100 Euro für einige Daten über Sie als HIV-Patient

100 Euro für wenige Minuten am Telefon? Schnell verdientes Geld, oder?

Unter den zahlreichen Mails des Tages befand sich heute das Angebot, in 30 Minuten 50 oder gar 100 Euro zu verdienen. Und das damit, was jeder HIV-Positive eh ist – Experte in eigener Sache, und viele zudem erfahren im Umgang mit Medikamenten. Man müsse sich nur kurz online als HIV-Patient registrieren, und dann …

Hier die Mail:

Sehr geehrte Damen und Herren,
XXXXXXXXXX ist ein Marktforschungsinstitut mit Hauptsitz in London. In Zusammenarbeit mit führenden Medikamenten-Herstellern führen wir zahlreiche Studien im Medizinischen Sektor durch. Ziel unserer Forschung ist es die medizinische Behandlung in Zukunft zu verbessern.
Zurzeit führen wir eine Studie mit HIV Patienten durch, um mehr über den Wirkungsgrad der derzeitigen Medikamente zu erfahren und neue Therapieformen zu entwickeln. Für die Teilnahme an der Telefonischen Befragung (maximal 30 Minuten lang) zahlen wir eine Vergütung von 50-100 €. Um bei der Befragung teilzunehmen, müssen die HIV Patienten sich auf der Internetseite http://xxxxxxxxxxxxxxxx registrieren, anschließend werden Sie von uns kontaktiert und können entscheiden, ob sie tatsächlich an der Befragung teilnehmen wollen.
Ich wäre ihnen sehr Dankbar, wenn Sie und ihr Team diese Informationen an HIV Erkrankten Personen, sowie weitere ihnen Bekannte Organisationen weiterleiten könnten, damit würden Sie uns sehr bei der Forschung helfen und dazu beitragen das die Behandlung von HIV in Zukunft verbessert werden kann. Den nachfolgenden Text habe ich Ihnen zusätzlich als PDF angehängt.
Wir sind ein registriertes Mitglied der ESOMAR und an deren Verhaltenskodex und deren Richtlinien gebunden (http://www.esomar.org). Alle Angaben werden nach den geltenden Datenschutzrichtlinien vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben, alle Angaben werden ausschließlich für Forschungszwecke verwendet. Wir versichern ihnen, dass wir nichts verkaufen wollen und alle Angaben vertraulich behandelt werden.
Vielen Dank für ihre Zusammenarbeit.
Mit freundlichen Grüßen
Xxxxx Xxxxxx

Angehängt an die Mail war noch folgende ‚Erläuterung‘:

Wir ZAHLEN für ihre Meinung!!!
XXxxxxxxxx ist ein Marktforschungsinstitut mit Hauptsitz in London. Wir sind eines der führenden Marktforschungsunternehmen der Welt und besitzen Niederlassungen in mehreren europäischen Ländern. Um mehr über unser Unternehmen zu erfahren besuchen Sie unsere Website www.xxxxxxxxxx.
In Zusammenarbeit mit führenden Medikamenten-Herstellern führen wir zahlreiche Studien im Medizinischen Sektor durch. Mit Hilfe Telefonischer Befragungen, sowie Einzel- und Gruppeninterviews befragen wir Menschen zu ihren Erfahrungen in der Behandlung von Krankheiten wie HIV, Hepatitis C, Mukoviszidose, Hypertonie, Urologie, Infektiöse Krankheiten, Depressionen etc., mit dem Ziel bestehende Methoden, Dienstleistungen und Produkte in Zukunft zu verbessern.
Wir sind ein registriertes Mitglied der ESOMAR und an deren Verhaltenskodex und deren Richtlinien gebunden. Alle Angaben werden nach den geltenden Datenschutzrichtlinien vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben, alle Angaben werden ausschließlich für Forschungszwecke verwendet.
Zurzeit führen wir eine Studie mit HIV Patienten durch. Wir wollen das Krankheitsbild und die bestehenden Behandlungsmethoden besser verstehen. Ziel dieser Studie ist es den Wirkungsgrad der derzeitigen Medikamente festzustellen und neue Therapieformen zu entwickeln, um den Gesundheitszustand nachhaltig zu verbessern.
Bitte füllen Sie den nachstehenden Fragebogen aus um Mitglied in unserem Panel zu werden. Als Mitglied unseres Panels werden Sie von Zeit zu Zeit zu Studien bezüglich Konsumgütern, Medizin, IT oder anderen technischen Produkten eingeladen. Teilen Sie Ihre Gedanken, Erfahrungen und Ansichten mit uns und helfen Sie uns und den Unternehmen Produkte und Dienstleistungen in Zukunft zu verbessern. Für ihre Mithilfe und die investierte Zeit erhalten Sie von uns eine Aufwandsentschädigung von 50-100€ pro Studie.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an info@xxxxxxx.
Lassen Sie sich noch Heute registrieren
http://xxxxxxxxxxxx

Die Nachricht war kein Fake – die Domain, von der gesandt wurde, ist tatsächlich auf das genannte Unternehmen registriert. Ein -wie nicht anders zu erwarten- Marktforschungs-Unternehmen.
Worum es diesem Unternehmen auf dem Medizinbereich geht, sagt es selbst auf seiner an dier Auftraggeber, die Pharmaindustrie gerichteten Website: „Whether you require „toe-dipping“ research for your new products, or you are concerned with optimizing marketing communications, Xxxxx can provide the information you need to reach your market.“

Die genannte Organisation ESOMAR ist eine Organisation, die zum Ziel hat, die Markt- und Meinungsforschung zu fördern.
Diese Organisation hat u.a. einen Verhaltenskodex erarbeitet, der das Vertrauen in Meinungsforschung fördern soll. Dieser Kodex wurde jüngst überarbeitet. Wikipedia zu ESOMAR und seinem Kodex:

„Für die 2007 unternommene Revision dieses Kodexes wurde vorgeschlagen, unter Umständen die Herausgabe von Daten zu erlauben und somit bei ausdrücklicher Einwilligung die Anonymität preiszugeben; Kritiker verweisen auf eine Notwendigkeit des Anonymats zur Unterscheidung von Demoskopie und Direktmarketing. Der neue Kodex ist seit dem 1. Januar 2008 in Kraft.“

.

50 oder gar 100 Euro, für nur wenige Minuten am Telefon – die Mail offeriert ein scheinbar verlockendes Angebot. Für so manchen Positiven, besonders wenn er von Hartz IV oder einer niedrigen Rente lebt, sind 100 Euro viel Geld.
Allerdings – man gibt dazu Informationen (einschließlich der, HIV-positiv zu sein, sowie Kontakt-Daten) preis, und zwar an ein privatwirtschaftliches Unternehmen in Großbritannien. Jedem sollte zudem bewusst sein, dass hier Daten gesammelt werden, um das Marketing von Medikamenten zu optimieren. Und trotz des angekündigten Datenschutzes ist angesichts der Richtlinien des beworbenen Verbandes Vorsicht angezeigt.

ondamaris gibt keine Daten seiner Nutzer weiter. Und wir machen keine Werbung für Marktforschung der Pharmaindustrie (deswegen ist der Name des Marktforschungsunternehmens oben nicht genannt). Ob jemand dieses Angebot nutzen mag, entscheide jeder selbst – bitte aber nicht über diese Site.

Nachtrag 25.10.2008: recht aufschlussreich berichtet die Financial Times Deutschland in ihrer online-Ausgabe vom 22.10.2008 über Die Datensammler auf dem Pillen-Markt

Evidenzbasierte Medizin

Evidenz, evidenzbasierte Medizin (EBM) – diese Schlagworte dürfte binnen Kürze zu einem der wichtigsten Begriffe im Krankenversicherungs-System werden (bzw. schon geworden sein). Evidenzbasierte Medizin ist u.a. eine der Arbeits- und Entscheidungsgrundlagen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA).
Warum ist Evidenz so wichtig? Und – was ist Evidenz?

Gemäß §12 SGB V (Sozialgesetzbuch 5) müssen die Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wirtschaftlich sein. Der Gesetzgeber hat einen genauen Rahmen der GKV-Leistungen vorgegeben:
„Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“

Um dieses Wirtschaftlichkeitsgebot in die Praxis umzusetzen, ist es erforderlich, die einzelnen Maßnahmen zu bewerten hinsichtlich ihres Nutzens, ihrer medizinischen Notwendigkeit sowie ihrer Wirtschaftlichkeit.

Diese Bewertung erfolgt mit Methoden der Evidenzbasierten Medizin (EBM). Insbesondere werden verschiedene Verfahren, Methoden oder auch Wirkstoffe gemäß Verfahrensordnung untersucht. Hierbei wird die sogenannte Evidenz-Treppe angewandt:

Bei der Beurteilung von Nutzen, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit eines Verfahrens, einer Methode oder eines Arzneimittels gemäß dem Wirtschaftlichkeitsgebot des SGB wird nach einer Literaturrecherche und Literaturbewertung eine zusammenfassende Nutzenbewertung erstellt.

