Indien: 3.000 HIV-Positive demonstrieren für bezahlbare Aids-Medikamente

Mitarbeiter der medizinischen Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen haben am 2. März 2011 in Neu-Delhi zusammen mit mehr als dreitausend HIV-Infizierten aus ganz Asien und dem UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Gesundheit gegen Pläne der Europäischen Union demonstriert. Sie riefen die indische Regierung dazu auf, dem Druck aus der EU zu widerstehen und keine Regelungen im Freihandelsabkommen zu akzeptieren, die Patienten in ärmeren Ländern den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten verbauen würden. Heute wird über genau diese Fragen in Brüssel weiter verhandelt.
Mehr als 80 Prozent der Aidsmedikamente, mit denen Ärzte ohne Grenzen weltweit 175.000 Patienten in ärmeren Ländern behandelt, sind günstige Nachahmerpräparate aus Indien. „Wer den Kranken diese Medikamente nimmt, gefährdet ihr Leben. Sowohl bei der Behandlung von Aids als auch bei Krankheiten wie Tuberkulose und Malaria sind wir auf die Produzenten aus Indien angewiesen“, erklärt Oliver Moldenhauer, Koordinator der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. „Deutschland ist innerhalb der EU leider einer der entschiedensten Verfechter der Interessen der Pharmaindustrie.“

Die EU besteht auf Regelungen zum Schutz geistigen Eigentums, die über das hinausgehen, was bisher für internationale Handelsverträge gefordert wird. Für die Patienten wäre vor allem die von der EU angestrebte so genannte „Datenexklusivität“ im Zulassungsverfahren verheerend. Diese Regelung wirkt wie ein Patentschutz für die Medikamente der Pharmafirmen und würde bezahlbare Nachahmerpräparate selbst dann vom Markt fernhalten, wenn diese nicht unter tatsächlichem Patentschutz stehen. Nach wie vor behauptet die EU fälschlicherweise, dass diese Regelungen den Zugang zu Medikamenten nicht behindern würden.

“Die schädliche Wirkung der Datenexklusivität auf die öffentliche Gesundheit ist bei Freihandelsabkommen zwischen anderen Ländern bereits nachgewiesen“, erklärt Anand Grover, UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Gesundheit. „Es wäre ein kolossaler Fehler, Datenexklusivität in Indien einzuführen, wenn Millionen von Menschen auf der ganzen Welt auf Indien als „Apotheke der Armen“ angewiesen sind.“

“Unser Überleben hängt von bezahlbaren Medikamenten aus Indien ab”, erklärt Rajiv Kafle aus Nepal vom „Asia Pacific Network of Positive People“. „Ein Rückschritt in die Zeit, als unsere Angehörigen und Freunde starben, weil sie sich keine Medikamente leisten konnten, wäre grauenhaft. Wir sind heute nach Delhi gekommen, um eine einfache Botschaft an die indische Regierung zu richten: Verkauft nicht unser Leben mit dem EU-Indien-Freihandelsabkommen.“

(Pressemitteilung Ärzte ohne Grenzen)

Jetzt erst recht: Medizinische Versorgung von Menschen mit HIV weltweit sicherstellen!

Der NDR berichtet heute über einen internationalen „Millionenbetrug“ mit HIV-Medikamenten. Offenbar haben Pharmagroßhändler verbilligte Präparate für Menschen in ärmeren Ländern nach Deutschland importiert und hier in gefälschten Verpackungen mit hohen Gewinnen verkauft.

„Die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) verurteilt diese illegalen Geschäfte aufs Schärfste“, sagt Winfried Holz vom DAH-Vorstand. „Wenn tatsächlich Medikamente aus dem südlichen Afrika auf den deutschen Markt gelangt sind, zeugt das von hoher krimineller Energie der Täter. Es muss nun darum gehen, den Schaden für die Versorgung von Menschen mit HIV so gering wie möglich zu halten!“

Die Medikamente wurden Menschen mit HIV, die sie dringend benötigen, vorenthalten. Daraus ist möglicherweise eine Gefahr für ihre Gesundheit und ihr Leben erwachsen. Menschen mit HIV in Deutschland, die neu verpackte, reimportierte Medikamente eingenommen haben könnten, werden durch den Betrug verunsichert.

Hinzu kommt: Pharmaunternehmen haben die Möglichkeit illegaler Reimporte in den letzten Jahren immer wieder als Argument gegen die verbilligte Abgabe ihrer Präparate für ärmere Länder genutzt. Es besteht nun die Gefahr, dass die Vorbehalte wieder wachsen. Die Versorgung von HIV-Positiven mit Medikamenten könnte dadurch noch schlechter werden.

DAH-Vorstand Winfried Holz weiter: „Aus dem Skandal lässt sich etwas lernen: Wenn Pharmafirmen ihre Präparate für die Produktion von Generika freigeben, sind illegale Reimporte dieser Medikamente nicht möglich. Das gleiche gilt, wenn die Firmen in ärmeren Ländern ihr Produkt selbst unter anderem Namen und mit anderem Design auf den Markt bringen. Von diesen Möglichkeiten sollten Pharmafirmen noch stärker Gebrauch machen! Außerdem: Es ist kein Zufall, dass die Medikamente in Deutschland auf den Markt gebracht wurden. Deutschland gehört zu den Ländern mit den höchsten Medikamentenpreisen weltweit. Die völlig überzogenen Preise bedeuten für die Betrüger besonders hohe Gewinne. Die Deutsche AIDS-Hilfe fordert eine Senkung der Preise für HIV-Medikamente in Deutschland. Das würde auch den Betrug mit Rückimporten unattraktiver machen.“

Das Ziel muss weiterhin sein, dass alle Menschen mit HIV weltweit, die Medikamente benötigen, sie auch bekommen. Bislang erhält nur etwa ein Drittel der Therapiebedürftigen weltweit eine entsprechende Medikation. (Im Jahr 2009 waren es nach Angaben von UNAIDS 5,25 Millionen Menschen, wobei 14,6 Millionen eine Therapie benötigt hätten.)

Eine gesundheitliche Gefährdung für Menschen mit HIV in Deutschland besteht durch den vorliegenden Betrug nach Einschätzung der Deutschen AIDS-Hilfe wahrscheinlich nicht. So lange tatsächlich Originalpräparate in den Verkauf gekommen sind, dürften sie unvermindert wirksam sein. (Eine Ausnahme könnte theoretisch das Medikament Norvir®/Ritonavir bilden, sollte die Kühlkette unterbrochen worden sein.)

Wer befürchtet, entsprechende Medikamente erhalten zu haben, sollte seinen Apotheker auf diesen Verdacht ansprechen.

Der Bericht des NDR: http://www.ndr.de/regional/schleswig-holstein/hivmedikamente101.html

(Pressemitteilung der DAH)

siehe auch:
ondamaris: Millionen-Betrug mit Aids-Medikamenten?

Millionen-Betrug mit Aids-Medikamenten? (akt.7)

Bundesweiter Betrug mit HIV-Medikamenten im Wert von mehreren Millionen Euro, diesen Verdacht meldet die NDR-Nachrichtenwelle NDR info.

Das Bundeskriminalamt sowie mehrere Staatsanwaltschaften würden gegen mehrere Pharma-Großhändler ermitteln, berichtet NDR info. Diesen werde vorgeworfen, für Afrika bestimmte verbilligte bzw. ’subventionierte‘ Aids-Medikamente in großem Umfang umverpackt, illegal nach Deutschland gebracht und hier mit extrem hohen Gewinnen verkauft zu haben – die Medikamente wurden in Deutschland zu hier üblichen Preisen auf den Markt gebracht. Das Bundeskriminalamt BKA hat den Bericht des NDR inzwischen bestätigt.

