Kurz notiert … November 2010

29. November 2010: Die südlichen US-Bundesstaaten haben eine ausgeprägte HIV-Epidemie, jedoch ineffizienten Aids-Politik – sie verweigern sich anerkannten Präventions-Methoden, kritisiert Human Rights Watch.

25. November 2010: Der Pharmakonzern Gilead hat in den USA einen Antrag auf Zulassung einer Kombinations-Pille aus drei Wirkstoffen (Emtricitabine, Tenofovir und Rilpivirine) gestellt.

23. November 2010: Vatikan-Sprecher Federico Lombardi konkretisiert die Papst-Aussagen; das „gelockerte Kondom-Verbot“ gelte für weibliche, männliche und transsexuelle Prosituierte.

21. November 2010: In „begründeten Einzelfällen“ will der Papst die Verwendung von Kondomen auch nach katholischer Lehre ‚zulassen‚.

20. November 2010: Nach eine Besuch der Oppositions-Politikerin Suu Kyi schließt Birmas Militärjunta eine Aids-Klinik.

18. November 2010: Die Rock-Musikerin Patti Smith wird mit dem US – National Book Award ausgezeichnet für ihr Buch über den 1989 an den Folgen von Aids verstorbenen Photographen Robert Mapplethorpe.

16. November 2010: Eine iPhone-App der Universität Liverpool informiert über Wechselwirkungen von HIV-Medikamenten mit anderen Substanzen.

15. November 2010: Auf ihrem Jahresempfang 2010 nimmt die Deutsche Aids-Hilfe am 11. November Cori Obst und Bernd Aretz als Ehrenmitglieder auf.

9. November 2010: Das EKAF-Statement (keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs) scheint in der Schweiz Einfluss auf das Sex-Verhalten HIV-Positiver zu haben: Forscher berichten über einen vermutlichen Zusammenhang zwischen erfolgreicher HIV-Therapie (Viruslast unter der Nachweisgrenze) und kondomfreien Sex (im aidsmap-Artikel fälschlicherweise pauschal als „ungeschützter Sex“ bezeichnet).

8. November 2010: Bei Leberkrebs sind die Dreijahres-Überlebensraten bei HIV-Negativen und HIV-Positiven ähnlich, zeigt eine US-Studie.

Ein neuer experimenteller (auf Basis einer südamerikanischen pflanze entwickelter) Wirkstoff zur Behandlung von Durchfällen (‚Cofrelemer‘)soll sich in Studien als wirksam erwiesen haben, berichtet POZ.

7. November 2010: Das Oberhaupt der katholischen Kirche Belgiens, Bischof Léonard, bekam während eines Gottesdienstes von einem Unbekannten eine Torte ins Gesicht. er hatte u.a. Aids als „eine immanente Gerechtigkeit für den Missbrauch der Liebe“ bezeichnet.

6. November 2010: Forscher entschlüsselten, warum einige Menschen natürlich immun gegen eine Infektion mit HIV sind.

3. November 2010: „Jesus war HIV-positiv„, mit dieser Aussage in seinen Predigten will ein südafrikanischer Pastor darauf hinweisen, dass HIV-Positiver immer noch stigmatisiert werden.

Das oberste US-Gericht (Supreme Court) hat eine Klage der Stanford University gegen den Pharmakonzern Hoffmann-La Roche akzeptiert. Stanford will erneut gegen eine Vereinbarung mit dem Pharmakonzern aus dem Jahr 1989 vorgehen, insbes. um die Rechte an einem verfahren zur Bewertung von Aids-Medikamenten.

2. November 2010: Wie hängen Stigma und HIV-Test zusammen? Menschen, die stigmatisierende Vorstellungen von HIV haben, machen mit deutlich niedrigerer Wahrscheinlichkeit einen HIV-Test. Und Menschen, die einen HIV-Test gemacht haben, haben signifikant seltener negative Einstellungen zu und Vorstellungen von Menschen mit HIV. Dies stellte eine Studie in Südafrika fest.

Schweiz: Auf Basis der ersten neun Monate rechnet das Bundesamt für Gesundheit mit ca. 600 bis 640 HIV-Neudiagnosen 2010. 2010 sind bisher (bis 30.9.2010) 18 Menschen an den Folgen von Aids gestorben.

1. November 2010: Der auf politischen Druck gegangene Ex-IQWIG-Chef Prof. Peter Sawicki wechselt ab November 2010 an das Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE) der Uni Köln. Sawickis (indirekter) Chef dort: Prof. Karl Lauterbach, Gesundheitsexperte der SPD – und Institutsleiter seit 1998, seit 2005 aufgrund seiner Abgeordneten-Tätigkeit beurlaubt. Sawickis Nachfolger als Chef des IQWIG ist seit 1.9.2010 Prof. Jürgen Windeler.

Korruption bei Ärzten? Bei Umsatz Scheck – erstmals wurden vom Amtsgericht Ulm zwei Mediziner verurteilt, die von einem Pharma-Unternehmen Schecks erhielten – die Höhe jeweils abhängig von der Menge der verordneten Präparate des Herstellers.

Eine hohe Sterblichkeitsrate sowie eine niedrigere Erfolgsrate der Hepatitis-C-Therapie stellten französische Forscher bei mit HIV und Hepatitis-C-Virus ko-infizierten Patienten fest.

Einer der ‚führenden‘ ‚Aids-Leugner‚ Südafrikas, Dr. Anthony Mbewu, ist von seinem Posten als Direktor des ‚Global Forum for Health Research‘ zurückgetreten. Er war für diesen Posten trotz Kritik seitens vieler Aids-Aktivisten vor 10 Monaten ernannt worden.

Kurz notiert … September 2010

29. September 2010: Der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria lässt seinen neuen Verwaltungssitz in Genf bauen, für 92 Mio. sFr. Die Fertigstellung ist für 2015 geplant.

Langwierige und kostspielige Bürokratie behindert in China eine adäquate medizinische Versorgung und Betreuung HIV-Positiver, so US-Forscher David Ho.

28. September 2010: Mit dem ‚Positive Justice Projectwendet sich erstmals ein landesweites Projekt in den USA gegen HIV-Positive kriminalisierende Gesetze. Das Projekt wurde gegründet vom ‚Center for HIV Law and Policy‚.

Francoise Barré-Sinoussi, Medizin-Nobelpreis-Trägerin und Mit-Entdeckerin des HIV, fordert in ‚Le Monde‘ für Frankreich Druckräume für Drogengebraucher: „Il est urgent d’ouvrir des centres d’injection supervisée de drogues“

27. September 2010: Mit dem Pharmahersteller Gilead hat erstmals ein Medikamenten-Hersteller im Aids-Bereich für noch Patent-geschützte Medikamente (hier: Atripla®, Truvada®) einen Rabattvertrag abgeschlossen, mit der AOK Berlin (gültig seit Juli 2010).

Robert Mugabe, diktatorischer Staatschef von Simbabwe, beabsichtigt die Einführung von HIV-Zwangstests im Land.

26. September 2010: Zukünftig soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Kostenübernahme für ein neues Medikament nur noch ablehnen können, wenn er dessen Unzweckmäßigkeit beweisen kann. Eine entsprechende als pharmafreundlich betrachtete Änderung plant die Bundesregierung.

20. September 2010: Das Mikrobizid ‚Pro2000‘, ein vaginal anzuwendendes Gel, hat in einer Studie keine Wirkung gezeigt.

18. September 2010: In Russland wurden Aids-Aktivisten verhaftet. Sie hatten gegen Versorgungsprobleme bei Aids-Medikamenten protestiert. Die Versorgungsprobleme haben bereits zu Therapie-Unterbrechungen geführt.

In einem Film über den an den Folgen von Aids verstorbenen Sänger der Gruppe ‚Queen‘  Freddy Mercury soll Sascha Baron Cohen (bekannt u.a. aus ‚Borat‘) die Hauptrolle übernehmen.

16. September 2010: HIV-positive Patienten hatten einen ähnlichen Verlauf wie HIV-Negative bei Infektionen mit H1N1 („Schweinegrippe„), berichten spanische Forscher.

US-Forscher berichten, dass inzwischen über ein Drittel der Fälle von Kaposi Sarkom bei HIV-Positiven mit mehr als 250 CD4-Zellen auftreten.

Die HIV-Prävention bei schwulen Männern in Frankreich benötigt neue Ansätze – die Neu-Diagnosezahlen sind hoch. Wissenschaftler des französischen Public Health Instituts behaupten, die HIV-Infektion sei bei schwulen Männern in Frankreich „außer Kontrolle“.

14. September 2010: Das Durchfallmittel Loperamid ist unter bestimmten Voraussetzungen wieder verordnungsfähig.

10. September 2010: Apotheken dürfen ihren Kunden in geringem Umfang Preisnachlässe auf verschreibungspflichtige Medikamente gewähren, urteilte der Bundesgerichtshof (Az. I ZR 193/07, 72/08 u.a.). Über die Frage, ob die deutscher Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente auch für im Ausland sitzende Internetapotheken gilt, wird der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe später befinden.

