Nächste Instanz ist der U.S. Ninth Circuit Court of Appeals, die Verhandlung findet vermutlich schon im Oktober 2010 statt.
Beide Parteien kündigten bereist an, die Entscheidung bis zum obersten Gericht der USA zu bringen. Eine Verhandlung vor dem Supreme Court könnte damit 2011 anstehen.
Für heute wird auch die Entscheidung des Richters erwartet, ob sein Urteil die sofortige Aufhebung des Verbots der Homo-Ehe bedeutet (und damit Schwulen und Lesben wieder die Möglichkeit der Eheschließung eröffnet), oder ob die Verbots-Regelung weiter bestehen bleibt.
USA: Reaktionen aus der Politik:
advocate 04.08.2010: White House Statement on Proposition 8
Office of the Governor: Governor Schwarzenegger Issues Statement on Proposition 8 Ruling
USA: Reaktionen der Befürworter und Gegner der Homo-Ehe
LGBT POV 04.08.2010: Prop 8 Win: Olson, Boise on Rachel Maddow Show [Olson und Boise sind die beiden Anwälte der (erfolgreichen) Kläger gegen Proposition 8, d.Verf.]
advocate 04.08.2010: Prop. 8 Ruling: The Reactions
Towleroad 04.08.2010: Chad Griffin, Board President American Foundation for Equal Rights, speaks
Box Turtle Bulletin 04.08.2010: Prop 8 Supporters React
Towleroad 04.08.2010: reactions to ruling striking down proposition 8 in california
Joe.My.God 05.08.2010: NYC Celebrates Prop 8 Overturn
Towleroad 04.08.2010: It’s in: an analysis of the proposition 8 ruling
Rex Wockner 05.08.2010: Day of Decision | Prop 8 federal case | San Diego | Videos
US-Medien:
LA Times 04.08.2010: Judge strikes down Prop. 8, allows gay marriage in California
NYT 04.08.2010: Court Rejects Same-Sex Marriage Ban in California
NYT Kommentar 04.08.2010: Marriage Is a Constitutional Right
NYT 04.08.2010: In Same-Sex Ruling, an Eye on the Supreme Court
Das Verbot der Homo-Ehe mittels einer Volksabstimmung verstößt gegen die US-Verfassung. Dies urteilte am 4. August der US District Court Northern District of California. Zunächst außer Kraft gesetzt, tritt das Urteil frühestens nach einer weiteren Wartezeit am 18. August 17:00 Uhr in Kraft – Homo-Ehen in Kalifornien sind wieder legal, können aber bis 18.8. weiterhin nicht vollzogen werden.
San Francisco, Mittwoch, 4. August 2010, früher Nachmittag (13:30 PDT / Ortszeit, 22:30 Uhr MESZ in Deutschland): Chief Judge Vaughn R. Walker verkündet (nicht persönlich, sondern via Internet) das Urteil in der Sache „Perry Vs. Schwarzenegger“. Hinter diesem unscheinbaren Namen verbirgt sich ein für us-amerikanische Lesben und Schwule bewegender Streitfall: die Verhandlung über die Frage, ob das Verbot der Homo-Ehe durch Volksabstimmung („Proposition 8“) verfassungsgemäß war oder gegen die US-Verfassung verstieß.
Das nebst Begründung 136 Seiten umfassende Urteil von Judge Walker lautet kurzgefasst: das Verbot der Homo-Ehe durch die Proposition 8 war verfassungswidrig „under both the due-process and equal-protection clauses“. Der Staat, so Walker, habe kein Interesse daran, private Moral- oder religiöse Vorstellungen durch einen säkularen Zweck zu bestätigen oder verstärken.
Proposition 8 behindere die Ausübung des Grundrechts auf Eheschließung und schaffe eine rational nicht begründete Einführung einer neuen Klassifizierung aufgrund der sexuellen Orientierung. Moralisches Missfallen allein sei keine hinreichende Grundlage, Schwulen und Lesben Rechte zu verwehren.
Erste Kommentare in US-Medien bezeichnen die Entscheidung als Wendepunkt und „Meilenstein“.
Der Direktor von „Equality California“ bezeichnete das Urteil als „historisch“. Zu heiraten sei ein Bürgerrecht, kein Privileg für nur einige. Man richte sich darauf ein, das Recht auf die Homo-Ehe nun bis zum Supreme Court zu verteidigen.
Chad Griffin (Foundation for Equal Rights) betonte in einer Stellungnahme: nun habe jeder und jede US-Amerikaner/in das Recht zu heiraten, niemandem werde dieses Bürgerrecht enthalten. Er dankte den beiden Rechtsanwälten sowie den zahlreichen Unterstützern, besonders aber den beiden Paaren, die mit ihre Klage für ihr Recht zu heiraten diese Entscheidung erst ermöglicht hätten. Die Entscheidung stärke die Ehe, weil es jedem Bürger das Recht gebe eine verantwortungsvolle liebevolle Gemeinschaft einzugehen. Viele würden nun voller Freude auf den Straßen feiern – es gelte aber auch an diejenigen zu denken, die auch heute aufgrund von Diskriminierung und Ängsten sich nur im Stillen freuen können.
Arnold Schwarzenegger, Gouverneur Kaliforniens, betonte in einer ersten Stellungnahme, für Hunderttausende Kalifornischer Bürger, die in schwulen oder lesbischen Haushalten leben, bedeute diese Entscheidung den vollen rechtlichen Schutz, den seiner Meinung nach jedermann/frau verdiene. Gleichzeitig gebe die Entscheidung allen Bürgern Kaliforniens die Möglichkeit sich zu erinnern, dass Kalifornien führend auf dem Weg in die Zukunft sei. Die heutige Entscheidung stelle zweifellos Kaliforniens ersten, aber nicht letzten Meilenstein auf Amerikas Weg zu Freiheit und Gleichheit für alle Menschen dar.
Zum Urteil:
„Proposition 8 fails to advance any rational basis in singling out gay men and lesbians for denial of a marriage license. Indeed the evidence shows Proposition 8 does nothing more than enshrine in the California constitution the notion that opposite sex couples are superior to same sex couples.“
Und in der Urteilsbegründung:
„Proposition 8 both unconstitutionally burdens the exercise of the fundamental right to marry and creates an irrational classification on the baisis of sexual orientation.“
„Moral disapproval alone is an improper basis on which to deny rights to gay men & lesbians.“
„Proposition 8 places the force of law behind stigmas against gays and lesbians, including: gays and lesbians do not have intimate relationships similar to heterosexual couples; gays and lesbians are not as good as heterosexuals; and gay and lesbian relationships do not deserve the full recognition of society.“
Das Verbot der Homo-Ehe in Kalifornien ist damit aufgehoben. Ab sofort und bis auf weiteres (erste Kommentatoren sprechen von 2 Tagen) können Kaliforniens Schwule und Lesben heiraten.
Überall in Kalifornien sowie in zahlreichen US-Bundesstaaten werden am Abend nach der Urteils-Verkündung (gleichzeitig 49. Geburtstag von US-Präsident Barak Obama) Demonstrationen stattfinden (Übersicht siehe unten „weitere Informationen“).