Dabei wurden die Aids-Medikamente nach Angaben von NDR info teilweise „als sogenannte Bulkware – also lose Tabletten in Kisten und Säcken – illegal aus Südafrika über Belgien und die Schweiz nach Deutschland importiert.“

Insgesamt wurden nach Angaben eines AOK-Sprechers über 10.000 Packungen in Deutschland auf den Markt gebracht. Sie wurden an Apotheken zu einem „ungewöhnlich günstigen“ Einkaufspreis abgegeben – diese hätten eigenbtlich stutzig werden müssen.

Der finanzielle Schaden solle nach Schätzungen der AOK mindestens im zweistelligen Millionenbereich liegen. Neben Deutschland wird in diesem Verfahren auch in der Schweiz, Belgien, Südafrika und anderen Staaten ermittelt. In Deutschland sind die Staatsanwaltschaften Flensburg, Trier und Lübeck an den Ermittlungen gegen die Pharmagroßhändler beteiligt. Ermittelt wird u.a. gegen einen Pharmagroßhändler mit drei auf Sylt ansässigen Firmen sowie gegen eine Firma in Trittau.

Aufgeflogen sein soll der Betrug ursprünglich bereits im August 2009 in einer Apotheke im niedersächsischen Delmenhorst. Bei einer Packung eines Aids-Medikaments des Herstellers GlaxoSmithKline seien gefälschte Umverpackung und gefälschter Beipackzettel festgestellt worden. Dies habe sicherheitshalber zum Rückruf einer Charge geführt. Auch Boehringer Ingelheim habe 2009 und 2010 mehrere Chargen eines Aids-Medikaments zurückgerufen.

Bereits seit November 2010 ermittelt die Trierer Staatsanwaltschaft gegen ein Pharmaunternehmen wegen Verdachts auf illegalen Handel mit Aids-Medikamenten.

Die Medikamente selbst sollen in ihrer Wirksubstanz nicht gefälscht gewesen sein (andererseits zitiert der ‚Focus‘ allerdings Oberstaatsanwalt Günther Möller mit dem Hinweis auf „sehr viel niedrigeren“ Wirkstoffgehalt, allerdings „noch im Bereich der Toleranz“). Der Re-Import sowie das Inverkehrbringen in Deutschland sei jedoch nicht zulässig gewesen, heißt es. Allerdings sei zu prüfen, ob Schäden durch unterbrochene Kühlketten entstanden seien oder Haltbarkeitsdaten abgelaufen waren.

Auf eine weitere potentielle Gefahr weist die Deutsche Aids-Hilfe hin: Pharmaunternehmen haben die Möglichkeit illegaler Reimporte in den letzten Jahren immer wieder als Argument gegen die verbilligte Abgabe ihrer Präparate für ärmere Länder genutzt. Es besteht nun die Gefahr, dass die Vorbehalte wieder wachsen. Die Versorgung von HIV-Positiven mit Medikamenten könnte dadurch noch schlechter werden. Winfried Holz, DAH-Vorstandsmitglied, weist auch einen Lösungsweg: „Aus dem Skandal lässt sich etwas lernen: Wenn Pharmafirmen ihre Präparate für die Produktion von Generika freigeben, sind illegale Reimporte dieser Medikamente nicht möglich.“

Aktualisierung
24.02.2011, 20:30
: Pharmakonzern GSK bezeichnet Aussagen von NDR info als  „Spekulationen“: „Der Bericht von NDR Info enthält die Vermutung, dass die betroffenen HIV-Medikamente aus dem Hause GlaxoSmithKline für das Ausland bestimmt waren und dass durch einen Reimport angeblich extrem hohe Gewinnmargen erreicht wurden. Bei den Darstellungen in dem Bericht handelt es sich um reine Spekulationen.“ GSK wies darauf hin, dass „gefälschte Tabletten bis heute nicht gefunden wurden“. Zulassungsinhaber sei seit Oktober 2010 das gemeinsam mit Pfizer betriebene Unternehmen ViiV Healthcare. Man kooperiere  mit den Ermittlunsgbehörden. (Quelle)

25.02.2011, 08:30
Presseberichten zufolge handelt es sich bei den betroffenen Pharmafirmen u.a. um MPA Pharma (Trittau), zu der auch die Tochterfirma EmraMed gehöre (wg. Re-Import Norvir®), sowie den Pharmagroßhändler Hans-Wilhelm Sch. aus Sylt. (Quelle)

25.02.2011, 18:00
MPA Pharma aus Trittau weist die Vorwürfe des Betrugs wegen gefälschter HIV-Medikamente zurück. (Quelle)

26.02.2011, 06:00
Auch der Sylter Pharmahändler weist die Anschuldigungen zurück. Er habe ordnungsgemäß gehandelt und keine Fälschungen begangen. Geschäftsführer und Gesellschafter einer ebenfalls beschuldigten Firma aus der Vulkaneifel weisen die Anschuldigungen ebenfalls zurück. (Quelle)

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weitere Informationen:
NDR info 24.02.2011: Millionenbetrug mit HIV-Medikamenten
ntv 24.02.2011: Millionenbetrug mit Aids-MedikamentenPharmahändler unter Verdacht
Focus 24.02.2011: HIV-Medikamente – BKA ist Millionenbetrug auf der Spur
SpON 24.02.2011: HIV-Skandal – Strafverfolger gehen Millionenbetrug mit Aids-Medizin nach
Financial Times Deutschland 01.03.2011: Die infizierte Lieferkette der HIV-Medikamente
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zu Tode mutiert – neuer Weg der HIV-Therapie?

Mit einem völlig neuen Konzept versuchen Forscher gegen HIV vorzugehen: eine experimentelle Substanz soll HIV durch beschleunigte Mutationen vermehrungsunfähig machen.

Bisherige Aids-Medikamente versuchen, den Vermehrungs-Zyklus von HIV in menschlichen Zellen an verschiedenen Stellen zu blockieren. Eine neue Art einer experimentellen Substanz geht andere Wege: die Vermehrung von HIV zu beschleunigen – so, dass HIV schließlich vermehrungsunfähig wird (sog. „Fehler-Katastrophe“, ‚error catastrophe‘).

Die erste Substanz dieser Klasse wurde inzwischen in klinischen Studien am Menschen untersucht: KP-1461 vom kanadischen Unternehmen Koronis Pharma. KP-1461 (auch: SN1212) ist eine orale Prodrug von KP-1212. Die Substanz fügt sozusagen ‚Fehler‘ in die Erbinformation von HIV ein. Die virale Mutationsrate soll erhöht werden. Ziel ist letztlich, die Vermehrungsfähigkeit von HIV zu beenden und somit die Population von HIV in einem Körper zum Zusammenbruch zu bringen.

KP-1461 ist ein Derivat (Abkömmling) von Ribavirin, das auch in der Therapie der Hepatitis C eingesetzt wird. KP-1461 wurde bisher in Phase-I- und Phase-IIa-Studien auf Sicherheit und Verträglichkeit untersucht. Zudem konnte gezeigt werden, dass KP-1461 die (aufgrund theoretischer Modelle sowie von Tierversuchen) erwartete Mutationsrate bei HIV produzierte.

Prof. Mullins, Leiter der Studie, zeigte sich überzeugt, dass es gelingen könne, durch eine Anhäufung zusätzlicher Mutationen einen für HIV kritischen Verlust der ‚viralen Fitness‘ herbeizuführen. Gelänge dies, so hätte man einen völlig neuen Weg nicht-hemmender Medikamente in der HIV-Therapie gefunden.

Nun soll in einer Phase-II- Studie untersucht werden, ob und in welchem Zeitraum mit der Substanz ein klinisch relevanter Rückgang der Viruslast erreicht werden kann, sowie ob und falls ja wie sie in Kombinationstherapien eingesetzt werden könnte. In bisherigen Studien zeigte sich kein Rückgang der Viruslast nach 124 Tagen. Die neue Studie soll nun einen längeren Zeitraum umfassen.