9. September: Die Bundesregierung plant offenbar, sich aus dem Global Fonds zur Bekämpfung von Aids. Tuberkulose und Malaria zurückzuziehen. Zahlreiche Organisationen protestieren.

8. September 2010:  Der US-Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb (BMS) erwirbt die Biotech-Firma Zymo Genetics für 885 Mio. US-Dollar. BMS will damit u.a. sein Portfolio an Substanzen gegen Hepatitis C stärken.

7. September: Bei der Entlassung des IQWIG-Chefs Peter Sawicki spielte auch das Bundeskanzleramt eine Rolle, berichtet SpON.

6. September 2010: Ein Drittel aller HIV-Positiven haben posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS). Darauf weisen britische Forscher hin.
Im Epidemiologischen Bulletin 35/2010 des Robert-Koch-Instituts (RKI) werden Ergebnisse zur Erarbeitung von Standards in der Prävention von sexuell übertragbaren Infektionen (STI) durch die Arbeitsgemeinschaft „Sexuelle Gesundheit“ vorgestellt.

4. September 2010: Dürfen Kliniken HIV-Patienten ambulant behandeln? Nein, sagt das Sozialgericht Hannover – und setzt damit einen Streit fort, der seit langem zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken entbrannt ist.

2. September 2010: „Wenn einer verantwortlich ist, dann bin ich das.“ Der Staatspräsident Kubas Fidel Castro bedauert die Hetze gegen Schwule in Kuba und übernimmt die Verantwortung. Zu einer etwaigen Entschädigung äußert er sich nicht.

Telaprevir: deutliche Therapieverbesserung bei Hepatitis C? (akt.2)

Telaprevir, ein experimenteller Proteasehemmer, könnte nach Angaben des Herstellers den Erfolg von Therapien gegen Hepatitis C deutlich verbessern. Doch viele Fragen sind noch offen.

75% der Patienten in einer Phase-III-Studie, die zusätzlich zur Standard-Therapie auch den experimentellen HCV-Proteasehemmer Telaprevir erhielten, erzielten einen virologischen Therapieerfolg (sustained viral response). Dies berichtete das Pharmaunternehmen Vertex in einer Pressemitteilung über eine Phase-III-Studie.

Die Teilnehmer der Studie ( 1.095 Teilnehmer) waren mit Hepatitis C (HCV) Genotyp 1 infiziert und bisher nicht mit anderen Therapien vorbehandelt. Die Studienteilnehmer erhielten zur Standardtherapie gegen Hepatitis C (pegyliertes Interferon plus Ribavirin) auch (für 8 oder 12 Wochen) den oral einzunehmenden experimentellen HCV-Proteasehemmer Telaprevir (früher: VX-950). Anschließend wurde weiterhin die Standardtherapie gegeben. 75% der Patienten, die 12 Wochen Standardtherapie plus Telaprevir mit anschließend 12 Wochen Standardtherapie erhielten, erreichten einen virologischen Therapieerfolg.

1,4% der Patienten mit Telaprevir schieden vorzeitig aus aufgrund von Hautausschlägen. Bei einem mit Telaprevir behandelten Patienten trat ein lebensbedrohliches Stevens-Johnson Syndrom auf (11 Wochen nach Absetzen von 8 Wochen Telaprevir).

Daten einer anderen Studie deuten darauf hin, dass Hepatitis C Viren innerhalb kürzester Zeit Resistenzen gegen Telaprevir entwickeln können. Dies mache den Einsatz von Kombinationstherapien unerlässlich, so die Forscher.

In weiteren Studien wird der Einsatz von Telaprevir auch bei bereits gegen Hepatitis C behandelten Patienten untersucht.

Telaprevir wird von Vertex Pharmaceuticals in Zusammenarbeit mit Tibotec entwickelt. Tibotec beabsichtigt, in den USA noch im zweiten Halbjahr 2010 die Zulassung von Telaprevir für die Behandlung der Hepatitis C bei therapienaiven wie auch therapieerfahrenen Patienten zu beantragen. Früheren Planungen zufolge ist der Zulassungsantrag für Europa ebenfalls für Sommer 2010 vorgesehen.

Tibotec hat die Vermarktungsrechte für Telaprevir u.a. für Europa, Südamerika, Australien und den mittleren Osten. In Japan und im fernen Osten wird Telaprevir durch Mitsubishi Tanabe Pharma vermarktet.

Börsenbeobachter sehen in Telaprevir die Chance auf einen „Mega Blockbuster“ mit potentiellen Märkten von jährlich 3 Milliarden USA-$ Umsatz.  Die Aktien von Vertex stiegen nach Veröffentlichung der Daten um 13%.

Im weiteren Verlauf des Jahres 2010 werden auch Daten aus der Phase-III-Studie mit Boceprevir (Merck) erwartet. Telaprevir wiederum wird derzeit auch in einer Phase-II-Studie zusammen mit einer anderen experimentellen Substanz von Vertex gegen Hepatitis C untersucht, VX-222 – ohne Interferon und Ribavirin.

.

weitere Informationen:
New York Times 25.05.2010: Hepatitis C Drug Raises Cure Rate in Late Trial
Vertex Pharmaceuticals Pressemitteilung 25.05.2010: 75% of Treatment-Naïve Patients with Chronic Hepatitis C Achieve SVR (Viral Cure) with Telaprevir-Based Treatment in Phase 3 Trial
Medical news 09.04.2010: Telaprevir-Based Regimens More Effective Than Standard Of Care In Curing HCV Genotype 1 Patients Who Failed Previous Therapy
HCV New Drugs 21.04.2010: Vertex Telaprevir Starting FDA Approval This Summer
NEJM 08.04.2010: Telaprevir for Previously Treated Chronic HCV Infection
hivandmore 15.04.2010: Telaprevir: Gute Ergebnisse bei Nonrespondern und Relapsern
fiercebiotech 26.05.2010: Vertex delivers blockbuster payload of PhIII telaprevir data
TheStreet 26.05.2010: Vertex Pharma: Five Reasons to Worry About Telaprevir
Bloomberg 26.05.2010: Hepatitis C Resists Vertex Drug, Needs Cocktails (Update1)
.

DAH: bundesweite Hepatitisstrategie ist überfällig

Nationale/Bundesweite Hepatitisstrategie längst überfällig – Aktionsbündnis Hepatitis und Drogengebrauch fordert Bundesregierung zum Handeln auf

In Deutschland sind ca. 1.Mio Menschen von Hepatitis B und C betroffen. Da viele Menschen keine Kenntnis von ihrer Infektion haben, wird die Dunkelziffer wesentlich höher eingeschätzt.

Hepatitis B und C Infektionen werden als stille Epidemie bezeichnet, da sie vielfach symptomlos verlaufen und Betroffene erst in einem späteren Stadium von ihrer Infektion erfahren.

DrogenkonsumentInnen sind eine der Hauptbetroffenengruppe von Hepatitis B und C Infektionen. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass bis zu 80 % der intravenös Drogen konsumierenden Menschen von Hepatitis- C-Infektionen betroffen sind.

„Das Bewusstsein für diese lebensbedrohliche, aber heilbare Hepatitis-C-Infektion muss sowohl bei politisch Verantwortlichen, in Teilen der Drogenhilfe als auch bei Ärzten deutlich erhöht werden“, erläutert Prof. Stöver vom Aktionsbündnis.
Die Erfolgsraten der Interferonbehandlung bei Substituierten sind mit ca. 65 % ebenso hoch wie bei Nicht- Opiatabhängigen. Dennoch ist die Quote der Interferonbehandlungen bei chronisch HCV infizierten DrogengebaucherInnen mit etwa 10% deutlich zu gering.

Das Aktionsbündnis fordert ferner ein verstärktes Engagement in der Prävention von Hepatitis A und B Infektionen. Durch praxisnahe Impfkampagnen können Hepatitis A und B Infektion verhindert werden.

Anders als viele unserer europäischen Nachbarn verfügt Deutschland über kein nationales Strategiepapier oder einen Aktionsplan zum Thema Hepatitis. Die Erfahrungen beim Thema HIV/AIDS zeigen, dass über einen Aktionsplan und die Einbeziehung von Fachleuten aus Medizin, Wissenschaft, Praxis und von Betroffenen Erfolge in der Prävention und Behandlung von Infektionserkrankungen zu erzielen sind.

Anlässlich des Welt-Hepatitis-Tages fordert das Aktionsbündnis Hepatitis und Drogengebrauch die Bundesregierung auf, bundesweite zielgruppenspezifische Kampagnen zu initiieren, um über die Übertragungswege aufzuklären und die Impfquote bei riskierten Gruppen zu erhöhen, erläutert Dirk Schäffer von der DAH. „Denn Hepatitis C ist heilbar“.

