Sei wütend!

„hiv-positive schweigen zum thema hiv aus angst, dabei sozial gebrandmarkt zu werden … wir müssen versuchen, die ideologie zu verstehen, die uns scham fühlen, schweigen und uns zu gegenständen der bewertung werden lässt. wir müssen erkennen, dass es durchaus möglich ist, diese ideologie zu verändern…“ – mit starken Worten fordert ein Manifest HIV-Positive auf, aktiv zu werden, sich zu organisieren.

Knut, der Autor dieses Manifests (er bloggt unter ‚trauer und wut‚), bat mich, seinen Text auf ondamaris zur Diskussion zu stellen – also: rege Diskussion und intensive Kommentare erwünscht!

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Manifest zu HIV

„in 1969 queers fought back. in 2011, queers [with hiv] say ok“.
hiv-positive schweigen zum thema hiv aus angst, dabei sozial gebrandmarkt zu werden. sie organisieren sich in bareback-communitys, die eine politische auseinandersetzung mit hiv nicht wollen. außerdem schließen sich sich in selbsthilfegruppen ein, um zumindest dort trost zu finden und ihre außenseiterrolle für kurze zeit aufzuheben. keinen positiven scheint der status quo zu stören. lieber werden die eigenen gefühle verschwiegen, anstatt diese gegen das schlechte bild von hiv zu verwenden, denn dieses nimmt ihnen die würde. es wird zeit, das zu ändern!

eine gesetzgebung, die die alleinige verantwortung von den positiven fordert und die es hiv-negativen personen erlaubt, opfer zu sein, muss abgeschafft werden!
jeder hat für sich selbst sorge zu tragen. beim sex treten sich zwei mündige personen gegenüber, bei denen gleichberechtigung herrschen sollte und nicht eine juristische betrachtung der letztverantwortung auf den hiv-positiven.

der staat und seine hiv-prävention sollten dem einzelnen nicht vorschreiben, wie er sex haben sollte!
jeder mensch ist für sich selbst verantwortlich und jeder muss selbstbestimmt sorge für sich tragen. die hiv-prävention darf uns nicht vorschreiben, welche gesundheit erstrebenswert ist. wir müssen das recht zurückgewinnen, frei über unseren körper zu entscheiden. wir lehnen eine sichtweise ab, die uns für „dummi“ oder pathologisch erklärt. vielmehr fordern wir den respekt, den eine eigenständige wahl verdient.

jemand, der durch eine bluttransfusion hiv bekommt, sagt man, sei unschuldig.
eine heterosexuelle frau, die ohne kondom sex hat und sich hiv zuzieht, sagt man, sei bemitleidenswert und unschuldig.
ein schwuler mann, der einmal ohne kondom fickt und sich mit hiv infiziert, sei mehr schuldig.
ein schwuler mann, der wissentlich immer wieder sexuelle risiken eingeht und hiv einfängt, sei am schuldigsten.
wieso sind nicht alle gleich betroffen? wieso ist hiv eine frage der schuld?

hiv-positive haben nicht die größten probleme beim zahnarzt oder am arbeitsplatz, sondern in der sexuellen ablehnung und deren folgen!
wir müssen mit der angst leben, verstoßen zu werden, wenn wir beim sex oder in einer angehenden beziehung unseren hiv-status offenlegen. oft sind wir dabei dem unverständnis oder dem ekel anderer ausgesetzt. trotz der möglichkeit eines kondoms werden hiv-positive von personen, die sich immer schützen, abgelehnt, weil diese angst haben und wohl dann an die zweckmäßigkeit der verhütung nicht mehr glauben. dies führt dazu, dass viele hiv-positive sexuelle kontakte scheuen. gefahren dabei sind isolation und psychische erkrankungen. der verweis auf andere hiv-positive, der durch die angst vor ablehung von seiten hiv-negativer entsteht, kann negative folgen haben: die nicht auf probe gestellte angst verstärkt das innere stigma und innerhalb der vernetzung hiv-positiver besteht eine erhöhte gefahr für hepatitis c (gesetzt bestimmte sexuelle praktiken) und andere sexuell übertragbare krankheiten.

sei wütend! wenn dir das nicht kraft gibt, probier’s mit panik. schrei! probier’s mit irgendwas, was dich aus der trauer und passivität reißt, die aus der überzeugung rührt, keine macht darüber zu haben, was passiert!
auch wenn ablehnung immer verlust und trauer gleichkommt, sind eine traurige wut oder wütende trauer besser als eine erdrückende passivität.

wir müssen versuchen, die ideologie zu verstehen, die uns scham fühlen, schweigen und uns zu gegenständen der bewertung werden lässt. wir müssen erkennen, dass es durchaus möglich ist, diese ideologie zu verändern, wenn wir anfangen uns auszusprechen, uns zu organisieren um letztendlich die macht über die politik und die bilder von hiv zu gewinnen!

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HIV-positive manifesto

„in 1969 queers fought back. in 2011, queers [with hiv] say ok“.
there is a general fear among queers with hiv of speaking out. the ever present fear of social stigmatisation looms quietly in the background and prevents any form of of politicisation. left only to congregate in bareback communities or self pitying discussion groups, the queer with hiv has taken on a passive anti-identity at best to finding a shoulder to cry on or an escape from their role as a social leper. oddly enough we seem to be completely complacent with this incapacitating status quo. instead of productively channeling our feelings against such a negative image we would rather keep our feelings to ourselves. it’s time to change that!

we demand the abolition of a law which, in essence, holds anyone with hiv holely responsible and allows hiv-negative persons to be victims!
everyone should be responsible for themselves. sex is always something between two consenting adults as equals. It should not seek final responsibility in the person with hiv by holding him liable in any case of an infection.

the state and its programme of hiv-prevention should not dictate how one should or should not have sex!
every person is responsible for himself and must take care of himself. hiv-prevention should not dictate a certain desirable state of health. let us regain the right to determine our bodies ourselves. we refute being perceived as „dummies“ or being deemed pathological. we demand the respect any autonomous choice deserves.

if somebody contracts hiv through a blood transfusion it is not considered his fault.
a heterosexual woman having unprotected sex is deemed a victim and is generally pitied.
a gay man fucking without a condom once is considered considerably more to blame.
a gay man continuously having unprotected sex and contracting hiv is deemed the most blameworthy.
why isn’t everybody effected in the same way? why is hiv a question of blame for one’s infection?

people with hiv do not encounter their biggest problems at the dentist or at work but in sexual rejection and its consequences!
we must live in fear of being rejected every time we chose to disclose our hiv status before sex or during a relationship. We are often subject to the disgust and judgment of others. The belief in prophylactics is in fact often shattered when confronted with the mere possibility of sexual intercourse with someone positive who is therefore categorically rejected. this leads to many hiv-positive people avoiding sex altogether resulting in isolation and psychological illnesses. restricting themselves to other hiv-positive-people out of fear of being rejected by hiv-negative-people entails a number of negative consequences: not putting these fears to the test reinforces the inner stigma of being bound to an hiv-positive-community in which there is also a hightened risk, given certain sexual practices, for hepatitis c and other stds.

feel some rage! if that doesn’t empower you, try panicking! scream! try anything to tear you out of your dolefulness and passivity. they both stem from a heightened sense of powerlessness!
even if rejection always leads to loss and dolefulness, a melancholic anger or even an angry dolefulness are better than a stifling passivity.

we must learn to understand the ideology teaching us to feel shame, remain silent and accepting moral judgment at all time. we must realise the mutable nature of this ideology and begin to verbalise our anguish and organise ourselves in order to regain control over politics and the images of hiv!

PrEP: Aids und die Rolle der Pharma-Industrie – ein Traum wird wahr …

PrEP: Aids und die Rolle der Pharma-Industrie – ein Traum wird wahr …

Aids-Organisationen und Aids-Medikamente herstellende Pharma-Industrie arbeiten oftmals eng zusammen. Zu eng? Einige Aids-Organisationen bemühen sich, kritische Punkte (wie das potentielle Risiko von Einflussnahmen auf Inhalte und Positionen) zu umgehen, zu thematisieren oder mit ihnen gezielt umzugehen, z.B. indem sie entsprechende Richtlinien erarbeiten. Andere haben keinerlei Regelungen. Manchmal scheint selbst das entsprechende Problembewußtsein gering ausgeprägt zu sein.

Doch selbst wenn Richtlinien zum Verhältnis von Aids-Organisationen und Pharma-Industrie vorhanden sind: diese lösen das strukturelle Problem nicht: Aids-Organisationen (die i.d.R. auch in der HIV-Prävention engagiert sind) und Aids-Medikamenten-Hersteller (die eher an der Behandlung derer verdienen, die sich infiziert haben) stehen auf „getrennten Seiten des Tisches“, haben im Kern völlig unterschiedliche, wenn nicht konträre Interessen.

Der langjährige Aids-Aktivist Mike Barr (u.a. lange Herausgeber von ‚TAGline‘ und ‚POZ‘-Autor) wies 2009 in einem Interview mit dem Schwulen-Magazin ‚Frontiers LA‘ (online auf critpath) auf diesen Interessenkonflikt hin, der dem Verhältnis von Aids-Organisationen und Pharmaindustrie innewohnt:

„Successful prevention efforts are seen as ‘threats’ to earnings, and the leitmotif sprinkled over and over again throughout their strategic plans is ‘guarding against sales erosion.’ These are the same folks who fund and fly and feed just about every high-profile AIDS research, every AIDS clinician, every AIDS educator, every AIDS activist, every AIDS foundation in this country. If that doesn’t make the hair stand up on the back of your neck …“

Erfolgreiche HIV-Prävention bedroht potentiell den Umsatz und damit den Gewinn der Hersteller von Aids-Medikamenten. Ein nahezu nie offen ausgesprochener, zudem selten thematisierter Konflikt zwischen Pharmaindustrie und Prävention.

Doch diesen strukturellen Konflikt scheint die Pharmaindustrie bald ‚elegant umschifft‘ zu haben: indem sie danach trachtet, auch die Prävention zu übernehmen – mit ihren Medikamenten.

„treatment as prevention“ und PrEP (Prä-Expositions-Prophylaxe): Aids-Medikamente werden eingesetzt bei ‚Gesunden‘, sprich  Nicht-HIV-Infizierten.

Ein Traum vieler Pharma-Marketing-Manager wird wahr. Schließlich ist das Potential der Gesunden viel größer als das der Kranken – und damit auch der potentielle Umsatz …

Und der strukturelle Konflikt zwischen Präventions-Organisationen und Arzneimittel-Herstellern wäre auch gelöst – zugunsten der Pharma-Industrie …

… es sei denn, die Geschichte von der Pharma-Industrie und den Pillen der Prävention nimmt noch eine andere Wendung …

„Möge das Goldene Zeitalter wiederkehren!“

„Muss HIV eigentlich immer noch für Horror-Gemälde herhalten? Die doch nur der Unterdrückung von schwulem Sex, schwuler Lust dienen?“ Ich spreche mit einer Kneipen-Bekanntschaft, nach kurzer Zeit landen wir bei Aids und schwulem Sex-Leben, welche Einschränkungen HIV schwulem Sex heute auferlegt. Er findet ‚eigentlich keine mehr‘. So schlimm sei das mit HIV ja nicht mehr. Immer wieder höre ich diese Äußerungen – und habe sie im folgenden in einer fiktiven Meinungs-Äußerung verdichtet, um sie zur Diskussion zu stellen:

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Möge das Goldene Zeitalter zurückkehren !

Ich höre von Schwulen, die noch vor Aids ihr Coming-Out hatten. Die von ihrem damaligen Sex-Leben berichten. Vom großer Freiheit, von Experimentieren und sich Ausprobieren, von Lust, von ‚alles geht‘. Denn – das höre ich dann oft als ‚Hintergrund-Musik‘ – das Schlimmste was passieren konnte waren ja Tripper und Syphilis. Und dagegen gab es ja Penicillin.

Dann kam Aids.
Und der Horror.

Euer Horror.
Aber auch unserer?

Der Schrecken hieß HIV, hieß Aids, hieß gnadenloses Krepieren.

Hieß.

Heißt so heute nicht mehr.

Heute gibt es gut wirksame Pillen.

Haben dann wir jungen Schwulen von heute nicht jedes erdenkliche Recht, auch wieder zu sagen „Ich will Spaß!“ ? Recht, unser Sex-Leben zu genießen, unbefangen, lustvoll, – hemmungslos? Und frei von Angst?

Das schlimmste, was uns heute passieren knn, ist HIV. Und dagegen gibt es Pillen.

Also: lasst uns in Ruhe mit der Lust-killenden Aids-Kacke von gestern.
Euer Penicillin von gestern sind uns die wirksamen HIV-Pillen von heute.

Wir wollen Lust, wollen Spaß.
Nicht mehr – und nicht weniger.