Sollte sich das Wirkkonzept von KP-1461 als praxistauglich erweisen, könnte die Substanz z.B. gemeinsam mit einer hochwirksamen Kombinationstherapie eingesetzt werden. Die Kombi würde die Virusvermehrung unterdrücken, während KP-1461 verbleibendes HIV „aus der Existenz heraus mutieren“ würde – der Patient könnte theoretisch geheilt werden. Wirtschaftsanalysten sind trotz der „hohen Risiken“ begeistert und sprechen von einer potentiellen „kompletten und drastischen Veränderung“ des Marktes für HIV-Therapie.

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weitere Informationen:
Aids Treatment News 2007: New Kind of Antiretroviral, KP-1461; Clinical Trial Recruiting. Interview with Stephen Becker, M.D.
US Department of Health and Human Services / Aidsinfo: KP-1461 drug description
J.I.Mullins et a. 03.09.2010: H-1170a – First-In-Man Study of the Mutagenic Potential of Nucleoside KP1461 in HIV-1 Infection (abstract)
clinicaltrials.gov: Study of KP-1461 for the Treatment of HIV Positive Patients Who Have Failed Multiple HAART Regimens
Koronis Pharma / HIV
Mark G. Fromhold, Ph.D., Vice President, Manufacturing & Business Development, Koronis Pharmaceuticals (22.02.2011): Nonsuppressive Drug Therapy for HIV (Podcast)
„A cure for HIV?“, in: Wedbush PAC Grow Life Science 26.01.2011: Gilead Science (pdf)
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Europäische Arzneimittel-Behörde: Zerit® nur als letzte Alternative nutzen

Der NRTI d4T (auch: Stavudin, Handelsname Zerit®) soll aufgrund seiner Toxität nur in antiretroviralen Therapien eingesetzt werden, wenn keine anderen Alternativen bestehen. Dies teilte die europäische Arzneimittelbehörde EMA mit.

Vom 14. bis 17. Februar 2011 traf sich in London das Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP), das Gremium der EMA, das für den Einsatz am Menschen bestimmter Arzneimittel zuständig ist. Das Komitee beschäftigte sich mit einer Vielzahl von Substanzen – unter anderem auch mit dem Aids-Medikament Stavudin (d4T, Handelsname Zerit®).

Das Komitee äußerte angesichts der Nebenwirkungen von Stavudin die Empfehlung, die therapeutische Indikation für die Substanz einzuschränken. Sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern solle der Einsatz von Stavudin so kurz wie möglich andauern und nur dann, wenn keine anderen therapeutischen Alternativen bestehen.

In einer Pressemitteilung der EMA heißt es zu Stavudin:

„Restrictions on use of Zerit
The Committee recommended that in view of the side effects seen with Zerit (stavudine), from Bristol-Myers Squibb Pharma EEIG, the therapeutic indications should be restricted. The Committee recommended that, for both adults and children, the medicine should be used for as short a time as possible and only when there are no appropriate alternatives.
Zerit is used in combination with other antiviral medicines to treat adults and children who are infected with human immunodeficiency virus (HIV).“

Stavudin ist seit vielen Jahren als Medikament gegen HIV zugelassen. Die Substanz kann zahlreiche potentiell gravierende Nebenwirkungen haben, u.a. Laktatazidose, periphere Neuropathien und Lipoatrophie.

Stavudin wird schon seit einigen Jahren in Europa und den USA nur noch selten eingesetzt. Die EMA empfahl einem Bericht von aidsmap zufolge, alle Patienten, die derzeit noch Stavudin nehmen, zu untersuchen und zum nächstmöglichen Zeitpunkt auf eine andere Therapie umzustellen.

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weitere Informationen:
European medicines Agency 18.02.2011: Meeting highlights from the Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) 14-17 February 2011
aidsmap 21.02.2011: European Medicines Agency: d4T to be used only in last resort
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Berlin: Apotheker und Patienten – Millionenbetrug mit Aids-Medikamenten (akt.5)

In Berlin wurden ein Apotheker und sieben weitere Personen verhaftet wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug in Millionenhöhe mit Aids-Medikamenten.

Gewerbsmäßigen Abrechnungsbetrug wirft die Staatsanwaltschaft Berlin mehreren Personen vor. Am heutigen 11. November 2010 sowie am vorangegangenen Mittwoch wurden insgesamt acht Haftbefehle vollstreckt, gegen einen Berliner Apotheker sowie sieben weitere Personen. Zudem wurden zehn Wohnungen in Berlin, Fulda und Kiel durchsucht. Zahlreiche weitere Ermittlungsverfahren sollen noch laufen.

Der 66-jährige Apotheker mit Sitz am Kurfürstendamm wird verdächtigt, zwischen 2007 und 2009 HIV-Medikamente mit gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet zu haben, diese aber nicht den Patienten ausgehändigt zu haben.

Die beteiligten Patienten sollen sich -wie mit dem Apotheker verabredet- bei Ärzten (via „Ärzte-Tourismus“, Besuch mehrerer Ärzte) Rezepte für mehr Medikamente besorgt haben, als sie selbst benötigten. Die überzähligen Verordnungen ‚übernahm‘ der Apotheker, der die beteiligten Patienten dafür finanziell entlohnt haben soll. Insgesamt sollen über 50 HIV-Positive an den Betrügereien beteiligt sein.

Die Beteiligten wurden wegen Verdachts auf „gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs“ verhaftet. Mehrere ‚Luxus-PKWs‘ wurden beschlagnahmt.

Die Ermittler gehen von einem Schaden von etwa zehn Millionen Euro aus.

Erst vor wenigen Tagen hatte die Staatsanwaltschaft Trier in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt wegen Verdachts auf illegalen Handel mit importierten Medikamenten, auch Aids-Medikamenten, 16 Wohnungen und Büros in Nordrhein-Westfalen und Zypern durchsucht.

Aktualisierung
14.11.2010:
Die Berliner Boulevard-Presse bezeichnet den betroffenen Apotheker inzwischen als „Gier-Apotheker“. Seine Apotheke ist inzwischen laut Hinweis-Schild „aus technischen Gründen“ geschlossen. Hans-Joachim D., wie die Berliner Presse seinen Namen angibt, schweigt nach Angaben der Staatsanwaltschaft bisher zu den Vorwürfen. Er befindet sich in Untersuchungshaft.
Die am Betrug beteiligten Patienten sollen 300 bis 400, in Einzelfällen bis 800 Euro pro Rezept erhalten haben. Den meisten der bisher verhafteten sieben beteiligten HIV-Positiven wurde inzwischen Haftverschonung gewährt, meist aus gesundheitlichen Gründen. Nur ein Kieler Patient befindet sich weiterhin in Untersuchungshaft.
Boulevard-Medien spekulieren inzwischen, auch Ärzte könnten in den betrug verwickelt sein.
Ein Sprecher der Techniker-Krankenkasse betonte, man sei auf das Verhalten des Apothekers bereits 2008 auf „Unregelmäßigkeiten“ aufmerksam geworden. Warum es dennoch bis Ende 21010 dauerte, bis der Betrug aufgedeckt wurde, sagte er nicht.
15.11.2010:
Die deutsche Aids-Hilfe verurteilt den Abrechnungsbetrug. Silke Klumb, Geschäftsführerin der DAH: „Betrug im Gesundheitswesen geht zu Lasten aller Versicherten und bringt eine ganze Branche zu Unrecht in Misskredit. Sie müssen zukünftig mehr Zuzahlungen entrichten, während illegal Millionen aus dem System gezogen werden. Wir fordern daher eine engere Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Apothekern und Krankenkassen, um Betrugsversuchen unmittelbar begegnen zu können. Vor allem chronisch Kranke leiden darunter, wenn weniger Geld für die Versorgung zur Verfügung steht und auf lange Sicht eine Rationierung droht.“
30.03.2011:
Der betroffene Apotheker sowie acht weitere Mitbeschuldigte (Patienten) müssen sich in Kürze vor dem Berliner Landgericht verantworten. Der Apotheker sitzt seit November 2011 in Untersuchungshaft. Der entstandene Schaden soll sich auf nahezu elf Millionen Euro belaufen.
15.04.2011:
Die Verteidigung des Apothekers hat vor Gericht ein Geständnis angekündigt. Er sei von „einigen Herrschaften“ erpresst worden. Mitangeklagte HIV-Positive sollen laut ihrer Verteidigerin aus einer „Notsituation“ heraus gehandelt haben.