Mit der Einsetzung einer Expertenkommission zur „Entwicklung einer nationalen HCV-Strategie“ würde die Bundesregierung am Welt-Hepatitis-Tag ein wichtiges Signal setzen, so Prof. Heino Stöver.
Das Aktionsbündnis ist ein offenes politisches Forum, das (fach-)politische Lobby-Arbeit zum Thema „Hepatitis und Drogengebrauch“ macht.

Ziel und Aufgabe des Aktionsbündnisses ist, die Bedeutung und Auswirkungen von Hepatitisinfektionen, insbesondere der Hepatitis C, auf die Gruppe der DrogenkonsumentenInnen und unser Gesundheitswesen insgesamt deutlich zu machen.

(Pressemitteilung der Deutschen Aidshilfe)

Situationsbericht Hepatitis in Deutschland

Das Robert-Koch-Institut RKI hat am heutigen Welt-Hepatitis-Tag vorab die Ausgabe 20 des Epidemiologischen Bulletins veröffentlicht, mit einem umfangreichen Bericht „Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten in Deutschland – Virushepatitis B, C und D im Jahr 2009″.

Der 11seitige Bericht geht neben einer Übersicht über die weltweite Situation insbesondere auf Fallmeldungen und regionale Verteilung, Übertragung, Prävention und Therapie ein, jeweils für Hepatitis B und Hepatitis C.

weitere Informationen:
„Virushepatitis B, C und D: Situationsbericht Deutschland 2009“
in: RKI (Hg.): Epidemiologisches Bulletin 20/2010
.

Hepatitis C: 2009 15% weniger Neu-Diagnosen

Im Jahr 2009 wurde in Deutschland bei 5.277 Menschen neu Hepatitis C diagnostiziert – ein Rückgang um 15% im Vergleich zum Vorjahr.

Das Robert-Koch-Institut berichtet in der aktuellen Ausgabe des „Epidemiologischen Bulletin“ (Nr. 03 / 2010) über meldepflichtige Infektionskrankheiten, darunter auch Hepatitis-C-Infektionen. Den Daten zufolge wurden im Jahr 2009 5.277 neue Hepatitis-C-Diagnosen gestellt gegenüber 6.223 im Jahr 2008.

Die meisten Hepatitis-C-Fälle wurden in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen diagnostiziert. In den meisten Bundesländern sank die Zahl der Hepatitis-C-Neudiagnosen 2009 im Vergleich zum Vorjahr, nur in Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie deutlich in Hamburg stiegen die Zahlen an.

Die Zahlen nach Bundesländern für 2009, in Klammern 2008 (laut RKI):

Baden-Württemberg 821 (1.037)
Bayern 1.122 (1.255)
Berlin 624 (762)
Brandenburg 77 (80)
Bremen 34 (47)
Hamburg 147 (98)
Hessen 327 (345)
Mecklenburg-Vorpommern 64 (62)
Niedersachsen 268 (346)
Nordrhein-Westfalen 698 (968)
Rheinland-Pfalz 281 (321)
Saarland 76 (76)
Sachsen 261 (320)
Sachsen-Anhalt 179 (169)
Schleswig-Holstein 154 (215)
Thüringen 144 (122)
Deutschland gesamt 5.277 (6.223)

weitere Informationen:
Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten 53. Woche 2009 (Datenstand: 20.1.2010). in: Epidemiologisches Bulletin 03/2010
.

UK: neue Therapierichtlinie HIV & Hep

Die British HIV Association BHIVA hat eine völlig überarbeitete Ausgabe ihrer Therapierichtlinie für die Ko-Infektion von HIV und Hepatitis B bzw. Hepatitis C heraus gegeben.

Die British HIV Association hat ihre Therapie-Richtlinien für die Behandlung der Ko-Infektion von HIV und Hepatitis B bzw. Hepatitis C nach 5 Jahren neu herausgegeben.

BHIVA

2005 waren die Vorläufer der jetzigen Therapie-Richtlinie noch separat für Hepatitis B und für Hepatitis C erschienen. Die neue, 30 Seiten umfassende Therapierichtlinie fasst nun beide Ko-Infektionen zusammen.

weitere Informationen:
BHIVA: British HIV Association guidelines for the management of coinfection with HIV-1 and hepatitis B or C virus 2010 (pdf)
.

Hepatitis C: ist Blut-Kontakt das Problem ?

Ist Blut-Kontakt der entscheidende Faktor für eine Übertragung von Hepatitis C auch im sexuellen Kontext? Studienergebnisse an HIV- und HCV-infizierten schwulen Männern deuten erneut darauf hin.

Paris, Amsterdam, Schweiz, London, Brighton, Deutschland – auf internationalen Aids-Konferenzen werden seit einiger Zeit immer wieder alarmierende Berichte über Hepatitis C vorgestellt – insbesondere über “Ausbrüche“ von Hepatitis C unter schwulen Männern. In San Francisco wurde jüngst angesichts hoher Infektionszahlen von der Stadtverwaltung sogar eine ‚Special Task Force Hepatitis C‘ gegründet.

Bemerkenswerterweise fanden die meisten der Hepatitis-C-Infektionen dieser „Ausbrüche“ unter HIV-infizierten schwulen Männern statt. Aber warum infizieren sich insbesondere schwule HIV-positive Männer mit Hepatitis C? Bald schon gerieten verschiedene Sex-Praktiken in Verdacht, ebenso wie eine Beteiligung sexuell übertragbarer Erkrankungen.

Mit der Frage des ‚warum‘, der Risikofaktoren für eine Hepatitis-C-Übertragung bei schwulen HIV-positiven Männern beschäftigten sich Forscher aus Berlin und Bonn im Rahmen einer ‚Case Control‘ – Studie. Die Ergebnisse wurden auf dem 12. Europäischen Aids-Kongress in Köln in einem prämierten Poster vorgestellt.

Axel J. Schmidt, Best Poster Discussion EACS 2009
Axel J. Schmidt, Best Poster Discussion EACS 2009

Die Forscher um Axel J. Schmidt untersuchten zwischen 2006 und 2008 im Rahmen der Studie 34 HIV-Infizierte mit gleichzeitiger Hepatitis-C – Infektion (die im Rahmen einer an der Uniklinik Bonn laufenden Studie zur Behandlung der akuten Hepatitis C behandelt wurden)  sowie 67 Kontroll-Fälle (HIV-positive schwule Männer ohne Hepatitis-C-Infektion).

Drei Faktoren erwiesen sich dabei unabhängig von einander und signifikant als Risiko-Faktoren für eine Infektion mit Hepatitis C:
– häufige anale Traumata (Verletzungen, Wunden) mit nachfolgendem Bluten beim Sex,
– häufiges Fisten, sowie
– eine Kombination von nasalem Drogengebrauch (z.B. Kokain, Amphetamine, Ketamin) und dem Praktizieren von Gruppen-Sex.
Einige Fälle (3 = 6%) wiesen allerdings keinen der drei genannten Risikofaktoren auf.

Bei den untersuchten Fällen war der Risikofaktor „rektales Bluten“ stark assoziiert mit früheren rektalen Operationen. Ungeschützter analer Sex hingegen war für sich allein betrachtet kein Risikofaktor für Hepatitis C.

Schmidt betonte in dem Poster, es gebe zunehmende Evidenz dafür, dass die Übertragung von HCV (Hepatitis-C-Virus) stattfinde zwischen HIV-positiven schwulen Männern in Kontexten einer erhöhten HCV-Prävalenz (Gruppen-Sex, insbesondere wenn mit ‚Serosorting‘), und wenn die Integrität der Schleimhaut verletzt sei – sei es durch ausdauernden Sex (wie bei Benutzung von PDE5-Hemmern wie Viagra®) oder bei ‚harten‘ anogenitalen Praktiken, oder bei entzündlichen sexuell übertragbaren Erkrankungen, und besonders bei Fisten und sexuell verursachten analen Blutungen.

Schmidt wies besonders auf die Frage des Schutz-Verhaltens hin: die Übertragung von HCV könne eventuell einer anderen Rationale folgen als bisherige sexuell übertragbare Erkrankungen. Bisher werde davon ausgegangen, dass der Überträger einer Infektion selbst infiziert sein müsse. Bei HCV jedoch könne womöglich der Fall sein, dass der insertive (‚aktive‘) Partner nicht notwendigerweise mit HCV infiziert sein müsse, um HCV zu übertragen:

Ähnlich wie beim Handschuh (mit dem der ‚aktive‘ Fister sich schütze, aber HCV mit dem Handschuh von einem ‚Passiven‘ direkt auf einen weiteren Passiven übertragen könne) oder beim gerollten Geldschein (bei dem, wenn gemeinsam benutzt, Blutpartikel von einem User zum nächsten gelangen könnten) könnte auch bei Kondombenutzung der aktive Sexpartner zwar sich selbst schützen,  aber im Kontext von Gruppensex auch bei Kondom-Benutzung HCV von einer auf eine weitere Person übertragen.