Anfang November 2008 stimmten die Bürger Kaliforniens in Form der Proposition 8 zu 52% gegen die Homo-Ehe. Mit ‘Proposition 8′ wurde ein Vorschlag bezeichnet, mit dem das Verbot der Homo-Ehe in die Verfassung des Staates Kalifornien aufgenommen werden sollte.
Vor dem Berufungsgericht wurde über die Verfassungsmäßigkeit der Proposition 8 verhandelt (unter dem Titel ‘Perry v. Schwarzenegger’,benannt nach Kristin Perry, die mit ihrer Partnerin Sandra Stier seit 2004 verheiratet ist). In der mündlichen Verhandlung seit Januar 2010 sollte geklärt werden, ob die US-Verfassung ein Verbot der Homo-Ehe zulässt.
Vertreten wurden die Kläger durch den U.S. Solicitor General [Rechtsverteidiger der Regierung] Theodore Olson und den Anwalt David Boies.
Der 69jährige Olson ist ein prominenter konservativer Anwalt und Partner einer Washingtoner Kanzlei. Er war u.a. im Verfahren um den Wahlausgang in Florida 2000 für US-Präsident George W. Bush tätig. Olson begründete sein Engagement für die Homo-Ehe inzwischen in einem bemerkenswerten Newsweek-Artikel “Warum die gleichgeschlechtliche Ehe ein amerikanischer Wert ist”.
Eines der zentralen Instrumente und Logos der Befürworter der Homo-Ehe (und damit Gegner der Proposition 8 ) war und ist die „NoH8 Campaign“ (No Hate)
In der kurzen Zeit, in der die Homo-Ehe in Kalifornien legal geschlossen werden konnte (zwischen Mai und November 2008), vermählten sich über 18.000 schwule und lesbische Paare.
Noch vor Verkündung des Urteils hatten die Anwälte der Gegner der Homo-Ehe den Richter gebeten, im Fall eines Sieges der Gegenseite nicht ein „erneutes Zeitfenster für gleichgeschlechtliche Ehen zu öffnen“, während die Berufung läuft.
Vor kurzem hatte ein US-Bundesgericht entschieden, mit dem US-weiten Verbot von Homo-Ehen (Defense-of-Marriage-Act, DOMA) habe sich der Gesetzgeber zu sehr in Angelegenheiten der US-Bundesstaaten eingemischt, das Verbot sei verfassungswidrig.
Schon vor der Urteilsverkündung hatten beide Parteien angekündigt, die Klage bis zum Supreme Court, dem obersten Gerichtshof der USA, durchzufechten. Nächste Instanz ist der U.S. Ninth Circuit Court of Appeals, vermutlich schon im Oktober 2010.
weitere Informationen:
Urteils-Text Scan auf Scribd.com
das Urteil wird online veröffentlicht werden auf der Site US District Court Northern District of California Public Announcements
eine Übersicht angekündigter Demonstrationen und Versammlungen bei Rex Wockner NoH8campaign
David Boies: The case against Prop. 8: unconstitutional bias. In: San Francisco Chronicle 01.08.2010 Übersicht online zugänglicher Prozess-Dokumente
Metro Weekly 04.08.2010: Prop 8 Decision Day FAQ
NYMag 04.08.2010: Judge Vaughn Walker Hands Victory to Proposition 8 Opponents
Office of the Governor: Governor Schwarzenegger Issues Statement on Proposition 8 Ruling
Pinknews 04.08.2010: Breaking: Prop 8 ban on gay marriages in California ruled unconstitutional
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Die Nationale Aids-Strategie der USA, die die US-Regierung am 13. Juli 2010 verkündete, ist in Deutschland vergleichsweise wenig wahrgenommen worden. Zu unrecht, denn es gibt einiges Bemerkenswertes an ihr.
Zunächst mag erstaunen, dass erst jetzt, über 25 Jahre nach Beginn der HIV-Epidemie, in den USA erstmals eine nationale Aids-Strategie vorgelegt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach Jahren großer Ignoranz (für die u.a. der Name Ronald Reagan steht) gegenüber dem Thema Aids schon in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend Bemühungen um nationale Koordination der verschiedenen Aktivitäten einsetzten, bis hin zum heutigen ‚Office of National AIDS Policy‘ im Weißen Haus. Die jetzige nationale Aids-Strategie ist insofern späte wenn auch konsequente Fortsetzung dieser Politik der letzten Jahre.
Bemerkenswert ist an der Aids-Strategie der USA, dass sie nicht nur -wie diverse Aids-Aktionspläne- vergleichsweise globale, damit jedoch auch letztlich unverfängliche Ziele setzt. Die Nationale Aids-Strategie der USA vielmehr setzt auch in Zahlen gefasste Ziele und macht diese operationalisierbar – sie benennt auf Basis einer Ist-Darstellung konkrete Zielwerte und Zeithorizonte, und ergänzt sie um eine Implementierungs-Strategie für Bundes-Agenturen. Sie gibt so der Politik der nächsten Jahre konkrete Vorgaben und Parameter der Erfolgs-Kontrolle.
Besonders bemerkenswert ist aber vor allem das Zustandekommen der US-Aids-Strategie:
Die heutige Nationale Aids-Strategie geht auch auf Forderungen zurück, die Community-Organisationen seit seiner Nominierung als Präsidentschaftsbewerber an den späteren US-Präsident Obama gerichtet hatten. Bereits als Kandidat hatte Obama zugesagt, im Fall seiner Wahl zügig an einer nationalen Aids-Strategie zu arbeiten. Die jetzige Strategie ist damit direktes Ziel von Community-Forderungen.
Und sie ist auch in Zusammenarbeit mit den von HIV betroffenen Communities entstanden. Nicht nur wurden -wie auch hierzulande gelegentlich Usus- die entsprechenden Verbände und Fachgesellschaften in die Entwicklung der Strategie mit einbezogen. Sondern darüber hinaus bestand bei 14 für jedermann/frau offenen Veranstaltungen, so genannten “HIV/Aids community discussions”, die Möglichkeit, Einfluss auf die zukünftige Strategie der US-Aids-Politik zu nehmen. HIV-Positive und Aids.Kranke, Mitarbeiter von Aids-Organisationen wie auch Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen waren aufgerufen, ihre Meinungen, Anregungen, Kritik zu äußern und in den Prozess der Formulierung der Strategie mit einzubringen. Das Dokument “community ideas for improving the response to the domestic HIV epidemic – a report on a national dialogue on HIV/AIDS” [siehe Quellenverweise in ‚USA: erstmals nationale HIV/Aids-Strategie‚] zeigt eindrucksvoll, in welchem Umfang und in welcher thematischen Tiefe diese Einbeziehung von Communities gelang – und die zukünftige Aids-Strategie auf diese Weise auch eine größere ‚Erdung‘ hat als reine Experten- und Verbände-Lösungen.