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weitere Informationen:
Polizeipräsident Berlin 11.11.2010: Haftbefehle und Durchsuchungen wegen gewerbsmäßigen Abrechnungsbetrugs zum Nachteil von Krankenkassen
RBB 11.11.2010: Abrechnungsbetrug mit HIV-Medikamenten
Berliner Morgenpost 11.11.2010: Millionen-Betrug mit HIV-Medikamenten fliegt auf
DAH 15.11.2010: Deutsche AIDS-Hilfe verurteilt Abrechnungsbetrug mit HIV-Rezepten
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Illegaler Handel mit reimportiertem Aids-Medikament? (akt.2)

Die Staatsanwaltschaft Trier ermittelt gegen ein Pharmaunternehmen. Der Verdacht: illegaler Handel mit Medikamenten, unter anderem auch einem Aids-Medikament.

Bundeskriminalamt und Trierer Staatsanwaltschaft werfen einem unter anderem in Nordrhein-Westfalen ansässigen Unternehmen vor, mindestens seit Sommer 2009 illegal Medikamente importiert und in Deutschland auf den Markt gebracht zu haben. 16 Wohnungen und Büros in NRW sowie auf Zypern wurden am 9. November 2010 durchsucht, umfangreiche Unterlagen beschlagnahmt.

Bei dem betroffenen Unternehmen soll es sich laut ‚Volksfreund Trier‘ um die in Densborn ansässige ‚CC Pharma‘ handeln. Die Durchsuchungen im Rahmen der Ermittlungen gegen das 1999 gegründete Unternehmen waren seit Monaten vorbereitet worden. Gegenstand war dabei zunächst der Verdacht, über Zypern Krebs-Medikamente aus der Türkei (und demnach nicht-EU-Gebiet)  importiert zu haben.

Zudem besteht der Verdacht, dass auch aus Südafrika stammende und für den dortigen Markt produzierte Packungen eines Aids-Medikaments durch das Unternehmen Anfang 2010 illegal nach Deutschland importiert und auf den Markt gebracht wurden. Die Staatsanwaltschaft moniert, es sei nicht auszuschließen, dass diese Medikamente durch nicht ausreichende Kühlung oder durch Überlagerung in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigt seien.

Das betroffene Unternehmen hat sich bisher zu den Vorwürfen nicht öffentlich geäußert streitet die Vorwürfe ab. Firmensprecher Norbert Klein betonte gegenüber der Presse, man importiere von lizenzierten Händlern, im Fall der Medikamente aus Südafrika z.B. über einen Großhändler in Großbritannien. Man werde sich bemühen, die entstandenen Vorwürfe zu entkräften.

Importe sind ein wichtiges Mittel der Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Hierbei wird der Preisunterschied ausgenutzt, der bei vielen Medikamenten zwischen verschiedenen Staaten besteht. Der Reimporteur bezieht ein in Deutschland hergestelltes und in Deutschland oder der EU zugelassenes Medikament zu einem günstigeren Preis aus einem anderen Staat, versieht es mit deutschsprachigen und den deutschen Bedingungen entsprechenden Beipackzetteln und Etiketten, und bringt es dann auf den deutschen Markt. Auf diese Weise können manche Medikamente bis zu 70% günstiger angeboten werden als die für den deutschen Markt produzierte Version.

Importe von Medikamenten sind gemäß Arzneimittelgesetz (AMG) unter bestimmten Bedingungen zulässig. Bei Reimporten wird ein in Deutschland hergestelltes, aber für einen anderen Markt exportiertes Medikament zurück nach Deutschland importiert. Bei Parallel-Importen werden außerhalb Deutschlands hergestellte Medikamente importiert.

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weitere Informationen:
Staatsanwaltschaft Trier 09.11.2010: Ermittlungsverfahren gegen eine Importfirma für pharmazeutische Produkte im Vulkaneifelkreis wegen Verdachts des Betruges sowie des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz
Volksfreund 09.11.2010: Betrugsverdacht gegen Pharmafirma aus der Eifel
Volksfreund 09.11.2010: Das Hin und Her deutscher Pillen
NGZ online 10.11.2010: Betrug mit Medikamenten?
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Aids-Medikamente als Prävention: ‚test and treat‘ im realen Leben nicht so einfach wie gedacht?

HIV-Medikamente als Mittel der Aids-Prävention – ein viel diskutiertes Konzept in den letzten Monaten.  Eine Studie aus China zeigt, dass im realen Leben manchmal einiges anders laufen kann als in der Theorie erwartet …

‚Therapie als Prävention‘ (treatment as prevention), dieses Konzept geht davon aus, dass dadurch dass möglichst HIV-Positive erfolgreiche antiretrovirale Therapien einnehmen, aufgrund der stark reduzierten Infektiosität auch die HIV-Übertragungsrate sinken müsste. Gedankliche Basis dieses Konzepts ist das so genannte ‚EKAF-Statement‘ (keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs).

Eine Studie aus China, die in der 1. Oktober-Ausgabe des Journal of Acquired Immune Deficiency Syndromes publiziert ist, wirft nun die Frage auf, ob dieses aufgrund theoretischer Überlegungen entwickelte Konzept sich im realen Leben ohne weiteres umsetzen lässt.

In der Studie lag die HIV-Transmissionsrate bei heterosexuellen serodifferenten Paaren (ein Partner HIV-positiv, ein Partner HIV-negativ) bei 5% – im Vergleich zu 3% bei anderen Paaren.

Die Studie fand in der chinesischen Provinz Henan statt – einer Region, die u.a. durch den ‚Blutspende-Skandal‘ bekannt wurde: durch unsaubere Verfahren bei kommerziellen Blutspenden wurden Tausende Chinesinnen und Chinesen in der Region mit HIV infiziert, als sie zum Gelderwerb Blut spendeten.
Aids-Aktivisten wie der mit dem Sacharow-Preis geehrte Hu Jia oder der jüngst festgenommene Tian Xi, die auf diese Missstände hinwiesen und sich für HIV-Infizierte einsetzten, wurden von den chinesischen Behörden kriminalisiert und verfolgt.

An der nun publizierten Studie nahmen 1.927 serodifferente Paare teil. Für die Jahre 2006 bis 2008 wurde die HIV-Inzidenz retrospektiv analysiert; die Teilnehmer wurden hinsichtlich ihres HIV-Schutzverhaltens befragt.

Dr. Myron Cohen (Foto: UNC)
Dr. Myron Cohen, Leiter der Studie (Foto: UNC)

Insgesamt konnten 4.918 Personen-Jahre ausgewertet werden. 84 Serokonversionen traten auf (HIV-Infektionen) – eine Rate von 4%.

91% der Paare, in denen eine HIV-Infektion auftrat, berichteten vom Geschlechtsverkehr in den letzten drei Monaten (im Vergleich zu 83% in der Gruppe, in der keine HIV-Infektion auftrat).
Die Häufigkeit von Geschlechtsverkehr korrelierte eindeutig mit dem Infektionsrisiko (fünffach höheres Transmissions-Risiko bei Paaren, die viermal oder häufiger Sex hatten im Vergleich zu Paaren mit niedrigerer Sex-Häufigkeit). Nur sieben Personen berichteten Sex außerhalb der Beziehung (darunter eine Serokonversion). Eine Person berichtete Drogengebrauch (keine Serokonversion); keiner der männlichen Teilnehmer berichtete von Sex mit anderen Männern.