Dies würde bedeuten, dass Begriffe wie „safer Sex“ oder „Risikoverhalten“ wenig weiterführend sind im Kontext einer Hepatitis-C-Übertragung, wenn nicht zusätzlich auf wesentliche Details eingegangen wird.

Schmidt forderte insbesondere vermehrte Prävention zu sexuellen Übertragungswegen von Hepatitis C, die über die Betonung der Bedeutung von Kondom-Benutzung hinaus reichen sollten. Insbesondere sollten die Risiken der Verwendung von Kondomen, Handschuhen oder auch Geldschein-Rollen bei mehreren Partnern gerade bei Risiken rektaler Blutungen klarer kommuniziert werden.
Betreiber von Orten sexueller Begegnungen sollten darauf achten, Verunreinigungen durch Blut zu vermeiden (z.B. durch die Bereitstellung von Gleitmittel-Spendern statt -Töpfen). Auch die Bereitstellung von nicht verletzungsträchtigen Schläuchen zum nasalen Drogenkonsum (’safer use‘) könnte HCV-Infektionsrisiken reduzieren.
Schwule Männer mit rektalen Operationen (z.B. aufgrund Analfissuren oder Entfernung analer Feigwarzen) sollten sich bewusst sein, dass eine zu schnelle Wiederaufnahme von Analverkehr das Risiko rektaler Blutungen (und damit potentieller HCV-Übertragungsrisiken) erhöht.

.

weitere Informationen:
Axel J. Schmidt et al.: „The Trouble with Bleeding. Why do HIV-positive Gay Men Get Hepatitis C?“ 12. Europäischer Aids-Kongress Köln 2009: Poster BPD 1/7
aidsmap 12.11.2009: Blood rather than semen mode of HCV transmission in HIV-positive gay men
.

Hepatitis C: Hoffnung auf neue Medikamente

Eine neue Klasse von Medikamenten zur Behandlung der Hepatitis C zeigt sich in klinischen Studien als potentiell hochwirksam, die Proteasehemmer.

Proteasehemmer ist die Bezeichnung einer Klasse von Wirkstoffen, die aus der HIV-Behandlung seit vielen Jahren bekannt sind. Doch – auch das Hepatitis-C-Virus (HCV) hat eine Protease, und auch die lässt sich hemmen. Nun zeigen klinische Studien mit zwei experimentellen HCV-Proteasehemmern, dass diese Substanzklasse erfolgversprechend bei der Behandlung der Hepatitis C sein könnte.

In getrennten klinischen Studien wurden die HCV-Proteasehemmer Telaprevir und Boceprevir auf ihre Wirksamkeit untersucht.

In einer Studie mit Telaprevir erreichten über 80% der Teilnehmer (nur HCV-Infektion, Genotyp 1) eine „sustained viral response“ (SVR, andauernde virologische Antwort). Eine andere Studie fand ähnliche Wirkungs-Raten für Boceprevir. Telaprevir wird entwickelt von Tibotec und Vertex; Boceprevir von Schering Plough.
Mit den bisher üblichen Therapien gegen Hepatitis C (pegyliertes Interferon plus Ribavirin) wird üblicherweise eine Rate an SVR von eta 50% erreicht.

Als SVR wird bezeichnet eine nicht nachweisbare HCV-Viruslast für einen Zeitraum von sechs Monaten nach Beendigung der Therapie. Umgangssprachlich wird dies gleichgesetzt mit einer „Heilung“.

5% der Teilnehmer der Telaprevir-Studie beendeten die Teilnahme vorzeitig aufgrund schwerer Nebenwirkungen (3% Hautausschläge, 2% Anämie).

In den USA wird inzwischen in manchen Regionen koordiniert gegen Hepatitis C vorgegangen. Schätzungen zufolge sind etwa 4 Millionen US-Amerikaner HCV-infiziert.
In San Francisco, einer von Hepatitis C besonders betroffenen Stadt (geschätzt 12.000 Infektionen) richtete Bürgermeister Gavin Newsom jüngst eine Task Force gegen Hepatitis C ein. Aufgabe der 32köpfigen „San Francisco Hepatitis C Task Force“, an der auch Menschen mit Hepatitis C beteiligt sind, soll es sein, eine Hepatitis-C-Politik zu formulieren und Wege zur Finanzierung von Maßnahmen aufzuzeigen.

Nachtrag 20.10.2010:
„HCV protease inhibitors likely to work for co-infected patients previously treated for HCV“, berichtet aidsmap über eine (kleine) Studie zur genetischen Diversität von HCV bei HIV- und Hepatitis-C-koinfizierten Patienten.
Telaprevir hat Medienberichten zufolge in Phase-III-Studien gute Wirkungs-Raten produziert (ähnlich wie schon eine frühere Studie, siehe „Telaprevir: deutliche Therapieverbesserung bei Hepatitis C?„; ein Zulassungs-Antrag werde noch für 2010 erwartet.
Über Boceprevir wurden Daten aus einer Phase-II-Studie berichtet.

.

weitere Informationen:
aidsmap 04.11.2009: New hepatitis C protease inhibitors achieve 80% ‘cure’ rate in patients with genotype 1 infection
aids treatment update Juli 2009 „combinations and conundrums: the challenges of hepatitis C treatment“ (pdf)
Project Inform 09.11.2009: San Francisco Mayor Convenes Hepatitis C Task Force
.

Hepatitis C bei HIV-Positiven

Auf internationalen Aids-Konferenzen werden immer wieder alarmierende Berichte über Hepatitis C vorgestellt – insbesondere über „Ausbrüche von Hepatitis C unter schwulen Männern“. Viel diskutiert dabei insbesondere: auf welchem Weg finden Hepatitis-C – Neuinfektionen bei schwulen Männern statt? Warum haben bestimmte Menschen ein besonders hohes Infektionsrisiko? Warum besonders auch HIV-Positive? Und wie ist die Situation in Deutschland?

CROI 2009 – was sind Risikofaktoren für sexuelle Übertragung von Hepatitis C bei HIV-positiven schwulen Männern?

Auf der 16. CROI (Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections; Montreal 2009) wurden erneut (wie in Vorjahren) Hinweise für eine weiterhin stattfindende Hepatitis-C-Epidemie unter schwulen HIV-positiven Männern vorgestellt – besonders auf einen deutlichen Anstieg akuter HCV-Infektionen.

Aus Amsterdam (1) berichteten van den Berk und Kollegen über steigende Zahlen von frischen Hepatitis-C-Infektionen (2003: 2 Fälle;  2004: 1; 2005: 9; 2006: 12; 2007: 6; 2008: 14 in den ersten 8 Monaten). Die Ärzte betonten, damit sei 2008 je einer von 66 HIV-Positiven Patienten in ihrer Klinik mit Hepatitis-C-infiziert; 59% von ihnen (basierend auf früheren negativen Tests auf Hepatitis C) sind erst seit weniger als einem Jahr mit Hepatitis C infiziert. Da keiner ihrer Patienten klassische Risikofaktoren wie intravenösen Drogengebrauch oder medizinischen Kontakt mit infiziertem Blut hatte, gehen sie von sexueller Übertragung aus.

Fierer (2) berichtete über einen akuten Ausbruch von Hepatitis C unter schwulen Männern in New York, und u.a. über Risiko-Faktoren einer HCV-Infektion. Bei 21 HCV-infizierten Männern im Vergleich zu ihnen ansonsten ähnlichen HCV-negativen Männern untersuchte er Risikofaktoren – und stellte als signifikant fest ungeschützten analen rezeptiven Sex mit und ohne Ejakulation, den Gebrauch von Sex Toys sowie „Sex während ich high war“.
Fisten, das oftmals als bedeutendster Risikofaktor eingeschätzt wird, war kein signifikanter Risikofaktor – allerdings mit einem unerwarteten Unterschied: beim Fisten ein ‚Bottom‘ zu sein schien kein Risiko darzustellen, während ein ‚Top‘ zu sein an der Schwelle zur Signifikanz als Risikofaktor war.

Ghosn und Kollegen (3) berichteten aus Frankreich über sexuelle Übertragung von Hepatitis C. Während jedoch aus anderen Zentren überwiegend Hepatitis-C-Infektionen des Genotyps 1 berichtet werden, zeigten nahezu die Hälfte der Pariser HCV-Patienten den vergleichsweise selteneren Genotyp 4. Zudem wiesen alle 15 Patienten mit Genotyp 4 genetisch nahezu identische Virus-Stämme auf – Hinweis auf eine schnelle Übertragung innerhalb eines Sex-Netzwerks schwuler Männer.

CROI 2008 – Therapie-Erfolge und Re-Infektionen

Bereits ein Jahr zuvor waren ebenfalls interessante die Daten auf der ’15th Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections‘ (3. bis 6. Februar 2008 in Boston) vorgestellt worden.