Die einzelnen verfügbaren Publikationen werden dabei entsprechend folgender Evidenz-Treppe eingestuft (höchste Stufe = 1 = höchster Grad an Evidenz):

I a Systematische Übersichtsarbeiten von Studien der Evidenzstufe Ib
I b Randomisierte klinische Studien

II a Systematische Übersichtsarbeiten von Studien der Evidenzstufe IIb
II b Prospektiv vergleichende Kohortenstudien

III Retrospektiv vergleichende Studien

IV Fallserien und andere nicht vergleichende Studien

V Physiologische Überlegungen, Expertenmeinungen usw.

Patientenbeteiligung im Gemeinsamen Bundesausschuss

Der Gemeinsame Bundesausschuss wird immer mehr zu einem der zentralen Entscheidungsgremien der Gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland. Doch – wie funktioniert die Einbeziehung von Patienten-Interessen?

Bis zur Gesundheitsreform 2004 waren die Interessen von Patienten in den Entscheidungen des Bundesausschusses nicht vertreten, Einflussnahme kaum möglich (wenn man einmal davon absieht, dass sicher sowohl Ärzte als auch Kassen der Ansicht sind, sie vertreten Patienten-Interessen). Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Methadon-Beschlüsse, Viagra) fand die Arbeit des Bundesausschusses weitgehend ohne Beteiligung der Öffentlichkeit statt.

Die Zeit vor dem G-BA
Schon bald nach Einführung der Gesetzlichen Krankenversicherung (1884) wurde deutlich, dass Regelungen und Strategien der Konfliktbewältigung erforderlich werden. Um die Vertragsbeziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen zu regeln, wurde deswegen 1913 durch das ‚Berliner Abkommen‘ ein paritätisch von Kassen und Ärzten besetzter Ausschuss gegründet. Dieser konstituierte sich 1923 als öffentlich-rechtliche Arbeitsgemeinschaft unter dem Namen ‚Reichsausschuss‘. Nach der Kapitulation von Nazi-Deutschland und Gründung der Bundesrepublik wurde (mit ähnlichen Aufgaben) 1956 der ‚Bundesausschuss Ärzte und Krankenkassen‘ (BAK) gegründet. Im Laufe der Zeit wurden seine Aufgaben zunehmend erweitert; zudem wurde mit der Gesundheitsreform 2000 ein Ausschuss Krankenhaus sowie ein Koordinierungsausschuss gegründet. In Folge der Gesundheitsreform 2003 wurde 2004 der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) gegründet, in dem die ehemaligen Bundesausschüsse aufgegangen sind. Erstmals sind nun auch Patientenvertreter beteiligt.

Mit der Gesundheitsreform 2003 sollte auch die Patientenorientierung im Gesundheitswesen verbessert werden. Dabei war Ziel die Vertretung kollektiver (nicht individueller) Patientenrechte. Im Ergebnis der Gesundheitsreform 2003 arbeiten erstmals seit Beginn 2004 auch Patientenvertreter in den Gremien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) mit.

Wer in welcher Weise als Patientenvertreter im G-BA mitwirken kann, ist in einem Benennungsverfahren geregelt.
Die Patientenbeteiligung soll dabei auf allen Ebenen des G-BA erfolgen:
Spruchkörper
Unterausschüsse
– Arbeitsgruppen
– Themengruppen

Die Mitarbeit der Patientenvertreter erfolgt ehren- oder nebenamtlich. Sie erhalten für ihre Mitarbeit Reisekosten sowie ein Tagegeld und einen Pauschbetrag (Aufwandentschädigung) in Höhe von derzeit 49,-€ erstattet. Beschäftigte Patientenvertreter erhalten auf Antrag einen etwaigen Verdienstausfall erstattet.

Die Mitarbeit von
Patientenvertretern im Gemeinsamen Bundesausschuss legt die Frage nahe, wer denn ‚die‘ Interessen ‚der‘ Patienten vertreten kann bzw. soll.

Die Frage der Benennung von Patientenvertretern ist im Sozialgesetzbuch 5 (SGB-V) sowie in der ‚Patientenbeteiligungsverordnung‚ (PatBeteiligungsV vom 19. Dezember 2003) geregelt.

Im Sozialgesetzbuch V (SGB V) §140f Abs. 2 wird hierzu gesprochen von „Organisationen, die auf Bundesebene maßgeblich sind für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen“. Diese sollen demnach einvernehmlich „sachkundige Personen“ (Patientenvertreter) benennen.

Bisher sind als solche gem. §140(2) SGB-V und PatBeteiligungsV maßgebliche Organisationen anerkannt
für den Bereich der ‚Betroffenenverbände‘:
– der Deutsche Behindertenrat (DBR)
(Im DBR sind vertreten die BAG Selbsthilfe und ihre Mitgliedsorganisationen, die Sozialverbände (SoVD, VdK) sowie die freie Selbsthilfe (IG selbstbestimmtes Leben, Weibernetzwerk).

für den Bereich der ‚Beraterverbände‘:
– die Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen BAGP),
– die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (DAG SHG), und
– der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv).

Diese vier Verbände sind per se als maßgeblich im Sinne des §140f anerkannt. Doch der Kreis der die Patienteninteressen vertretenden Verbände ist damit nicht abschließend festgelegt.
Der etwaigen Anerkennung aller weiteren Organisationen liegen nach PatBeteiligungsV folgende Kriterien zugrunde:
– Ziel & Aufgabe der Organisation
– Innere Ordnung (z.B. demokratischer innerer Aufbau)
– Mitgliederkreis
– Dauer des Bestehens und (bundesweiter) Wirkungskreis
– Neutralität und Unabhängigkeit
– Gemeinnützigkeit

Anerkannte Organisationen können Patientenvertreter benennen.

Diese Patientenvertreter müssen gem. PatBeteiligungsV von den Organisationen als
– sachkundigen Personen
– gemeinsam und
– einvernehmlich benannt werden.
Die Benennung erfolgt im Koordinationskreis. Dabei ist festgelegt, dass mehr als die Hälfte der sachkundigen Personen aus dem Bereich der Selbsthilfe kommen muss.
Für jedes Gremium des G-BA können dabei maximal so viele Patientenvertreter benannt werden, wie Kassenvertreter benannt sind.
Derzeit sind über 200 Personen als PatientenvertreterInnen benannt.

Wichtige Dokumente:
Patientenbeteiligungsverordnung als pdf hier

Gemeinsamer Bundesausschuss neu konstituiert

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sich in seiner ersten öffentlichen Sitzung neu konstituiert.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist für den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verantwortlich. Er ist paritätisch mit Vertretern der Gesetzlichen Krankenkassen und der Ärzte besetzt. Patientenvertreter haben Mitberatungs- und Antragsrechte.

Die konkrete Arbeit des G-BA erfolgt weitgehend in Unterausschüssen. Neben dem Finanzausschuss sind derzeit folgende acht Unterausschüsse eingesetzt: Arzneimittel, Qualitätssicherung, sektorübergreifende Versorgung, Methodenbewertung, veranlasste Leistungen, Bedarfsplanung, Psychotherapie, sowie zahnäztliche Behandlung.

Der G-BA regelt die Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt, was (auch welche Arzneimittel) von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt wird. Er hat die Kompetenz, Leistungen einzuschränken oder auszuschließen. De facto wird der G-BA also zunehmend zu einer der zentralen Schaltstellen im deutschen Gesundheitswesen.
Die privaten Krankenversicherungen (PKV) regeln ihren Leistungsumfang im privatrechtlichen Verhältnis Versicherer – Versicherter. De facto lehnen sich einige PKV jedoch in Teilen auch an Beschlüsse des G-BA an (z.B. sog. ‚Lifestyle-Präparate‘).

Formal ist der G-BA ‚untergesetzlicher Normgeber‘ (nicht nach eigener Legitimation, sondern aufgrund des gesetzlichen Auftrags im SGB V). Er ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Er untersteht der Rechtsaufsicht des Bundesgesundheitsministeriums (BMG).
Der genaue Leistungskatalog des G-BA ist im SGB V §12 (1,1) und §2 (1,3) konkretisiert (Normprogramm).

Um die Rechtsstaatlichkeit der Arbeit des G-BA sicherzustellen, müssen seine Arbeitsgrundlagen (die Geschäftsordnung, GO sowie die Verfahrensordnung, VO) vom Bundesgesundheitsministerium genehmigt werden. Die Arbeit des G-BA wird durch einen sogenannten Systemzuschlag finanziert.

Die Verfahrensordung des G-BA (VO) regelt, nach welchem Prozedere Beschlüsse des G-BA zustande kommen. Die Arbeitsebenen des G-BA sind auf erster Ebene der ‚Gemeinsame Bundesausschuss‘ (für die Beschlussfassung), und auf zweiter Ebene die Unterausschüssse (zur Beschlussvorbereitung). Bei Bedarf können Arbeitsgruppen und Themengruppen eingerichtet werden.

In der Geschäftsordnung (GO) des G-BA gemäß §91 (3,1) SGB-V ist insbesondere geregelt, wie Sitzungen der Gremien des G-BA abzuhalten sind und wie Beschlüsse gefällt werden. Die GO regelt auch in wie weit die Sitzungen der Gremien des G-BA der Vertraulichkeit unterliegen.
In der GO sind auch die Rechte der Patientenvertreter im Entscheidungsverfahren geregelt:
* Antragsrecht anerkannter Organisationen
* Teilnahme- und Mitberatungsrecht auf allen Ebenen
* Recht auf Unterbrechung der Sitzung
* Recht auf Vorschläge für Sachverständige
* Einwendungen gegen die Niederschrift

Die jetzige Neu-Konstituierung des G-BA wurde erforderlich aufgrund des GKV-WSG (GKV = Gesetzliche Krankenversicherung, GKV-WSG = GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz), das eine veränderte Struktur des G-BA ab Juli 2008 vorsieht. Mehr dazu in einer Pressemitteilung des G-BA „Gemeinsamer Bundesausschuss in erster öffentlicher Sitzung neu konstituiert“ vom 17.07.2008.