1.369 Studienteilnehmer nahmen antiretrovirale Medikamente ein (80%); Daten zur Viruslast lagen nicht vor. Bei den Studienteilnehmern, die Medikamente nahmen, lag die HIV-Transmissionsrate bei 5%, bei denen ohne Medikamente bei 3% (Unterschied nicht signifikant).

Der Hypothese ‚Therapie als Prävention‘ folgend, wäre bei den behandelten Studienteilnehmern eine wesentlich niedrigere Transmissionsrate zu erwarten gewesen als bei den unbehandelten.

Die Forscher fanden heraus, dass bei denjenigen behandelten Teilnehmern, die ihre im Verlauf der Studie ihre Therapie wechselten, die Transmissionsrate niedriger war als bei denjenigen, die durchgehend die gleiche Therapie erhielten.

„Wird antiretrovirale Therapie auch unter den Bedingungen des realen Lebens geeignet sein, die HIV-Übertragungsrate zu senken?“, fragte der Leiter der Studie, Dr. Myron Cohen (University of North Carolina School of Medicine). Er halte es für klug, diese Frage zunächst zu beantworten, bevor Strategien wie „test and treat“ mit der Hoffnung auf einen positiven Effekt für die Bevölkerung breit angewendet werden.

Die Autoren vermuten, dass eine schlechte Compliance (Genauigkeit und Zuverlässigkeit der regelmäßigen Einnahme der Medikamente) eine der Ursachen des überraschenden Ergebnisses sein könnte.

weitere Informationen:
Cohen, Myron S MD: HIV Treatment as Prevention: To be or not to be? in: J Acquir Immune Defic Syndr, 55, 137-8, 2010 (online, kostenpflichtig)
aidsmap 07.10.2010: Does ‚real world‘ study cast doubt on use of HIV treatment as prevention?
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Schwerstkranke Patientinnen und Patienten erhalten künftig verbesserten Zugang zu neuen nicht zugelassenen Arzneimittelbehandlungen

Die Bundesregierung hat heute dem Erlass der vom Bundesminister für Gesundheit vorgelegten Ministerverordnung über das Inverkehrbringen von Arzneimitteln ohne Genehmigung oder ohne Zulassung in Härtefällen (Arzneimittel-Härtefall-Verordnung) zugestimmt. Ziel der Verordnung ist es, den Zugang für Schwerstkranke zu neuen Arzneimittelbehandlungen, die sich noch in der Entwicklung befinden, durch ein unbürokratisches und rasches Verfahren zu verbessern.

Dazu erklärt Dr. Philipp Rösler: „Damit werden die Behandlungsoptionen für schwerstkranke Patientinnen und Patienten weiter verbessert und den forschenden Unternehmen der erforderliche Rechtsrahmen für das ausnahmsweise zur Verfügung stellen eines Arzneimittels vor seiner Zulassung gegeben.“

Die medizinische Behandlung Schwerstkranker stößt nicht selten an Grenzen, wenn verfügbare Verfahren und Arzneimittel „ausgereizt“ sind und der Patientin / dem Patienten keine Heilung oder Linderung mehr bieten können. Zwar läuft die Forschung zur Entwicklung neuer Arzneimittel z. B. gegen Krebserkrankungen und HIV auf hohem Niveau, doch dauert es viele Jahre, bis wirksame Neuentwicklungen tatsächlich anwendungsreif und zugelassen sind. In bestimmten Fällen erscheinen andererseits solche Arzneimittelkandidaten für die Behandlung betroffener Patientengruppen so aussichtsreich, dass sie diesen aus humanitären Gründen auch vor der Zulassung schon zur Verfügung gestellt werden sollten. Mit der vorgelegten Arzneimittel-Härtefall-Verordnung sollen solche Behandlungen, auch auf der Grundlage bestehenden europäischen Rechts, in rechtssicherer Form ermöglicht werden.

Härtefallprogramme werden in anderen europäischen Mitgliedstaaten bereits seit einigen Jahren mit guten Erfahrungen durchgeführt. In Deutschland gibt es kaum Erfahrungen mit Härtefallprogrammen. Allerdings ist vor allem wegen der insgesamt guten Versorgungssituation in Deutschland nicht davon auszugehen, dass zukünftig Härtefallprogramme in größerer Zahl durchgeführt werden. Nach der Verordnung trägt der Antragsteller eines Härtefallprogramms, in der Regel der Sponsor einer klinischen Prüfung oder der Antragsteller der Zulassung, die Gesamtverantwortung für das Programm und ist nach dem Arzneimittelgesetz verpflichtet, das Arzneimittel kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Die Verordnung regelt ein möglichst unbürokratisches und rasches Verfahren für die Durchführung. Härtefallprogramme sind bei der zuständigen Bundesoberbehörde vor Beginn anzuzeigen: Nach dem Eingang einer Bestätigung der Anzeige durch die Behörde, in der Regel innerhalb von 2 Wochen nach Zugang der Anzeige, kann mit der Durchführung des Härtefallprogramms begonnen werden. Um die Durchführung von Härtefallprogrammen verhindern zu können, bei denen zu befürchtende Risiken den für die Patienten zu erwartenden Nutzen überwiegen, erhält die zuständige Bundesoberbehörde ein Recht zum Widerspruch. Um größt-mögliche Transparenz über Härtefallprogramme in Deutschland zu erhalten, ist vorgesehen, dass die Bundesbehörde die Öffentlichkeit über angezeigte Härtefallprogramme auf Ihrer Website informiert.

Unabhängig von dieser Verordnung bleibt der Einsatz nicht zugelassener Arzneimittel auch in individuellen Behandlungsfällen zulässig, wenn er unter der unmittelbaren Verantwortung einer Ärztin oder eines Arztes („Heilversuch“) erfolgt.

(Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit)

weitere Informationen:
Arzneimittel-Härtefall-Verordnung (pdf)
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BMS reagiert auf Proteste

Versorgungs-Krise mit Didanosin? Zahlreiche Organisationen protestieren, der Pharmakonzern BMS wiegelt ab.

Der Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb plant, eine Fabrik in Frankreich zu schließen. In dieser wird eine Formulierung des Aids-Medikaments Videx® hergestellt, die insbesondere bei Babys und Kleinkindern eingesetzt wird. Experten befürchten durch die Schließung und Verlagerung der Produktion eine monatelange Versorgungskrise bis zur Wiederaufnahme der Produktion in den USA Mitte 2011..

Experten der Organisation UNITAID sowie zahlreiche Nichtregierungsorganisationen forderten daraufhin den Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS) auf, seine Fabrik in Frankreich nicht zu schließen. Die Versorgung mit einem wichtigen Aids-Medikament dürfe nicht unterbrochen werden.

ACT UP Paris protestierte am 23. Juni 2010 vor dem französischen Konzern-Sitz von BMS gegen die Schließung und das Verhalten des Konzerns.

23. Juni 2010 – ACT UP Paris protestiert gegen BMS (Foto: ACT UP Paris)

Inzwischen reagierte der Pharmakonzern BMS auf seiner Internetseite auf die Proteste. Das Unternehmen teilte mit, man sei zusammen mit allen Beteiligten engagiert dabei, für Patienten die Versorgungssicherheit zu garantieren. Es gebe derzeit eine angespannte Situation, aber keine Versorgungs-Unterbrechungen.

ACT UP Paris bezeichnete die Stellungnahme von BMS als wenig überzeugend. BMS bestätige vielmehr erneut seine Verachtung für die Belange von Menschen mit HIV und Aids.

weitere Informationen:
ACT UP Paris 29.06.2010: Videx : BMS ne convainc pas, mais confirme son mépris pour les malades du sida
ACT UP Paris 23.06.2010: 7000 enfants en danger de mort – Bristol Myers Squibb : profits criminels
BMS Frankreich 23.06.2010: Information concernant Videx® (Didanosine) et son changement de lieux de production
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UNITAID und Community-Organisationen fordern Pharmakonzern auf, Fabrik für Aids-Medikament nicht zu schließen (akt.)