Eine anschlagende HCV-Therapie kann die Langzeit-Folgen von Hepatitis C deutlich verringern, berichteten spanische Forscher: eine langanhaltend erfolgreiche anti-HCV-Therapie vermindert Leber-Komplikationen und Todesfälle bei Menschen, die mit HIV und HCV ko-infiziert sind.

Allerdings haben HIV-Positive, die sich später mit Hepatitis C infizieren, möglicherweise ein höheres Risiko schneller Leberschäden (Fibrose). Dr. Fierer (6), Infektiologe aus New York, beschrieb Fälle von akuter Hepatitis C bei HIV-infizierten Patienten, die mit beschleunigter Leberfibrose verbunden waren. Dies wurde bei Leberbiopsien festgestellt (die in Europa nicht systematisch üblich sei), wie Dr. Fierer in einem Interview erläuterte. Eine ausgeprägte Leberfibrose bereits in diesem frühen Erkrankungsstadium sei bisher selten beobachtet worden; bei HIV-Positiven könne die zugrunde liegende Immunsuppression möglicher Grund sein.

Eine sogenannte Maintenance-Therapie der Hepatitis C scheint keinen Nutzen für die Patienten zu bringen:
Viele HIV-positive Patienten mit Hepatitis-C sprechen nur unzureichend auf eine medikamentöse Therapie gegen HCV (Hepatitis-C-Virus) an. Ärzte in den USA (5) untersuchten an 330 HIV- und HCV-koinfizierten Teilnehmern, ob bei HIV-Positiven, die nicht auf eine Therapie aus pegyliertem Interferon und Ribavirin ansprachen, durch eine fortgesetzte Therapie mit pegyliertem Interferon die Rate der Leber-Fibrose reduziert / verlangsamt werden könnte. Die auf 72 Wochen Dauer geplante Studie wurde im April 2007 vorzeitig abgebrochen – es wurde kein Unterschied zwischen behandelter und unbehandelter Gruppe festgestellt.

Daten aus Großbritannien (Jones et al. (4)) legten die Vermutung nahe, dass manche HIV-positiven Männer in London sich erneut mit Hepatitis C infiziert haben (Re-Infektion), nachdem sie vorher eine erfolgreiche Therapie einer vorherigen Hepatitis-C-Infektion absolviert hatten. Bei allen teilnehmenden schwulen oder bisexuellen Männern war zuvor nach erfolgreicher anti-HCV-Behandlung mindestens zweimal eine nicht nachweisbare HCV-Viruslast gemessen worden.
Ein Wiederaufflammen einer erfolgreich therapierten Hepatitis C nach über sechs Monaten ist ungewöhnlich. Die Forscher vermuteten aufgrund genetischer Analysen (phylogenetische Untersuchungen), dass es sich bei einigen um neue Infektionen (nicht Wiederaufflammen der früheren Infektion) handelt. Sexuell übertragbare Infektionen wie Syphilis oder LGV könnten dabei eine Rolle gespielt haben.

Die epidemiologische Situation in Deutschland

Ein wenig anders als in den USA, Großbritannien und den Niederlanden scheint sich die Situation in Deutschland darzustellen – in den RKI-Daten finden sich zunächst keine Anzeichen für eine Welle frischer HCV-Infektionen:

2008 wurden laut RKI (Abfrage SurvStat 01.04.2009) in Deutschland 6.211 Hepatitis-C – Neudiagnosen gemeldet.

2001: 8673 Fälle
2002: 6584 Fälle
2003: 6917 Fälle
2004: 9039 Fälle
2005: 8281 Fälle
2006: 7562Fälle
2007: 6869 Fälle
2008: 6211 Fälle
Tab. 1: Übermittelte Hepatitis C-Fälle nach Jahr , Deutschland, Fälle entsprechend der Referenzdefinition des RKI; Datenstand: 01.04.2009 (Robert Koch-Institut: SurvStat)

Ein ähnliches Bild stellt sich für Berlin (Region in Deutschland mit der höchsten Hepatitis-C – Inzidenz):
2001: 90 Fälle
2002: 147 Fälle
2003: 541 Fälle
2004: 979 Fälle
2005: 994 Fälle
2006: 899 Fälle
2007: 751 Fälle
2008: 762 Fälle
Tab. 2: Übermittelte Hepatitis C-Fälle nach Jahr , Deutschland, Bundesländer: Berlin; Fälle entsprechend der Referenzdefinition des RKI; Datenstand: 01.04.2009 (Robert Koch-Institut: SurvStat)

Die Daten beziehen sich auf die Gesamtbevölkerung Deutschland – und lassen insofern nur bedingt Rückschlüsse auf die Situation bei schwulen Männern oder bei HIV-infizierten schwulen Männern zu.
Der Situationsbericht des RKI (s.u.) von 2008 spricht von einem Anteil von 22,6%  sexuelle Übertragung und bezeichnet diesen als einen „vergleichsweise ineffektiven Übertragungsweg“.
HIV- und STD-Behandler aus Berlin und anderen Großstädten Deutschlands jedoch berichten immer wieder über Häufungen von Fällen von Hepaitits C bei ihren schwulen HIV-positiven Patienten. Genauere Daten liegen für diese Gruppe jedoch kaum vor.

weitere Informationen:
Der Teil des Artikels über Hepatitis C auf der CROI 2009 folgt in Teilen dem Artikel „Double trouble – how hepatitis C is on the increase in HIV-positive gay men“ (Gus Cairns, in: hiv treatment update, März 2009)
(1)Van den Berk et al.: Rapid Rise of acute HCV cases among HIV-infected men who have sex with men, Amsterdam (CROI 2009, abstract 804)
(2) Fierer et al.: Characterisation of an outbreak of acute HCV infection in HIV-infected men in New York City (CROI 2009, abstract 802)
(3) Ghosn et al.: Evidence of ongoing sexual transmission of hepatitis C (2006 to 2007) among HIV-1-infected men who have sex with men (CROI 2009, abstract 800)
(4) Jones et al.: (CROI 2008 abstract 61LB)
(5) Sherman et al. (CROI 2008, oral abstract 59)
(6) Fierer et al.: An Emerging Syndrome of Rapid Liver Fibrosis in HIV-infected Men with Acute HCV Infection (CROI 2008, poster abstract 1050)
Hepatitis C: Situationsbericht Virushepatitiden B, C und D in Deutschland 2007 des RKI im Epidemiologischen Bulletin 46/2008
.

Merck schluckt Schering-Plough

Der Pharmakonzern Merck will den Konkurrenten Schering-Plough schlucken. Dies wird auch zu einer weiteren Konzentration auf dem Markt der Aids- und Hepatitis-Medikamente führen.

Der US-Pharmakonzern Merck plant, den Wettbewerber Schering-Plough für etwa 41 Milliarden US-$ zu übernehmen. Die Fusion, die bereits Ende 2009 abgeschlossen sein soll, soll zu jährlichen Kosteneinsparungen von 3,5 Milliarden US-$ führen.

Der Pharmakonzern Merck (in Deutschland als MSD Merck, Sharp & Dohme; nicht zu verwechseln mit dem deutschen Chemie- und Pharmaunternehmen Merck) ist u.a. auch auf dem Markt der Aids-Medikamente vertreten. Merck ist Hersteller u.a. von Crixivan® (Indinavir) und Stocrin® (Efavirenz) sowie Isentress® (Raltegravir). Auf dem Bereich Hepatitis C hat Merck die Substanz MK-7009 in klinischer Entwicklung. Aus der Erforschung von HIV-Impfstoffen hingegen war Merck im Oktober 2007 nach dem Fehlschlagen einer großen Studie mit einem experimentellen Impfstoff ausgestiegen.

Schering-Plough (in Deutschland als Essex Pharma; nicht zu verwechseln mit dem Unternehmen Schering des Bayer-Konzerns) ist u.a. Hersteller des Krebs-Medikaments Caelyx® (pegylisertes Doxorubicin, u.a. auch eingesetzt beim bei Aids auftretenden Kaposi-Sarkom). Auf dem Bereich Hepatitis ist Schering-Plough insbesondere mit PegIntron® (Interferon α2b) und Rebetol® (Ribavirin) vertreten. Auf dem Bereich HIV hat Schering-Plough den CCR5-Hemmer Vicriviroc in klinischen Studien, gegen Hepatitis C Boceprevir sowie den experimentellen HCV-Proteasehemmer SCH-900518..

Merck und Schering-Plough arbeiten bereits seit längerem bei der Vermarktung von Cholesterin-Senkern zusammen. Das fusionierte Unternehmen wolle sich auch zukünftig mit Infektionskrankheiten (Umsatzanteil 2008: 9%) wie HIV und Hepatitis beschäftigen, betonte Peter Kim, Forschungs-Chef bei Merck, während einer Analysten-Telefonkonferenz.