In dieser starken Integration der von HIV betroffenen Communities liegt einer der wesentlichen Fortschritte bei der Entwicklung der neuen Nationalen Aids-Strategie der USA. Das US-Beispiel zeigt, dass es möglich und machbar ist, auch bei der Entwicklung einer umfassenden, nationalen Strategie die betroffenen gesellschaftlichen Gruppen aktiv in die Entwicklung mit einzubeziehen. Ein Schritt zu mehr Transparenz und vor allem Partizipation, der auch hierzulande wünschenswert wäre …
US-Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius hat am 13. Juli eine neue „HIV/Aids-Strategie“ der USA bekannt gegeben – die erste nationale Aids-Strategie überhaupt in den USA.
„Auf nationaler Ebene das Vorgehen gegen HIV stärker koordinieren“, ist das übergeordnete Ziel der neuen Aids-Strategie der USA. Der von der Obama-Administration vorgelegte 60seitige Plan ist die erste bundesweite Aids-Strategie der USA. Vorangegangen waren 15 Monate Vorbereitungszeit, in der eine große Anzahl an Personen und Gruppierungen in insgesamt 14 „HIV/Aids community discussions“ in die Erarbeitung der Strategie mit einbezogen wurden (siehe Quellenverweise unten).
Die Präsentation der Aids-Strategie war online auf dem Internetangebot des Weißen Hauses übertragen worden. Später am Tag war US-Präsident Obama während eines Empfangs zu Ehren der HIV/Aids-Community auf die neue Strategie eingegangen und diskutierte Fragen.
Das Weiße Haus kündigte zudem ein ‚Memorandum des Präsidenten‘ an, mit dem Bundes-Agenturen angewiesen werden, konkrete Schritte zur Umsetzung der Aids-Strategie zu unternehmen. Dieses Memorandum soll am kommenden Dienstag (20.07.2010) veröffentlicht werden.
Im Mittelpunkt der neuen Aids-Strategie stehen die Reduzierung der Anzahl neuer HIV-Infektionen, die Verbesserung des Zugangs zu Medikamenten und Versorgung für HIV-Positive sowie ein Abbau von auf HIV basierenden gesundheitlichen Ungleichheiten.
Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll die Zahl der HIV-Neuinfektionen um 25% reduziert werden, so der ambitionierte Plan. Derzeit infizieren sich Schätzungen zufolge jedes Jahr 56.000 US-Bürger mit HIV.
Zehntausende mit HIV infizierte US-Amerikaner erhalten keinerlei Behandlung. Bis zum Jahr 2015 soll mit der neuen Strategie erreicht werden, dass 85% der HIV-positiven US-Bürger innerhalb von drei Monaten Zugang zu medizinischer Betreuung haben. Derzeit sind dies 65%.
Die Aids-Strategie formuliert weitere Ziele:
– die Zahl der HIV-infizierten US-Bürger, die von ihrer Infektion auch wissen, soll bis 2015 von derzeit 79% auf 90% gesteigert werden;
– mit der neuen Gesundheits-Gesetzgebung soll der Zugang HIV-Infizierter zu Therapie und Behandlung wesentlich verbessert werden;
– Bundesmittel für die Durchführung von HIV-Tests sollen sich zukünftig stärker an der epidemiologischen Situation orientieren;
– innerhalb von fünf Jahren soll die HIV-Transmissionsrate (Maßstab für die Ausbreitungsgeschwindigkeit der HIV-Epidemie) um 30% reduziert werden.
Eines der wesentlichen Probleme wirksamer HIV-.Bekämpfung in den USA sei weiterhin die Stigmatisierung und Diskriminierung HIV-Positiver, betont der Report. Zivilgesellschaftliche Projekte, die sich für Menschen mit HIV einsetzen, sollen vermehrt unterstützt werden, verspricht die Strategie.
Eine Erhöhung der für den Kampf gegen Aids in den USA eingesetzten finanziellen Mittel ist in der neuen Strategie nicht vorgesehen. Insbesondere Schwulengruppen kritisieren, die Mittelausstattung müsse verbessert werden.
weitere Informationen:
Weißes Haus: National HIV/AIDS Strategy (pdf)
Weißes Haus: National HIV/AIDS Strategy Implementation Plan (pdf)
NYT 11.07.2010: Obama to Outline Plan to Cut H.I.V. Infections
Weißes Haus April 2010: „community ideas for improving the response to the domestic HIV epidemic – a report on a national dialogue on HIV/AIDS“ (pdf)
youtube: President Obama on the National HIV/AIDS Strategy
Weißes Haus 13.07.2010: Presidential Memorandum–Implementation of the National HIV/AIDS Strategy
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Über 1,1 Millionen Menschen leben in den USA mit HIV. Die Zahl der Neu-Infektionen mit HIV ist in den vergangenen Jahren vergleichsweise stabil geblieben. Dies geht aus einer neuen Übersicht der CDC hervor.
Schätzungsweise 1.106.400 Menschen lebten 2006 in den USA mit HIV. 2006 ist das letzte Jahr, für das nationale Schätzungen der HIV-Prävalenz vorliegen. Gegenüber der letzten vorigen Schätzung aus dem Jahr 2003 sei dies ein Anstieg um 11%. Dies sei u.a. darauf zurück zu führen, dass Menschen mit HIV länger leben, sowie dass die Zahl der HIV-Neuinfektionen höher sei als die Zahl der Menschen, die an den Folgen von Aids sterben.
Grafik Erläuterungen: blaue Linie = geschätzte Anzahl der insgesamt in den USA mit HIV lebenden Menschen; graue Linie = geschätzte Anzahl der jährlichen HIV-Neuinfektionen
Jüngsten Schätzungen der HIV-Inzidenz zufolge hätten sich in den letzten 10 Jahren jährlich etwa 56.000 Menschen neu mit HIV infiziert, betont das „HIV/AIDS fact sheet“ der US-Gesundheitsbehörde CDC Centers for Disease Control. Der Wert sei seit 1990 vergleichsweise stabil. Neue Schätzungen für die HIV-Inzidenz werden die CDC noch 2010 veröffentlichen.
Nicht in allen US-Bundesstaaten existiert ein einheitliches Berichtssystem über neu diagnostizierte HIV-Infektionen. In den 37 Staaten, die ein langjähriges (seit 2005) vertrauliches namentliches (!) HIV-Meldesystem haben, wurden 2008 41.269 neu diagnostizierte HIV-Infektionen gemeldet.
Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), hätten eine 40fach höhere HIV-Diagnose-Rate als andere Männer, bei einem Bevölkerungsanteil von 2% (so das fact sheet). Etwa die Hälfte aller jährlichen HIV-Neuinfektionen in den USA erfolgten bei MSM; MSM seien die einzige Gruppe mit jährlich steigenden HIV-Neuinfektionen.
Eine jüngst präsentierte Studie war zu dem Ergebnis gekommen, dass in der Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben (in den letzten 5 Jahren), bei 6.921 von 100.000 Männern eine HIV-Infektion diagnostiziert ist (Schätzung).