Wichtige Dokumente:
Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses
neugefasste Geschäftsordnung vom 17.07.2008
Geschäftsordnung des gemeinsamen Bundesausschusses

Trockener Stoff? Warum erzählt der das?
Ja, trockener Stoff, aber einer, der für jeden in der Gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten zunehmend bedeutend wird. Denn dieser Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) regelt in großem Umfang, was GKV-Versicherte von ihrer Krankenkasse erstattet bekommen – und was nicht. Gerade wegen dieser großen Bedeutung des G-BA ist es besonders wichtig, dass hier auch Patientenvertreter beteiligt sind (wenn auch derzeit noch ohne Stimme). Einer dieser Patientenvertreter bin ich seit 2007.

Arzneimittel- Informationen im Internet

Informationen über in Deutschland und in Europa zugelassene Arzneimittel stehen im Internet zahlreich zur Verfügung – auch von offiziellen Stellen, frei von Werbung oder interessengeleiteten ‚Informationen‘ und dennoch kostenfrei.

Im Bemühen, der Desinformation interessierter Kreise mit Information zu begegnen, stellen mehrere öffentliche Stellen Informationen zu Arzneimitteln zur Verfügung.

Seit September 2005 enthält das deutsche Arzneimittelgesetz eine Regelung, der zufolge die deutschen Zulassungsbehörden verpflichtet sind, der Öffentlichkeit bestimmte Informationen über zugelassene Arzneimittel zur Verfügung zu stellen.

Inzwischen sind einige dieser Informations-Angebote umgesetzt.
So enthält PharmNet-Bund zu allen in Deutschland verkehrsfähigen Medikamenten öffentlich zugänglich folgende Informationen:
– Arzneimittelname
– Darreichungsform
– Zulassungsinhaber
– Gebrauchsinformationen (Packungsbeilage)
– spezielle Informationen für Fachkreise (Ärzte, Apotheker)
Für zahlreiche (insbesondere ab September 2005 zugelassene) Arzneimittel sind zudem sogenannte ‚Beurteilungsberichte‘ verfügbar – Bewertungen von Ergebnissen aus pharmazeutischen, pharmakologisch-toxikologischen und klinischen Studien des jeweiligen Arzneimittels.

Der Großteil der in Deutschland verfügbaren Medikamente wird inzwischen auf europäischer Ebene zugelassen (durch die europäische Arzneimittelagentur EMEA). Auch auf europäischer Ebene gibt es inzwischen mehr an Transparenz zu Arzneimittel-Informationen. In der Datenbank EudraPharm stehen in englischer Sprache z.B. Informationen zur Verfügung zu
– Darreichungsformen
– Inhaltsstoffen
– Zulassungsinhaber.
– Produktinformationen (Anwendungshinweise, Angaben zu Wirkungsweise und Nebenwirkungen, Kontraindikationen; in allen Amtssprachen der EU, also auch in deutsch)
– spezielle Informationen für Patienten, Ärzte, Apotheker.
Die Arzneimittel sind über eine alphabetische Liste zugänglich; die Datenbank bietet leider keine Suche nach Krankheiten oder Anwendungsgebieten.
Zukünftig soll diese Datenbank zudem Hinweise auf klinische Studien umfassen, die mit noch nicht zugelassenen Substanzen durchgeführt werden.

‚wie fremdes Erbrochenes‘ – Abbotts Norvir-Planspiele (akt.)

Der Pharmakonzern Abbott erwog -wie jetzt öffentlich gewordene Dokumente zeigen- 2003/2004 ernsthaft, ein wichtiges Aids-Medikament vom Markt zu nehmen – Wettbewerber hätten Marktanteile verloren, Patienten hätten in diesem Fall ein anderes Abbott-Produkt nehmen oder die ekelhaft schmeckende Saft-Alternative einnehmen müssen. Abbott hätte profitiert ….

Der Pharmakonzern Abbott hat am 4. Dezember 2003 die Erhöhung des Preis für sein Aids-Medikament ‚Norvir’® (einen Proteasehemmer) in den USA um 400% (!) angekündigt. Gegen diese Erhöhung wehrt sich u.a. eine Mitgliedsorganisation der Gruppe ‚Prescription Access Litigation‘ (PAL) mit einer Klage (siehe ‚Norvir-Preis vor Gericht‚).

Im Rahmen des Prozesses (‚Antitrust Litigation‘) sind nun auch Dokumente öffentlich geworden, die einen schon lange formulierten Vorwurf zu belegen scheinen. Abbott habe, so der Verdacht, damals als eine der Alternativen auch überlegt, Ritonavir (der Wirkstoff, der unter dem Handelsnamen ‚Norvir’® vermarktet wird) als Kapsel einfach komplett vom Markt zu nehmen (siehe ‚Gewinne Gewinne Gewinne‚) – um so Ärzte und Patienten mehr oder weniger zu zwingen, ein weiteres Produkt des Konzerns zu nehmen (statt Konkurrenz-Produkte anderer Hersteller):

Laut Prozess-Unterlagen (‚exhibit #14‘) wurde als eine Alternative die Einstellung der Norvir®-Produktion überlegt. Es wurde diskutiert „den verbleibenden Vorrat nach Afrika zu geben und die Ritonavir-Produktionsanlage zu schließen“.

Eine weitere in den damaligen Diskussionen erwogene Variante war, Norvir®-Kapseln komplett vom Markt zu nehmen („Withdrawal of Norvir Capsules“, exhibit #18), und nur noch den Saft verfügbar zu halten. Dieser Saft zeichnet sich (neben seinem Wirkstoff) durch eine Eigenschaft aus – einen Geschmack, der fast nur als ekelhaft-faulig zu bezeichnen ist (oder mit den Worten eines Abbott-Mitarbeiters als ‚wie fremdes Erbrochenes‘ schlucken zu müssen, siehe ‚exhibit #5), und der fast nicht zu übertünchen ist. Eine Eigenschaft, die den Saft letztlich keine einnehmbare Alternative zu den Kapseln sein lässt. Selbst Firmenvertretern wurde es bei Geschmackstests übel …

Und dennoch wurde als einzige Schwachstelle bei diesem Plan gesehen, dass einem „von anderen Pharmaunternehmen befeuerten Aufschrei“ durch Hinweisen auf deren Motivation begegnet werden müsse (exhibit #18). Vorteile hingegen seien, so exhibt #18, u.a. dass das Risiko von Untersuchungen seitens der Regierung anlässlich einer Preiserhöhung reduziert werden könne, zudem „it will significantly level the competitive playing field regarding convenience“ – Wettbewerber werden geschwächt.
Zielrichtung war insbesondere der Proteasehemmer Atazanavir, Handelsname ‚Reyataz’® des Wettbewerbers BMS („Reyataz würde ohne Norvir®-Boosten kaum zusätzlichen Nutzen in der Behandlung von HIV-Patienten bringen“, exhibit #39).

Die über die Abbott-Planspiele Aufschluss gebenden und nun im Prozess behandelten Unterlagen und Diskussionen sind jetzt öffentlich geworden. PAL hat einige besonders ‚interessante‘ Dokumente auf einer Internetseite frei zugänglich gemacht. Der interessierte Leser findet hier spannende und aufschlussreiche Einblicke in die Denkweise eines Pharmakonzerns, wie weit hier Patienteninteressen eine Rolle spielen, und welche Bedeutung Marktanteile und Profite haben.

Vergangenen Monat ordnete das Gericht an, einige der im Prozess gegen Abbott verwendeten Dokumente öffentlich zu machen. Abbott hatte zuvor das zu verhindern versucht mit dem Hinweis, hier ginge es um „Geschäftsstrategien“.
Der Prozess selbst wird im August 2008 fortgesetzt.

Nachtrag 05.09.2008: wie PAL berichtet, haben sich die Prozessbeteiligten in einem weiteren Schritt auf einen Einigungsvorschlag verständigt, der u.a. Zahlungen von Abbott in Höhe von 10 bis 27,5 Mio. US-$ vorsieht. Die konkrete Höhe wird u.a. vom Urteilsspruch abhängen.

Warum mag Abbott diese ‚Denkmodelle‘ erwogen haben?
Norvir® ist nicht ‘irgendein’ Proteasehemmer. Das Medikament wird vielmehr auch benötigt, um den Wirkstoffspiegel anderer Medikamente anzuheben, so dass diese dadurch erst ihre optimale Wirksamkeit erreichen (sog. Boosten). Diese Medikamente werden jedoch von anderen Unternehmen hergestellt. Wäre Norvir® komplett oder auch nur als Kapsel vom Markt genommen worden, hätte dies drastische Auswirkungen darauf gehabt, ob und in welchen seltenen Fällen die anderen Medikamente überhaupt noch hätten angewendet werden können. Stattdessen hätten Ärzte und Patienten beinahe zwangsläufig auf ein anderes Produkt des Pharmakonzerns Abbott (in dem der Wirkstoff von Norvir® mit eingebaut ist) ausweichen müssen.