‚The companies’ combined pipeline will help Merck expand further in infectious disease including in Hepatitis C.“

Der Deal Merck – Schering-Plough wäre bereits die zweite Groß-Fusion auf dem Pharmamarkt im Jahr 2009 – der Pharmariese Pfizer kündigte Ende Januar 2009 an, das Biotechnologie-Unternehmen Wyeth zu übernehmen.

Weitere Informationen:
Schering-Plough 09.03.2009: Merck and Schering-Plough to Merge
Wall Street Journal: Live Blogging Merck and Schering-Plough’s Analyst Call
Merck 09.03.2009: Merck and Schering-Plough Merger Investor Presentation (pdf)
.

Hepatitis: Fachbuch online gratis

Viele HIV-Infizierte sind auch mit Hepatitis B oder Hepatitis C infiziert. Vielfältige Informationen über verschiedene Formen der Virus-Hepatitis liefert das Lehrbuch ‚Hepatology 2009‘, das online unentgeltlich erhältlich ist.

Mit allen wesentlichen Aspekten von Forschung, Behandlung und Diagnose aller Formen der Hepatitis befasst sich das englischsprachige Fachbuch (‚clinical textbook‘) ‚Hepatology 2009‘. Das Buch, das in gedruckter Fassung für 60,-€ zu erwerben ist, steht als pdf unentgeltlich zum Download zur Verfügung.

Die einzelnen Kapitel:

1 Hepatitis A – Epidemiology, transmission and natural history
2 Hepatitis B – Epidemiology, transmission and natural history
3 Hepatitis C – Epidemiology, transmission and natural history
4 Hepatitis E – Epidemiology, transmission and natural history
5 HBV Virology
6 HCV Virology
7 Prophylaxis and vaccination of viral hepatitis

Hepatitis B and D
8 Acute and chronic hepatitis B – Diagnostic tests
9 HBV Treatment – Standard of care
10 HBV – Resistance and implications for therapeutic strategies
11 Hepatitis D – Diagnostic procedures and therapy

Hepatitis C
12 Acute and chronic hepatitis C – Diagnostic tests
13 Standard of care
14 New agents for treatment
15 Management of adverse drug reactions
16 Extrahepatic manifestations of chronic hepatitis C

Coinfections
17 Management of HBV/HIV coinfection
18 Management of HCV/HIV coinfection
19 Management of HBV/HCV coinfection

Liver Fibrosis
20 Assessment of hepatic fibrosis in chronic viral hepatitis

Hepatocellular Carcinoma (HCC)
21 Diagnosis, prognosis & therapy

Liver Transplantation
22 Management of patients before and after liver transplantation
23 Liver transplantation in hepatitis B and C and HIV coinfection

Autoimmune and Metabolic Liver Disease
24 Metabolic Liver Diseases: Haemochromatosis
25 Metabolic Liver Diseases: NAFLD & NASH
26 Metabolic Liver Diseases: Wilson’s Disease
27 Autoimmune hepatitis, PSC and PBC – Etiology, diagnosis, Natural History and Therapy

Zu den Herausgebern von ‚Hepatology 2009‚ gehören u.a. S. Mauss und J. Rockstroh.

‚Hepatology 2009‘
501 Seiten
weitere Informationen auf hepatologytextbook.com
Direktlink zur pdf-Ausgabe (9MB)
.

und … Dank an ‚Leviathan‘ vom Forum HIV für den Hinweis …

10 Tipps für ein gesünderes Leben als HIV-Positiver

Pfleglich mit seinem Körper umzugehen, zusätzliche Gesundheitsrisiken oder Belastungen des Immunsystems wo möglich zu reduzieren oder vermeiden kann für Menschen mit HIV eine sinnvolle Strategie sein.
Manche ‚Vorsorge‘ lässt sich sehr einfach realisieren. Einige Vorschläge:

1. Tipp: regelmäßiger Gesundheits-Check
HIV-Positive sollten überlegen, regelmäßig ihre Gesundheit untersuchen zu lassen. Dies gilt nicht nur HIV-spezifisch, sondern auch z.B. hinsichtlich sexuell übertragbarer Infektionen wie Tripper, Syphilis, Chlamydien, Feigwarzen etc.
Wenn du ein sexuell aktives Leben hast, hast du auch ein gewisses Risiko, dich mit sexuell übertragbaren Erkrankungen anzustecken. Einige dieser Erkrankungen belasten nicht nur dein eigenes Immunsystem, sondern können auch das Risiko erhöhen, HIV bei ungeschütztem vaginalem, analem oder oralem Sex an deine Sexpartner weiterzugeben.
Nicht alle dieser sexuell übertragbaren Erkrankungen sind auch mit Symptomen verbunden, die du in jedem Fall selbst bemerkst. Zudem sind Erkrankungen nicht nur im direkten Genitalbereich (Penis, Vagina) möglich, sondern z.B. auch im Rachen oder am Arsch.
Ein Grund mehr also, sich auf sie untersuchen zu lassen – am besten im Rahmen eines regelmäßigen Gesundheits-Checks.

2. Tipp: auf Hepatitis C checken lassen
Lass dich regelmäßig auf Hepatitis C testen. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass der Erreger der Hepatitis C, das Hepatits-C-Virus, bei Menschen mit HIV leichter auch sexuell weitergegeben wird.
Ein regelmäßiger Check auf Hepatitis C ist für sexuell ‚umtriebige‘ Menschen schon deswegen sinnvoll, weil eine frühzeitig erkannte Hepatitis-C-Infektion mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit erfolgreich behandelt werden kann, je später die Infektion entdeckt wird, desto schlechter jedoch auch die Therapieergebnisse sind.
Gegen Hepatitis C sind bisher keine Impfungen möglich.

3. Tipp: Impfung gegen Hepatitis B
Das Hepatits-B-Virus wird u.a. sexuell übertragen. Eine Infektion mit Hepatits B ist wesentlich leichter möglich als eine Infektion mit HIV. Im Gegensatz zur Hepatitis C (s.o.) sind sowohl gegen Hepatitis A als auch gegen Hepatitis B Impfungen möglich.
Da das Immunsystem HIV-Infizierter u.U. geschwächt sein kann, schlägt die Impfung möglicherweise nicht sofort an. In diesen Fällen ist aber eine Wiederholung wie auch eine Erhöhung der Impfdosis möglich.
Die Impfung gegen Hepatitis B ist für HIV-Positive eine Kassenleistung. Sie wird von der StIKO (Ständige Impfkommission) empfohlen (Indikations-Impfung, siehe StIKO-Empfehlungen S. 8).

extra Tipp: besser – die Kombi-Impfung gegen Hepatitis A und B
Tipp: Eine kombinierte Impfung gegen Hepatits A und Hepatitis B mit einem kombinierten Impfstoff schützt mit einer Impfung doppelt. Bei HIV-Positiven werden sowohl die Hepatits-A- als auch die Hepatitis-B-Impfung von den Krankenkassen bezahlt.
Und wer schon Impfschutz (oder aufgrund einer schon durchgemachten Hepatitis B Antikörper) gegen Hepatitis B hat, sollte eine Impfung gegen Hepatitis A überlegen. Die Kosten hierfür sollten von der Krankenkasse übernommen werden (Indikation StIKO / „Personen mit einem Sexualverhalten mit hoher Infektionsgefährdung“).

4. Tipp: die Grippeimpfung
Eine echte Grippe (Influenza) ist nicht zu verwechseln mit dem, was umgangssprachlich gern mit dem ‚grippalen Infekt‘ verwechselt wird. Eine Influenza kann bei HIV-Positiven leichter auftreten und einen schwereren Verlauf nehmen. Eine Grippeschutzimpfung ist ein einfacher Weg, das Infektionsrisiko zu senken.
Die Impfung gegen Influenza (Grippe) ist ebenfalls wie die Impfungen gegen Hepatitis A und B ein Totimpfstoff und für Menschen mit HIV unbedenklich.

5. Tipp: Impfung gegen Pneumokokken
Trotz wirksamer antiretroviraler Therapie tritt die Pneumokokken-Pneumonie (eine von Bakterien verursachte potenziell lebensbedrohliche Lungenentzündung) bei Menschen mit HIV immer noch häufiger auf. HIV-Infizierte haben ein 10- bis 100fach erhöhtes Risiko, an Pneumokokken-Pneumonie zu erkranken.
Doch ein einfacher Schutz ist möglich – mit einer Impfung. Diese Impfung gegen Pneumokokken-Pneumonie ist auch bei HIV-Positiven wirksam, wie erst jüngst wieder eine Studie zeigte.
Die Kosten einer Impfung gegen Pneumokokken-Pneumonie werden bei HIV-Infektion von der Gesetzlichen Krankenversicherung getragen (StIKO-Empfehlungen (S.12, Indikation HIV).