Seit Beginn der Epidemie sind bis 2007 in den USA über 576.000 Menschen an den Folgen von Aids verstorben.
weitere Informationen:
HIV in the United States: An Overview. CDC HIV/AIDS fact sheet, June 2010 (pdf)
CDC / MMWR 03.10.2008: HIV Prevalence Estimates — United States, 2006
CDC: Diagnoses of HIV infection and AIDS in the United States and Dependent Areas, 2008. HIV Surveillance Report, Volume 20
CDC: abstract: Calculating HIV and Syphilis Rates for Risk Groups: Estimating the National Population Size of Men Who Have Sex with Men. Latebreaker #22896, Presented March 10, 2010, 2010 National STD Prevention Conference; Atlanta, GA
27. Mai 2010: Tesamorelin: Zulassung empfohlen. Das zuständige Beratungs-Gremium „Endocrinologic and Metabolic Drugs Advisory Committee“ der FDA hat am 27. Mai 2010 die Zulassung von Tesamorelin empfohlen. Die Entscheidung der FDA wird innerhalb der nächsten 2 Monate erwartet. POZ berichtet am 27.05.2010: FDA Committee Unanimously Recommends Egrifta for Lipodystrophy
27. Mai 2010: Frauen-Kondom: „Kampf gegen Aids: Washington fördert Frauenkondome“, berichtet SpON.
20. Mai 2010: Usbekistan – Maskerade: Präsident Karimow regiert ein Land, in dem jüngst der Aids-Aktivist Maxim Popov zu 7 Jahren Haft verurteilt wurde – und seine Tochter gibt bei einer Aids-Gala in Cannes die Wohltäterin. Die taz berichtet über „Die Tochter des Despoten“.
Ex-Boygroup bei CSD: „Backstreet Boys to Perform at S.F. Pride“ meldet advocate.
18. Mai 2010: Verhandlung N. B. in Darmstadt – das Amtsgericht Darmstadt teilt mit „In der Strafsache gegen die Sängerin N. B. wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung hat der zuständige Richter des Amtsgerichts Darmstadt mit Beschluss vom 17.05.2010 die von der Staatsanwaltschaft Darmstadt erhobene Anklage vom 04.02.2010 zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Darmstadt eröffnet.“ Als Termine für die Hauptverhandlung wurden bestimmt: 16.08., 19.08., 23.08., 25.08. und 26.08.2010, jeweils um 09.00 Uhr bestimmt.
17. Mai 2010: Wie geht es Nadja Benaissa? ‚No Angels‘ – Sängerin Nadja Benaissa muss aus gesundheitlichen Gründen alle Termine plötzlich absagen, Tour-Auftakt geplatzt, berichten viele Medien (u.a. die Salzburger Nachrichten)
16. Mai 2010: Gedenken an Magnus Hirschfeld: Tetu berichtet über eine Gedenkveranstaltung am Grab von Magnus Hirschfeld in Nizza anlässlich des 75. Todestags von Magnus Hirschfeld
14. Mai 2010: „ultra-schwul und einzigartig“ – Tetu berichtet über das „erste Zentrum für sexuelle Gesundheit“ in Paris
13. Mai 2010: „He HAS manipulated us into invisibility.“ Larry Kramer kritisiert mit deutlichen Worten die Aids-Politik von US-Präsident Obama.
7. Mai 2010: Ärger um den GMHC-Umzug: In New York tobt eine Auseinandersetzung um eine der ältesten und wichtigsten Aids-Organisationen der USA: GMHC Gay Mens Health Crisis, Debatten um Bunkermentalität, Betroffenennähe und Ignoranz. Meinungsstark wie immer äußert sich Larry Kramer zum anstehenden Umzug von GMHC
Seit Jahren gilt er als einer der ‚Kronzeugen‘ der Aids-Leugner, der US-Professor für Molekularbiologie Peter Duesberg. Nun ermittelt seine eigene Universität gegen ihn.
Er gilt seinen Anhängern als eine Ikone – anderen als das Symbol der Aids-Leugner: Peter Duesberg. Seine eigene Universität Berkeley ermittelt nun gegen ihn wegen des Aufstellens falscher Behauptungen.
Peter Duesberg wurde am 2. Dezember 1936 geboren. Er studierte Medizin in Würzburg, Basel und München und promovierte 1963 an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seit 1973 ist Duesberg ordentlicher Professor am Department of Molecular & Cell Biology der University of California, Berkeley.
Duesberg vertritt die These, dass HIV nicht Aids auslöst. Zwar existiere HIV, Ursache von Aids sei aber anderes (von Lebensstil- und Umwelt-Faktoren bis Drogenmissbrauch und Poppers-Benutzung). Antiretrovirale Therapie mit hochwirksamen Aids-Medikamenten hält Duesberg nicht für eine Lösung im Kampf gegen Aids, vielmehr würden einige Medikamente (vor allem Zidovudin) erst Aids auslösen.
Die Thesen Duesbergs wurden seit ihrem Aufkommen angegriffen. Seit langem gelten sie in Fachkreisen als widerlegt und HIV als Ursache von Aids als anerkannt.
Die Universität von Berkeley, Kalifornien hat nun mitgeteilt, sie ermittle gegen Duesberg wegen des Aufstellens falscher Behauptungen sowie des Verschweigens eines Interessenkonflikts eines Kollegen. Frühere Warnungen habe Duesberg ignoriert.
Dem Verhaltens-Codex der Universität zufolge könnte Duesberg bei Feststellen von Fehlverhalten als Strafe ein scharfer Verweis bis zum Verlust seiner Position an der Fakultät drohen.
Duesberg selbst betonte gegenüber der US-Presse, er würde sich in der Sache nicht äußern, solange die Ermittlungen laufen. Die Universität Berkeley selbst äußerte sich nicht zu dem Verfahren, weder mit Bestätigung noch Dementi der Ermittlungen.
weitere Informationen:
Science Insider 16.04.2010: Exclusive: AIDS Scientist Investigated for Misconduct After Complaint
nature news 04.05.2010: AIDS contrarian ignored warnings of scientific misconduct – Peter Duesberg was told publication of paper carried risk of charges
POZ 05.05.2010: AIDS Denialist Ignored Scientific Misconduct Warnings
Robert-Koch-Institut (o.J.) : Stellungnahme zu Hypothesen der sog. Perth-Group zu Isolation und Nachweis von HIV, zum Zusammenhang
zwischen HIV und AIDS und zur Wirkung und Wirksamkeit von Nukleosidanaloga bei der antiretroviralen Therapie
National Institute of Allergies and Infectious Diseases (NIAID/NIH): The Evidence That HIV Causes AIDS
John S. James, AIDS Treatment News: AIDS Treatment Improves Survival: Answering the „AIDS Denialists“
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In den US-Bundesstaaten Alabama und South Carolina werden HIV-infizierte Häftlinge „grausam, inhuman und menschenunwürdig“ behandelt, betonen zwei US-Menschenrechtsorganisationen in einem neuen Bericht.