30 Jahre Aids … und „war da was?“

30 Jahre Aids wurden in den vergangenen Tagen und Wochen ‚zelebriert‘. Viel wurde geschrieben, erinnert, in Interviews, Geschichten und Berichten zurück geblickt.
Und doch – es war ein eigentümliches ‚Gedenken‘, zwar zurückblickend aber seltsam ahistorisch.

Viele der ’30 Jahre‘-Rückblicke, so scheint mir, sind gefühlt, gesehen, geschrieben aus der Sicht von heute, aus der Sicht einer HIV-Infektion, die oft als ‚auf dem Weg in die Normalität‘ dargestellt wird (so sehr ich anzweifle, dass dies zutreffend ist, siehe meine Rede in der Frankfurter Paulskirche 2010).

Doch das Aids der zweiten Hälfte der 1980er Jahre und der beginnenden 1990er Jahre hat mit diesem ’normalisierten HIV‘ nicht viel gemeinsam – und kann nicht aus dessen Blickwinkel betrachtet, mit dessen Maßstab gemessen werden.

Jenes Aids hieß: innerhalb weniger Jahre starben ganze Freundeskreise. Starben wahre Heerscharen junger Menschen. Nicht zufällig wecken diese ’schlechten Jahre‘ bei vielen derer, die sie überlebten, immer noch die Assoziation „beinahe wie in einem Krieg„.

In den USA wurden diese Jahre damals oft als ‚the gay holocaust‘ bezeichnet. So fehl am Platz diese Bezeichnung mir heute scheint (und auch damals schon schien, gerade angesichts der Einzigartigkeit des organisierten Mordes an den Juden Europas) – diese Bezeichnung lässt erahnen, wie ein Teil der Schwulen damals diese Zeit erlebte: als ein Massensterben eines großen Teiles derjenigen Menschen, die schwules Leben damals mit aufgebaut haben und mit ihrem Handeln und Denken prägten. Schwule Künstler, Musiker, Regisseure, Aktivisten der politischen Schwulenbewegungen, Gründer von Lederclubs, Philosophen, Vordenker, Weg-Suchende und Weg-Weisende – sie alle wurden innerhalb kürzester Zeit dahin gerafft. Starben. Weit vor ihrer Zeit, weit bevor sie ihre Ideen und Projekte zu Reife und Blüte bringen konnten. Es starb ein bedeutender Teil einer ganzen Generation junger schwuler Männer.

Jenes Aids wird oft als ‚altes Aids‘ bezeichnet – ganz so, als wären wir dieses „alte“ sehr gerne los, ließen es in der Versenkung verschwinden. Lange her, Vergangenheit, abgeschlossen und weit entfernt von unserer Realität von heute.

Doch jene Jahre, ihr Leben, ihr massenhaftes vorzeitiges Sterben haben unsere Gesellschaften, unser heutiges Leben – und ganz besonders das schwuler Menschen – verändert, auf drastische Weise beeinflusst. Auswirkungen, derer wir uns heute kaum noch bewusst sind. Geschweige denn dass wir sie verstanden, reflektiert, verarbeitet hätten. Oder uns gar fragten, ob wir einige der verloren gegangenen Ideen wiederfinden, die ein oder andere der nicht zu ende entwickelten Ideen weiter denken, manches vorzeitig und unfreiwillig abgebrochene, zerstörte Experiment weiterführen sollten – könnten – wollen.

All diese abgebrochenen Experimente, vorzeitig aus der Welt gefallenen Ideen, nicht zu ende geführten Projekte – sie sind nur äußerst selten thematisiert, erinnert, kritisch reflektiert – auch darauf hin, ob sie uns für heute etwas sagen könnten, auch wenn ihre Initiatoren, Propagandisten, geistigen Väter in eben jenen „schlechten Jahren“ des ‚alten Aids‘ vorzeitig aus ihrem Leben gerissen wurden.

Nur selten werden sie (Ideen und Projekte, wie auch ihre Protagonisten) wieder ins Bewusstsein gehoben, zutage gefördert und hinterfragt (wie in dem m.E. großartigen NGBK-Projekt der AG „Unterbrochene Karrieren“ (u.a. Frank Wagner, Thomas Michalak), 2003 mit dem Medienpreis der Deutschen Aids-Stiftung ausgezeichnet). Nur selten werden sie dem -ungeplanten, ungewollten, von Aids bedingten- Vergessen entrissen.

Es scheint fast, als wollten wir gar nicht wissen, uns möglichst nicht bewusst machen was Aids damals in uns, in unseren Biographien, in unseren Szenen – und damit: in dem Potential unserer zukünftigen Entwicklungen – anrichtete. Als wollten wir ja nicht die Tragweite dieser Verluste sichtbar werden lassen. Es scheint als wollten wir sie im Gegenteil schnellstmöglich und möglichst unauffällig ins Unsichtbare verschwinden lassen.

Die Zerstörungen und Verwüstungen, die Aids damals, Ende der 1980er und Anfang der 1990er in unseren Leben, unseren Szenen, unseren Kulturen anrichtete – wir sanktionieren, wir wiederholen sie mit unserem respektlosen und Geschichts-vergessenen Verdrängen, mit dieser Ignoranz nachträglich geradezu.

Interessant wäre m.E. zu erforschen, in wie weit die heutigen Realitäten gesellschaftlichen Lebens von Schwulen in Deutschland und Europa heute durch die Situation und Geschehnisse von Aids Ende der 1980er geprägt und verändert worden sind.

Heute, 30 Jahre nachdem Aids in das öffentliche Bewusstsein trat, und 15 Jahre nachdem die Aids-Konferenz von Vancouver ein Zeichen für den Aufbruch in eine Zeit eines anderen Lebens mit HIV setzte, ist es zudem an der Zeit, dass wir uns unseres schwierigen Erbes, der vorzeitig beendeten Projekte, der unvollendeten Ideen, der abgebrochenen Karrieren erneut besinnen. Uns ihnen stellen, sie würdigen und kritisch hinterfragen – auch darauf, was sie uns für unser heutige Leben sagen können.

Statt weiterhin zu vergessen, zu verdrängen, könnten wir beginnen, uns dieser Verluste bewusst zu werden – und mit ihnen umgehen zu lernen.

Im Bewusstsein der ihnen innewohnenden Chancen und Hoffnungen für unsere eigene vielfältige und bunte Zukunft – und aus Respekt vor all denen, die gestorben sind.

Sex? Outing?

Ein Versuch mich zu dem Artikel „HIV und Sex, soll ich es sagen oder schweigen? Gedanken einer HIV-positiven Frau“ partiell zu äussern.

Ich hatte – als Frau – mit oder ohne HIV/AIDS – immer ein erfülltes Sexualleben, auch vor meiner jetzigen Liebesbeziehung.

Wenn ich Lust auf Sex hatte, habe ich gesucht und gefunden. Das war zumindest wenn es um Sex mit Männern ging, nie ein Schwierigkeit.  (Ich habe öfters mal grinsen müssen, wenn ich mir die Klagen von Heteromännern diesbezüglich anhörte. Allerdings glaube ich nicht daran, dass es an HIV/AIDS scheiterte, als vielmehr an ungeschicktem Werben und Freien! )

Zugegeben, einen Partner zu finden war etwas schwieriger, aber Sex?

Nun, am Anfang meiner Infektion hatte ich öfters Sex mit anderen Menschen mit HIV/AIDS als mit Ungetesteten oder HIV-Negativen. Allerdings orientiert sich mein Begehren nicht an einem Virus.

Ich wollte weiterhin frei wählen können. Und das tat ich.

Das Outing fand ich nie nicht besonders spannend, brachte es doch immer eine vorübergehende Ablenkung vom Knistern und Funkeln mit sich. Es hat übrigens selten jemanden von gemeinsam erlebter Lust abgehalten. Ich glaube gesamthaft genau zweimal begehrte ich und wurde (angeblich) wegen HIV/AIDS abgewiesen. Das war schmerzhaft, weil es nicht Begehren alleine war, sondern Verliebtheit und Zukunftswünsche im Spiel waren.

Drei weitere Male habe ich jemanden von der Bettkante gestoßen, weil er dem Kondom trotzen wollte. Sprich ich habe nach erfolgreicher Suche nach Sexualpartner dreimal selbst entschieden auf  Sex zu verzichten. Einmal mittendrin, ja, weil der Idiot meinte er müsse heimlich das Kondom entfernen (ich hoffe er liest mit und errötet nochmals!).

Natürlich will ich damit nicht sagen, HIV/AIDS mache sexy, bestimmt nicht. Das Virus hatte einfach nie diese Macht über mich, dass ich aus Scham und Angst meine Libido zurückstellen wollte oder musste.

Wahrscheinlich hatte die Infektion meine Sexualität und Körperlichkeit nicht einschneidend verletzt. Dafür gab es anderes, vor meiner Infektion, das mir einiges abverlangte. Aber ich glaube tatsächlich, dass ich, was meine Sexualität angeht, ein hohes Mass an ( körperlicher und seelischer?) Freiheit genieße.

Für mich ist das Outing eine Selbstverständlichkeit. Vielleicht auch, weil ich selbst – seit es die HIV-Antikörpertests gibt – informiert war, über den HIV-Status meiner (Sexual-)Partner, gerade auch vor meiner eigenen Infektion. Zudem kommuniziere ich prinzipiell gerne über einiges vor dem Sex.

Ich sage ja auch, hey ich habe gerade die Menstruation … oder ich will auch wissen, ob mein Gegenüber gerade Pilz oder andere „nette Käfer“ hat!

Was mich allerdings seit meiner Infektion lernen musste, ist, dass die Kommunikation nicht einseitig wird, nur wegen meiner Infektion!  Irgendwann habe ich mir angewöhnt zumindest mündich Auskunft zu verlangen, darüber, was das Gegenüber über seinen eigenen Serostatus weiß. Denn  der Umstand, dass doch einige meiner Sexualpartner und Sexualpartnerinnen, sowie einige meiner Ex-en, es fertig gebracht haben nach dem Sex oder nach der Liebelei tatsächlich hinzugehen und sich auf HIV testen zu lassen, hat mich wütend gemacht.  Oft war’s dann zum ersten (!) Mal in ihrem Leben oder zumindest das erste Mal seit langem. Ich hatte schlicht keine Lust die Gesamtverantwortung für ihr Handeln in sexuellen Begegnungen zu übernehme und mir was anhängen zu lassen, mit dem ich nichts zu tun habe!

Abgesehen davon, ich will mich schützen können vor weiteren Infektionen und möglichen Komplikationen bei Verlauf und Behandlung.

Seit langem stehe ich in der Öffentlichkeit dazu kondomlosen Sex zu haben, in gegenseitiger Absprache und unter den von der EKAF (eidgenössische Kommission für AIDS Fragen) formulierten Bedingungen. In der Schweiz mache ich mich dennoch strafbar, jedenfalls so lange, bis der Artikel 231 des StGb im Epidemiengesetz nicht tatsächlich geändert wird. Ich hoffte dadurch ein Bundesgerichtsurteil zu provozieren, was bisher aber nicht gelungen ist.

Was mich immer wieder erstaunt ist, wie viele Menschen mit HIV/AIDS davon überzeugt sind, dass sie ihren HIV-Status verschweigen müssen.

Ich verstehe sehr gut, dass der Status verschwiegen wird aus Angst vor Ablehung im intimen Setting, oder aus Angst vor Ausgrenzung und Arbeitsplatzverlust, und ja, schlussendlich auch aus Angst vor Kriminalisierung.  Und ich weiß wohl wie machtvoll Angst ist.

Aber, ich bin überzeugt, dass Mensch durchaus lernen kann damit umzugehen. Nur Mut! Wenn sich was ändern soll, dann müssen wir das schon selber bzw. gemeinsam an die Hand nehmen. Ich glaube nicht, dass schweigen und abwarten der Weg ist. Trotzdem bin ich überzeugt, dass es nicht der einfachste Weg ist und ich erwarte auch nicht, dass sich alle outen.

Aber, mich kann das Versteckspiel samt der Klagerei mitunter auch mal gehörig ärgern. Wie soll denn die Stigmatisierung bitte ändern, ( falls das überhaupt möglich ist?!) wenn Versteckspiel die Norm ist?

Aber vor allem, wie ehrlich wird mit der Motivation hinter dem Schweigen umgegangen? Manchmal habe ich den Verdacht, dass der Weg des geringsten Widerstandes gewählt wird um sich vermeintlich selbst zu schützen.