Norvir® Kapseln vom Markt nehmen – das würde im Ergebnis bedeuten ’sollen die Patienten doch ekelhaftest schmeckenden Saft trinken müssen, Hauptsache wir können unsere Wettbewerbsposition verbessern‘.
Beweggrund war dabei der Marktanteil, und „anxious investor calls“ (exhibit #29)- es ging um den Profit. Auch bei der schließlich in den USA realisierten Preiserhöhung auf das Fünffache- teureres Norvir® mache es für Wettbewerber unattraktiver, neu konkurrierende Medikamente auf den Markt zu bringen, so die Hoffnung (exhibit #49).

Der Pharmakonzern Abbott scheint eh nicht zimperlich im Durchsetzen eigener kommerzieller Interessen. So hatte Abbott angedroht, Thailand nicht mehr mit neuen Medikamenten zu beliefern, nachdem das Land (in dem eine hohe Zahl HIV-Positiver lebt), entsprechend geltenden Regelungen angekündigt hatte, eine günstigere generische Version eines Abbott-Aids-Medikaments herzustellen oder zu importieren. Abbott klagte gegen ACT UP, nachdem die Aids-Aktionsgruppe in diesem Zusammenhang zu einem Internet-Protest aufgerufen hatte.

Die neuen Dokumente aus dem Prozess gegen Abbott machen nun einmal mehr nachvollziehbar, warum einige sich die Frage stellen, ob es überhaupt noch vertretbar ist, mit dem ein oder anderen Unternehmen Kontakt zu pflegen, gar Geld anzunehmen.
„Auch mal deutlich nein sagen …“, dass dies eine Alternative sein kann, zeigte jüngst die Münchner Aids-Hilfe.

Hinweis: Norvir® ist eine eigetragene Marke von Abbott, Reyataz® eine eingetragene Marke von BMS

Information oder Des-Information?

Die Pharmaindustrie bemüht sich bereits jetzt intensiv um Ärzte, und startet immer neue Initiativen, um auch den Zugang zu Patienten zu erhalten. Findet hier Information statt, oder Desinformation? Wie weit reicht der Einfluss der Pharmaindustrie? Und wie kann damit umgegangen werden? Themen, mit denen sich eine Veranstaltung der Berliner Ärztekammer am 7. Mai 2008 befasste. Hauptredner: Peter Mansfield, Arzt in Australien und Mitbegründer von ‚Healthy Scepticism‘.

Peter Mansfield, Mitbegründer von Healthy ScepticismPeter Mansfield sprach auf einer Podiumsveranstaltung der Ärztekammer Berlin zum Thema „Der Einfluss der Pharmaindustrie auf Arzt und Patient“ am 7. Mai in Berlin. Anlass der Veranstaltung war insbesondere auch eine Initiative der EU-Kommission, der Pharmaindustrie leichteren Zugang zu Patienten zu ermöglichen (siehe ‚Information oder Werbung?‚).

Als Ziel der Veranstaltung formulierten die Veranstalter „Bislang waren Patientinnen und Patienten bei rezeptpflichtigen Medikamenten vor der direkten Werbung der pharmazeutischen Hersteller weitgehend geschützt. Das will die Europäische Kommission jetzt ändern … Die Veranstalter halten es für an der Zeit, sich mit dem Einfluss der Pharmaindustrie in einem breiteren Kontext auseinanderzusetzen … Die Veranstaltung soll nicht bei einer Kritik der bestehenden Verhältnisse stehen bleiben, sondern Raum für eine breite Diskussion bieten, was sich im Interesse von Arzt und Patient ändern muss.“

Information oder Werbung?‚ – diese Frage stellt sich immer wieder bei Initiativen der Pharmaindustrie, die auf eine Ausweitung des Kontakts zwischen Pharmaindustrie und Patienten zielen. Dieser direkte Patienten-Kontakt ist der Pharmaindustrie bisher verwehrt – nicht unbegründet. In §10(1) des Heilmittelwerbegesetzes heißt es

„Für verschreibungspflichtige Arzneimittel darf nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit diesen Arzneimitteln erlaubterweise Handel betreiben, geworben werden.“

Dr. Günther Jonitz, Präsident Berliner ÄrztekammerDie Pharmaindustrie möchte nicht nur Patienten ‚informieren‘ über ihre Medikamente, sie möchte am liebsten direkt die ‚Informationshoheit‘ oder ‚Direkt-Beeinflussung‘? …
Die Veranstaltung der Ärztekammer fand also in einem großen thematischen Spannungsfeld statt.

Schon Dr. Jonitz (Ärztekammer Berlin) hatte in seiner Begrüßung an Kant und dessen Definition von Aufklärung erinnert (’sich des eigenen Verstandes bedienen, nicht wiederholen was andere einem vorbeten‘).

Prof.Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen ÄrzteschaftÄrzte wie auch Patienten profitieren von einem größeren Abstand zur Pharmaindustrie, betonte Prof. Ludwig. Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft lehne den EU-Richtlinien-Vorschlag kategorisch ab, das Werbe- und Informationsverbot müsse bestehen bleiben. Insbesondere betonte Ludwig, das Primärinteresse und Maxime ärztlichen Handelns müsse immer das Wohl des Patienten bleiben, Sekundärinteressen (von Karriere bis finanziellen Vorteilen) dürften nicht in den Vordergrund treten.

Nach der Einleitung durch Prof. Wolf-Dieter Ludwig (Arzneimittelkommission der Deutsche Ärzteschaft) sprach Dr. Peter Mansfield über ‚Influence of the Pharmaceutical Industry on the Practice of medicine‘. Mansfield ist Gründer und Direktor von Healthy Sceptizism (Motto: improving health by reducing harm for misleading drug promotion).

Peter Mansfield, Mitbegründer Healthy ScepticismAm Beispiel des Antidepressivums Paroxetin zeigte Mansfield eindrücklich, welche Studienergebnisse wie zustande kommen, selektiv verwendet oder unterdrückt und von Pharmaindustrie wie zu Marketingzwecken eingesetzt werden können. Dieses Beispiel zeige eindrücklich, wo das Problem liege: Korruption spiele seiner Ansicht nach im Bereich der Pharmaindustrie nur eine untergeordnete Rolle. Bedeutender sei vielmehr das ‚misleading‘ – wenn (in diesem Fall) besten Gewissens Ärzte glaubten, das Richtige zu tun, und doch Schaden zufügten. Oder allgemeiner, etwas für richtig, zutreffend zu halten, obwohl es falsch sei oder wissenschaftliche Belege (Evidenz) fehlten.

Besonders groß sei die Gefahr dieses ‚misleading‘, wenn es auf Ärzte treffe, die sich selbst überschätzten. Eine Eigenschaft, die bei Ärzten nicht selten zu sein scheint: einem Sonderheft des American Journal of Medicine zu diesem Thema zufolge beträgt die Häufigkeit von Fehldiagnosen bei allen Ärzten 15% – bei Ärzten, die sich ‚absolut sicher‘ in ihrer Diagnose wähnten, hingegen 40% (SZ Nr. 109/2008). Entsprechend zeigten auch US-Studien, so Mansfield, dass Ärzte, die glaubten nicht (von Pharma-Marketing) beeinflusst zu sein, tatsächlich (nach in der Studie gemessenen Indikatoren) in ihrem Verhalten beeinflusst waren.

Aber nehmen Ärzte diese Beeinflussung wahr? Mansfield stellte Daten vor. Auf die Frage ‚Wie weit beeinflussen Pharmareferenten ihr Verschreibungsverhalten?‘ antworteten nur 1% der befragten Ärzte mit ’sehr stark‘, 38% ‚ein wenig‘ und 61% ‚gar nicht‘. Stellte man jedoch die Frage, welchen Einfluss Pharmareferenten auf das Verschreibungsverhalten der werten ärztlichen Kollegen habe, so ergaben sich 51% ’sehr viel‘, 33% ‚ein wenig‘ und nur 16% ‚keinen Einfluss‘. Selbst- und Fremdwahrnehmung klaffen bemerkenswert auseinander – ‚the illusion of unique invulnerability‘.

PinocchioAllerdings sei das Problem der Wege der Einflußnahme von Pharmaindustrie nicht leicht zu verstehen. Pinocchio habe man beim Lügen an der langen Nase erkannt – bei der Pharmaindustrie sei das schwieriger, so Mansfield.

Wichtig sei es, den fehlleitenden Informationen eine Wahrheit gegenüber zu stellen. Was sei diese Wahrheit?
Mansfield definierte sie als ‚die Wahrheit, die ganze Wahrheit, nichts als die Wahrheit, und keine fehlleitenden Informationen‘.

Leider, so Mansfield mit verschmitztem Lächeln, kenne er trotz jahrelanger Suche bisher keine Marketingmaßnahme, keine Anzeige der Pharmaindustrie, die diesem Wahrheits-Anspruch gerecht werde.

