mir sehr weit hergeholt. Es gibt ja viele andere Forschungseinrichtungen. Wie gesagt: 50 Prozent der medizinischen Forschung wird schon jetzt mit öffentlichen Geldern finanziert. Aber es geht uns ja gar nicht darum, die Pharma-Industrie aus den Angeln zu heben. Wir wollen nur unterbinden, dass sie sich exklusive, über Jahrzehnte geschützte Patente sichert.

Wieso wird ihr das bisher so leicht gemacht?
Das ist derzeit Gesetz. Das Bundesforschungsministerium und das Wirtschaftsministerium machen den Universitäten klare Vorgaben: Sie sollen ihre Erfindungen patentieren und zu Geld machen. Aber wie bei jeder demokratischen Entscheidung gilt auch hier: Man kann sie wieder verändern. Inzwischen beginnen Einzelne auch schon damit, ihre Forschungspolitik neu auszurichten. Die Universitätsmedizin der Charité in Berlin hat sich als erste deutsche Forschungseinrichtung dafür ausgesprochen, bei der Vermarktung von pharmazeutischen Patenten künftig soziale Aspekte zu berücksichtigen.

Warum passiert das ausgerechnet jetzt?
In Berlin hat das Engagement von Studierendengruppen zu dieser Neuausrichtung geführt. Angefangen hat diese Bewegung in den USA. Auslöser dort war eine Debatte über Patente auf HIV-Medikamente, die zum größten Teil bei US-amerikanischen Universitäten liegen.

Die Chancen stehen also gut, dass künftig mehr Menschen von den Errungenschaften der Pharma-Forschung profitieren?
Derzeit bin ich da sehr zuversichtlich. Das Engagement der Studierenden ist enorm. Das Interesse an unseren Lösungsansätzen wächst, in den Universitäten rennen wir zum Teil offene Türen ein. Und aus den Gesprächen mit den Patent-Verwertungsagenturen der Unis weiß ich, dass auch dort viele Mitarbeiter nicht glücklich darüber sind, dass sie so sehr aufs Geld schauen müssen.

Med4all
Dr. Christian Wagner-Ahlfs (42) koordiniert für das bundesweite Netzwerk BUKO die Med4all-Kampagne. Die Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) ist ein Dachverband, über 120 Dritte-Welt-Gruppen und entwicklungspolitische Organisationen angehören. Der Slogan des Projekts: „med4all – Medizinische Forschung, der Allgemeinheit verpflichtet.“
www.med4all.org
www.buko.info

(Pressemiteilung der DAH)

Menschen mit Behinderungen müssen weiterhin von GEZ-Gebühren befreit bleiben

Neue Rundfunkgebührenordnung wirkt sich nachteilig für Menschen mit Behinderungen aus

Die Bundesländer wollen ab Januar 2013 eine neue Rundfunkgebührenordnung einführen. Diese Neuordnung wirkt sich nachteilig für Menschen mit Behinderungen aus. Bisher waren viele blinde, gehörlose und schwerbehinderte Menschen von der Rundfunkgebühr befreit. Zukünftig soll diese generelle Gebührenbefreiung jedoch wegfallen.

Die BAG SELBSTHILFE fordert, die GEZ-Gebührenbefreiung für Menschen mit Behinderungen beizubehalten. Diese sind aufgrund ihrer körperlichen Einschränkung verstärkt auf Fernsehen, Hörfunk und das Internet angewiesen, um Zugang zu Informationen zu erlangen. So nutzen beispielsweise gehörlose Menschen häufig das Netz, um sich zu informieren und per E-Mail ihre Kontakte zu pflegen.

Die Möglichkeit der Informationsbeschaffung über die Medien muss für Menschen mit Behinderungen ebenso zugänglich sein wie für Nichtbehinderte. Von daher darf die neue Rundfunkordnung nicht zu Lasten von Menschen mit Behinderungen gehen. „Deutschland hat im letzten Jahr die UN-Konvention zur Wahrung der Rechte behinderter Menschen unterschrieben. Eine Schlechterstellung dieser Menschen bei der Nutzung von Funk und Fernsehen ist demgegenüber mit dem Gedanken der Inklusion von Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft nicht vereinbar“, erklärt Dr. Martin Danner, Bundesgeschäftsführer der BAG SELBSTHILFE

(Pressemitteilung der BAG Selbsthilfe)

siehe auch
YuccaTreePost 10.08.2010: GEZ: Auch Blinde und Gehörlose dürfen bald zahlen

Deutsche AIDS-Hilfe kündigt Protest gegen Sparpaket der Bundesregierung an

Angesichts der von der Bundesregierung angekündigten Kürzungen im Gesundheitswesen ruft die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) gemeinsam mit Sozialverbänden und Gewerkschaften zu massiven Protesten gegen das sog. Sparpaket auf. Die DAH fordert eine solidarische Gesellschaft, die nicht auf Kosten sozial benachteiligter Menschen wie chronisch Kranker spart. Die Entwicklungen im Arbeits- und Gesundheitsbereich werden zu einer weiteren, deutlichen Verschlechterung der Situation vieler Menschen mit HIV/Aids beitragen, wenn jetzt nicht umgesteuert wird.

Silke Klumb, Geschäftsführerin der DAH: „Die Aidshilfen werden diese Sparpolitik nicht mittragen! Wir fordern die Bundesregierung auf, dass Sparpaket unverzüglich zu überarbeiten sowie die Kürzungen im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik zurückzunehmen. Auch eine Kopfpauschale lehnen wir ab: Stattdessen muss eine solidarische Bürgerversicherung aufgebaut werden.“

Die DAH bemängelt insbesondere…
– Kürzungen bei Wiedereingliederunggsmaßnahmen: dies verringert die Chance für chronisch Kranke, einen Job zu finden;
– Abschaffung der rentenrechtlichen Absicherung für Langzeitarbeitslose: dies erhöht das Altersarmutsrisiko;
– Einführung der Kopfpauschale: dies belastet Menschen mit geringem Einkommen deutlich stärker;
– Streichung des Heizkostenzuschusses für Wohngeldempfänger: dies würde alte Menschen und chronisch Kranke besonders hart treffen;
– Verlagerung von Sozialleistungen in die private Risikoabsicherung: dies schließt chronisch Kranke von verschiedenen Leistungen aus.

Aufruf zur Beteiligung an Protestkundgebungen:
– „Wir zahlen nicht für eure Krise“: am 12. Juni ab 12.00 Uhr in Berlin (Alexanderplatz/Rotes Rathaus)
– „Gerecht geht anders“: am 12. Juni ab 11.00 Uhr am Hbf. und ab 12.30 Uhr am Schlossplatz in Stuttgart

(Pressemitteilung der Deutschen Aidshilfe)

Text der Bundesregierung zu den Eckpunkten des Sparpakets (pdf)
tabellarische Aufstellung der Kürzungen (pdf)