Nun, wer seinen Status verschweigen will – Betonung auf will – der kann das doch tun, meiner Meinung nach, kein Problem. Und wer dabei safer sex pflegt, braucht sich ja auch null Gewissen zu machen, oder? Unverständnis empfinde ich erst, wenn darüber dann geklagt wird, ohne dass Mensch andere Wege sucht, die ihn befreien oder erleichtern. Es gibt genug Menschen, die offen leben und auch bereit sind ihre Erfahrungen (mit-) zu teilen. Bestimmt fehlt es an gezielter Unterstützung und Begleitung beim Outing und die Beratungen lassen da öfters zu wünschen übrig. Aber den eigenen Prozess muss JedeR selbst an die Hand nehmen und wer sich unfrei fühlt in seinem Schweigen, ist oftmals durchaus frei genug sich Gedanken über andere Möglichkeiten im Umgang mit dem persönlichen Outing zu machen. Sich hinter der Angst zu verstecken, empfinde ich als etwas bequem.

Was anderes ist es bei Einigen, die politisch, juristisch oder medizinisch im Bereich HIV/AIDS unterwegs sind. Ich weiß dass ihre Professionalität und die ihrer Arbeit abgewertet würden, weil der Nimbus der Parteilichkeit oder Befangenheit dabei plötzlich ins Feld geführt würde. Ihr Schweigen bedeutet groteskerweise auch ein Einstehen für die Sache!

Und „Gopferdeggel“, einige unter uns leben mit HIV/AIDS, weil nicht geredet wurde, vor dem Sex, weil die Angst vor Ablehnung zu groß war …

Keine Bange, ich stehe weiterhin für mich, und für jene ein, die selbst nicht hinstehen können oder wollen, das ist keine Frage. Und ich bin weit davon entfernt jemanden zu verurteilen der sich über seinen HIV-Status ausschweigt, in welchem Setting auch immer.  Nur wünsche ich mir, dass manch EineR auch mal genauer hinschaut und seine Motivationen und Möglichkeiten prüft, anstatt zu sich „nur“ als Opfer zu fühlen und zu klagen. Nur Mut!

Kompetenznetz HIV/AIDS: Raus bevor’s ganz dicke kommt!

Seit Ende April 2011 ist das Kompetenznetz HIV/Aids Geschichte – was aber geschieht mit den Daten und Bio-Materialien der Tausenden HIV-Positiven, die an der HIV-Kohorte des Kompetenznetzes teilgenommen haben?

Dazu ein Gast-Kommentar von Carsten Schatz, Mitglied des Vorstands der Deutschen Aids-Hilfe und bald vielleicht erster offen HIV-positiver Landtags-Abgeordneter:

Kompetenznetz HIV/AIDS: Raus bevor’s ganz dicke kommt!

Alle Bemühungen um eine Fortführung der staatlichen Förderung des Kompetenznetzes HIV/AIDS und damit das Kompetenznetz selbst sind gescheitert. Mit dem Ende der Förderung Ende April dieses Jahres endet auch die Begleitung des Netzes durch die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH). Damit fällt ein wichtiger Ansprechpartner für die Studienteilnehmer/innen weg. Der Patientennewsletter, für viele die einzige Informationsquelle, ist eingestellt. Alle Informationen für Teilnehmende sind nur noch über die Schwerpunktpraxis zu bekommen. Der Patientenbeirat wird seine Arbeit lediglich ehrenamtlich weiterführen. (Wer zahlt dann eigentlich für Treffen und Arbeit des Gremiums?) Soweit der unerfreuliche Stand der Dinge.

Informationen für die Teilnehmenden gibt es nur noch über die Schwerpunktpraxen

Die Mitgliederversammlung des Kompetenznetzes hat beschlossen, die Arbeit vorerst trotz allem weiterzuführen, weil noch wichtige Studien laufen. Ich bin kein Wissenschaftler und möchte daher keine Aussagen zur Wichtigkeit dieser Studien treffen. Allerdings hat auch niemand versucht, mir diese Wichtigkeit nahe zu bringen. Fakt ist: Bis 2016 sollen Daten und Bio-Material der Teilnehmenden zentral an der Uni Bochum gelagert werden.

Der Patientenbeirat und die DAH haben an alle Teilnehmenden einen Brief geschrieben und in neutralem Ton die Möglichkeiten des Umgangs mit der Situation dargestellt:

– Nichts unternehmen. Die Daten und Proben stehen dann der Forschung bis zur Vernichtung 2016 zur Verfügung.

– Aussteigen. Die DAH bietet dazu ein Formular zum Download an, dies dem Arzt aushändigen. Die Daten werden gelöscht, das Bio-Material sofort vernichtet.

Ich persönlich plädiere ganz klar für Variante zwei. Raus, bevor’s ganz dicke kommt!

Carsten Schatz (Foto: DAH)
Carsten Schatz (Foto: DAH)

In der Gründungsphase des Kompetenznetzes habe ich im Vertrauen auf die Teilnahme der Deutschen AIDS-Hilfe im Patientenbeirat und auf die unabhängige Förderung des Staates für diese Arbeit vielen Menschen mit HIV/Aids zugeraten, sich zu beteiligen.

Schon Ende 2006 wurde der erste Skandal bekannt, Daten von Teilnehmenden waren ohne deren Einverständnis ins Ausland übermittelt worden. Dort unterliegen sie nicht dem Datenschutzstandard, den wir aus Deutschland gewohnt sind.

Schlampige Dateneingabe, mangelnde Kommunikation, falsches Vertrauen ins Arzt-Patient-Verhältnis

Mitte 2007 die nächste Hiobsbotschaft: Rund die Hälfte der ursprünglich „in die Kohorte Eingeschleusten“ (immer diese Fachwörter) fiel aus dem Netz heraus, weil bei der Dateneingabe grobe Fehler passiert waren. Informationen an die Teilnehmenden? Fehlanzeige!

Viele haben mich damals gefragt, warum sie nicht benachrichtig würden. Leider konnte ich ihnen ad hoc keine Antwort geben. Erst nach mühevoller Netzrecherche konnte ich mir das Informations-Desaster erklären: Der Patientenbeirat hatte keinen direkten Kontakt zu den Teilnehmenden – der lief im Wesentlichen über die beteiligten Arztpraxen und Behandlungszentren. Welches Interesse aber hat eine Praxis, den Patienten im Wartezimmer mitzuteilen: „Übrigens, wegen schlampiger Dateneingabe sind wir bei diesem wichtigen Forschungsprojekt nicht mehr dabei.“

An noch einem weiteren Punkt führt uns das Kompetenznetz zur Frage nach dem Arzt-Patienten-Verhältnis. Wir sollten unser Wissen ernst nehmen und nicht so tun, als ob hier alles im Lot wäre. Auf der einen Seite schulen und trainieren wir zurecht Patientinnen und Patienten, weil es für die meisten Menschen mit HIV/Aids schwierig ist, beim Arzt Probleme und Fragen loszuwerden. Da können wir doch nicht auf der anderen Seite den Leuten sagen: Bezüglich des Kompetenznetzes klärt mal einfach alles mit eurem Arzt!

Die Daten sind nicht vor Beschlagnahmung geschützt, während mancher Staatsanwalt “Virenschleudern” verfolgen möchte

Hier hatte das Netz von Beginn an einen Konstruktionsfehler. Ich habe mich damit beruhigt, dass die Leute sich an die DAH und den Patientenbeirat wenden konnten. Da das jetzt weitgehend wegfällt, sage ich ganz klar: Schluss. Jetzt raus!

Punkt zwei: Die Daten sind nicht vor Beschlagnahmung geschützt, zum Beispiel im Zuge von Strafverfahren. Das hat sowohl eine von uns in Auftrag gegebene Studie als auch eine Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Sicherheit von Human-Bio-Banken deutlich gemacht. Solange Staatsanwälte in Deutschland herumlaufen, die meinen, über die juristische Verfolgung von „Virenschleudern“ Prävention betreiben zu können, halte ich bereits die Sammlung dieser Daten für hoch prekär – aus welchem Grund auch immer sie erfolgt.

Und wieder: Wir haben damals den Beteiligten Wissenschaftler/innen und Ärzt/inn/en gesagt: Kämpft mit uns für eine Änderung dieser Situation. Ich habe bislang aus dieser Richtung nichts vernommen, meine Hoffnung auf mehr hält sich in Grenzen. Dass die Daten nun an einem Ort gelagert werden sollen statt wie bisher dezentral, macht sie in ihrer Gesamtheit sogar noch leichter zugänglich.

Wir müssen die Dinge nun also selbst in die Hand nehmen. Die Daten und das Biomaterial müssen nachweisbar vernichtet werden. Mit anderen Worten: Schluss. Jetzt raus!

Die Aids-Hilfe hat sich überschätzt, als sie beschloss, den Tiger zu reiten

Punkt drei ist ein Punkt der Selbstkritik. Ich glaube, die Aids-Hilfe und ihr Umfeld haben sich überschätzt, als sie beschlossen, den Tiger zu reiten. Wie im Beitrag von Bernd Vielhaber angedeutet, hat das Kompetenznetz immer mit unterschiedlichen Interessen zu ringen gehabt, Spannungen gab es zum Beispiel zwischen klinischen Forschern und niedergelassenen Ärzten. Die einen haben hier gezogen, die anderen dort, von unten wurde geschoben und oben sind die Leute weggerannt.

Wir hatten in dieser Situation oft das Gefühl, fast die einzige Akteurin zu sein, die noch am Erfolg des Gesamtprojektes interessiert ist. Während es anderen oft um Kohle und Einfluss ging, haben wir versucht, die Interessen von Menschen mit HIV/Aids zu vertreten. Diesen Auftrag haben wir aber zu oft auf dem Altar der Abwägung und der Diplomatie geopfert.

In Zukunft würde uns in diesem Spiel unser wichtigster Mitspieler fehlen: die Bundesregierung. Als Finanzier ist sie der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig und durch politischen Druck beeinflussbar. Dieses Korrektiv steht nicht mehr zur Verfügung. Die Interessen der Menschen mit HIV/Aids klar und deutlich zu vertreten bedeutet darum abermals: Schluss. Jetzt raus!

Wir brauchen in Zukunft eine offene Diskussion, vorher aber eine klare Botschaft: Jetzt aussteigen!

Das Kompetenznetz ist ein wichtiges Kapitel in der Geschichte von HIV in Deutschland, daran ändert auch sein Scheitern nichts. Durch die Verschickung von Daten ins Ausland sind Fragen des Datenschutzes immerhin in den Fokus der Debatte gerückt. Es wurden Diskussionen über den Sinn von Studien geführt und Diskussionen über Interessenvertretung von Menschen mit HIV/Aids geführt.

Ich hoffe, dieser Prozess ist noch nicht beendet, denn wir brauchen diese Lektionen für die nächsten Auseinandersetzungen. Dazu gehört für mich auch, nicht hinter verschlossenen Türen zu kungeln, sondern Debatten in der Öffentlichkeit zu führen – zum Beispiel auf den Internetseiten der DAH.

Bevor wir aber weiter historisieren und diskutieren, brauchen wir eine klare Botschaft an die Menschen mit HIV/Aids in Deutschland, die den Aids-Hilfen vertrauen. Die lautet meines Erachtens: Nehmt die Dinge in die eigene Hand. Druckt den Antrag auf Löschung der Daten und Vernichtung des Biomaterials aus, und wenn ihr Fragen habt, wendet euch an Vertraute oder eure Aids-Hilfe. Legt die ausgefüllte Erklärung eurem Arzt/eurer Ärztin vor. Steigt aus!

Sex and crime, einmal anders!

Heute schreibe ich einen ganz persönlichen Kommentar

Am 10. Juni findet in Zürich die dritte Artist Charity Night statt. Was als größte AIDS Charity der Schweiz gepriesen wird.

Ein kurzer Rückblick: an der ersten Artist Charity Night im 2009 waren wir als Vertreter von Lhive geladene Gäste. Wir hatten versucht mit den Veranstaltern im Vorfeld und am Event selbst in Kontakt zu treten, mit dem Ziel, dass Menschen mit HIV/AIDS einen Beitrag an dem Event leisten könnten.
Hier ein kurzes Video im Blick zur ersten Charity Night im 2009 : http://www.blick.ch/people/schweiz/artis-charity-2009-123446

Unser Wunsch wurde zwar lächelnd entgegengenommen, aber es war anscheinend uninteressant, denn es kam zu keiner Veränderung und im Jahr 2010 verzichteten wir darauf, schon nur daran zu denken, teilzunehmen!
Unterdessen hatten auch wir verstanden, dass die Veranstaltung auf Primär-Prävention abzielt und Solidarität nur etwas mit dem Portefeuille zu tun hat.

Nun folgt also Veranstaltung Nummer drei. Motto, Covergirl und Botschaft scheinen ein wunderbares Beispiel von Prävention als Motor für Diskriminierung zu sein.