6. Tipp: auf die Haut achten
DAH Broschüre Haut + HaarDas größte -und dennoch oft vernachlässigte- Organ des Menschen ist die Haut. Hauterkrankungern wie z.B. Pilzerkrankungen von Haut und Nägeln können bei Positiven leichter / häufiger auftreten oder (wie Gürtelrose) unter Umständen auf eine HIV-Infektion hinweisen, einige (wie das heute seltener auftretende Kaposi-Sarkom) gehören zu den Aids-definierenden Erkrankungen.
Ein pfleglicher Umgang mit der Haut kann sehr zu Gesunderhaltung und Wohlbefinden beitragen.
Gute Tipps zum Thema Haut von Wellness und Pflege bis Beschneidung gibt u.a. eine Broschüre der Deutschen Aids-Hilfe (DAH) mit dem Titel „Haut und Haar“ (Direktlink zur online-Bestellung hier) sowie das MedInfo Nr. 41 „HIV und Haut“ (pdf zum Download hier).
PS – zum Thema ‚Pflege deine Haut‘ gehört natürlich auch ‚pflege deinen Schwanz‚ …

7. Tipp: regelmäßig zum Augenarzt
Bei Menschen mit HIV können Veränderungen am Auge auftreten. Ein Augenarzt-Check einmal jährlich hilft, etwaige Probleme frühzeitig zu erkennen. Insbesondere bei einer CD4-Zellzahl unter 200 ist das Risiko einer Erkrankung der Augen (CMV, Toxoplasmose) deutlich erhöht – in diesem Fall sollte ein Besuch des Augenarztes alle sechs Monate erwogen werden.

8. Tipp: Vorsorge Gebärmutterhalskrebs
Bei HIV-positive Frauen ist das Risiko eines Zervix-Karzinoms (Gebärmutterhals-Krebs) deutlich erhöht. Deswegen ist ein regelmäßiger Besuch beim Frauenarzt ratsam. Einmal jährlich sollte (wie auch bei Frauen ohne HIV) eine Vorsorgeuntersuchung (PAP-Abstrich) durchgeführt werden.

9. Tipp: Vorsorge Analkrebs
Ein Analkarzinom ist eine sehr selten auftretende Krebserkrankung des Bereichs des Darmausgangs. HIV-Positive Männer, insbesondere (aber nicht nur) wenn sie Analverkehr haben /hatten, haben ein erhöhtes Risiko für Analkarzinom (Krebs am Darmausgang). Möglichkeiten zur Früherkennung (Rektoskopie, Analabstrich) sollten genutzt werden. Sie sind bisher leider keine Kassenleistung, werden von einigen Ärzten jedoch im Rahmen von Studien angeboten.

10. Tipp: Mund- und Zahnhygiene
Probleme an den Zähnen und im Mundbereich treten bei HIV-Positiven häufiger auf. Mindestens einmal im Jahr sollte ein (möglichst mit HIV erfahrener) Zahnarzt besucht werden.

PS.
Viele dieser Tipps dürften auch für den schwulen Mann an sich (ob nicht HIV-infiziert oder ungetestet) hilfreich sein, um gesünder zu leben … vielleicht ergänzt um den Tipp, doch mal über einen HIV-Test nachzudenken …

sexuelle Gesundheit Berlin 6: Ausblick und mögliche Konsequenzen

Welche Entwicklungen zeichnen sich zum Thema sexuelle Gesundheit in Berlin ab? Welche Konsequenzen könnten erforderlich werden? Einige Ideen:

Die Zahl der Menschen, die insgesamt in Berlin mit HIV leben, wird auch in den kommenden Jahren weiter steigen.
Neben der Zahl an HIV-Neuinfektionen wird der Zuwachs sich schon daraus ergeben, dass Menschen mit HIV aufgrund verbesserter Therapien durchschnittlich länger leben. Zudem verlegen HIV-Infizierte aus anderen Regionen Deutschlands ihren Wohnsitz nach Berlin, da hier die Lebens- und oft auch Versorgungssituation für HIV-Infizierte als besser empfunden wird.

Zudem wird das durchschnittliche Alter der HIV-Positiven, die in Berlin leben, weiter ansteigen – schon aufgrund der durch bessere medikamentöse Therapie gesteigerten Lebenserwartung. Zudem infizieren sich zunehmend auch Menschen in höherem Lebensalter mit HIV.

Neben HIV treten für die Frage sexueller Gesundheit bei Männern, die Sex mit Männern haben, auch weitere sexuell übertragbare Infektionen wieder mehr in den Vordergrund – sowohl für HIV-positive als auch HIV-negative Männer. Gerade auch angesichts jüngster Stellungnahmen, die betonen es liege ‚keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs‚ vor, kommt Information und Testangeboten zu sexuell übertragbaren Erkrankungen eine starke Bedeutung zu.

Diese und weitere Veränderungen werden Auswirkungen auf das System der öffentlichen Gesundheit in Berlin haben, aber auch auf die jeweiligen Szenen (die z.B. auf eine zunehmende Zahl älterer Menschen teils kaum vorbereitet scheinen).

Eine rein auf HIV/Aids-Prävention ausgerichtete Präventions- und allg. Gesundheitspolitik in Berlin könnte den sich verändernden Rahmenbedingungen schon bald nicht mehr gerecht werden. Die Prävention sexuell übertragbarer Infektionen und generell das Thema reproduktive Gesundheit könnte größere Aufmerksamkeit erfordern. Zudem wird angesichts des höheren Lebensalters bei Menschen mit HIV auch die Frage anderer Erkrankungen (wie Krebs) zunehmend Bedeutung gewinnen.

Es müssen ausreichend niedrigschwellige, anonyme und kostenlose Untersuchungsmöglichkeiten (neben HIV gerade auch auf Syphilis) zur Verfügung stehen.
Auch das RKI kommt in der Auswertung der KABaSTI-Studie ((Quelle: Ergebnisse der KABaSTI-Studie, in Epidemiologisches Bulletin Nr. 23/2007)) zu dem Schluss, der öffentliche Gesundheitsdienst solle „vor allem in Großstädten seine Beratungs- und Testangebote für HIV und STI stärker auf besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen fokussieren und nach Möglichkeit versuchen, durch seine Angebote Zugangsbarrieren zu reduzieren – in Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen besonders betroffener Bevölkerungsgruppen … Ein solches Angebot sollte möglichst kostenlos, anonym und mehrsprachig sein“. Derzeitige Einschränkungen im Öffentlichen Gesundheitsdienst und den Aids- und STI-Beratungsangeboten dürften hier eher kontraproduktiv wirken.

Konsequenzen kann aber auch jeder schwul lebende Mann, jeder Mann der Sex mit Männern hat, ziehen: ‚man‘ sollte überlegen, sich auf die wichtigsten sexuell übertragbaren Infektionen (besonders auch Syphilis) sowie auf Hepatitis C regelmäßig untersuchen zu lassen – sie sollten möglichst zur Routine-Untersuchung (’schwuler Gesundheits-Check‘) gehören. Wo möglich (Hepatitis B!) sollte eine Impfung erwogen werden.

.

Dieser Artikel ist Teil der Serie „Sexuelle Gesundheit in Berlin“:
Intro
Teil 1: HIV / Aids in Berlin
Teil 2: HIV-Neuinfektionen in Berlin
Teil 3: Syphilis in Berlin
Teil 4: Hepatitis C in Berlin
Teil 5: Berlin im Vergleich mit Hamburg und Köln
Teil 6: Ausblick und mögliche Konsequenzen

sexuelle Gesundheit in Berlin 5: Berlin im Vergleich mit Hamburg und Köln (akt.)

Berlin ist die gemessen an der Einwohnerzahl größte Stadt Deutschlands. Zudem hat Berlin schon immer besonders auch eine hohe Anziehungskraft für Bevölkerungsgruppen gehabt, die u.a. auch einer hohen Gefahr ausgesetzt sind, sich mit HIV zu infizieren (wie z.B. drogengebrauchende Menschen oder Schwule).

Vergleich HIV-Fälle MSM Berlin Hamburg KölnSchon aus diesen beiden Gründen ist es wenig überraschend, dass Berlin die Stadt mit der höchsten Zahl an HIV-positiven Einwohnern im Bundesvergleich ist.

Allein in Berlin leben etwa 10.400 der insgesamt ca. 59.000 deutschen HIV-Positiven – was heißt, dass ca. 18 % der Positiven Deutschlands in Berlin leben. Der Bevölkerungsanteil Berlins ( 3,4 Mio. Einwohner) an der gesamten BRD (82,3 Mio.) beträgt 4,1 %. Selbst wenn man einen ‚Großstadt-Faktor‘ in Ansatz bringt, ist der Anteil der Positiven, die in der Hauptstadt leben, als sehr hoch (wesentlich höher als nach Bevölkerungsanteil zu erwarten) zu bezeichnen. Dass Berlin Lebensqualität und Attraktivität gerade auch für Menschen mit HIV hat, findet sicherlich auch in diesen Zahlen Ausdruck.