Peter Mansfield, Mitbegründer von Healthy ScepticismMarketinganstrengungen der Pharmaindustrie bestehen aus einem Bündel von Maßnahmen. Hierzu gehören neben der ‚Kontaktpflege‘ verschiedenster Art zu Ärzten oder dem ‚disesase mongering‘ (Erfinden von Krankheiten) und der Einflussnahme auf Behandlungs-Leitlinien auch die Beeinflussung von Patienten sowie von Patientenorganisationen und Selbsthifegruppen. Dessen sollten sich Patientenvertreter bei Kontakten mit der Pharmaindustrie immer bewusst sein. Auch Patientenvertreter und -organisationen sollten versuchen, sich unabhängig von Interessen (nicht nur der Pharmaindustrie, auch von Verbänden) zu machen. Größere Distanz sei manchmal hilfreich.

Und des Risikos des Einflusses von Pharma-Marketing sollte sich auch der bei ‚Selbsthilfe‘ und Selbsthilfe-Internetangeboten Unterstützung suchende Patient bewusst werden. Eine gesunde Skepsis sei oftmals angebracht.
Denn die Pharmaindustrie sponsort reichlich und ausgiebig ‚Selbsthilfegruppen‘ – nicht immer sind diese dann inhaltlich völlig ’selbständig‘ in ihrer Meinung. Dies kann gehen z.B. bis zu Angeboten wie ‚www.selbsthilfe.de‘ – einer Site, die ein Loblied der Selbsthilfe singt, die jedoch über eine Freidersdorfer Firmenadresse nach Angaben von BuKo Pharma dem Bundesverband der pharmazeutischen Industrie gehören soll.

Was tun?
Mansfield wies zunächst auf Initiativen hin, in denen Ärzte versuchen, sich Pharma-Vorteilseinflüssen zu entziehen (’nofreelunch‘, in Deutschland MEZIS – ‚mein Essen zahl‘ ich selbst‚). Einer der Schlüsselfaktoren sei die Erkenntnis, dass ein zu hohes Maß an Selbstzufriedenheit / Vertrauen in die eigenen hohen Fähigkeiten eher empfänglich mache für Einflussnahmen. Ist eine totale Verweigerungshaltung (kein Kontakt mit PharmaberaterInnen) ein Weg? Mansfield zeigt sich skeptisch und erinnert an die Erfahrung der Aids-Prävention. Dort sei die ‚totale Lösung‘ (Abstinenz, kein Sex) gescheitert, Lösungen haben sich aufgezeigt, nachdem man akzeptiert habe, dass Menschen Sex haben, um ihnen Wege aufzuzeigen, wie sie diesen ’safer‘ haben können.

Als wichtige Konsequenz wies Mansfield darauf hin, dass es darauf ankomme, statt ‚interessen-geleitetem Geld‘ der Pharmaindustrie ’neutrales Geld‘ zur Verfügung zu stellen für Forschung, Patienten-Information etc. Hier sei der Staat mehr als bisher gefordert.

Weitere Informationen:
Healthy Sceptizism
Prof. Ludwig empfahl besonders einen Untersuchungsbericht des britischen House of Commons „the influence of the pharmaceutical industry“, als pdf verfügbar hier.

Die ‚Initiativgruppe Studienregister‘ versucht (trotz Protesten seitens der Pharmaindustrie), ein von Beginn an öffentlich zugängliches nationales Register für klinische Studien aufzubauen – ein Baustein dabei, die Gefahr einer Unterdrückung unliebsamer Informationen zu reduzieren (Aufruf als pdf hier).
Weitere (insbes. auch im Aids-Bereich interessante) Studien-Register u.a. ATM, clinicaltrials.gov, EudraCT european clinical trials database, clinical studies nih, sowie Register des Int. Pharma-Verbands ifpma. Auch Pharmakonzerne wie GSK, Boehringer Ingelheim oder BMS haben Studienregister online.

Neben nofreelunch und MEZIS strebt auch ‚The Prescription Project‘ eine größere Unabhängigkeit von Ärzten von der Pharmaindustrie an.

Einen Ansatz von freiwilliger Regelung versucht der Verein ‚Freiwillige Selbstkontrolle der Arzneimittelindustrie‘ (FSA) mit seinem ‚Pharmakodex‚ (der sich gelegentlich als ‚zahnloser Tiger‚ zu erweisen scheint).
Einige Pharmakonzerne veröffentlichen immerhin, in welchem Umfang sie welche Patientengruppierungen unterstützen – wie z.B. GSK für 2006 (als pdf hier) und Roche (Beträge ab 3.000€ pro Organisation und Jahr, als pdf hier).

Wahnsinn bei Tieren

Der Wahnsinn lebt … auch bei Tieren. Und dagegen helfen – Pillen, Psychopillen für Hunde. Die Pharmaindustrie sucht nach immer neuen Absatzmärkten …

In den USA ist seit Dezember 2006 bereits eine Pille gegen Fettleibigkeit bei Hunden zugelassen. Fettleibigkeit sei bei Hunden ein zunehmendes Problem, begrüßte die US-Medikamentenbehörde damals die ‚Neu-Erscheinung‘.

Und nun die Psychopille für den Hund. Die Verordnungs-Zahlen sollen steigen.
Zudem, nichts ganz Neues. Psycho-Störungen bei Tieren, bereits seit längerem hat die Pharmaindustrie diesen lukrativen Markt für sich entdeckt. Schon seit einigen Jahren hat z.B. der Pharmakonzern Novartis eine Zulassung einer Psychopille mit dem Wirkstoff Clomipramin für Hund und Katz. Und andere Pharmakonzerne wie Sanofi und Pfizer sind mit ähnlichen Produkten auf dem Markt.

Clomipramin ist zudem ein gutes Beispiel dafür, wie mit Medikamenten Geschäfte gemacht werden können. Die Substanz ist eigentlich nicht neu, wurde bereits 1963 patentiert. Der Patentschutz ist längst abgelaufen, Generika sind auf dem Markt. Aber mit der Zulassung in der Tiermedizin konnte eine neue Wertschöpfungskette erschlossen werden.

Der Markt scheint riesig zu sein. Zur Erinnerung, allein 32,6 Millionen (menschliche) US-Bürger nehmen verschreibungspflichtige Psychopharmaka ein. Ein gewaltiger Markt, und ein noch größerer, wenn Herrchen auch gleich den depressiven Hund mit zum Arzt bringt.

Und immer weitere ‚Zielgruppen‘ stehen schon vor der (Arzt-) Tür … besonders Tropenvögel wie Papageien seien äußerst anfällig für Depressionen, schrieb unlängst ein ‚Boulevardblatt‘.

Der Wahnsinn lebt … nicht nur bei Tieren, sondern auch in der Pharmaindustrie?
Hat die Welt keine größeren Probleme als zu fette Hunde und depressive Papageien?

Schuld und Vertrauen

Mit der Verabschiedung des Pflegegesetzes durch das Bundeskabinett ist auch die Einführung des Schuldprinzips in der Krankenversicherung weiter voran geschritten.

Der Bundestag hat am 14. März 2008 nach zweistündiger Debatte das Pflegegesetz (genauer: ‚Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung‘) verabschiedet. Von vielen unbemerkt, ist dabei auch ein Passus mit umgesetzt worden, der zukünftig weitreichende Änderungen in der Krankenversicherung nach sich ziehen könnte: das Schuldprinzip ist eingeführt worden.

Zukünftig sollen Ärzte den Krankenkassen melden, wenn ein Patient eine Erkrankung hat, die eine Folge einer Schönheitsoperation, einer Tätowierung oder eines Piercings ist. In diesen Fällen soll der Patient dann an den Kosten beteiligt werden; die für die Kostenbeteiligung erforderliche gesetzliche Regelung ist bereits seit April vergangenen Jahres in Kraft. Die neuen Auskunftspflicht soll sogar gelten, wenn sich der Patient den gesundheitlichen Schaden selbst zugefügt hat.

Bisher gilt zwischen Arzt und Patient ein sehr weit reichendes Vertrauensverhältnis. Ärzte dürfen Informationen, die ihnen ein Patient anvertraut, nur in absoluten Ausnahmefällen an Dritte weitergeben – nämlich, wenn dies zum Schutz eines „höherwertigen Rechtsgutes“ notwendig ist, wie die Berufsordnung der Ärzte es (in §9(2)) definiert.

Alle drei Oppositionsfraktionen hatten Änderungsanträge (auch zur Frage der Schweigepflicht) eingebracht. Die jetzige Änderung wird das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten nachhaltig negativ verändern, befürchten Kritiker. Der Arzt werde zum Handlanger der Krankenkassen, die ärztliche Schweigepflicht werde torpediert.

Die Änderung zeigt, dass die derzeitige Gesundheitspolitik zunehmend das Ziel einer Solidargemeinschaft verlässt. Risiken werden von der Gemeinschaft auf den einzelnen verlagert. ‚Mehr Verantwortung übernehmen‘ lautet die euphemistische Bezeichnung für diesen Sozialabbau.
Der Gedanke, jeder habe für selbst verschuldete gesundheitliche Probleme selbst aufzukommen, mag zunächst verlockend erscheinen. Doch wie lange wird dieses „Schuldprinzip“ nur auf Schönheitsoperationen, Piercings und Tätowierungen beschränkt bleiben? Wann folgen Sportverletzungen, und warum ist eigentlich nicht jemand auch ’selbst Schuld‘ an einer sexuell erworbenen Infektion? Oder die Hepatitis- oder HIV-Infektion? Der ‚Fall Barmer‚ zeigt, dass diese Gedanken, so absurd sie heute erscheinen mögen, nicht sehr weit hergeholt sind.