Alabama und South Carolina verstoßen gegen internationales Recht, indem sie HIV-Zwangstests bei Häftlingen vornehmen und anschließend HIV-positiv getestete Gefangene absondern und isolieren.
In Alabama müssen HIV-positive Insassen einem Bericht der New York Times zufolge weiße Armbänder tragen und sind in besonderen Bereichen untergebracht. In South Carolina trügen HIV-positive männliche Insassen einen blauen Punkt auf ihren Ansteckern und seien im Hochsicherheitsbereich untergebracht. HIV-positive Frauen müssten den Namen des ‚HIV/AIDS Schlafbereichs‘ auf ihrer Häftlingsuniform tragen.
Dies kritisieren die beiden US-Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch (HRW) und Amercan Civil Liberties Union (ACLU) in ihrem am 14.04.2010 vorgelegten Report „“Sentenced to Stigma: Segregation of HIV-Positive Prisoners in Alabama and South Carolina“.
Dem Bericht zufolge werden HIV-positive Gefängnisinsassen gezwungen, Armbänder zu tragen, die sich von denen anderer Gefangene unterscheiden – um auf ihren HIV-Status aufmerksam zu machen. HIV-positiven Gefangenen würde zudem eine adäquate Beteiligung an Beschäftigungsprogrammen im Knast verwehrt, ebenso wie eine Teilnahme an Wiedereingliederungs-Programmen für die Zeit nach der Haft.
Ähnliche Regelungen seien bis vor kurzem auch in einem dritten US-Bundesstaat, in Missouri, angewandt worden. In Missouri sind derzeit 152 HIV-Positive inhaftiert. Noch vor Publikation des Berichts seien aber die stigmatisierenden Praktiken beendet worden.
Human Rights Watch und die American Civil Liberties Union forderten Alabama und South Carolina auf, die stigmatisierende und menschenunwürdige Behandlung HIV-positiver Gefängnisinsassen unverzüglich einzustellen.
Das Departmen of Corrections des Staates South Carolina begründete Presseberichten zufolge seine als stigmatisierend kritisierten Regelungen inzwischen mit dem Schutz vor weiterer Verbreitung von Krankheiten sowie dem Bemühen, Insassen die bestmögliche Gesundheitsversorgung zukommen zu lassen. Man sehe keinen Grund, die Regelung zu ändern:
„In response, the S.C. Department of Corrections defended the practice, saying its intent is to prevent the disease’s spread inside prison walls and to provide the best possible health care for inmates.
Our system provides quality health care and treatment to HIV-positive inmates at the lowest possible cost, and it protects the public, our staff and inmates from the spread of the disease,“ Josh Gelinas, the Corrections Department spokesman, wrote in an e-mailed response to the report. „We can’t think of any reason to change such a successful system.“
Allein in South Carolina sind Angaben des Department of Corrections zufolge 420 Männer und Frauen mit HIV in Haft.
Auch das Alabama Department of Corrections verteidigte inzwischen seine Regelungen in einem Schreiben an die ACLU. HIV-positive Insassen würden nicht diskriminiert. Die Verwendung spezieller Armbänder für HIV-Positive in der Haftanstalt Tutwiler sei inzwischen eingestellt worden. Sofern die Sicherheit es zulasse, dürften auch HIV-positive Insassen der Haftanstalt Tutwiler sich nun frei auf dem Anstaltsgelände bewegen. Der Ausschluss von HIV-Positiven von Arbeitsmassnahmen in der Haftanstalt Limestone diene deren eigener Sicherheit. Die Insassen selbst hätten sich zu 80% gegen einen Einsatz HIV-positiver Mit-Insassen in der Küche ausgesprochen.
weitere Informationen:
NYT 14.04.2010: Groups Protest Segregation of Inmates With H.I.V.
aegis 14.04.2010: Report says HIV inmate segregation in two U.S. states
ACLU: „Sentenced to Stigma: Segregation of HIV-Positive Prisoners in Alabama and South Carolina“ (pdf)
The State 15.04.2010: S.C. defends HIV policy for inmates
Alabama Department of Corrections Brief an die ACLU vom 12.04.2010 (pdf)
Picayune Item 19.03.2010: MDOC to end segregation of HIV inmates
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In den USA übernimmt eine der bedeutendsten Krankenversicherungen, MediCare, zukünftig die Kosten für die Behandlung des Fettverlusts im Gesicht bei HIV-Patienten.
Im Januar hatte sich bereits angekündigt, dass die US-Krankenversicherung für ältere und/oder behinderte Mitbürger MediCare bald die Behandlungskosten bei Lipoatrophie übernehmen würde. Die zuständigen U.S. Centers for Medicare and Medicaid Services CMS betonten nun, die als Gesichts-Füllstoffe verwendeten Produkte hätten sich als hilfreich erwiesen bei HIV-Positiven, die auch an Depressionen leiden. Für diese werden die Behandlungskosten nun übernommen.
MediCare ist als Krankenversicherung für etwa 45 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner zuständig.
Fettverlust im Gesicht (”facial wasting”) ist eine der von vielen HIV-Positiven gefürchteten möglichen Nebenwirkungen von HIV und medikamentöser Behandlung. Er führt dazu, dass Positive wieder als HIV-Infizierte erkannt werden können – er macht HIV wieder sichtbar, mit all den potentiell stigmatisierenden und diskriminierenden Folgen.
Dieser Fettverlust im Gesicht kann medizinisch erfolgreich behandelt werden, durch Füllstoffe. In Europa sehr häufig angewandt werden die Produkte Sculptra® (früher: New Fill) und Radiesse®. Das Problem: die Kosten für die Behandlung werden von gesetzlicher wie auch privater Krankenversicherung in der Regel nicht übernommen (im Gegensatz zu einigen europäischen Nachbarstaaten). Nur im Einzelfall konnten HIV-Positive bisher eine Übernahme der Behandlungskosten für New Fill vor Gericht durchsetzen.
weitere Informationen:
aegis 23.03.2010: Medicare to pay for „fillers“ in HIV patients CMS 23.03.2010: Decision Memo for Dermal injections for the treatment of facial lipodystrophy syndrome
POZ 24.03.2010: Medicare to Cover HIV-Related Facial Wasting Treatment
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Ein Krankenversicherer in den USA hat unter seinen Kunden gezielt mit spezieller Software nach HIV-Infizierten gesucht – um ihnen die Kostendeckungs-Zusage zu widerrufen und die Verträge zu kündigen.
Er hatte gerade mit dem College begonnen, als der 17jährige Jerome Mitchel erfuhr, dass er HIV-positiv ist. Vor Beginn des College hatte er glücklicherweise eine private Krankenversicherung abgeschlossen, glaubte insofern zumindest vor finanziellen Problemen aufgrund von Untersuchungen und Therapie geschützt zu sein. Doch weit gefehlt – sein Versicherer kündigte ihm seine damals schon über ein Jahr bestehende Versicherung.
Nicht ganz zufällig, wie im Verlauf des Prozesses deutlich wurde, den er gegen seinen nun ehemaligen Versicherer anstrengte.