Aber macht Euch selbst ein Bild:
„Das Motto “GALACTIKA” entsteht aus dem Gedanken der “Liebes-Botschaft” und ist angelehnt an den Film Barbarella.
Barbarella ist Astronavigatrice und der Gruß vom Erdpräsidenten zu ihr und retour ist:

Sieg der Liebe
Mit diesem Motto wollen wir den “Sieg der Liebe” vermitteln. Es geht darum zu vermitteln, dass Liebe auch Respekt bedeutet.
Respekt, indem man seinen Lebens- und/oder Liebespartner und sich selbst schützt.
Zudem ist das Thema total sexy und stylisch. Ideal für eine super Party.“
zu sehen hier auf diesem Plakat der Veranstaltung: http://www.artistcharitynight.ch/basic/key_2011.jpg

Ich bin geneigt zu sagen:“ Aha^^“ .
Doch nach einem tiefem Atemzug folgt, was folgen muss:
Sonst geht’s noch? Was ist das? Ein bewaffnetes Sexobjekt? Super. Gratulation an die Macher. Also liebe Heten, bewaffnet euch im Namen der Liebe gegen diese grauenhaften Viren ( oder sollte ich sagen Virenträger?). Vom Frauenbild ganz zu schweigen, ich glaube es versteht sich von selbst, dass dies nicht dem meinem entspricht!

Ja, richtig, ich koche vor Wut und hätte ungemein Lust, den Anlass als intergalaktische Virenschleuder zu besuchen. ( Als ob ich welche zum verschleudern hätte, im Zeitalter der Nicht-Nachweisbarkeit … )

Übrigens: der Erlös kommt zu 60% dem lighthouse zu gute. Aber dazu gerne ein andernmal.

Summa summarum habe ich den Eindruck: eine Glitzer-Glimmer Veranstaltung für HIV-Negative, um nebst fun, ein bisschen schlechtes Gewissen zu beruhigen und Geld dafür locker zu machen, um unter sich zu bleiben und Menschen mit HIV/AIDS zu diskriminieren. Ganz einfach: Sex and crime, einmal anders!

96% Schutz – eine Revolution, für HIV-Positive wie Negative

Effektive antiretrovirale Therapie senkt das Risiko einer HIV-Übertragung zu 96% -was lange nicht wahr sein durfte, ist nun durch eine internationale Studie bestätigt und von UNAIDS belobigt.

Diese Nachricht ist „ein Hammer“, sie wird das Leben mit HIV wie auch die HIV-Prävention verändern.

„Studie abgebrochen“, diese Nachricht ist – aus verschiedensten Gründen – des öfteren zu hören. Dieser Abbruch allerdings wird weitreichende Konsequenzen haben.

Noch vor wenig mehr als drei Jahren wurde die EKAF weit und breit gescholten, als sie ihr „EKAF-Statement“ (keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs) publizierte.

Die Deutsche Aids-Hilfe geriet zunächst massiv in die Kritik, als sie die Ergebnisse des EKAF-Statements nicht nur wiedergab, sondern in ihrem Positionspapier (HIV-Therapie und Prävention – Positionspapier der Deutschen AIDS-Hilfe) auch zu einer Bewertung kam – die zur „Viruslast-Methode“ führte.

Beide dürfen sich nun im nachhinein bestätigt fühlen, durch eine randomisierte kontrollierte Studie.

Eine wirksame antiretrovirale Therapie verhindert eine HIV-Übertragung zu 96%, zeigt die jetzt vorzeitig abgebrochene Studie. Damit hat antiretrovirale Therapie eine Schutz-Wirkung wie Kondome (genau betrachtet, sogar eine bessere).

„Kondome schützen“, heißt es schon bisher, und dies gilt auch weiterhin. Nun ergänzt um „wirksame Pillen auch“.
Und bei beiden Methoden werden wir lernen müssen, ehrlicher umzugehen mit der Frage,was heißt „96%“, und wie gehen wir mit den verbleibenden vier Prozent um.

Und: nun gilt es umso mehr, sicherzustellen, dass HIV-Positive weltweit möglichst umfassend die Möglichkeit haben, diese Option zu nutzen – was auch heißt: antiretrovirale Therapie muss weltweit zu bezahlbaren Konditionen verfügbar sein.

Und: diese Option muss immer genau dies sein: eine Option, eine Handlungs-Alternative, zu der sich die Beteiligten informiert und frei entscheiden können. Ohne Druck, ohne Zwang zu „treatment as prevention“.

Pillen wirken, senken das Risiko einer HIV-Übertragung drastisch. HIV-Positive und HIV-Negative sowie Ungetestete dürfen sich freuen, über eine neue hochwirksame Möglichkeit, das Risiko von HIV-Übertragungen deutlich zu senken.

So weit so gut ?

So weit, so gut? Eben nicht. Was sich zunächst ganz konstruktiv liest („Agentur für Arbeit: HIV – ein Ausbildungs-Hindernis?„), ist hinter den Kulissen ein schwer erträglicher Kampf, den wir hier mit falschem Namen und falscher Stadt abgebildet haben, der aber tatsächlich so stattfindet.

Der behandelnde Schwerpunktarzt hat nämlich auch ein Statement abgegeben, ganz aktuell aus dem Jahr 2011. In diesem schriftlichen Statement bestätigt der Schwerpunktarzt, dass Markus aus seiner Sicht tauglich ist für diese Ausbildung. Das wurde einfach nicht beachtet. Warum? Wir erhielten keine Auskunft dazu.

Und der Anruf der Arbeitsagentur beim Gesundheitsamt hat einen ganz üblem Beigeschmack: Wie mir die Amtsärztin gesagt hat, hat ihre Kollegin, die den Anruf entgegengenommen hat, eine Notiz geschrieben: „Die wollen ein ‚Nein‘ hören“
(auf die Frage, ob ein Positiver tauglich sei für den Beruf des Masseurs).

Von Unvoreingenommenheit, Objektivität und Kundenorientierung kann also keine Rede sein. Vielmehr sind es immer noch die gleichen, alten Vorurteile gegen HIV-Positive und der erklärte Unwille, sich an den Bedürfnissen der Klienten zu orientieren.

Wenn wir nicht beim Pressesprecher der Agentur nachgefragt hätten, wäre es zu keinem Hinterfragen des Gutachtens aus dem Jahr 2007 gekommen.

Fazit: Nie aufgeben. HIV-Positive haben die gleichen Rechte wie HIV-Negative.
Zieht immer Euren Schwerpunktarzt hinzu, wenn es um ärztliche Beurteilungen geht. Besteht auf Gleichbehandlung. Fordert Eure Rechte lautstark ein, lasst Euch nicht abspeisen. Stellt Euch auf die Hinterbeine und macht das Beste aus Eurer Situation.

Zudem sei auf den Artikel „HIV-Test bei der Einstellung – was nun?“ von Christian Kranich in der LhivFE-Ausgabe April/Mai 2011 verwiesen. LhivFE wird von Abbott herausgegeben und sollte in der örtlichen Aidshilfe ausliegen. lhivfe@allround-team.com

Warum werden HIV-Positive von Hepatitis C-Studien ausgeschlossen?

Die Therapie der Hepatitis C steht vor großen Umbrüchen – große Wirksamkeit bei wesentlich weniger Nebenwirkungen als bisherige Therapien. Doch – HIV-Positive sind meist immer noch ausgeschlossen.

Gleich mehrere neuen Substanzen werden derzeit in Phase-III-Studien gegen Hepatitis C getestet. Die bisherigen Ergebnisse sind sehr erfolgversprechend. Sie lassen hoffen, dass letztlich nicht nur bestehende Therapien gravierend verbessert werden können – sie lassen schon bald möglich erscheinen, dass eine Behandlung der Hepatitis C ganz ohne das (nicht eben nebenwirkungsarme) Interferon auskommen könnte (siehe entsprechende Investoren-‚Befürchtungen‘, (3)).

HIV-Positive haben ein erhöhtes Risiko, sich mit Hepatitis C zu infizieren. Und bei HIV-Positiven, die mit Hepatitis C ko-infiziert sind, besteht ein Risiko, dass die Hepatitis-C-Infektion schneller fortschreitet als bei einer singulären HCV-Infektion.

Doch – genau diese Menschen mit HIV sind aus Studien mit neuen Medikamenten gegen Hepatitis C derzeit meist prinzipiell ausgeschlossen.

So zeigt eine Suche im neuen ‚EU Clinical Trials Register‚ beispielhaft an einer Phase-III-Studie des Hepatitis-C-Proteasehemmers Telaprevir Studie (EudraCT Number: 2010-021628-84):

„Principal exclusion criteria:

18. Subject has human immunodeficiency virus (HIV) or hepatitis B virus (HBV) co-infection.“

Zwar gibt es inzwischen Studien, die HCV-Proteasehemmer bei HIV-Positiven untersuchen (erste Daten wurden auf der CROI 2011 vorgestellt, siehe (1)) – aber nur vereinzelt. Und erste Studien zeigen, dass dieser Medikamente auch bei HIV-Positiven gut wirken – ein Grund weniger, HIV-Positive zukünftig weiterhin aus Studien auszuschließen. Zudem wurden erste Daten zu Wechselwirkungen mit HIV-Medikamenten vorgestellt (2). Ein weiterer Grund weniger.

Dieser Ausschluss ist mit Gründen erfolgt – und sicher nicht mit diskriminierender Absicht.

So ist eine Behandlung beider Infektionen (Hepatitis C und HIV) komplizierter als die Behandlung einer einzigen Infektion. Und die Interpretation von Studien-Ergebnissen könnte sich als komplizierter erweisen. Über Wechselwirkungen zwischen HIV-Therapie und den neuen Hepatitis-C-Substanzen ist (naturgemäß) noch wenig bekannt.

Doch – rechtfertigt all dieses tatsächlich, Menschen mit HIV generell von Studien mit erfolgversprechenden Hepatitis-C-Medikamenten auszuschließen ?

Rechtfertigt dies, ihnen dadurch – für sie besonders wichtige – Behandlungs – Optionen weiter vorzuenthalten ?

Rechtfertigt dies einen prinzipiellen Ausschluss bei einer ganzen Gruppe, die ein erhöhtes Risiko einer Infektion mit Hepatitis C hat? Und die zudem ein erhöhtes Risiko einer schneller fortschreitenden Erkrankung hat ?

Forscher und Sponsoren müssen sich fragen lassen, ob dieser prinzipielle Ausschluss noch zu verantworten ist.

Zulassungsbehörden wie auch Ethik-Kommissionen müssen sich fragen lassen, ob dieser prinzipielle Ausschluss noch vertretbar ist.

Doch – letztlich wird sich vermutlich hieran nichts ändern, solange HIV-Positive, die auch mit Hepatitis C ko-infiziert sind, nicht selbst „den Arsch hoch bekommen“, Druck machen, sich selbst engagieren und für ihre Rechte und Gesundheit kämpfen …

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Danke an Armin Schafberger (DAH) und Kees Rümke (Hiv Vereniging Nederland) für Hinweise!
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(1) siehe z.B. aidsmap 02.03.2011: Telaprevir works well for people with HIV/HCV co-infection
(2) POZ 03.03.2011: Hep C Protease Inhibitor Telaprevir Interacts With HIV Drugs
(3) The Street 08.03.2011: Pharmasset Hep C Data Wows Investors
Hiv Vereniging Nederland 18.03.2011: HCV-remmers op komst
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Ist Nadja Benaissa eine AIDS-Aktivistin?

Nadja Benaissa soll anlässlich der Berliner Veranstaltung „HIV im Dialog“ im August 2011 mit dem „ReD Award“ ausgezeichnet werden. Hierzu ein Gast-Kommentar von Matthias Gerschwitz:

Durch das Sonder-Positivenplenum [in Berlin, d.Hg.] gestern Abend erfuhr ich, dass Nadja Benaissa, ex-Mitglied der Girlgroup »No Angels« und Schlagzeilen-Star des vergangenen Jahres wegen eines Prozesses um die Weitergabe des HI-Virus nach ungeschütztem Sex, beim Kongress »HIV im Dialog«, der am 26./27. August 2011 in Berlin stattfindet, mit dem »ReD Award«, bezeichnet nach der »Reminders Day Aids Gala«, ausgezeichnet werden soll.

Nun muss ich voranschicken, dass ich gar nicht wusste, dass es einen »ReD Award« gibt. Aber das wusste ich auch beim »Annemarie-Madison-Preis« nicht, den ich anlässlich der Münchner Aidstage im März 2010 für mein Buch »Endlich mal was Positives« erhielt. Allerdings konnte ich bald herausfinden, wer die Namensgeberin ist bzw. war, denn Annemarie Madison verstarb im Januar 2010 nach über 25 Jahren intensiver Arbeit um das Thema HIV, Aufklärung, Prävention, Entstigmatisierung, Enttabuisierung und und und … die Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen.