Das Tor für weitere Änderungen ist breit geöffnet … und die nächste Gesundheitsreform kommt bestimmt …

Seitenwechsel

„Gegenüber der Pharmaindustrie gibt es eine geradezu irrationale Lust zu behaupten, dass sie böse Dinge tut. Natürlich gab und gibt es Fehler, aber vor allem könnten die Unternehmen mutiger gegen Vorurteile vorgehen und aufklären. Genau das ist mein Job.“

Wer das sagt?
Ein Pharma- Vorstandsvorsitzender vielleicht?
Oder ein Marketing-Chef eines großen Pillendrehers?
Der Chef einer Werbeagentur?
Schon besser, trifft fast zu.

Das Zitat stammt von einer Gesundheitsministerin.
Bitte?
Genauer einer ehemaligen Gesundheitsministerin.

Das Zitat stammt von Andrea Fischer, ehemalige Bundesgesundheitsministerin, in ‚Welt am Sonntag‘ vom 20.1.2008, zitiert nach Pharma-Brief Nr. 1, Januar / Februar 2008.
Andrea Fischer ist heute (als Partnerin) Leiterin des Gesundheits-Ressorts von Pleon, Deutschlands größter PR-Agentur.

Während die einen sich bemühen, mehr Werbung, genannt ‚Information‘ durch die Pharmaindustrie zuzulassen, andere mit Petitionen dagegen und für die Beibehaltung des Direktwerbeverbots eintreten, vollzieht eine ehemals engagierte Politikerin pirouettenhaft einen Seitenwechsel.

Pleon bietet auf seiner Internetseite, nebenbei bemerkt, im von Fischer geleiteten Gesundheitsbereich u.a. an „integrierte PR-Kommunikation ebenso wie Verbraucherkampagnen für verschreibungspflichtige und OTC-Produkte“.
‚Verbraucherkampagnen‘, das hört sich hübsch an – und klingt, als sei es eine nette Umschreibung für Werbung (die für verschreibungspflichtige Medikamente verboten ist).

Information oder Werbung? (Akt.)

Wieder einmal unternimmt die EU -weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit- einen neuen Anlauf in Sachen Patienteninformation zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Geht es um Information? Oder wieder nur um eine Lockerung eines begründeten Werbeverbots?

Es gehe ihr um „information to patients to ensure good-quality, objective, reliable and non promotional information on prescription-only medicinal products“, erklärt die E-Kommission in ihrem nun zur Diskussion gestellten ‚legal proposal‘.

Die neuen Bemühungen werden u.a. mit dem vermeintlichen Bedarf begründet, unterschiedliche Möglichkeiten und -regeln zu Medikamenten-Information in den Mitgliedsstaaten der EU zu harmonisieren. Ziel sei es, EU-weite Regeln (einen ‚legalen Rahmen‘) aufzustellen für an Patienten gerichtete Informationen durch diejenigen Unternehmen, die die Medikamente vermarkten. Dabei sollten die Interessen der Patienten an erster Stelle stehen, betont das Paper.

Um dies zu erreichen, werden in dem Paper einige ‚Schlüssel-Ideen‘ vorgestellt. So soll zwar das Direktwerbeverbot bestehen bleiben, gleichzeitig soll jedoch ein Rahmen definiert werden, innerhalb dessen die Industrie ‚informieren‘ darf.
Dabei definiert das Paper, alles was nicht Werbung sei, gelte als Information. Hierzu gehören, so das Paper, z.B. die Beipackzettel (Gebrauchsinformationen) und Fachinformationen, aber auch z.B. Informationen über Studien. Vergleiche, z.B. zwischen verschiedenen Medikamenten, sollen hingegen untersagt bleiben.

Solche Art ‚Informationen‘ solle die Pharmaindustrie z.B. durch TV- und Radiobeiträge verbreiten dürfen, aber auch durch Druckerzeugnisse oder Internetangebote. Zudem solle die Pharmaindustrie ‚individuelle Anfragen von Patienten‘ beantworten dürfen.

Begleitet werden solle diese Art ‚Information‘ durch Kontrollgremien auf EU- sowie nationaler Ebene. Diese sollten besetzt werden mit Vertretern u.a. der Ärzteschaft und von Patientenorganisationen sowie der Pharmaindustrie. Die EMEA (die u.a. für die Zulassung von Medikamenten zuständige Einrichtung der EU) soll hingegen über eine Zuarbeit an ein Beratungsgremium hinaus nicht beteiligt werden, da ‚eine wissenschaftliche Bewertung dieser Informationen nicht erforderlich‘ sei.

In Deutschland gilt bisher, dass Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente bei Patienten / Verbrauchern verboten ist. Ein Direktwerbeverbot, das Pharmahersteller jedoch immer wieder bereits heute trickreich zu unterlaufen versuchen.

Das ‚consultation paper‘ der EU ist online zu finden auf den Internetseiten der EU-Kommission Generaldirektion ‚Unternehmen und Industrie‘, Untergruppe ‚Pharmceuticals‘. Auf dieser Internetseite sollen später auch die eingegangenen Stellungnahmen veröffentlicht werden.
Zahlreiche Hintergrund-Informationen liefert der Artikel „Pharmawerbung in Patientenlöpfe‘ der BUKO Pharmakampagne (Rundbrief 05/2007, als pdf hier).

Bis zum 7. April 2008 können an der Thematik Interessierte ihre Anmerkungen und Kommentare zum Vorschlag der EU per Email richten an ulla.narhi@ec.europa.eu

Was bezweckt dieser erneute Vorstoß der EU-Kommission?
Bezeichnenderweise ist der Vorgang (wieder einmal) angesiedelt in der Generaldirektion ‚Unternehmen und Industrie‘, und zwar in der Untergruppe ‚Pharmazeutika‘ – nicht etwa in der Direktion ‚Gesundheit‘. Die pharmazeutische Industrie versucht ja immer wieder (wie z.B. 2002 in Deutschland, dokumentiert bei BuKopharma), das Direktwerbeverbot für Medikamente auszuhebeln oder mit ihm äußerst kreativ umzugehen.

Doch auch andere Gruppen scheinen Interesse an mehr ‚Information‘ (oder: Werbung?) für Medikamente zu haben. So fällt beim Lesen des Entwurfs auf, dass fast durchgängig eher die Sprache des Marketings, der Welt der Werber verwendet wird.

Geht es den Initiatoren des Papers um Information, um Patienten-Information? Oder geht es doch schlicht (aber versteckt) nur wieder um Werbung? Was steckt hinter dem immer wiederkehrenden ‚Informationsbedarf‘ der Pharmaindustrie?
Warum wird gerade die europäische Medikamentenbehörde EMEA aus dem Prozeß weitgehend ausgeschlossen, mit dem Hinweis, eine wissenschaftliche Bewertung der ‚Informationen‘ sei ja nicht mehr erforderlich? Während gleichzeitig mit geradezu kabarettistischem Talent betont wird, alles was nicht Werbung sei sei Information?

Kann die Pharmaindustrie selbst, mit ihren originären Vermarktungsinteressen, überhaupt Quelle seriöser, an den Interessen von Patienten orientierter Information sein? Oder führt diese Art der ‚Information‘ nur zu immer neuen ‚Pillen-Absurditäten‚? Wird gar ‚der Bock zum Gärtner gemacht‘?
Braucht es überhaupt neue Regelungen, um patientenorientierte neutrale Informationen bereitzustellen? Oder reichen nicht die bestehenden Möglichkeiten?

Kann Werbung für Arzneimittel sinnvoll sein?
Bisher gab es gute Gründe, das Direktwerbeverbot weiter beizubehalten. Diese gelten auch weiterhin. Was nicht gebraucht wird, ist Werbung für Medikamente.
Was hingegen zu fordern und unterstützen ist, sind unabhängige, verständliche, vertrauenswürdige und leicht zugängige Patienteninformationen – aber bitte aus neutraler Quelle.

Nachtrag 11.03.2008: VerbraucherInnenschutz bleibt auf der Strecke – Pressemitteilung der BUKO Pharmakampagne (als pdf hier)


die Kosten von HIV – alles eine Frage des Geldes?

In einer bereits seit längerer Zeit laufenden Studie wird in Deutschland untersucht, welche Krankheitskosten HIV-Positive verursachen. Brisantes Material für gesundheitspolitische Diskussionen. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie … ja wen?

„Krankheitskosten- Kohortenanalyse (K3A)“ – so nennt sich kurz und knapp eine Studie, die die DAGNÄ (Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter) zusammen mit dem Lehrstuhl für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen derzeit durchführt.

Ziel der Untersuchung, so die Autoren, sei es, „die Krankheitskosten der HIV-Infektion in Deutschland anhand eines in HIV-Schwerpunktpraxen behandelten Patientenkollektivs zu erheben“. Die Kosten sollen dabei sowohl „aus Sicht der Gesellschaft“ als auch „aus der Perspektive der Krankenkassen“ dargestellt werden.
Die Studie läuft bereits seit 1. Januar 2006 (erste Einschleusung von Patienten). Die Rekrutierung der insgesamt 630 Patienten an 34 teilnehmenden Zentren ist inzwischen abgeschlossen. Für jeden Patienten sollen 18 Monate lang Daten gesammelt werden; die Datenerhebung soll Mitte 2009 abgeschlossen sein. Mit ersten Ergebnissen wird für Ende 2009 gerechnet.