Experten der Organisation UNITAID sowie zahlreiche Nichtregierungsorganisationen fordern den Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS) auf, seine Fabrik in Frankreich nicht zu schließen. Die Versorgung mit einem wichtigen Aids-Medikament dürfe nicht unterbrochen werden.

Der Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS) beabsichtigt, seine Fabrik in Frankreich zu schließen. Diese Schließung droht nun, die Versorgung von Babys und Kleinkindern mit einem lebenswichtigen Aids-Medikament zu gefährden.

In der Fabrik in Frankreich wird das Aids-Medikament Didanosin (Handelsname Videx®) hergestellt, u.a. in der Dosierungen 25mg. Die Organisation UNITAID erwirbt diese Medikamente mit Unterstützung der Clinton Health Access Initiative (CHAI), um damit 4.000 bis 7.000 Babys unter 10kg Gewicht in 40 Ländern zu behandeln.

UNITAID befürchtet, dass durch die Fabrik-Schließung bis zur Eröffnung einer neuen Produktionsanlage zwischen Juni 2010 und April 2011 die Behandlung und damit das Leben dieser Kindern aufgrund des fehlenden Medikaments gefährdet seien könnte. Didanosin sei für diese Babys die letzte Therapieoption.

UNITAID

UNITAID fordert in einem offenen Brief, der online auf dem Internetangebot der Fachzeitschrift The Lancet publiziert wurde, den Präsidenten von BMS Lamberto Andreotti auf, umgehend auf Anfragen zu reagieren. Die Schließung der Fabrik ist seit 2008 bekannt. UNITAID fordert vor allem aufzuzeigen, wie eine Unterbrechung der Therapie vermieden werden kann. Zudem bitten sie um Bestätigung, dass die Produktion von Didanosin in einer neuen Produktionsanlage in den USA 2011 wieder aufgenommen wird.
BMS-Sprecherin Sonia Choi betonte unterdessen, die neue Fabrik in den USA werde sofort nach der Zustimmung der Behörden im Februar 2011 ihren betrieb aufnehmen. Die Fabrik im französischen Meymac werden wie geplant im Rahmen von Produktions-Rationalisierungen in diesen Monat endgültig geschlossen.

Vor der Schließung habe BMS die Produktion von Didanosin erhöht, um einen Vorrat entsprechend dem zweifachen Bedarf des Jahres 2009 vorrätig zu haben. Dennoch werde es voraussichtlich zu Versorgungsproblemen kommen, da die Nachfrage nach dem Produkt jüngst unerwartet gestiegen sei. Gegenwärtig könne die Nachfrage aber befriedigt werden; man unternehme alles, um Störungen möglichst gering zu halten. Generische Versionen von Didanosin 25mg würden auch von anderen Unternehmen hergestellt, diese seien von der Weltgesundheitsorganisation WHO jedoch bisher nicht für die Verwendung durch US-Behörden zugelassen.

Didanosin war einst eines der ersten zugelassenen Aids-Medikamente. In den meisten industrialisierten Staaten spielt Didanosin in der Therapie der HIV-Infektion u.a. aufgrund von Nebenwirkungen (Lipoatrophie) kaum noch eine Rolle. Da es kostengünstig bei hoher Wirksamkeit ist, hat es jedoch insbesondere in wenig entwickelten Staaten eine Bedeutung als Aids-Medikament der zweiten Wahl (wenn erste Therapien versagt haben).

UNITAID ist eine internationale Einrichtung zum Erwerb von Medikamenten gegen HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose. Sie wurde im September 2006 auf Initiative Brasiliens und Frankreichs hin gegründet.

weitere Informationen:
The Lancet online 07.06.2010: Open letter to Lamberto Andreotti, Chief Executive Officer, Bristol-Myers Squibb (pdf, ai)
UNITAID
guradian 07.06.2010: HIV babies‘ lives at risk in drug giant’s plans to close factory, claim NGOs
usinenouvelle.com 30.09.2008: BMS ferme deux sites en France
Reuters new media 07.06.2010: Group urges Bristol to protect HIV-drug for babies

ACT UP Paris 09.06.2010: sida : Bristol Myers Squibb, Children serial killer
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Kurz notiert … Juni 2010

28. Juni 2010: In Kiel wird ein 47jähriger HIV-positiver Mann zu fünf Jahren Haft verurteilt wegen vollendeter sowie gefährlicher Körperverletzung.

25. Juni 2010: Ist einer Heilung von HIV/Aids möglich? Kann HIV komplett wieder aus dem Körper entfernt werden? Das US-amerikanische Magazin Technology Review untersucht diese Frage in einem umfangreichen Artikel „Can AIDS be cured?“

24. Juni 2010: Eine Kommission der Vereinten Nationen soll sich zukünftig einsetzen gegen Gesetze, die HIV-Positive und Aids-Kranke diskriminieren.

22. Juni 2010: Auch Aidshilfen können insolvent werden (auch wenn die Malaise in diesem Fall bereits eine längere Vorgeschichte hat): Aids-Hilfe steht vor dem Aus

19. Juni 2010: Courage beim Berliner CSD. Die Veranstalter wollen Judith Butler, Gender-Theoretikerin aus den USA, mit dem Zivilcourage-Preis ehren – und Butler lehnt auf der Bühne ab, der CSD sei zu kommerziell und richte sich nicht gegen wichtige Problem wie Rassismus oder doppelte Diskriminierung, z.B. von homo- oder transsexuellen Migrant/innen: Judith Butler nimmt Preis nicht an

17. Juni 2010: Kondome bei der Fußball-WM 2010 in Südafrika, oder nicht?: Erst gegen Aufklärung. Jetzt plötzlich dafür, als sei nichts gewesen. – Endlich: Fifa gegen Aids.

15. Juni 2010: Nadja Benaissa hat eine Biografie verfasst. „Alles wird gut“ soll am 9. September erscheinen. Zuvor muss sich die Pop-Sängerin vor Gericht verantworten, am 16. August beginnt ihr Verfahren wegen des Vorwurfs gefährlicher Körperverletzung.
Die Einwohner von St. Petersburg (und der Rest der Welt) staunen über die Penis-Brücke.

12. Juni 2010: schwule Feuerwehrleute willkommen? – „Deutscher Feuerwehrtag Leipzig – Feuerwehr weltoffen und tolerant – Homosexualität als Thema auf der Interschutz“

10. Juni 2010: In Frankreich häufen sich Probleme mit der Medikamenten-Versorgung bei anti-HIV-Therapien. „Antirétroviraux: des ruptures de stocks en France“
Deutschland blockiere immer noch die Anti-Diskriminierungs-Richtlinie der EU, klagen (nicht nur) EU-Vertreter: „Brussels keen for Berlin to unblock EU gay rights law“.

9. Juni 2010: Kleinkrieg in der Aids-Arbeit in Brandenburg? „Kontrovers – Krieg im Präventionsmilieu“, berichtet blu.

8. Juni 2010: Steiermark: Mutter vor Gericht. Sie hatte ihr HIV-positives Kind nicht behandeln lassen wollen, trotz lebensbedrohlicher Lungenentzündung. Heute steht die ‚Anhängerin eines bekannten Wunderheilers‘ in Graz vor Gericht: „Körperverletzung – Mutter von HIV-Baby heute vor Gericht“
Reifungs-Inhibitoren sind eine neue Substanzklasse mit einem völlig neuen Ansatz gegen HIV – dich der einzig verbleibende Hersteller hat nun die Entwicklung vorerst gestoppt. man wolle für die weitere Entwicklung der Substanzklasse einen Partner suchen. „Myriad halts HIV maturation inhibitor drug programme“

7. Juni 2010: Muss Chemotherapie bei HIV-Positiven unter HAART mit Krebs-Erkrankungen anders dosiert werden? „People on HIV Meds Might Need Different Chemo Doses for Cancer“, berichtet POZ vorab über ein Poster auf der Jahreskonferenz der American Society of Clinical Oncology (ASCO).