Bei der Recherche zum »ReD Award« stieß ich auf das »HIV im Dialog«-Programmheft aus dem Jahr 2010 und die »Reminders Day Aids Gala«. Ich zitiere: »Der ReD Award gilt als besondere Auszeichnung für außerordentliches Engagement im Kampf gegen HIV und Aids.« Preisträger waren der Schauspieler und langjährige Moderator der Gala, Georg Uecker, sowie die Gründungsmitglieder der Berliner Aids-Hilfe, Konrad Möckel und Dr. Gerd Paul. Damit wird die Idee des »ReD Award« deutlich, insbesondere, wenn man sich die Liste der bisherigen Preisträger ansieht. Aber was bitte hat Nadja Benaissa mit »außerordentlichem Engagement im Kampf gegen HIV und Aids« zu tun?

Ich möchte vorweg bemerken, dass ich nichts gegen sie habe. Auch ich bin der festen Überzeugung, dass ihr im Rahmen der Anzeige und des Prozesses durch die Staatsanwaltschaft Darmstadt, die sie zwangsweise als HIV-positiv outete, und die Medien übelst mitgespielt wurde. Aber dass ihre Nominierung gestern beim Sonder-Positivenplenum mit dem Hinweis auf »Aktivismus, Solidarität und Kriminalisierung« unterstützt wurde, hat mich entsetzt. Dazu mein Kommentar:

Nadja Benaissa ist keine Aktivistin. Ihr gebührt in dieser Kategorie höchstens der Preis für Passivität. Sie ist durch eigenes Fehlverhalten in eine Situation geraten, in der sie, zugegeben, einem besonderen öffentlichen Druck ausgesetzt war. Aber Öffentlichkeit war ihr schon vorher im Rahmen ihrer Karriere nicht fremd. »Aktivistin« wird man, wenn man sich intensiv und über einen längeren Zeitraum für eine Sache einsetzt. Beides ist bei Nadja Benaissa nicht gegeben. (Annemarie Madison würde im Grabe rotieren …) Intensiv tätig war sie nicht – und ebenfalls nicht über einen »längeren Zeitraum«: Auch wenn dank Nadja Benaissa kurzzeitig deutlich wurde, dass HIV auch heterosexuelle Frauen betreffen kann, hat sich der Medienhype ausschließlich mit ihr als prominenter Infizierter befasst – mehr nicht. Kurz nach dem Prozess waren sowohl Medienhype wie Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nämlich schon wieder verschwunden. Fragt man heute Menschen auf der Straße nach ihr, wird man im Höchstfall die Antwort »Das war doch die, die ihren Freund mit HIV infiziert hat« erhalten. Und das ist wahrlich kein »außerordentliches Engagement im Kampf gegen HIV und Aids«.

Nadja Benaissa hat nichts für die Solidarität getan. Ganz im Gegenteil: Sie wurde von einer Welle der Solidarität aus der positiven Community (so es sie denn gibt) unterstützt. Insofern gebührt eher ihren Unterstützern dieser Preis. Und noch mehr: Nadja Benaissa hat die Bemühungen aller Beteiligten,  Akzeptanz, Toleranz, Verständnis und »Normalität« im Umgang mit der Infektion und den Infizierten zu erreichen, weit hinter die 80er Jahre zurückgeworfen, indem sie fast ausschließlich die Mitleidsschiene bedient hat – eine Schiene, die der Infektion und noch weniger den Infizierten auch nur annähernd angemessen ist und die alle Aktivitäten, die seit vielen Jahren – teilweise bekanntlich gegen Windmühlen – entfacht wurden und werden, konterkariert.

Nadja Benaissa ist kein Justizopfer, und weder sie noch HIV-Infizierte allgemein wurden kriminalisiert. Sie hat sich eine – im derzeitigen Rechtssystem nach wie vor verankerte – fahrlässige Körperverletzung zu Schulden kommen lassen und wurde dafür vor Gericht mit einer meiner Meinung nach angemessenen Strafe am unteren Limit belegt. Hier muss das Rechtssystem geändert werden, denn Najda Benaissa ist nur ein Symptom! Und – ganz am Rande: Mit ihrem Verhalten hat sie sämtliche Bemühungen um die Anerkennung der EKAF-Kriterien zunichte gemacht und erst damit künftigen Kriminalisierungen Tür und Tor geöffnet. Ist das wirklich preiswürdig?

Wenn der »ReD-Award« tatsächlich an Nadja Benaissa vergeben werden sollte, genügt es also zukünftig, das Virus per ungeschütztem Sex weiterzugeben, um ausgezeichnet zu werden. Der Preis, der Kongress und die gesamte Präventionsarbeit vieler (zumeist ehrenamtlicher) Mitarbeiter sowie die bisherigen und zukünftigen Preisträger würden so der Lächerlichkeit anheim gestellt. Wenn das beabsichtigt ist – bitte sehr. Für mich wäre das ein Grund, meine HI-Viren zurückzugeben. Mit einer »Community«, die ein solch krasses Fehlverhalten unterstützt, möchte ich nicht in Verbindung gebracht werden.

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Danke an Matthias für den Gast-Kommentar.

Matthias Gerschwitz ist Autor und unter anderem Botschafter des Welt-Aids-Tags.

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siehe auch:
Matthias Gerschwitz 15.03.2011: Ist Nadja Benaissa eine AIDS-Aktivistin?
alivenkickin 15.03.2011: Nadja Benaissa für den Reminders Day Award vorgeschlagen
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nur drei Buchstaben? – was uns HIV-Positive verbindet

„Warum soll ich mich als HIV-Positiver engagieren – ich hab mit ‚denen‘ ja doch nur drei Buchstaben, nur dieses Virus HIV  gemeinsam.“ Dieser Satz ist so oder ähnlich oft zu hören, wenn es um Engagement und HIV-positive Selbsthilfe geht. Nur – stimmt er? Verbinden uns wirklich ’nur drei Buchstaben‘?

HIV und Aids sind heute, beinahe 30 Jahre nach dem Beginn der HIV-Epidemie, anders als ‚damals‘ in den 1980er und 1990er Jahren. Die Hoffnungs- und Aussichtslosigkeit, das gemeinsame Erfahren von Leid, Schmerz und Trauer ist so heute nicht mehr.

Viele HIV-Positive erleben ihre HIV-Infektion heute eine zwar potentiell schwere, aber behandelbare chronische Krankheit. Gut so – das wollten wir immer haben!

Aber – ist das alles? Können wir uns nun zurück lehnen und sagen ‚Alles in Ordnung‘?

Ja, scheinen viele zu denken.

Armin Traute, ehemaliger HIV-Referent und später Geschäftsführer der Berliner Aids-Hilfe sowie Dipl.Psych. und bis Dezember 2010 langjähriger Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen, macht sich Gedanken über HIV-positive Selbsthilfe. Traute spricht in einem Artikel Ende 2010 vom Zusammenhang zwischen Selbsthilfe und Grad der Erkrankung („Grenzen von Selbsthilfe“, in: „25 Jahre Herzblut – Berliner Aids-Hilfe e.V.“) und konstatiert

„Wer als HIV-Betroffener ‚gesund‘ ist (damit ist ein körperliches und psychisches Wohlbefinden und ein funktionierendes soziales Netz gemeint), findet heute kaum mehr seinen Weg in eine Selbsthilfegruppe.“

Traute formuliert auch einen möglichen Grund. Er postuliert:

„Selbsthilfe funktioniert nicht, wenn die Betroffenen – oder die Akteure der Selbsthilfe – zu krank oder bedürftig sind und wenn sie zu gesund sind.“

Trautes Aussage klingt zunächst einleuchtend. Wer nicht krank ist (ob subjektiv oder objektiv), warum sollte der sich in Selbsthilfe engagieren?
Ist Selbsthilfe HIV-Positiver also ein ‚Opfer des medizinischen Erfolgs‘?

Doch – so einleuchtend er scheinen mag, der Gedanke, Selbsthilfe (allein) vom medizinischen Zustand abhängig zu machen, mag für manche Erkrankungen gelten – nicht für HIV. Die HIV-Infektion ist (wie nicht zuletzt Susan Sontag mehrfach aufgezeigt hat) eben nicht nur ein medizinisches Syndrom, sondern auch sozial, politisch.

Und diese Erfahrung machen viele von uns auch alltäglich:

All diese Probleme mit Ärzten, Versicherungen, Arbeitgebern, all die Befürchtungen und Ängste vor Reaktionen unserer Umwelt, reale wie gefürchtete Stigmatisierung und Diskriminierungen, sie existieren – aufgrund von HIV, aufgrund unserer HIV-Infektion. Sie existieren oft auch unabhängig davon, wie unser Gesundheitszustand ist, und weitgehend unabhängig davon, wie behandelbar HIV ist.

HIV-infiziert zu sein bedeutet in der Realität eben wesentlich mehr als „nur“ die medizinische Tatsache der HIV-Infektion. Ob wir wollen oder nicht, und ob wir offen mit unserem Serostatus umgehen oder nicht, immer ist da ein ganzer Komplex an weiteren Themen mit im Gepäck, zwangsläufig, unvermeidbar.

Ja – uns verbinden drei Buchstaben: H, I und V.

Und uns verbinden all die Konsequenzen, die aus diesen drei Buchstaben potentiell resultieren, die wir befürchten, mit denen wir uns ob wir wollen oder nicht im Alltag auseinander setzen müssen.

HIV ist eben mehr als „nur diese drei Buchstaben“.

Und wenn wir mit diesen Konsequenzen besser, anders umgehen wollen, wenn wir unsere Situation verbessern wollen, dann hilft nur eins: zusammen arbeiten, gemeinsam handeln. Aus vielen einzelnen ‚ichs‘ ein schlagkräftiges und engagiertes ‚wir‘ machen.

Und das nennt man Selbsthilfe.

Prinzipienlosigkeit? Desinteresse? Absicht? – Das Gesundheitsministerium will offensichtlich keine Selbst-Interessenvertretung von Menschen mit HIV im Nationalen Aids-Beirat

Der Nationale Aids-Beirat hat sich heute konstituiert. Viele Professoren (überwiegend Kliniker), zwei Sozialwissenschaftler/innen, zwei Mitarbeiterinnen von Aidshilfe – und keine Interessenvertreter von Menschen mit HIV (1), zeigt die Liste der Mitglieder des nationalen AIDS-Beirats. Statt mit wird wieder einmal nur über uns gesprochen – entgegen anders lautenden Aussagen.

Es gibt ein international anerkanntes Prinzip. Es nennt sich das „GIPA Prinzip“ – Greater Involvment of People with HIV and Aids: Menschen mit HIV und Aids sollten auf allen Ebenen bei sie betreffenden Entscheidungen beteiligt werden (“participation in decision-making processes that affect their lives”).

Dieses Prinzip einzuhalten ist Anliegen vieler international auf dem Aids-Gebiet arbeitenden Organisationen. Es einzuhalten gehört zu den Bedingungen, die internationale Organisationen wie der Globale Fonds ihren Zuwendungsempfängern vorschreiben. Der Global Fund schreibt als ‚minimum requirements‘ u.a. vor „The Global Fund requires all CCMs [Country Coordinating Mechanism, Instrument für Projektvorschläge] to show evidence of membership of people living with and/or affected by the diseases“ (Quelle).

Das GIPA-Prinzip wurde bereits am 1. Dezember 1994 beschlossen, auf dem ‚Paris Aids Summit‘. Es befindet sich in der auf diesem Gipfel beschlossenen und von den 42 dort hochkarätig vertretenen Staaten unterzeichneten ‚Paris Declaration‚. Unterzeichnet hat diese Paris Declaration für die Bundesrepublik Deutschland auch Horst Seehofer, CSU und damaliger Bundesminister für Gesundheit.

In dieser ‚Paris declaration‚ wird gesprochen von „ensuring their [people living with HIV/AIDS; d.Verf.] full involvement in our common response to the pandemic at all – national, regional and global – levels“, und unter III. ist zu lesen, die Unterzeichner verpflichten sich

„fully involve non-governmental and community-based organizations as well as people living with HIV/AIDS in the formulation and implementation of public policies“.

UNAIDS, das Gemeinsame Aids-Programm der Vereinten Nationen (deren Mitglied Deutschland ist), formuliert

„Das Prinzip GIPA (Greater Involvement of People Living with HIV/AIDS, stärkere Einbeziehung der Menschen, die mit dem HI-Virus / mit AIDS leben) wurde beim AIDS-Gipfel 1994 in Paris offiziell anerkannt, als 42 Länder sich dahingehend einigten, dass ein umfassendes Engagement auf nationaler, regionaler und globaler Ebene zur Entwicklung von unterstützungsorientierten politischen, rechtlichen und sozialen Umfeldern führen wird.“ (Quelle pdf)

Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer betonte nach der Verabschiedung des GIPA-Prinzips 1994 stolz in einer Presseerklärung

“Die Betroffenen selbst können oft die besten Entscheidungen treffen, die besten Anregungen geben, . . . weil sie tagtäglich persönlich erfahren, was es heißt, HIV-infiziert oder aidskrank zu sein. Die Stärkung dieser Strukturen und Initiativen . . . sollte deshalb integraler Bestandteil aller politischen Überlegungen und Programme sein.” (Quelle)

Horst Seehofer ist schon lange kein Bundesgesundheitsminister mehr. Sein Nachfolger, Philip Rösler (FDP) scheint zu hoffen, an frühere Zusagen der Bundesregierung werde sich schon niemand erinnern. Vielleicht interessiert ihn die Frage auch nicht. Oder ist ihm die Einbeziehung HIV-positiver Interessen schlichtweg egal?