Welche Art Ergebnisse?
Die Autoren dazu: Die Ergebnisse werden „erstmalig eine Abschätzung der finanziellen Belastung für die Gesellschaft durch die HIV-Erkrankung ermöglichen“. Zudem sollen sie „eine Aussage darüber zulassen, welche finanziellen Ressourcen die GKV [Gesetzliche Krankenversicherung, d.Verf.] für diese Erkrankung aufbringen muss“. Die Studie soll „Informationen für die gesundheitspolitische Diskussion zur Allokation [Zuteilung, Bereitstellung, d.Verf.] von Ressourcen erbringen“.

Welche Art Ergebnisse zu welchen Fragen mit den Daten der Studie möglich werden, lässt sich u.a. aus dem Aufbau der Studie und Daten erahnen.

So sollen im Rahmen der Studie verschiedene Sub-Gruppen untersucht werden, Therapie-naive Positive (ohne ART) genauso wie Positive unter ihrer ersten, zweiten oder dritten ART oder unter vierter und weiterer ART.
Analysiert werden soll in der Studie „ggf.“ auch auf andere Sub-Gruppen, nämlich die ‚HIV-Transmissions-Risiko-Gruppen‘ (sprich: Männer die Sex mit Männern haben (MSM), iv-DrogengebraucherInnen, über heterosexuelle Kontakte Infizierte, ‚Personen aus Endemiegebieten‘).

Zudem sollen bei den Daten zu den einzelnen Patienten „Umstellungs- und Abbruchgründe dokumentiert“ werden – wiederum, um „Subgruppen bilden zu können“.
Abgefragt (und vermutlich ausgewertet?) wird u.a. weiterhin auch die „psychosoziale Situation des Patienten“ (siehe „Arztcheckliste“, hier als pdf), sowie ob der Patient die Pillen regelmäßig, termintreu und zeitgerecht nimmt (mit mindestens sieben detaillierten Fragen, siehe pdf hier, Seite unten links vergrößern, oder der gesamte ‚Patienten-Reminder‘ als pdf hier).

Über eine etwaige Beteiligung von HIV-Positiven oder der Deutschen Aids-Hilfe bei der Studien-Gestaltung oder -Auswertung ist nichts bekannt.

.

Die HIV-Infektion ist eine kostenintensive Erkrankung, sowohl in ihrer medikamentösen Therapie (Kosten der Aids-Medikamente) als auch der Betreuung und Behandlung der Patienten, keine Frage. Und ‚Wirtschaftlichkeit‚ ist längst eines der Entscheidungskriterien auch im deutschen Gesundheitswesen.
Aber – ist diese Studie erforderlich, sinnvoll? Für wen?

Worum geht es den Initiatoren? Wirklich um „gesundheitspolitische Diskussion“? Man könnte -wenn man sich den Begriff der ‚Ressourcen-Allokation einmal auf der Zunge zergehen lässt- beinahe den Eindruck gewinnen, dass Ärzte mehr Geld erhalten wollen und dafür Argumente suchen? Ein Artikel aus 2006 (pdf hier), der bezeichnenderweise die Studie u.a. in den Zusammenhang des ‚Bundesmantelvertrags HIV‚ (Schlagzeile ‚das liebe Geld‘) stellt, weist vielleicht den Weg …

Die Daten und Ergebnisse dieser Studie, wenn sie erst einmal in der Welt sind, dienen aber sicherlich nicht nur ärtzlichen Entlohnungs-Debatten.
Was sich zunächst harmlos anhört, könnte gewaltige Sprengkraft entwickeln. Die Daten, die zunächst ‚unschuldig‘ wirken, könnten brisante Ergebnisse bringen – und noch brisantere Folge-Diskussionen.

Nur einige erste Beispiel: angenommen z.B. die Daten zeigen, dass DrogengebraucherInnen im Vergleich zu Schwulen ‚teurere‘ Patienten sind. Oder Migranten, oder Asylbewerber. Oder dass Therapie-Abbrecher oder Menschen mit Problemen bei der ‚Therapietreue‘ weit höhere Gesamtkosten verursachen.
Was geschieht dann mit diesen Daten, wenn sie erst einmal in der Welt sind? Wer ‚wertet‘ sie aus? Wer zieht aus ihnen politische Konsequenzen?

Ob an der Studie beteiligten Positiven bewusst ist, welche Aussagen mit ihren Daten möglich werden könnten? Oder dass sie, falls sie ihre Kombi in nennenswertem Umfang nicht vollkommen korrekt einnehmen, ihre Chroniker-Regelung (Chronikerregelung: 1% Zuzahlung statt 2%) gefährden könnten (genau wegen fehlender Therapietreue)? Und dass für Politiker, die genau diese Leistungseinschränkungen durchsetzen wollen, Studien wie diese auch noch die erforderlichen Daten und Argumente liefern könnte?

Oder die bewusste Wahl auch der Perspektive der Krankenkassen für die Datenauswertung. Wenn Kassen jetzt schon versuchen, nach dem Sex-Partner zu fragen, durch den eventuell eine Infektion stattgefunden haben könnte (wegen möglicher Kosten-Regressforderungen, siehe ‚Fall Barmer‚), was wird dann erst mit Daten zur Ökonomie von Therapie, Therapietreue und Therapieabbruch angestellt? Wo „Therapietreue“ eh gerade als Kriterium der GKV eingeführt werden soll?

Ob den Autoren der Studie bewusst ist, welche Büchse der Pandora sie möglicherweise aufmachen?
Bedenken mögen zunächst unbegründet oder ‚ängstlich‘ erscheinen. Wenn ich jedoch allein einmal daran denke, dass Begriffe wie Verantwortung, Eigenverantwortung, Schuld zunehmend Einzug in den gesundheitspolitischen Diskurs halten, sich selbst in Gesetzesentwürfen und -texten wiederfinden …

Die aktuelle Ausgabe des ‚Retrovirus Bulletin‘ mit dem Artikel „HIV-Behandlung – die gesundheitsökonomische Perspektive“ (S.1-3) steht hier als pdf online.
Die Studie wird auch im Rahmen der (in Berlin stattfindenden) Münchner Aids-Tage präsentiert – am 15. März 2008, Workshop B27

hochpreisige Pillen (akt.)

Nur wenige HIV-Patienten kennen die Preise der Medikamente, die sie u.U. einnehmen. Politikum Medikamenten-Preise – im Gegensatz zu anderen Staaten meist nicht hierzulande.
Als Versicherter der Gesetzlichen Krankenversicherung erfährt ein Patient kaum einmal den Preis der Pillen – Apotheken rechnen die Rezepte direkt mit der Kasse ab.

Zur Information hier einige beispielhafte Preise von Aids-Medikamenten (Stand 01/2008):

Handelsname Dosis Tbl/ Preis AVK Preis/ Tages- Preis Preis
Pckg. Einheit dosis Tag Jahresdosis
Pis
Aptivus 250mg/Kps 120 970,43 € 8,09 € 4 32,35 € 11.806,90 €
Crixivan 400mg/Kps 180 372,54 € 2,07 € 4 8,28 € 3.021,71 €
Invirase 500mg/Kps 120 576,53 € 4,80 € 4 19,22 € 7.014,45 €
Norvir 100mg/Kps 336 619,54 € 1,84 € 1 1,84 € 673,01 €
Prezista 300mg/Tbl 120 867,14 € 7,23 € 4 28,90 € 10.550,20 €
Reyataz 150mg/Kps 60 711,50 € 11,86 € 2 23,72 € 8.656,58 €
Telzir 700mg/Tbl 60 578,39 € 9,64 € 2 19,28 € 7.037,08 €
NRTIs
Emtriva 200mg/Kps 30 300,42 € 10,01 € 1 10,01 € 3.655,11 €
Epivir 300mg/Tbl 30 300,42 € 10,01 € 1 10,01 € 3.655,11 €
Retrovir 250mg/Kps 40 226,18 € 5,65 € 2 11,31 € 4.127,79 €
Videx 400mg/Kps 60 673,52 € 11,23 € 1 11,23 € 4.097,25 €
Viread 245mg/Tbl 30 478,30 € 15,94 € 1 15,94 € 5.819,32 €
Zerit 245mg/Kps 56 281,60 € 5,03 € 2 10,06 € 3.670,86 €
Ziagen 300mg/Tbl 60 452,97 € 7,55 € 2 15,10 € 5.511,14 €
NNRTIs
Sustiva 600mg/Tbl 30 420,26 € 14,01 € 1 14,01 € 5.113,16 €
Viramune 200mg/Tbl 60 437,04 € 7,28 € 2 14,57 € 5.317,32 €
Viramune 200mg/Tbl 120 855,46 € 7,13 € 2 14,26 € 5.204,05 €
Sonstige
Celsentri 150mg/Tbl. 60 1.101,00 € 18,35 € 2 36,70 € 13.395,50 €
Isentress 400mg/Tbl 60 1.062,03 € 17,70 2 35,40 € 12.921,37 €
Fuzeon 100mg/Amp 60 2.032,04 € 33,87 € 2 67,73 € 24.723,15 €
Kombi-Med.
Atripla 300/200/600mg/Tbl 1
Combivir 150/300mg/Tbl 60 634,91 10,58 € 2 21,16 € 7.724,74 €
Kivexa 300/600mg/Tbl 30 722,93 24,10 € 1 24,10 € 8.795,65 €
Trizivir 150/300/300mg/Tbl 60 1141,65 19,03 € 2 38,06 € 13.890,08 €
Truvada 300/200mg/Tbl 30 769,07 25,64 € 1 25,64 € 9.357,02 €
Kaletra 200/50mg/Tbl 120 773,27 6,44 € 4 25,78 € 9.408,12 €