5. Juni: Infizierte ein Akupunkteur in der Schweiz zahlreiche Menschen mit HIV, womöglich mit Absicht? Was bisher ein Verdacht ist, formuliert die Boulevard-Presse als vermeintliche Tatsache: „Heiler steckte 18 Menschen mit Aids an“.

4. Juni 2010: Anlässlich der Fußball-WM in Südafrika: Philipp Lahm ruft Fans zu Schutz vor HIV/Aids auf

3. Juni 2010: Bio-Terrorismus-Vorwürfe gegen HIV-Positive auch in den USA, nicht nur in Deutschland. Vorwürfe, die gegen einen HIV-Positiven unter Verwendung eines staatlichen Bioterrorismus-Gesetzes erhoben wurden, wurden nun niedergerschlagen. „Activists, advocates applaud dismissal of bio-terrorism charges“, berichtet The Michigan Messenger.

2. Juni 2010: Annie Lennox wird zum International UNAIDS Goodwill Ambassador ernannt.

1. Juni 2010: Outing oder nicht Outing? Mit der „Ethik und Etikette des Outing“ beschäftigt sich aus aktuellem Anlass Timothy Kincaid auf Box Turtle Bulletin: „The ethics and etiquette of outing

Droht eine Rückkehr des Problems der Resistenzen, falls HIV-Medikamente in großem Umfang zur ‚Prä-Expositions-Prophylaxe‘ (PrEP) eingesetzt werden? „Treatment and PrEP could be on a ‘collision course’, warns resistance expert“, berichtet aidsmap.

Deutsch-Österreichische Leitlinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-1-Infektion

Das Robert-Koch-Institut hat auf seinen Internetseiten die aktualisierte Fassung der Deutsch-Österreichischen Leitlinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-1-Infektion (Stand 04.03.2010) veröffentlicht.

Das RKI merkt zu den Leitlinien an:

„Diese Empfehlungen beruhen auf randomisierten kontrollierten Studien mit klinischen Endpunkten, randomisierten kontrollierten Studien mit Labormarkern als Endpunkten, Kohortenstudien und weiteren klinischen, pathophysiologischen und pharmakologischen Daten sowie der Meinung von Experten. … Die Empfehlungen und der Begriff „HIV-Infektion“ beziehen sich im Folgenden ausschließlich auf die Infektion mit HIV-1. Zur HIV-2-Infektion werden gesonderte Leitlinien erarbeitet.“

Deutsch-Österreichische Leitlinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-1-Infektion (Stand 04.03.2010; erschienen 01.06.2010)

USA: Gilead wegen Werbung für Aids-Medikament verwarnt

Die US-Medikamentenbehörde FDA hat den Pharmahersteller Gilead verwarnt – wegen dessen US-Werbung für das Aids-MedikamentTruvada.

Gilead Pharmaceuticals wurde von der US-Medikamentenbehörde verwarnt aufgrund einer direkt an Patienten gerichteten Werbung für das Aids-Medikament ‚Truvada‘ ®. Die FDA kritisieren diese Werbung als irreführend:

The Print Ad is false or misleading because it represents or suggests that Truvada is better or more effective than has been demonstrated by substantial evidence or substantial clinical experience.

Die kritisierte Anzeige zeige eine Frau,. die das Medikament nehme und, so der Brief

„appears to be happy and in good health“

Die FDA kritisierten auch den Gesamteindruck der Werbung:

„Moreover, the totality of the claims and presentations in the Print Ad misleadingly implies that patients can preserve their “hopes and dreams” and “plan for long-term success” (i.e., preservation of their activities of daily living, academic performance, work productivity, and social and emotional functioning) without interference from HIV infection or from treatment with Truvada. FDA is not aware of substantial evidence or substantial clinical experience to support this implication.“

Die FDA forderten Gilead auf, die kritisierte Werbung sofort einzustellen. Eine Unternehmenssprecherin betonte, man nehme die FDA-Warnung ernst und werde der FDA direkt antworten.

weitere Informationen:
FDA: Brief an Gilead
RHI 07.03.2010: UPDATE 2-U.S. FDA warns Gilead, Biogen over drug promotions
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Das österliche Preis-Wunder – ein Akt „sozialer Verantwortung“?

Ein internationaler Pharmakonzern senkt den Preis für ein Aids-Medikament. Nicht etwa in Afrika, wie es gelegentlich vorkommt, um mehr Menschen den Zugang zu wirksamen Aids-Therapien zu erleichtern. Nein, der Preis für das Medikament (es geht nicht um Hersteller oder Produkt, also nennen wir es hier „Contra-Vira“) wurde in Europa, genauer in Deutschland gesenkt,und um immerhin rund 15 Prozent.

Der Hersteller des Medikaments kommentiert die „freiwillige Preissenkung“ sich selbst lobend in einer Pressemitteilung wie folgt:

„Mit der Preissenkung zeigen wir soziale Verantwortung, denn wir leisten unseren Teil innerhalb des Gesundheitssystems. Wir entlasten die Krankenkassen finanziell und nehmen den Ärzten ein Stück weit die Angst vor Arzneimittelregessen, wenn Sie XXX als Behandlungsoption einsetzen möchten.“

Verwundert reiben wir uns die Augen. Die Pharma-Industrie – doch ein Hort von Altruismus, ein Freund der Krankenversicherung und der armen Aids-Kranken? Hat die vereinte Lobbyismus-Maschinerie der Pharmawirtschaft von Y bis Z doch recht? Die Pharmaindustrie – eine altruistische Veranstaltung voller sozialer Verantwortung, einzig für den Nutzen von uns Patienten (nun gut, und der Krankenkassen, und der Ärzte, und … ach ja, der Aktionäre)?

Die (prinzipiell begrüßenswerte) Preissenkung, dies vorweg, sie war, obwohl verkündet am 30. März, wohl kein vorgezogener April-Scherz. Und trotz nahender Feiertage auch kein Akt österlichen Erbarmens.

Doch was mag einen Pharma-Konzern bewegen, den Preis für ein Medikament freiwillig zu senken? Wo er doch in Deutschland in der komfortablen, ja geradezu luxuriösen Situation ist, den Preis für Medikamente völlig frei, allein nach eigenem Gusto festsetzen zu können?

Schauen wir uns die Situation an.
Zunächst fällt auf: Contra-Vira ist nur eines unter vielen Medikamenten. Und wenn es auch aus einer neuen Klasse von Medikamenten stammt, so sind ihm doch in ihrer Wirksamkeit die besten Medikamenten anderer Klassen durchaus ebenbürtig. Zudem, schon bald könnten weitere Substanzen eben dieser neuen Wirkstoff-Klasse zugelassen werden.

Contra-Vira hat zudem eine Eigenschaft, die zumindest von Marketing-Strategen den Konsumenten, also uns Patienten, als Nachteil verkauft wird: es muss zweimal täglich eingenommen werden. Bei Produkten mancher Wettbewerber hingegen reicht eine einmal tägliche Einnahme.

Contra-Vira war zunächst nur für Patienten zugelassen, die bereits einige „Therapie-Erfahrung“ haben, wie die beschönigende Umschreibung des Medizinbetriebs für die Situation lautet, dass bereits eine oder mehrere Medikamente gegen HIV beim Patienten versagt haben, seine/ihre Ängste angesichts der Frage noch verfügbarer wirksamer Therapien gestiegen sind.

Der lukrative Markt hingegen sind weniger diese „therapieerfahrenen“ HIV-Positiven, sondern die derzeit in Deutschland noch große Zahl der so genannten „therapienaiven“ Patienten (wobei hier nicht diskutiert werden soll, wie viel Naivität tatsächlich darin liege, etwa nicht in jeder Situation sofort mit einer dann lebenslangen Medikamenteneinnahme zu beginnen).