Es geht gemäß dem GIPA-Prinzip darum, die Erfahrungen, Belange, Lebenssituationen HIV-Positiver im Nationalen Aids-Beirat durch diese selbst einzubeziehen. Es geht nicht um die Frage, ob einzelne Mitglieder des Nationalen Aids-Beirats – ob offen oder nicht offen – mit HIV infiziert sind. Und es geht nicht um die Frage, ob sie etwa in Aidshilfen arbeiten – Aidshilfe und Positiven-Interessen-Selbstvertretung sind zweierlei, dies sollte auch im Bundesgesundheitsministerium bekannt sein.

Es geht um die (auch: die politisch gewollte) Einbeziehung von Vertretern HIV-Positiver und ihrer Lebensrealitäten in genau dieser Funktion: Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver.

Und genau dies scheint das Bundesgesundheitsministerium nicht zu wollen.

Oder wie sollen wir es sonst verstehen, dass Selbst-Interessenvertretung von Menschen mit HIV und Aids im Nationalen Aids-Beirat nicht beteiligt ist? Dass die Lebenswelten und Probleme von drogengebrauchenden Menschen mit HIV oder von HIV-positiven Migrantinnen, um nur zwei Beispiele zu nennen, außen vor bleiben? Dass  in Deutschland scheinbar nicht gewollt ist, was in Lesotho oder Burkina Faso sogar vorgeschrieben wird, um internationale Mittel zu bekommen?

Müssen Menschen mit HIV und Aids erst wieder vor der Tür des Bundesgesundheitsministers demonstrieren, Die-Ins oder andere medienwirksame Aktionen veranstalten, ihm laut ihre Meinung sagen, bevor sie Gehör finden?

WILL der Bundesgesundheitsminister dann wenn es – bei ihm, in ’seinem‘ Nationalen AIDS-Beirat – drauf an kommt keine Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver? Oder interessiert es ihn schlichtweg nicht? Sind wir, unsere Meinung, unsere Interessen ihm letztlich doch egal? Sind all die netten Worte zum Welt-Aids-Tag oder bei anderen Anlässen wenn Kameras anwesend sind, nur ministerielles Blabla? Politiker-Geschwätz?

Es wäre schade. Und es würde überraschen. Denn Themen, bei denen Interessenlagen oder Ziele nahe bei einander liegen oder gar übereinstimmen, Politik und HIV-Positive an einem Strang ziehen, ein Austauschen und ggf. gemeinsames Agieren im Interesse aller Beteiligten wäre, die dürfte es durchaus geben …

Aber auch die Beteiligten des Nationalen Aids-Beirats selbst müssen sich fragen lassen, warum sie das Anliegen, Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver im Nationalen Aids-Beirat zu beteiligen, nicht unterstützen. Sie müssen sich fragen lassen, ob sie es vor der Öffentlichkeit, vor Aidshilfen und Kollegen, vor ihren Patientinnen und Patienten, aber vor allem auch vor sich selbst rechtfertigen können, an dieser bedeutenden Stelle der Formulierung deutscher Aids-Politik zwar über, aber kaum mit Menschen mit HIV zu sprechen und entscheiden?

Und Mitarbeiter/innen von Aidshilfe als Mitglieder des Nationalen AIDS-Beirats sowie die Deutsche Aids-Hilfe als Verband  müssen sich fragen lassen, ob sie sich instrumentalisieren lassen – um eine Selbst-Interessenvertretung HIV-Positiver zu verhindern? Gerät Aidshilfe hier in Gefahr, eines ihrer hehrsten Prinzipien zu verraten?

„Mit uns, nicht nur über uns “ und „Wir sind nicht das Problem, sondern Teil der Lösung“ – das waren einst Grundgedanken der Aidsarbeit, realisiert oft auch in deutscher Aids-Politik. Die daraus, aus der Einbindung und Selbst-Vertretung von Menschen mit HIV und Aids, auch eine ihrer Stärken bezog und internationale Anerkennung fand. Inzwischen scheinen diese Grundgedanken der Interessen-Selbstvertretung kurz davor zu sein, zu Lippenbekenntnissen bei Pressekonferenzen und hübschen Welt-Aids-Tags-Empfängen zu verkommen. GIPA? Fehlanzeige!

Müssen wir wieder zornig werden? Oder ist es nur an der Zeit, dass der Minister die von der Bundesregierung unterzeichnete Erklärung ernst nimmt, sie in die Praxis umsetzt? Und endlich Selbst-Interessenvertretung von Menschen mit HIV und Aids beteiligt, auch am Nationalen Aids-Beirat?

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UNAIDS: The Paris Declaration – Paris AIDS Summit – 1 December 1994 (pdf)

siehe auch:
alivenkickin 08.02.2011: Liebe weichgespülten HIV Positive, liebe weichgespülte Community

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(1) Anmerkung zu „kein Interessenvertreter von Menschen mit HIV“:
Ja, Rainer Jarchow ist Mitglied im Nationalen AIDS-Beirat. Laut Mitgliederliste benannt als „AIDS-Aktivist“. Rainer hat sich jahrelang auf vielen Ebene und an vielen Stellen verdienstvoll für den Kampf gegen Aids und für Menschen mit HIV und Aids eingesetzt. Rainer ist erfreulicherweise und verdientermaßen Ehrenmitglied der Deutschen Aids-Hilfe. Und sicher ein wichtiges Mitglied im ‚Nationalen AIDS-Beirat‘.
Aber – lieber Rainer, du bist als einziger nicht (mehr) in Aidshilfe Aktiver unter dem Titel ‚Selbsthilfe‘ in den Nationalen AIDS-Beirat benannt. Neben der Funktion als
„Fachbeirat Deutsche AIDS-Stiftung“ auch als „AIDS-Aktivist“. Bist du das? Heute noch? Ist das (die ganze) Positiven-Interessenselbstvertretung? Oder wie viel Gefahr von Instrumentalisierung liegt hierin?

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Aktualisierung 16. Mai 2011:
Der Nationale Aids-Beirat wird um bis zu zwei HIV-Positive ergänzt, teilt das Bundesgesundheitsministerium mit.

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Indignez-vous ! Empört Euch !

Indignez-vous !

Gast – Kommentar aus Paris von Manfred

Empört Euch ! ruft uns, in seinem kleinen Büchlein, der weise, bewundernswerte, alte Mann namens Stéphane Hessel* in den gerade 30 Seiten zu, die inzwischen in Frankreich in wenigen Wochen von Hunderttausenden gekaufte wurden. Viele warten auf die vorgesehene Neuauflage .

Empört Euch – Indignez-vous!, sagt er.
Ja, ich will es auch im kommen Jahr nicht lassen. Will nicht schweigen, will nicht mehr schweigen und wenn es sein muss, schreien, aufschreien. Denn Gründe dazu gibt es – leider – immer wieder.

Übersetzen wir erst einmal die ersten Linien seines Aufrufs zum „friedlichen Aufstand“:

„Das Basismotiv der Widerstandsbewegung war die Empörung. Natürlich, die Gründe, sich in unserer heutigen modernen Welt zu empören sind komplexer, können weniger klar sein als zur Zeit des Nazismus. Aber: „Sucht und Ihr werdet finden“: Der ständig steigende Unterschied zwischen sehr Reichen und sehr Armen, der Zustand unseres Planeten, die Art und Weise, wie Menschen ohne gültige Papiere behandelt werden, Einwanderer, Roms, das Rennen nach „immer mehr“, der Wettkampf und die Diktatur der Finanzmärkte bis hin zu der vermarkteten Errungenschaften der Widerstandsbewegung – Renten, Krankenversicherung …“

Dass Stéphane Hessel französische Gegebenheiten auflistet ist nicht verwunderlich. Aber: wie sieht es in andern Ländern anders aus? Hat nur Frankreich Probleme aller Art? Mitnichten, keineswegs.

Und das Unerträgliche ist, dass wir alle, wo immer auch, gleiche und auch andere Gründe haben, uns zu empören.

Darf ich nur einige davon nennen:

– Ich will mich nicht damit zufrieden geben, dass man erst in Monaten hier in Frankreich einem Kriminellen den Prozess macht, weil er vor mehr als einem Jahr schon und aus welchen Gründen auch immer – ein Berg davon würde nicht reichen ihm auch nur annähernd mildernde Umstände zuerkennen – ein homosexuelles Paar lebend – JA, LEBEND – in einem Quadratmeter großen Loch verscharrt hat, in dem beide, Gesicht zu Gesicht, Polizeiberichten zufolge, sich haben sterben sehen (Informationen hier: Le Figaro und Le Telegramme).
Wir haben es hier, in der Tat, mit einem besonders makabrem Beispiel der Homophobie zu tun. Und dennoch: in unseren Landen können wir noch mit etwas „Zivilisation“ rechnen. Anderswo, und die Zahl der Länder hat sich in den letzten Jahren um nicht eines verringert, werden Homosexuelle hingerichtet, gesteinigt, vergewaltigt.

– Ich will nicht mehr stillschweigend hinnehmen, dass in der Pharmaindustrie Unsummen verdient werden – und gleichzeitig durch gezielte Lobbyarbeit Kranken der Zugang zu lebensrettenden Medikamenten gesperrt wird: es gibt immer noch Länder, in denen HIV-Kranken keine Medikamente zur Verfügung stehen, weil die Pharmakonzerne sich immer noch weigern, dass dort Generika zur Verfügung stehen oder hergestellt werden dürfen.
Und hier, im Frankreich des XXI. Jahrhunderts haben, letzten Berichten zufolge, bisher mehr als 2.000 Menschen an einem unnützen und falsch angewandten Medikament (Mediator) sterben müssen, während Pharmakologen und Spezialisten schon Ende der neunziger Jahre dessen Gefährlichkeit anklagten.

– Und ich will mich nicht damit zufrieden geben, dass Zweifel, dass das eigene „sich-in-Frage-stellen“ oder auch nur Fragen stellen in der „Blogwelt“ immer noch, und vielleicht mehr denn je durch Arroganz und Rechthaberei ersetzt wird. Zumal von Menschen die ihr Berufsschwulentum zur Allgemeingültigkeit erklären – und sich irren. Während Andere, Wenige, unerlässlich kämpfen, erklären, helfen. Hélas, es sind leider nur Wenige.
Ihr lieben ‚Auch-Homosexuellen‘, ihr lieben Mitleidenden an dieser uns immer noch verfluchenden Krankheit: Je vous aime – ich kann es nicht besser sagen. Aber bitte: versuchen wir erwachsen zu werden. Die Zeit ist da.

– Und ich bin müde, mich durch die Hochglanz-Presse durchwühlen zu müssen, in der ich erst einmal Lady Gaga und andere schrille Glitterfiguren, wie auch den „mec de la semaine“, den ‚Kerl der Woche“ beiseite schieben muss, um eine lesenswerte Information zu finden. Selbst wenn ich die deutsche Presse auf diesem Gebiet kaum kenne, darf man wohl sicher sein, dass es dort ungefähr genauso aussieht. Natürlich müssen solche Veröffentlichungen leben: aber muss es denn ständig so sein wie Marguerite Yourcenar es einmal ausdrückte: „Tragik und Operette“? Nein: ich habe nichts gegen Letzteres. Aber, wie ich den „Gay-pied“ vermisse (und der, ich befürchte, wohl kaum wieder ins Leben gerufen werden wird) und die Menschen dieser Jahre, die mit Intelligenz und Abstand überlegten und sich aufregten, anklagten und Verbesserungen vorschlugen, kurz und gut mit Geschick und Nachdruck – beide schließen sich nicht aus – für unsere Sache eintraten!