Anmerkungen:
alle Handelsnamen eingetragene Warenzeichen
Tagesdosis: angegeben nur häufig verwendete Dosierungen, ggf. erforderliche RTV-Boosterung, hier nicht genannt. KEINE Dosisempfehlungen!
Ritonavir: angegebener Preis Jahresdosis bei Verwendung als Booster 1x 100mg (nicht als eigenständiger PI)

Die oben genannten Packungs-Preise (Preis AVK; AVK = Apotheken-Verkaufspreis) gelten für jeweils ein Medikament. Wichtiger als die Packungspreise sind für Preisvergleiche die Preise pro üblicher Tagesdosis sowie die Jahres-Therapiekosten:

Ein HIV-Positiver nimmt üblicherweise eine Kombination aus drei oder mehr Wirkstoffen (die manchmal in einer Pille kombiniert sein können).

Dabei können sich jährliche Therapiekosten in ganz anderen Dimensionen ergeben – 15.000 Euro ca.-Jahres-Therapiekosten sind schnell erreicht:

Aids-Medikamente Beispiele ca-Jahres-Therapiekosten
In diesem Beispiel möglicher jährlicher Therapiekosten sind die Kosten für Begleit-Medikationen noch nicht berücksichtigt.

Und werden besonders hochpreisige Medikamente eingesetzt (wie z.B. bei vielen vorhandenen Resistenzen und Fuzeon-Therapie), können die Kosten weitaus höher werden …

Politikum Medikamenten-Preise

Die Preise der Aids-Medikamente interessieren hierzulande bisher die meisten Patienten nur wenig.

Sicher, einige Positive wissen um die Auswirkungen von Medikamenten-Preisen in den weniger entwickelten Staaten der Welt. Manche bekommen wohl auch mit, dass Aids-Medikamente nicht gerade zum Niedrigpreis-Segment des Pharma-Marktes gehören (z.B. wenn wieder einmal Meldungen über Deals mit Pillen durch die Presse gehen). Meistens jedoch sind die Preise der Pillen hierzulande ‚kein Thema‘.

Ganz anders z.B. in den USA, schon aus Gründen des dort völlig anders strukturierten Gesundheitssystems.
In den USA, wo viele Menschen überhaupt keinen Krankenversicherungsschutz haben oder auf die (oft nicht optimal wirksamen) staatlichen Hilfsprogramme Medicaid und Medicare angewiesen sind, ist der Preis von Medikamenten viel eher ein Thema.

Und dort sind Medikamenten-Preise oft auch ein Politikum, Gegenstand aktivistischen Engagements.
Ein besonderer Fall war der Preis für das erste zugelassene Aids-Medikament, AZT (Handelsname Retrovir). Der Hersteller Burroughs Wellcome (heute aufgegangen in GlaxoSmithKline) setzte den Preis des neuen Medikaments auf damals sehr hohe 8.000 $ pro Jahr fest. Massive Proteste und Demonstrationen vor Büros und Niederlassungen des Herstellers sowie Aktionen zivilen Ungehorsams in der Wall Street im Jahr 1989 brachten den Hersteller schließlich drei Tage später zum Einlenken, der Preis für AZT wurde um 20% gesenkt.

Ein weiteres Mal konnten Aids-Communities einen Pharmahersteller zum Senken des Preises eines Medikaments bringen (beim Herpes-Medikament Aciclovir).

In heutigen Zeiten hingegen haben selbst in den USA die HIV-Communities kaum noch den Elan, zu solch starken Demonstrationen zu mobilisieren. Allerdings engagieren sich Aids-Aktivisten in den USA zunehmend nicht nur in Therapieaktivismus und Forschungsfragen, sondern auch in Gesprächen mit Pharmakonzernen, wenn es um die Festsetzung von Preisen für neue Medikamente geht. Auch dies hierzulande bisher weitgehend unbekannt und ungedacht.

Bittere Ironie medizinischen Fortschritts: mit dem Erfolg besserer und wirksamerer Medikamente hat die Fähigkeit zu Protesten und Mobilisierung massiv nachgelassen. Dabei sind so manche Medikamente heute teurer denn je …

Patientenrechte in Deutschland

Über „Patientenrechte in Deutschland“ informiert eine gleichnamige kleine Broschüre, die das Bundesministerium für Gesundheit zusammen mit dem Bundesministerium für Justiz in einer Neuauflage herausgegeben hat.

Die 20seitige Broschüre befasst sich dabei sowohl mit der ’normalen‘ Situation der Patientenrechte im Behandlungsverhältnis (wie z.B. der Frage, darf ich meine Krankenakte einsehen), geht aber auch kurz auf die Rechte im Schadenfall (z.B. fehlerhafte Behandlung) ein.

Die Broschüre „Patientenrechte in Deutschland“ (5. Auflage, September 2007) ist unentgeltlich erhältlich über den Publikationsversand der Bundesregierung (publikationen@bundesregierung.de).

Die Broschüre gibt einen ersten Überblick über PatientInnenrechte – nicht mehr, aber immerhin. An einigen Stellen wünscht man sich tiefergehende Informationen, dennoch ist die Broschüre als erster Einstieg ein guter Startpunkt.

Referentenentwurf für ein Präventions-Gesetz

Das geplante Präventionsgesetz nimmt langsam Gestalt an – ein Referentenentwurf wurde vorgelegt. Zentrales Gremium soll zukünftig ein Nationaler Präventionsrat sein – in dem Patienten-Verbände nur sehr indirekt eingebunden sein sollen.

Bereits seit 2004 wird diskutiert – nun hat das Bundesgesundheitsministerium einen ersten Entwurf für ein Präventionsgesetz vorgelegt. Das „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und gesundheitlicher Prävention sowie zur Änderung anderer Gesetze“ soll dazu dienen, die Prävention als eigenständige Säule im deutschen Gesundheitswesen zu etablieren.

Der Referentenentwurf des Gesetzestextes sieht u.a. die Etablierung eines Nationalen Präventionsrates vor, der Präventionsziele festlegen und Wege zu deren Erreichung vorschlage soll. Parallel soll dies auf Länder-Ebene durch Landes-Präventionsräte erfolgen.

Gemäß dem Referenten-Entwurf sind Mitglieder des Nationalen Präventionsrates die „Träger von Leistungen zur gesundheitlichen Prävention“ (gesetzliche und private Krankenversicherung, Renten-, Unfall- sowie Pflegeversicherung). Zudem sollen Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände einen Sitz erhalten.

Eine etwaige Beteiligung der Betroffenen (sprich: Bürger, Patienten, Verbraucher) als Mitglieder im Nationalen Präventionsrat ist dem Entwurf zufolge nicht vorgesehen. Erst in einem ‚Beirat‘ (dessen Aufgabe, Funktion und Kompetenz außer ‚beraten‘ zunächst nicht näher spezifiziert sind) soll zumindest auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe eingebunden werden.

Vertreter der CDU/CSU erklärten bereits ihre Ablehnung des derzeitigen Entwurfs. Er sei „eine Frechheit“, äußerte Wolfgang Zöller (CSU). Die Union lehnt insbesondere Stiftungsmodell wie auch Präventionsrat ab.
Auch von den Grünen kam Kritik. Der Entwurf sei allenfalls ein Torso, so die gesundheitspolitische Sprecherin Bender.
Die privaten Krankenversicherer kritisieren den Referentenentwurf ebenfalls – er sei eine „systematisch falsche Weichenstellung“. Insbesondere wandte sich der PKV-Verband gegen eine Einbeziehung der Privaten Krankenversicherung in das Präventionsgesetz.

Gesundheit auch vorbeugend zu fördern erscheint vernünftig – auch, Lebensbedingungen zu schaffen, die Menschen ermöglichen so zu leben, dass sie ihre Gesundheit erhalten können.
Immer stärker greift der Staat allerdings auch in Richtung einer Pflicht zur Gesundheit ein, schränkt dabei Freiheitsrechte ein (wie bei m.E. weit über das Ziel hinaus schießenden Nichtraucher-Regelungen). Insofern ist dem Präventionsgesetz mit einer gewissen Skepsis zu begegnen.
Auch unter diesem Aspekt scheint es erstaunlich, dass gerade Patientenverbände, die teils ein erhebliches Wissen, Expertise und Erfahrungen (sowie Bürgernähe) auf dem Gebiet Prävention vorzuweisen haben, nur äußerst indirekt (und mit unklaren Kompetenzen) einbezogen werden sollen.
Die von der Gesundheitspolitik so oft reklamierte Einbeziehung von Patienten – hier lässt sie deutlich zu wünschen übrig. Dies gilt umso mehr bei der großen Bedeutung, die der Prävention zukünftig im deutschen Gesundheitswesen zukommen soll.