Diese Zahlen zeigen zugleich, dass die absoluten Zahlen und ihre Entwicklung in den letzten Jahren nur bedingt aussagefähig für einen Städtevergleich sind. Aussagefähiger für Entwicklungen sind relative Zahlen, die z.B. Anhaltspunkte dafür geben, welche Bevölkerungsanteile sich jeweils mit HIV infiziert haben.

Genau dies leistet die Inzidenz. Die Inzidenz gibt an, bei wie vielen Menschen pro 100.000 Einwohner innerhalb eines Jahres in einer Stadt neu HIV (bzw. eine andere Infektionskrankheit) diagnostiziert wurde.
Vergleich HIV Inzidenz Berlin Hamburg KölnVergleicht man die gemeldeten HIV-Fälle bei MSM in der Form der Inzidenzen, sieht das Bild ganz anders aus: die Grafik (nebenstehend) verdeutlicht, dass die HIV-Inzidenz unter MSM in Berlin im Jahr 2005 einen Scheitelpunkt erreicht hat und seitdem dort verharrt bzw. leicht sinkt, 2007 jedoch wieder ansteigt. Die Inzidenz in Hamburg steigt in den vergangenen Jahren kontinuierlich an und hat 2006 beinahe Berliner Niveau erreicht. Die Inzidenz in Köln hingegen ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich über dem Berliner Niveau und zudem von 2004 bis 2006 deutlich angestiegen.

Vergleich Hepatitis C Inzidenz Berlin Hamburg KölnBei den gemeldeten Hepatitis-C-Fällen bei Männern zeigt sich ein anderes Bild. Die Hepatitis-C-Inzidenz bei Männern ist in Hamburg auf sehr niedrigem Niveau annähernd konstant. Die Inzidenz für Berlin scheint 2004 einen Scheitelpunkt erreicht zu haben, sinkt seitdem leicht. Die Inzidenz für Köln hingegen pendelt stark und ist im vergangenen Jahr deutlich angestiegen (wegen des sehr hohen Wertes für Köln im Jahr 2001 Darstellung erst ab 2002). Daten ausschließlich für MSM sind leider nicht abrufbar.

Vergleich Syphilis MSM Berlin Hamburg KölnEin wiederum leicht anderes Bild bietet die Zahl der gemeldeten Syphilis-Fälle bei MSM. In Hamburg hat die Syphilis-Inzidenz bei MSM 2003 einen Scheitelpunkt erreicht und sinkt seitdem bis 2006 leicht, um 2007 erneut anzusteigen. Berlin verharrt seit 2003 auf annähernd gleich hohem Niveau mit deutlich sinkenden Werten für 2007. Die Syphilis-Inzidenz für MSM in Köln hingegen hat den Berliner Wert seit dem Jahr 2003 übertroffen und verharrt auf hohem Niveau, mit für 2007 ebenfalls sinkenden Werten.

Insgesamt zeichnen die Zahlen zu den Inzidenzen von HIV-Neudiagnosen bei MSM, gemeldeten Hepatitis-C-Fällen bei Männern und Syphilis-Fällen bei MSM ein vielfältiges Bild.
Eine Aussage lässt sich jedoch sicher treffen: wäre Berlin der ‚Sündenpfuhl‘, als der es gerne von interessierter Seite deklariert wird, wäre zu vermuten dass diese Zahlen anders aussehen. Um die sexuelle Gesundheit von MSM scheint es in Berlin zumindest im Vergleich mit Hamburg und Köln nicht so schlecht bestellt zu sein. Sicher ist vieles verbesserungsfähig – ‚Bad Bareback‘ jedoch muss offensichtlich woanders liegen …

Quelle aller Daten: Robert Koch-Institut: Datenabfrage SurvStat, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 04.02.2008

Update 04.02.2008: Aktualisierung auf Stand der Datenabfrage 04.02.2008

Dieser Artikel ist Teil der Serie „Sexuelle Gesundheit in Berlin“:
Intro
Teil 1: HIV / Aids in Berlin
Teil 2: HIV-Neuinfektionen in Berlin
Teil 3: Syphilis in Berlin
Teil 4: Hepatitis C in Berlin
Teil 5: Berlin im Vergleich mit Hamburg und Köln
Teil 6: Ausblick und mögliche Konsequenzen

sexuelle Gesundheit in Berlin 4 – Hepatitis C in Berlin (akt.)

Die Hepatitis C ist nach dem Infektionsschutz-Gesetz melde- und übermittlungspflichtig.
Einen aktuellen Überblick über den Stand der Hepatitis-C-Infektionen in Deutschland gibt das RKI in seinem Epidemiologischen Bulletin (letzte aktuelle Hepatitis-C- Zusammenstellung für 2006 als pdf hier).

Berlin hat im bundesweiten Vergleich die höchste Inzidenz an Hepatitis C (starker An­stieg gegenüber Median 2001-2005). Liegt der Bundesdurchschnitt bei unter 10 Erstdia­gnosen pro 100.000 Einwohnern (Saarland am niedrigsten mit 3,7), so weist Berlin eine In­zidenz von 26,5 auf ((Quelle: RKI, Epidemiologisches Bulletin Nr. 49/2007, als pdf hier)).
Bei dieser hohen Inzidenz an Hepatitis C könnten neben einer höheren Präsenz gefährdeter Bevölkerungsgruppen (z.B. iv-DrogengebraucherInnen) allerdings auch unterschiedliche Test- und Meldeverhalten eine Rolle spielen.

Hepatitis C in Berlin nach Altersgruppen absolutHepatitis C in Berlin nach Altersgruppen relativIm Jahr 2007 wurden in Berlin 745 Fälle von Hepatitis C gemeldet, davon 448 bei Männern.
Der Anteil der Männer an den für Berlin gemeldeten Fällen liegt seit Jahren annähernd stabil bei 60%.
Auf die beiden Altersgruppen 30 bis 39 Jahre und 40 bis 49 Jahre entfällt die größte Zahl der Fälle.

Geschlecht 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
m 58 83 309 569 573 542 448
w 32 64 232 410 421 357 297
gesamt 90 147 541 979 994 899 745

gemeldete Hepatitis-C-Fälle in Berlin 2001 bis 2007 nach Geschlecht

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
0 – 9 1 1 3 3 5 2 3
10 – 14 0 0 1 7 0 0 2
15 – 19 0 5 15 17 23 9 3
20 – 24 5 6 44 49 59 38 31
25 – 29 5 17 40 80 81 75 58
30 – 39 29 37 129 220 226 206 151
40 – 49 20 45 124 267 242 249 214
50 – 59 14 8 59 115 124 144 118
60 – 69 8 10 51 88 92 63 63
Ab 70 8 18 75 133 142 113 102
summe 90 147 541 979 994 899 745

Altersbereich gemeldeter Hepatitis-C-Fälle in Berlin 2001 bis 2007
Quelle: Robert Koch-Institut: SurvStat, http://www3.rki.de/SurvStat, Datenstand: 05.02.2008

Die vorliegenden Zahlen geben leider keinen Aufschluss über den Umfang der sexuellen Übertragung von Hepatitis C. Zudem liegen leider keine Berlin-bezogenen Daten zum Umfang der Ko-Infektion von Hepatitis C und HIV vor.

Exkurs Hepatitis B
Die Hepatitis B spielt im Infektionsgeschehen scheinbar nur eine untergeordnete Rolle: : 2007 wurden in Berlin 67 Fälle gemeldet (Wochen 1 bis 52; Datenstand 19.12.2007 ((Quelle: RKI / Epidemiologisches Bulletin Nr. 03/2008) ) im Vergleich zu 70 Fällen im Vergleichs-Vorjahres-Zeitraum. Eine Datenabfrage (RKI survstat) nennt am 05.02.2008 68 Fälle, davon 46 bei Männern, 22 bei Frauen.

Eine Auswertung der KABaSTI-Studie ergab, dass ca. 70% der nach 1980 geborenen Teilnehmer gegen Hepatitis B geimpft sind ((Quelle: Ergebnisse der KABaSTI-Studie, in Epidemiologisches Bulletin Nr. 23/2007; kompletter Abschlussbericht hier)). Dies würde allerdings immer noch bedeuten, dass 30% nicht gegen Hepatitis B geimpft sind – und unnötig eine Infektion mit Hepatitis B riskieren.

Aktualisierung 05.02.2008: Stand Datenabfrage 05.02.2008
.

Dieser Artikel ist Teil der Serie „Sexuelle Gesundheit in Berlin“:
Intro
Teil 1: HIV / Aids in Berlin
Teil 2: HIV-Neuinfektionen in Berlin
Teil 3: Syphilis in Berlin
Teil 4: Hepatitis C in Berlin
Teil 5: Berlin im Vergleich mit Hamburg und Köln
Teil 6: Ausblick und mögliche Konsequenzen