Diese Aufzählung könnte fortgesetzt werden. Doch die wenigen hier angeschnitten Punkte führen bei kurzen Überlegungen zu anderen, nicht weniger wichtigen. Wie dieser letzte:

– Und keine Empörung über meinen eigenen HIV-Status? JJein. Es hat lange gedauert bis ich mich daran gewöhnt hatte, mit ihm zu leben und ich werde bis zum letzten Atemzug mit einem ganz gehörigem Paket voll Wehmut den glücklichen, sorglosen Jahren nachtrauern – aber auch denen, die mich zweimal vor dem Absturz gerettet haben. Merci! Danke! Es war schwierig, ja. Aber sie waren da, jeder der zählte.
Ich wage es kaum zu sagen: nie, nicht einmal habe ich das Gefühl gehabt, dass diese oder jener, die sich um mich sorgten, nicht das Bestmögliche getan haben. Und dazu zähle ich auch öffentliche Einrichtungen wie Krankenkasse und dergl. Ich weiß, es gibt immer noch Probleme bei anderen, auch in unseren Landen. Nicht alle haben das gleiche Glück gehabt.

Das ist der Daseinsgrund dieses Blogs – wie der Anderer. Das ist eben der Grund Stéphane Hessel’s Aufruf ernst zu nehmen wenn er sagt: Indignez-vous! EMPÖRT EUCH ! wenn es sein muss.

Das neue Jahr beginnt gerade. Was ich uns, Euch, was ich mir wünsche ist unter anderem Kraft zur Empörung. Was mich betrifft: non! „Manfred wir die Klappe nicht halten!“ Basta.

Für Alle une Bonne et Heureuse Année !
Ein Glückliches Neues Jahr !

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*)
Ein paar Worte zur außergewöhnlichen Persönlichkeit von Stefan Hessel, denn als solcher wurde er 1925 in Berlin als Sohn eines jüdischen Schriftstellers und einer protestantischen Mutter geboren. Dies Elternpaar ging übrigens in die Filmgeschichte ein Dank eines Buches des Vaters, in dem er die vor Glück geradezu strahlende Dreiecksgeschichte aus seiner Jugend erzählt und aus der François Truffaut später den Film „Jules et Jim“ mit einer ebenso strahlenden Jeanne Moreau in der Rolle seiner Mutter drehte.
Im Jahr 1925 zieht die Familie nach Paris, wo Hessel sein sehr weit reichendes Studium macht. 1937 wird er französischer Staatsbürger. Widerstandskämpfer der ersten Stunde, er wird im Jahr 1944 von de Gaulle zur einer besonderes „Mission“ nach Paris geschickt, dort von der Gestapo verhaftet, nach Buchenwald deportiert. Durch die Hilfe eines Arztes, der ihm und zwei seiner Kameraden falsche Papiere besorgt, kann er entkommen. Jedoch Monate später erst ist er wirklich frei.

Stéphane Hessel ist Botschafter und war an der Ausarbeitung der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ beteiligt.
Ein ausführlicher Artikel bei „Wikipedia“ und auch hier, was einen Teil seiner Stellungnahmen in seinem Buch betrifft: L’Express

(Gast – Kommentar von Manfred)

Über können Sollen und wollen Dürfen – Gedanken zur Zukunft der Interessenvertretung HIV-Positiver

Über können Sollen und wollen Dürfen – Gedanken zur Zukunft der Interessenvertretung HIV-Positiver

Meine Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

Ich freue mich, hier an diesem besonderen Ort zu Ihnen sprechen zu dürfen.
Ich möchte Ihnen erläutern,
– warum ich die Gefahr sehe, dass Selbsthilfe demnächst am Ende ist,
– und was wir dagegen unternehmen können.
– Und warum unser Problem zentral mit dem Verhältnis von Selbsthilfe und Aidshilfe zu tun hat.

Erinnern wir uns kurz. Erste Berichte aus den USA 1981, bereits im Juli 1982 der erste Aids-Patient in Deutschland, hier in Frankfurt. „Tödliche Seuche Aids“ beschrieb der ‚Spiegel‘ 1983 das damalige Gefühl. Eine kaum greifbare Bedrohung zunächst unbekannter Ursache.

Ausgrenzung und Diskriminierung waren damals in viel größerem Umfang als heute konkret erlebbar.

Schwule Männer nahmen „die Sache“ selbst in die Hand: ab September 1983 wurden in Deutschland Aidshilfen gegründet, auch – vor 25 Jahren – hier in Frankfurt.

Das Erleben des massenhaften Erkrankens, Sterbens von Freunden, Weggefährten hat auch mich Ende der 80er Jahre vom Schwulenbewegten zum Aids-Aktivisten gemacht.

Aidshilfe entwickelte sich in Dialog und Auseinandersetzung mit Selbsthilfe. Die Bundesweiten Positiventreffen entstanden 1986, gerade weil Positive sich nicht in Aidshilfe wiederfanden.

Festzuhalten bleibt:
– Selbsthilfe war eine Notwendigkeit.
– Sie begann als Gegenwehr – weil sich sonst niemand kümmerte.
– Selbsthilfe und die Auseinandersetzung mit ihr waren konstitutiv für Aidshilfe

Von Beginn an hatte Aidshilfe allerdings mehr Aufgaben als die Unterstützung von Selbsthilfe, wurde bezahlt vor allem für Primärprävention.
Selbsthilfe hingegen hat einen engeren Fokus: Menschen mit HIV und ihre Interessen. Sie umfasste von Beginn an gegenseitige Unterstützung und aktive Interessen-Selbstvertretung – und fand bald zu überregionaler Zusammenarbeit und politischer Selbstorganisation.

Im September 1990 trafen sich hier in Frankfurt 250 HIV-Positive unter dem Motto „Keine Rechenschaft für Leidenschaft“ zur ersten „Bundes-Positiven-Versammlung“. Ihr Grundgedanke:

„So unterschiedlich wir auch leben mögen, wir lassen uns nicht auseinanderdividieren, gerade nicht in dem zentralen Punkt: Unser Leben – und sei es auch zeitlich noch so begrenzt – wollen wir selbst bestimmen und in allem, was unser Leben von außen beeinflusst, wollen wir selbstbewusst und selbstverständlich mitentscheiden …“

Hier werden die Kern-Anliegen damaliger Positiven-Selbsthilfe sichtbar:
– wir wollen selbst bestimmen,
– wir wollen mit entscheiden,
– und wir sind solidarisch.

Einen deutlichen Ausdruck fanden dieses Anliegen in den ACT UP Gruppen. Sie entstanden Ende der 1980er Jahre auch in Deutschland, auch hier in Frankfurt. Angst sowie Wut über Ignoranz waren Motoren dieser aktivistischen Selbsthilfe HIV-Positiver.

Lasse ich diese Erinnerungen an eine Vergangenheit, die gerade einmal zwanzig Jahre her ist, heute Revue passieren, staune ich – war die Zeit damals so anders?
Ja, sie war es.

Die Angst von damals ist nicht mehr – „der Druck ist raus“.
Von Zorn, von Wut weit und breit keine Spur.
Im Gegenteil, die Lage scheint „entspannt“ – Gegenwehr nicht mehr erforderlich.

Eine Frage kommt mir in den Sinn: Wollen HIV-Positive heute überhaupt – wie 1990 hier in Frankfurt formuliert – auch heute noch ihr Leben als Positive selbst bestimmen, über die Gestaltung sie betreffender politischer Rahmenbedingungen mit entscheiden? Und solidarisch?

Das Kern-Anliegen positiver Selbsthilfe – selbst bestimmen, mit entscheiden, Solidarität – trägt es auch heute noch?

Etwas hat sich, meine Damen und Herren, entscheidend verändert.
Etwas, dem wir längst den problematischen Namen ‚Normalisierung‘ gegeben haben.

‚Normalisierung‘ – dieser Begriff umschreibt, wie viele Positive ihre heutige Lebensrealität erleben, in der grundlegende Bedürfnisse meist befriedigend gedeckt sind. Für manche Positive am Rand der Gesellschaft gilt allerdings selbst dies nicht, z.B. Illegalisierte, Menschen in Haft oder psychisch Kranke.

HIV und Aids haben viele Jahre eine überproportional hohe Aufmerksamkeit erhalten, hohen Einsatz von Ressourcen, großes mediales Interesse. Je „normaler“ HIV wird, desto deutlicher wird dieses außerordentliche Interesse zurück gehen – mit weitreichenden Folgen, auch für Selbsthilfe. Die Zeit des „Aids-Exzeptionalismus“ geht ihrem Ende entgegen. Die HIV-Infektion verliert zunehmend ihren Sonderstatus.

‚Normalisierung‘ bringt Banalisierung mit sich.

Bei aller vermeintlichen ‚Normalisierung‘, eines wird sich nicht ändern.
Noch immer scheut sich die Mehrzahl der Positiven, offen mit ihrem Serostatus umzugehen. Wie reagiert der Typ, der mir gefällt, wenn ich ihm sage, ich bin positiv? Was würde mein Arbeitgeber machen? Und behandelt mich mein Zahnarzt dann noch?
Tabuisierung, Diskriminierung haben sich grundlegend nicht verändert.

Die Stigmatisierung bleibt bestehen.

‚Normalisierung‘ und Banalisierung bei einer weiterhin bestehenden Stigmatisierung können eine zusätzliche Konsequenz für HIV-Positive haben:
Wenn HIV nichts ‚Besonderes‘ mehr ist, sind es vielleicht bald auch Positive nicht mehr. Wenn allerdings das Stigma Aids weiter besteht, und mit ihm Stigmatisierung und Diskriminierung – dann liegt der Gedanke nahe, dass aus dem Sonderstatus schnell die Rand-Position, die des Weggedrängten werden kann.

‚Normalisierung‘ kann zur Marginalisierung führen.

Banalisierung – Stigmatisierung – Marginalisierung, eine Lage, die nach Selbsthilfe förmlich zu schreien scheint. In welchem Zustand also sind Selbsthilfe und Selbstorganisation von Menschen mit HIV heute?

Vor einigen Wochen entdeckte ich beim Bummeln durch meinen Berliner Kiez diese Postkarte: ein staunend dreinblickendes Kind denkt:

Wenn ich nur darf, wenn ich soll,
aber nie kann, wenn ich will,
dann mag ich auch nicht, wenn ich muss.
Wenn ich aber auch darf, wenn ich will,
dann mag ich auch, wenn ich soll,
und dann kann ich auch, wenn ich muss.
Denn schließlich: Die können sollen,
müssen auch wollen dürfen.

Diese Worte erinnerten mich an die Situation von Selbsthilfe.
Ich hatte zu Beginn meiner Rede die Befürchtung geäußert, dass Selbsthilfe demnächst am Ende ist. Darauf möchte ich nun zurück kommen und aufzeigen, warum ich diese Gefahr sehe.

Sicher, aus Aidshilfe-Kreisen sind gelegentlich Sätze zu hören wie „Selbsthilfe ist unsere tragende Säule“. Aber wie viel Wunsch-Denken und political correctness sind hier im Spiel? Die gelebte Realität scheint mir anders auszusehen.

Ja, auch heute gibt es funktionierende Selbsthilfe. Aber …

Selbsthilfe regt sich, oftmals fernab von Aidshilfe, zum Beispiel in Internet-Foren, in virtuellen Netzwerken, aber auch in privaten Gruppen. Diese ‚private‘ Selbsthilfe widmet sich meist gegenseitiger Unterstützung. Selten findet sie zur Artikulation eigener Interessen, noch seltener zu politischer Interessen-Vertretung.

Und es gibt überregionale Selbsthilfegruppen, teils sogar institutionell in Strukturen wie Aidshilfe eingebunden. Wie sieht es hier aus?

– Da gibt es Gruppierungen mit hochtrabenden Namen, die kaum ein einziges HIV-positives Mitglied zu haben scheinen – wohl aber Sozialarbeiter und andere nur von, aber nicht mit HIV Lebende.
– Es gibt Gruppen mit bundesweitem Anspruch, die kaum genügend aktive Mitglieder aufweisen, um ihre Treffen zu füllen.
– Oder Gruppen, die nur noch ihrem Namen nach existieren.
– Und es gibt Organisationen, die gute Arbeit leisten – jedoch nur in ihrer Region, zu ihrem Themengebiet, zu Lasten vieler anderer Themen, die liegen bleiben.

Zu sagen, es gebe heute keine funktionierende Selbsthilfe mehr (wie gelegentlich zu hören ist), geht an der Realität vorbei. Es gibt stellenweise eine aktive regionale oder themenspezifische Basis.

Auf überregionaler Ebene jedoch sieht es düsterer aus:

– Wir haben Selbsthilfe-Gruppen, die wir nicht brauchen.
– Wir haben Gruppen, die scheinbar keine Selbsthilfe sind – oder nur noch dem Namen nach.
– Und wir haben Gruppen, die auf ihrem begrenzten Gebiet einen halbwegs guten Job machen.

Aber wir haben nicht, was wir brauchen:
eine engagierte, mutige, bundesweite Positiven-Selbstorganisation und -Interessenvertretung.

An diesem Zustand sind wir Positive selbst mit schuld: wir verschwenden unsere Energien. Wir tun, was wir nicht brauchen – und wir tun nicht, was wir brauchen.