Der Versicherer, damals noch unter den Namen Fortis, soll mit Hilfe eines speziell dafür eingerichteten Programms und Algorithmus‘ gezielt nach jüngst diagnostizierten HIV-Positiven unter seinen Versicherten gesucht haben – im Rahmen einer Untersuchung auf ‚Betrugsverdacht‘, um dann anschließend die Kostendeckungszusage zurück zu ziehen und die Versicherungspolice zu kündigen. Dies geht aus Unterlagen hervor, die bei einem Gerichtsverfahren gegen den Versicherer vor dem South Carolina Supreme Court vorgelegt wurden.
Versicherer würden des öfteren die Akten von Versicherten genauer prüfen, bei denen kürzlich eine schwerwiegende Erkrankung festgestellt wurde. Gezieltes Scannen nach HIV-Positiven, um diese dann zu kündigen – dies als bewusste und absichtliche Geschäftspolitik, das habe es vorher noch nicht gegeben, betonte ein Ermittler Presseberichten zufolge die Besonderheit des Falles. Es sei hier angesichts lebenslanger Therapie bei inzwischen hoher Lebenserwartung klar um den Kostenfaktor gegangen.
Der Versicherer „Assurant Health“ wirbt auf seiner Internetseite mit dem Motto „Feel good about your health insurance choices“. Der Versicherer gehört zur Assurant-Gruppe. Das Unternehmen entstand als selbständiges Unternehmen im Februar 2004, als der belgisch-niederländische Finanzkonzern Fortis seine US-Versicherungsaktivitäten unter dem Namen Assurant an die Börse brachte. Assurant ist über Tochterunternehmen u.a. auch in Deutschland auf dem Markt ist, jedoch nicht mit Krankenversicherungen.
Die Akten, aus denen Assurants fragwürdige Geschäftspolitik hervorging, wurden im Rahmen des Prozesses bekannt, den Jerome Mitchel gegen Assurant Health angestrengt hatte. Er gewann in erster Instanz, der Versicherer kündigte jedoch an in Berufung zu gehen.
Jean Hoefer, Präsidentin des Supreme Court, bezeichnete das Verhalten des Versicherers unter anderem als „verwerflich“. Der Richter des Verfahrens kommentierte, die Gesellschaft habe mit dem Leben der ehemaligen Versicherten gespielt. Das Motiv hierfür sei klar erkennbar: Fortis habe die Maximierung von Profiten über die Rechte und Interessen seiner Kunden gestellt, so der Richter.
Risiken minimieren, HIV-Infektionen vermeiden – auch beim Drogengebrauch? In New York hat sich eine kontroverse um eine safer use – Kampagne entzündet.
Die Stadtverwaltung von New York legte eine Broschüre für Drogengebraucher/innen auf. Ziel sei es, so die Stadt, Menschen die intravenös Drogen konsumieren zu helfen soweit möglich Schäden zu vermeiden.
In der Broschüre informiert die Stadt unter anderem über gesundheitliche Themen im Zusammenhang mit dem intravenösen Gebrauch von Drogen, auch über HIV und Aids. Und darüber, wie durch Techniken des ’safer use‘, des sichereren Drogenkonsums, gesundheitliche Probleme vermindert, u.a. auch das Risiko einer HIV-Übertragung deutlich reduziert werden kann.
Die Stadt New York (bzw. deren Department of Health and Mental Hygiene) ließ im Rahmen einer größeren Kampagne 70.000 Exemplare der 16-seitigen Broschüre „Take Charge, Take Care – 10 Tips for safer use“ drucken, für insgesamt 32.000$. Sie wurde gezielt bei drogengebrauchenden Menschen verteilt.
Die Broschüre wurde einem Bericht von CNN zufolge bereits 2007 erstellt, gerät aber erst jetzt in die Kritik.
Derartige Informationen, um beim Drogengebrauch Risiken zu minimieren, sind im Rahmen von harm reduction international erfolgreich und auch in Deutschland längst akzeptiert. Die Neu-Infektionszahlen mit HIV bei Drogengebraucher/innen wären vermutlich wesentlich höher, gäbe es nicht Kampagnen zu safer use, Spritzentausch und Gesundheitsförderung.
Doch nicht so in den USA. Was selbst UNAIDS empfiehlt, muss nicht in den USA akzeptiert werden, wie die Stadt New York nun merkt: Vertreter der staatlichen Drogenbehörde DEA argumentieren in Medien gegen die Broschüre. Sie hielte niemanden davon ab, Drogen zu konsumieren – die Broschüre sei im Gegenteil eine Art „Gebrauchsanweisung für Drogenkonsum“, so der höchste New Yorker DEA-Vertreter. Die Boulevard-Presse springt bereitwillig auf, mit ‚Argumenten‘ wie ‚Verschwendung von Steuergeldern‘ oder ‚Erziehung zum Heroinspritzen‘, agitiert mit Schlagzeile wie ‚Heroin für Dummies‘.
New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg verteidigte die Broschüre; die Gesundheitsverwaltung müsse ein Interesse daran haben, dass bestimmte Dinge die eh stattfinden so gesundheitsverträglich wie möglich erfolgten. Es gebe keinen sicheren Weg, Heroin zu konsumieren, aber es gebe weniger gefährliche Wege bestimmte Dinge zu tun.
Nachtrag: die Broschüre der Stadt New York, einst online als pdf unter der Adresse http://www.nyc.gov/html/doh/downloads/pdf/basas/drug_use_take_care.pdf, ist inzwischen nicht mehr online verfügbar.
32.000 Dollar – wenn diese pragmatische Kampagne geeignet ist, Leben zu retten, Gesundheit zu verbessern, ist dieser Preis geradezu ein Schnäppchen.
Doch – nicht für dogmatische Ideologen.
Das erfolgreiche Konzept harm reduction, zu dem auch safer use – Kampagnen gehören, wird immer noch bekämpft – nicht nur in Russland, auch in den USA. Die Vertreter einer Abstinenz-Politik erheben immer wieder ihre Stimme – einer Abstinenz-Politik auf dem Rücken der Menschen. Einer Abstinenz-Politik, die mit ihrem Dogmatismus Risiko läuft, zusätzliche HIV-Infektionen und gesundheitliche Schäden zu riskieren – allein um der ‚reinen Lehre‘ willen.
weitere Informationen:
Stadtverwaltung New York: drug use – take care (pdf)
New York Post 03.01.2010: Heroin for dummies
CNN 04.01.2010: NYC heroin pamphlet — is it a help or a how-to guide?
Boing Boing 04.01.2010: Guide to shooting smack published by City of New York
POZ 06.01.2010: Safe Injection Pamphlet for New York City Drug Users Raises Controversy
harm reduction coalition: getting off right – a safety manual for injecting drug users (pdf)
Deutsche Aids-Hilfe: Safer Use (Direkt-Link zur online-Bestellung)
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Ab Montag, 11. Januar 2010 wird die Verfassungs-Klage gegen das Verbot der Homo-Ehe durch die Proposition 8 verhandelt – erstmals wird die Verhandlung auch im Internet per Video verfolgt werden können.