Nun fügt es sich, dass zufällig gerade erst, am Rande einer Konferenz, wenige Wochen vor der bemerkenswerten Preissenkung, die Therapie-Richtlinien für diese „therapienaiven“ Patienten aktualisiert wurden. Und siehe da, da Contra-Vira ein wirksames und meist gut verträgliches Medikament ist, findet es sich nun auch auf der Liste der empfohlenen Medikamente für „therapienaive“ HIV-Positive.

Einzig, die Liste allein macht noch keinen Umsatz. Und es bleibt ja immer noch das Problem mit der zweimal täglichen Einnahme. Zudem, Contra-Vira ist bisher deutlich höher im Preis angesiedelt (die Hausfrau übersetzt: teurer) als Produkte der Wettbewerber. Das mag die Mehrzahl der Patienten in Deutschland wenig interessieren – den Arzt betrifft es schon. Ist er doch zu wirtschaftlicher Therapie angehalten, müsste abweichende Verordnungen begründen. Und wie begründet er es, ein Medikament zu verschreiben, das zwar nicht besser, wohl aber deutlich teurer ist? „Regress“ (sprich: die Kasse lässt sich den vermeintlichen Schaden vom Arzt erstatten), diese Wort mag ihm drohend in den Ohren klingeln – und ihn vom Verordnen von Contra-Vira potentiell abhalten.

Hinzu kommt, der Gesundheitsminister möchte – wie nahezu alle seine Vorgängerinnen und Vorgänger – die Kosten im Gesundheitswesen senken. Und hat als einen der Kostentreiber die Ausgaben für Medikamente identifiziert. Er hat auch ein Werkzeug entdeckt, der steigenden Medikamenten-Kosten Herr zu werden (oder: es zu versuchen): die Möglichkeit der Kosten-Nutzen-Betrachtung. Medikamente, wenn höher im Preis, müssen auch wirksamer sein, so vereinfacht der Grundgedanke dieses Prinzips. Wie mag Contra-Vira sich bei diesen Kosten-Nutzen-Überlegungen positionieren, mit seinem höheren Preis?

Zudem: wer heutzutage als HIV-Positiver zum ersten mal eine Therapie gegen HIV beginnt, der hat die Auswahl unter mehreren Alternativen an Kombinationen von Wirkstoffen. Und unter diesen Alternativen sind attraktive Angebote, zum Beispiel „drei Wirkstoffe in einer Pille, einmal am Tag einzunehmen“ oder „zwei Pillen, einmal am Tag einzunehmen“, oder ganz banal „Pillen, günstiger im Preis als Contra-Vira“. Ein Quattro soll zudem gar vor der Tür stehen, vier auf einen Streich, einmal am Tag.

Selbst wenn die Empfehlungen, welche Kombinationen für die erste Therapie gegen HIV eingesetzt werden sollten, nun so sind, dass auch Contra-Vira zum Zuge kommen könnte (und dem Hersteller entsprechende Umsätze generieren könnte), die Wettbewerbs-Position von Contra-Vira scheint schwierig. Wirkung vergleichbar, dabei aber teuer, und dann zweimal am Tag einzunehmen? Das macht ein Medikament trotz geänderter Empfehlungen nicht eben attraktiv. Sparsame Kassen, ein nachdenklicher Gesundheitsminister? Das klingt nicht nach guten Rahmenbedingungen. „Da müssen wir was tun …“

Und so erklärt sich die wundersame vor-österliche Preissenkung, von der eigenen Öffentlichkeitsarbeit des Pharmakonzerns verbrämt als Ausdruck „sozialer Verantwortung“, als ganz simpler Schritt des Marketings, der Markt-Erschließung, der Stärkung der Wettbewerbs-Position, des Eingehens auf gesundheitspolitische Fragen. Senken wir den Preis auf den des Wettbewerbs, und ein ‚Nachteil‘ und potentielles Risiko von Contra-Vira ist schon mal entschwunden. Zudem ist einem drohenden gesundheitspolitischen Argument, der Kosten-Nutzen-Problematik, halbwegs begegnet.
Oh Patienten, kommet – oh Umsätze, steiget. Nicht mehr. Und nicht weniger. Es geht um Umsatz, und nicht soziale Verantwortung.

Fettansammlungen bei HIV: US-Entscheidung über neues Medikament im Sommer (akt.)

Viele HIV-Positive haben mit Fettansammlungen, besonders im Bauchbereich, zu kämpfen. In den USA wird die Medikamentenbehörde FDA am 27. Mai 2010 über die Bewertung eines neuen Medikaments zur Behandlung dieser Fettansammlungen entscheiden.

Fettansammlungen, insbesondere im Bauchbereich – viele HIV-Positive haben darunter zu leiden. Stigmatisierung und Diskriminierung, aber auch Selbst-Stigmatisierung sind oftmals die Folge – zusätzlich zu potentiellen gesundheitlichen Problemen (erhöhte Blutfette, erhöhte Insulin-Resistenz). Eine wirksame Behandlung der Fettansammlung steht bisher nicht zur Verfügung.

Tesamorelin ist ein Analogon des „releasing factors“ (GRF) des menschlichen Wachstumshormons Human Growth Hormon (HGH). Es führt dazu, dass von der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) mehr Somatropin ausgeschüttet wird. Dies führt bei Menschen mit Lipohypertrophie (Fettansammlungen) zu deren vermehrtem Abbau. Zwei Phase-III-Studien mit Tesamorelin bei HIV-Positiven zeigten einen Rückgang des viszeralen Fettgewebes (Fett im Bereich der Eingeweide, nicht unter der Haut) von bis zu 17,5 Prozent.

Die Nebenwirkungen waren in den Studien überwiegend milde (Hypersensitivitätsreaktionen an der Einstichstelle). Tesamorelin hatte keinen (auch keinen negativen) Einfluss auf das Unterhaut-Fett. Die Wirkung, zeigten auch frühere Studien, hält allerdings nur an, solange der Wirkstoff gegeben wird. Nach einem etwaigen Absetzen konnte der Rückgang der Fettansammlung nicht aufrecht erhalten werden.

Die Bewertung durch das ‚Endocrinologic and Metabolic Drugs Advisory Committee‘ ist Voraussetzung für eine etwaige Entscheidung über die Zulassung von Tesamorelin als Medikament in den USA.

Eine endgültige Entscheidung der FDA über die Zulassung von Tesamorelin in den USA wird bis 27. Juli 2010 erwartet. Tesamorelin wurde vom kanadischen Hersteller ‚Theratechnologies‘ entwickelt und soll in den USA vom Pharmaunternehmen Serono (eine hundertprozentige Tochter der Merck KDaA)  unter dem Handelsnamen ‚Egrifta‘ vermarktet werden.

Außerhalb der USA hat Theratechnologies selbst bisher die Vermarktungsrechte für Tesamorelin. Auch in Europa ist Tesamorelin bisher nicht als Medikament zugelassen.

Update 28.05.2010: Das zuständige Beratungs-Gremium „Endocrinologic and Metabolic Drugs Advisory Committee“ der FDA hat am 27. Mai 2010 die Zulassung von Tesamorelin empfohlen. Die Entscheidung der FDA wird innerhalb der nächsten 2 Monate erwartet.
POZ 27.05.2010: FDA Committee Unanimously Recommends Egrifta for Lipodystrophy
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weitere Informationen:
aidsmap 03.02.2010: Tesamorelin safe and effective for fat accumulation in patients taking HIV treatment
POZ 22.03.2010: HIV Lipo Treatment Egrifta to Be Reviewed May 27
Theratechnologies Pressemitteilung 22.03.2010
PR Newswire: Merck Serono’s US Affiliate EMD Serono, Inc. and Theratechnologies Announce Collaboration and Licensing Agreement for Tesamorelin in the United States
aegis 22.03.2010: Upcoming FDA Advisory Committee Meeting on Egrifta (tesamorelin acetate) to reduce excess visceral abdominal fat in HIV-related lipodystrophy
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