Bemerkenswert ist: trotz dieses beklagenswerten Zustands – das Märchen einer vitalen Positiven-Selbsthilfe wird weiter aufrecht erhalten. Eine Situation, die an die ‚potemkinschen Dörfer‘ erinnert. Die Behauptung, es gäbe vitale Selbsthilfe, steht im Raum – aber real ist da viel heiße Luft, nur vor sich her getragener Anspruch!

Diese Situation ist, wie ich zu Beginn bereits angedeutet habe, meiner Ansicht nach im Verhältnis von Selbsthilfe und Aidshilfe begründet.

Selbsthilfe verleiht Legitimation. Legitimation der ‚Basis‘, der ‚Betroffenen‘. Selbsthilfe hilft, den eigenen Mythos aufrecht zu erhalten. Zum Beispiel den Mythos einer von unten, von den Lebenssituationen und Bedürfnissen der Betroffenen getragenen Organisation.
Das Aufrechterhalten der Illusion einer lebendigen Selbsthilfe dient wohl auch einer Organisation, die selbst einen großen Teil ihrer Legitimation daraus bezieht: der Aidshilfe. Für Aidshilfen ist es attraktiv, das Bild aufrecht zu erhalten, sie seien Organisationen mit umfangreicher Beteiligung HIV-Positiver, mit florierender Selbsthilfe.

Das Problem dabei: dieses ‚potemkinsche Dorf‘ vergeudet Ressourcen, zum Aufrechterhalten überholter Strukturen. Ressourcen, die an anderer Stelle fehlen, besser eingesetzt werden sollten, um realen Freiraum für Selbst-Interessenvertretung zu ermöglichen.

So dämmert Selbsthilfe vor sich hin, in manchmal liebevoller, manchmal berechnend-kühler Umarmung der Aidshilfen – die so das Siechtum der Selbsthilfe fördern und bestärken.

Hält Aidshilfe den Mythos Selbsthilfe aufrecht – um dessen positiven Effekte für sich zu nutzen?
Wir befinden uns mitten in der Partizipationsfalle!
Genau hier liegt ein Kern des Problems von Selbst-Interessenvertretung!

Dabei zeigt ein kurzer Blick über den deutschen Gartenzaun, dass Selbstorganisation heute attraktiv und wirksam sein kann – und das im Dialog mit Aidshilfe, kritisch und konstruktiv:
– Gruppen wie „The Warning“ in Frankreich vertreten positive Interessen wahrnehmbar, auch in Dissens zu Gruppen wie Aides.
– Die holländische Gruppe „poz & proud“ trägt HIV-positives Selbstbewusstsein nicht nur im Namen, sondern lässt es auch durch Aktionen, Publikationen und Veranstaltungen erlebbar werden.
– Die Schweizer Gruppe „LHIVE“ (deren Präsidentin Michèle Meyer hier letztes Jahr gesprochen hat) ist sehr erfolgreich auch politisch aktiv, war z.B. am Entstehen des EKAF-Statements beteiligt.

Und Deutschland?
Wir verlassen uns darauf, dass Aidshilfe stellvertretend die Interessen von Menschen mit HIV vertritt.

Dabei sollten wir aus eigener Erfahrung wissen, wie riskant dieses Verlassen auf Stellvertreter ist. Es spekuliert auf unveränderte Rahmenbedingungen. Es unterstellt, dass Stellvertreter willens und kompetent sind, unsere Interessen zu vertreten. Es wird spätestens bei konträren Interessenlagen problematisch .
Eine sichere Bank ist dieses Verlassen auf Stellvertreter nicht.

Aidshilfe ist immer maximal der zweitbeste Vertreter der Interessen von HIV-Positiven. Der beste sind – wir selbst!

Wir haben an diesem Punkt zwei Möglichkeiten:

Wir machen weiter wie bisher. Meine Prognose: in zwei bis drei Jahren gibt es dann überregionale Positiven-Interessenvertretung überhaupt nicht mehr, mangels Masse. Positive Interessen werden ausschließlich stellvertretend durch Aidshilfe wahrgenommen. Selbsthilfe ist dann am Ende.

Kann das unser Weg sein? Ich denke nein.
Ein „weiter so“ kann nicht in unserem Interesse sein.

Können wir Positive es uns überhaupt erlauben, weiterhin ohne starke Selbst-Interessenvertretung dazustehen?

Wollen wir, dass Debatten um Normalisierung, Banalisierung und Marginalisierung geführt werden – über uns, vielleicht gegen uns, in jedem Fall aber ohne uns?

Wollen wir uns weiter auf das gemachte Nest aus Schwerbehindertenausweisen, bezahlten Positiventreffen etc. verlassen? Und falls es – ob durch Normalisierung oder Spar-Debatten – in Gefahr gerät, können wir es uns leisten, dann ohne eigene Interessenvertretung dazustehen?

Wollen wir, wir Menschen mit HIV und Aids, uns bei der Formulierung, bei der politischen Vertretung unserer ureigensten Interessen weiterhin stellvertretend auf Aidshilfe verlassen? Reicht das?

Wollen wir weiter Bilder von ‚verantwortungslosen Positiven‘, von ‚Biowaffen‘ und ‚Todesengeln‘ unwidersprochen hinnehmen? Wollen wir die Herstellung der Bilder, die sich die Gesellschaft vom Leben HIV-Positiver, von uns macht, wirklich ausschließlich anderen überlassen – während Positive weiter brav den Mund halten?

Wollen wir anstehende Debatten um Mittelkürzungen, um Medikalisierung der Prävention, Debatten mit einem hohen Potential zusätzlicher Diskriminierung, ausschließlich anderen, Politikern, der Pharmaindustrie überlassen – über unsere Köpfe hinweg, ohne eine eigene starke Stimme?

Können wir das wirklich wollen? In unserem ureigensten persönlichen Interesse?

Ich denke nein.

Die Schlussfolgerung ist für mich klar:

Wir haben heute eine leistungsfähige Aidshilfe – und das ist gut!

Was wir jetzt brauchen, ist eine
organisierte Selbsthilfe und Selbst-Interessenvertretung
neben der Aidshilfe, kritisch und solidarisch –
aber unabhängig.

Ich danke Ihnen.

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Der Text entspricht bis auf geringe Änderungen der Rede, die ich unter dem Titel „Grenzen der Selbsthilfe – Begrenzte Selbsthilfe?“ am 1. Dezember 2010 anlässlich der Welt-Aids-Tags-Veranstaltung 2010 der Frankfurter Aids-Hilfe in der Paulskirche gehalten habe.

Die ‚Paulskirchen-Veranstaltung‘ der Frankfurter Aids-Hilfe ist seit vielen Jahren eine der eher wenigen Gelegenheiten, zu denen Aidshilfe Diskurs (auch kritischen Diskurs) sucht und bietet – danke, wir bräuchten mehr davon!

Ich wünsche mir eine angeregte, gern auch kontroverse Debatte zu dem Thema ‚Zukunft der Selbst-Interessenvertretung von Menschen mit HIV‘. Schließlich, es geht darum, wie wir unsere eigenen Interessen zukünftig vertreten wissen wollen.
Also – ran an die Kommentare 🙂

Für Anregungen und Hinweise danke ich Andreas, Manfred, Matthias Michèle, Stefan, Wolfgang – und besonders Frank für Geduld und Unterstützung !

Der Original-Text der Rede steht auch als pdf im Bereich „Downloads“ zur Verfügung.

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siehe auch:
diego62 02.12.2010: Nachlese zum Welt-Aids-Tag
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Tätowieren wäre effizienter und ehrlicher

Die Schweiz will versuchen, die Zahl der Neuinfektionen mit HIV bis 2017 zu halbieren. Ein Mittel dabei unter anderen soll die Information von Kontaktpersonen sein – vom zuständigen Leiter der Sektion Aids des Bundesamts für Gesundheit als „kultureller Wandel“ bezeichnet.

Dazu ein persönlicher Kommentar von Michèle Meyer:

Tätowieren wäre effizienter und ehrlicher

Als Präsidentin von Lhive, der Organisation von Menschen mit HIV und AIDS in der Schweiz, als AIDS-Aktivistin und Bürgerin dieses Landes, werde ich die Verlautbarung von Roger Staub und dem BAG zum neuen nationalen Programm HIV & STI, nicht unkommentiert lassen können. Ich knorze seit Tagen an einer Stellungnahme. Ich bin zutiefst schockiert über die Allmachtsphantasien (Halbierung der Ansteckungen! )und die unsägliche Vorstellung von „kulturellem Wandel im Umgang mit Krankheiten“ Die R. Staub propagiert.

Kultureller Wandel
Als weiteres Ziel hat sich das Bundesamt für Gesundheit (BAG) einen «kulturellen Wandel» im Umgang mit den Krankheiten gesetzt, wie Roger Staub, zuständig für Prävention und Promotion im BAG, sagte. «Es soll selbstverständlich sein, dass ( HIV) positiv getestete Personen freiwillig ihre Angehörigen informieren», erklärte er.
Im Zusammenarbeit mit Organisationen und Fachstellen will das BAG künftig die Angehörigen von Patienten informieren – allerdings nur, falls diese einverstanden sind.
Staub berichtete von einem Angebot für Homosexuelle der Zürcher Aids-Hilfe: Werde ein Mann in der Anlaufstelle «Checkpoint» positiv auf HIV getestet, biete die Stelle an, sämtliche Sexualpartner per SMS oder E-Mail zu informieren. So sollen weitere Ansteckungen vermieden werden. [Quelle Tagesanzeiger]

Warum ist uns dies nicht schon lange eingefallen?!

Einfacher geht’s doch nicht:

Wir lassen uns von den Aids-Hilfen einfach fremd-outen, per SMS.

Die Handynummern unserer SexualpartnerInnen geben wir blind vertrauend an Sozialarbeiter weiter und fertig ist das Jammern rund um das Coming-out und all die Ängste vor Ausgrenzung , Ablehnung, Diskriminierung und Kriminalisierung! Ganz zu schweigen vom mühseligen Prozess der Selbstakzeptanz. Wir sind befreit!

Die SMS-Empfänger werden sich auch bestimmt nicht wundern, wenn das Handy surrt und folgende mögliche Textnachricht unverhofft hereinflattert:

:“ Guten Tag, Sie hatten kondomlosen Sex mit einer/ einem HIV-Infizierten. Dreimal dürfen Sie raten wer es war! Bitte testen sie sich anonym in nützlicher Frist. Wir senden Ihnen gerne einen Reminder. Sollten Sie sich infiziert haben, begrüßen wir sie herzlich in der Gruppe der Marginalisierten und weisen darauf hin, dass sie die Möglichkeit haben ihren „ Anstecker“ anzuzeigen. Behandeln Sie diese Informationen bitte vertraulich. Ihre Aids-Hilfe. „

Was logischerweise darauf folgen muss, ist, dass wir in Zukunft auch unsere aktuellen Sexualpartner melden und wenn möglich schon vor dem ersten Date per SMS aufklären lassen. Schließlich gehört unsere Sexualität vom Moment der HIV-Diagnose nicht mehr uns; Sozialarbeiter, Institutionen und Ämter müssen wissen was wir mit wem wann und wie „ gruusiges“ machen! Denn nur so können sie adäquat auf diese konstante Bedrohungen antworten und Negativen-Hilfe vom Schreibtisch aus tätigen.

Apropos: Mir scheint diese SMS-Outing Geschichte geradezu ein klassischer Fall von Schreibtischtäterei zu sein. Ob da mal einer MSM verkehrtherum geschrieben hat und es so zur zündenden Idee kam?

Coming-out ist nun Beratersache, Partnerinformation nennt es sich hübsch. Ja und natürlich nur freiwillig. Wobei diese Freiwilligkeit ja zur Selbstverständlichkeit erklärt werden soll.

Tätowieren wäre effizienter und ehrlicher.

Ich konstatiere: Dies ist das Ende der Solidarität, das Ende der Aids-Hilfen und das Ende vom Mär des AIDS-Aktivisten Roger Staub. Er unterwandert zielstrebig die Mündigkeit und Freiheit des einzelnen um seine Allmachtsphantasien voranzutreiben und die Aids-Hilfe ist das aufführende Organ.

Gekauft. Geschenkt.

Ich distanziere mich hiermit von diesem sogenannten „ kulturellem Wandel“, sowie von dessen Urheber und seinen Mitläufern und Zudienern.

Ich bin überzeugt, dass der kulturelle Wandel, den es anzustreben gilt nicht mit Fremd-outing beginnt und endet (oder ist etwa Nachbetreuung vorgesehen?!) sondern nur durch Entdiskriminierung und Entkriminalisierung beginnen kann!

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siehe auch:
DAH-Blog 07.12.2010: HIV-SMS vom Schweizer Amt wirbelt Staub auf
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