Anfang November 2008 stimmten die Bürger Kaliforniens in Form der Proposition 8 zu 52% gegen die Homo-Ehe. Mit ‘Proposition 8′ wurde ein Vorschlag bezeichnet, mit dem das Verbot der Homo-Ehe in die Verfassung des Staates Kalifornien aufgenommen werden sollte.
Direkt nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofs von Kalifornien kündigten Anwälte an, nun vor dem höchsten Verfassungsgericht der USA gegen Proposition 8 zu klagen.
Ab kommenden Montag, 11. Januar 2010 8:30 Ortszeit (17:30 MEZ) wird nun zunächst vor dem Berufungsgericht in Los Angeles (9th Circuit Court of Appeals) über die Verfassungsmäßigkeit der Proposition 8 verhandelt. In der Verhandlung soll geklärt werden, ob die US-Verfassung ein Verbot der Homo-Ehe zulässt.
Die Klage unter dem Titel ‚Perry v. Schwarzenegger‘ (benannt nach Kristin Perry, die mit ihrer Partnerin Sandra Stier seit 2004 verheiratet ist) wird gemeinsam von zwei bedeutenden Anwälten und ihren Kanzleien vertreten, U.S. Solicitor General [Rechtsverteidiger der Regierung] Theodore Olson und Anwalt David Boies. Der 69jährige Olson ist ein prominenter konservativer Anwalt und Partner einer Washingtoner Kanzlei. Er war u.a. im Verfahren um den Wahlausgang in Florida 2000 für US-Präsident George W. Bush tätig. Olson begründete sein Engagement für die Homo-Ehe inzwischen in einem bemerkenswerten Newsweek-Artikel „Warum die gleichgeschlechtliche Ehe ein amerikanischer Wert ist“.
Boies war im gleichen Verfahren Vertreter Al Gores und u.a. Chefankläger im Verfahren der US-Regierung gegen den Software-Konzern Microsoft. Weiterer Kläger ist die Stadt San Francisco.
Organisiert und finanziert wird die Klage von einer Gruppe liberaler Hollywood-Aktiver um den Regisseur (‚Stand by me‘) und Schauspieler (‚Bullets over Broadway‘) Rob Reiner , Dustin Lance Back (Oscar für Drehbuch ‚Milk‘) und Bruce Cohen (Produzent ‚Milk‘), über die von Chad Griffin gegründete American Foundation for Equal Rights AFER.
Als Verteidiger treten u.a. die Befürworter und Initiatoren der ‚Proposition 8‘ auf (darunter der Alliance Defense Fund), vor Gericht vertreten durch den Anwalt Charles Cooper. Er arbeitete zur Zeit von US-Präsident Ronald Reagan für das Justizministerium und wurde später Olsons Nachfolger als Staatsanwalt.
Einer der fünf Verteidiger, Hak-Shing William Tam, zog sich inzwischen vom Verfahren zurück. Seine Begründung, er fürchte um die Sicherheit seiner Familie und Angehörigen, halten Kritiker für unglaubwürdig und sehen seinen eigentlichen Beweggrund darin, Äußerungen über seine persönlichen Ansichten nicht an die Öffentlichkeit bringen zu wollen.
Eigentlicher Verteidiger ist der Staat. Gouverneur Arnold Schwarzenegger wie auch Generalstaatsanwalt Jerry Brown allerdings weigerten sich, das vom Wähler ausgesprochene Verbot der Homo-Ehe zu verteidigen. Brown hatte erklärt, er teile die Position von Olson/Boies, dass Proposition 8 die US-Verfassung verletze.
Zum Richter in dem Verfahren wurde per Losverfahren bestimmt U.S. District Court Chief Judge Vaughn Walker. Walker ist Republikaner und wurde 1989 durch US-Präsident George H.W. Bush (Vater) benannt. Er gilt allerdings als unabhängiger Kopf.
Der Richter entschied bereits vorab, die Verhandlung, deren gesamt-Dauer auf ca. 2 Wochen geschätzt wird, auf Video aufnehmen und auch über das Internet verbreiten zu lassen. Ein Live-Audio- und Video-Feed sollte in öffentlichen Gerichtsgebäuden in Kalifornien, Oregon, Washington und New York für public viewings zur Verfügung stehen.
Der Fall habe ein sehr breites Interesse gefunden und sei von dermaßen weitreichender Bedeutung, dass eine große Öffentlichkeit gewährleistet werden solle. Der Richter erklärte zudem, dass die Verhandlung auch abends jeweils auf YouTube zu verfolgen sein solle. Zudem kündigte das US-Schwulenmagazin The Advocate an, live via Twitter über die Verhandlung zu berichten (Twitter Advocate). Bisher laufen allerdings noch Bemühungen der Verteidiger der Proposition 8, die Video-Aufzeichnung und Ausstrahlung der Verhandlung untersagen zu lassen.
Aktualisierung11.01.2010 18:00 Uhr: der Supreme Court hat bis auf weiteres die Ausstrahlung der Videos vorläufig blockiert. Die Richter benötigten mehr Bedenkzeit für die Entscheidung über eine öffentliche Ausstrahlung. Die Ausstrahlung ist zumindest bis Mittwoch verhindert. Aktualisierung 14.01.2010: das Gericht untersagte am 13. Januar mit 5 zu 4 Stimmen die Aufzeichnung des Verfahrens mithilfe von Video-Kameras sowie dessen Ausstrahlung in andere Gerichtssäle. Aktualisierung 15.01.2010: der Richter konkretisierte am 14.01., dass die Verhandlungen auf Video aufgezeichnet werden, die Bänder jedoch nicht ausgestrahlt werden. Die Verteidigung zeigte sich damit zufrieden.
Der Entscheidung des Gerichts kommt grundsätzliche Bedeutung zu – sie wird bereits vorab als Meilenstein bezeichnet. Die Wähler in den USA haben 2009 in verschiedenen Bundesstaaten für ein verfassungsmäßiges Verbot der Homo-Ehe und weitere homosexuellenfeindliche Maßnahmen gestimmt. Schon aus diesem Grund wird erwartet, dass das Verfahren nach dem Urteil des Berufungsgerichts, egal wie es lauten wird, weiter bis zum U.S. Supreme Court getragen wird.
Und hierin liegt die grundsätzliche Bedeutung und das Risiko:
Eine Niederlage im Gerichtsstreit würde eine schwerwiegende langfristige Niederlage in den Bemühungen um eine Gleichstellung der Homo-Ehe bedeuten. Das Land sei in dieser Frage zu sehr gespalten, bemerken Skeptiker, und verweisen auf jüngste Homoehe-feindliche Abstimmungen u.a. in Maine, New York (state) und New Jersey. Genau die Befürchtungen um die Folgen einer möglichen Niederlage ließ bereits im Vorfeld einige Schwulen- und Lesbengruppen vor dem Vorgehen der Anwälte warnen.
Andererseits – sollte die Verfassungsklage Erfolg haben, und der Supreme Court die Homo-Ehe als verfassungsgemäß erlauben, dürfte dies weit über Kalifornien hinaus reichen, US-weit gelten. Zudem dürften, wenn das Gericht hinsichtlich der Ehe Homo- und Heterosexuelle gleich behandelt, sämtliche anderen Diskriminierungen schwerlich begründbar sein.
Parallel zur Verfassungsklage laufen Bemühungen dreier Homo-Ehe-freundlicher Gruppen (Restore Equality 2010, Courage Campaign, Equality California), Proposition 8 in Kalifornien 2010 oder 2012 erneut dem Wähler zur Abstimmung vorzulegen.
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aktuell: zunächst bis Mittwoch 13.01.2010 keine Video-Berichterstattung, siehe Artikel oben!
Video-Kanal des United States District Court for the Northern District of California auf YouTube (Link)
Live-Berichterstattung über die Verhandlung auf Advocate und towleroad aktuelle Informationen zur Verhandlung u.a. auf http://prop8trialtracker.com/
4. Januar 2010: Das Einreiseverbot für Menschen mit HIV in die USA ist nach über 22 Jahren endlich Geschichte.
Ab 4. Januar 2010 können Menschen mit HIV wieder in die USA einreisen – legal, ohne gegen ein Einreiseverbot zu verstoßen. Die von US-Präsident Obama seit längerem angekündigte Abschaffung tritt mit Wirkung zum 4. Januar 2010 in Kraft.
Dezember 1987: auf Betreiben des 2008 verstorbenen früheren US-Senators Jesse Helms (Republikaner) wird in den USA ein Einreiseverbot für HIV-Infizierte eingeführt (Amendment vom 31. Mai 1987). 1993 wird diese Regelung vom US-Kongress sogar in Gesetzesrang erhoben.
Nach US-Präsident Obamas Ankündigung einer endgültigen Aufhebung des US-Einreiseverbots für HIV-Positive fordert der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon alle anderen Staaten mit HIV-Reisebeschränkungen auf, dem US-Beispiel zu folgen.
Die USA konnten in Reaktion auf die Aufhebung des HIV-Einreiseverbots als Erfolg verbuchen, dass die Welt-Aids-Konferenz 2012 in Washington stattfinden wird – und damit erstmals seit 1990 wieder in den USA.
Ab 4. Januar 2010 können Menschen mit HIV mit der Neuregelung in die USA einreisen ohne Restriktionen. Wenn sie mit Medikamenten einreisen, erfordern US-Zollbestimmungen allerdings die Vorlage eines ärztlichen Attests in englischer Sprache, dass die mitgeführten Medikamente persönlich zur Behandlung einer medizinischen Komplikation benötigt werden.
Da aufgegebenes Gepäck verzögert ausgeliefert werden oder verloren gehen könnte, empfiehlt sich die Mitnahme der Medikamente im Handgepäck.
Nahezu zeitgleich schuf auch Südkorea mit Wirkung zum 1. Januar 2010 Einreisebeschränkungen für Menschen mit HIV ab.
(Foto Flagge auf Startseite: Mrmariokartguy / Lizenz BY-SA 3.0)
weitere Informationen:
aidsmap 04.01.2010 US HIV travel ban has now ended
pinknews 04.01.2010: US HIV travel ban lifted today
AP 04.01.2010: UN praises US and SKorea for lifting HIV travel ban, urges 57 countries to follow quickly
iwwit-News 07.01.2010: Erstes HIV-positives Paar landet offiziell in den USA
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Es ist ein lange überfälliger Sieg für sinnvolle Präventions-Maßnahmen in den USA: nach dem Repräsentantenhaus stimmte nun auch der US-Senat der Aufhebung des Verbots von Nadeltausch-Programmen für iv-Drogengebraucher zu.
Sauberes Spritzenbesteck verfügbar zu machen für iv-Drogengebraucher, um so Übertragungen von HIV und anderen Krankheiten zu vermeiden, ist eine sichere und vielfach erfolgreich erprobte Präventionsstrategie (harm reduction).
Eine erstaunliche Allianz, eine Allianz aus ideologischen Gründen. Russland argumentiert,dies sei unrussisch, und beharrt auf einer Abstinenz-Politik. Mit der Folge steigender HIV-Infektionszahlen bei iv-Drogengebrauchern.
Auch die US-Politik setzte lange ausschließlich auf Abstinenz. Der frühere US-Präsident Bill Clinton äußerte mehrfach, einer sei er größten Fehler in seiner Präsidentschaft sei gewesen, das Verbot von Nadeltausch-Programmen nicht aufzuheben. Sein nachfolger George W. Bush hingegen war eher ein Vertreter der Ausweitung des Abstinenz-Gedankens auch in der Aids-Politik.
Nun endlich wird Realität, was Clinton nicht anging: die Aufhebung des US-Verbots von Nadeltausch-Programmen. Der US-Senat stimmte Mitte Dezember einem Gesetz zu, mit dem 2010 das Nadeltausch-Verbot aufgehoben werden wird. Das Repräsentantenhaus hatte bereits vorher zugestimmt.
preventionjustice 14.12.2009: Long Overdue, Ban on Syringe Exchange Funding to be Lifted
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Die Welt-AIDS-Konferenz 2012 wird in Washington stattfinden. Dies teilte die International Aids Society mit. Erstmals seit 1990 findet damit die größte Aids-Konferenz der Welt wieder in den USA statt.
Die XIX International AIDS Conference wird vom 22. bis 27. Juli 2012 in Washington stattfinden. Dies teilte die International AIDS Society am 30.11.2009 IAS im Weißen Haus mit.
Die letzte International Aids Conference, die in den USA stattfand, wurde 1990 in San Francisco abgehalten. Danach fanden diese weltgrößten Aids-Konferenzen nicht mehr in den USA statt, da die IAS als Veranstalter das HIV-Einreiseverbot der USA als zu großes Hindernis für eine erfolgreiche Konferenz sah und die USA als Gastgeber-Land boykottierte.
„The return of the conference to the United States is the result of years of dedicated advocacy to end a misguided policy based on fear, rather than science, and represents a significant victory for public health and human rights,” teilte der Präsident der IAS, Dr. Elly Katabira, mit. Katabira ist Professor für Medizin an der Makerere University in Uganda.
Bereits Mitte 2009 waren Spekulationen bekannt geworden, die Konferenz könnte 2012 in Washington stattfinden.
Die USA fahren nun einen kleinen Teil der „politischen Ernte“ ein für die Abschaffung des HIV-Einreiseverbots. Ein Erfolg auch der Bemühungen der IAS, die sich jahrelang für die Abschaffung engagiert hat.
Bleibt zu hoffen, dass die IAS auch bezüglich anderer Staaten ähnlich engagiert auftritt. Ihr derzeitiger Präsident kommt aus Uganda, ist dort Professor für Medizin – und einer der Mit-Gründer von TASO, The AIDS Support Organisation. In Uganda wird gerade ein Gesetzesentwurf im Parlament diskutiert, der HIV-Positive und Homosexuelle mit der Todesstrafe bedroht.