Zu 1.140 Euro Schadenersatz wurde ein HIV-positiver Mann in Köln verurteilt, wegen Sex ohne Kondom. Er musste dem Kläger 75% der Kosten für Medikamente erstatten.
Sie lernten sich im September 2009 über eine Internet-Plattform kennen, ein HIV-positiver Mann und ein russischer Austausch-Student. Nein, ein Schutz mit Kondomen sie nicht nötig, antwortete der HIV-Positive auf Nachfrage. Er nimmt Aids-Medikamente, ist mit der Viruslast unter der Nachweisgrenze. Weiß, dass die Infektiosität so sehr stark reduziert ist (siehe ‚EKAF-Statement‘, „keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs„).
Im Profil des Beklagten habe dieser ausdrücklich auf verlinkte ‚Clubs‘ hingewiesen; hieraus sei offen ersichtlich, dass er HIV-positiv sei.
Später jedoch erzählt er von seiner HIV-Infektion, sowie dass er aufgrund seiner wirksamen Therapie nicht infektiös sei. Der Austausch-Student bekommt dennoch Angst, sich angesteckt zu haben. Er kontaktiert einen Arzt, bekommt eine PEP (Post-Expositions-Prophylaxe, Medikamente gegen HIV direkt nach einem möglicherweise risikobehafteten Kontakt, die eine Infektion verhindern sollen).
Und der Austausch-Student reicht Klage ein gegen seinen Sexpartner. Er möchte die Kosten für die PEP in Höhe von 1.520,45 € vom Beklagten erstattet bekommen. Seine russische Krankenversicherung hatte sich geweigert, die Kosten zu übernehmen.
Der HIV-Positive wurde vom Amtsgericht Köln zur Übernahme von 75% der Kosten für die beim Kläger eingesetzte PEP (Post-Expositions-Prophylaxe) verurteilt. Er hätte den Kläger auf seine Infektion hinweisen müssen, damit dieser selbst das Risiko abwägen und selbst entscheiden könne. Der Beklagte habe den Kläger nicht vor dem Geschlechtsverkehr über seine HIV-Infektion informiert, weil er „befürchtete, der Kläger werde ganz von einem sexuellen Kontakt Abstand nehmen.“
Die Klage sei gemäß § 823 (1) BGB (Gesundheitsverletzung) aufgrund der Angst, sich infiziert zu haben, und der psychischen Beeinträchtigung begründet. „Die Verletzungshandlung des Klägers liegt in der Ausübung des Geschlechtsverkehrs ohne die Benutzung eines Kondoms trotz Kenntnis von seiner HIV-Infektion.“
Der Kläger müsse sich eine Mitschuld anrechnen lassen, so das Amtsgericht. Er hätte auch selbst für Schutz sorgen können. Ihm wurden 15 25% der Kosten angelastet.
Der Kläger infizierte sich nicht.
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Nachtrag 23.10., 16:00 Uhr:
War eine PEP (deren Verordnung und daraus folgende Kosten ja Klage-Gegenstand gewesen zu sein scheinen) in der konkreten Situation überhaupt erforderlich?
Die „Deutsch-Österreichische Empfehlungen zur HIV-Postexpositionsprophylaxe“ sagen zur Frage „Indikation zur HIV-PEP nach sexueller und anderer HIV-Exposition“ klar:
„Ungeschützter insertiver oder rezeptiver vaginaler oder analer Geschlechtsverkehr (z.B. infolge eines geplatzten Kondoms) mit einer HIV-infizierten Person ⇒ empfehlen, außer wenn Indexperson unter stabiler HAART (VL<50 Kopien seit mind. 6 Monaten)“ (Seite 3 ‚Indikation zur HIV-PEP‘).
Nachtrag 25.10.2010:
Die Urteilsbegründung ist anonymisiert inzwischen von der DAH publiziert (pdf).
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weitere Informationen:
Amtsgericht Köln Az.: 113 C 598/09 (auf dem Justiz-Server NRW bisher nicht online) (siehe oben Nachtrag 25.10.)
Express Köln 22.10.2010: Schadenersatz nach HIV-Verkehr
queer.de 23.10.2010: Schadensersatz für Sex ohne Kondom
Matthias Gerschwitz 23.10.2010: Die Folgen der Freude
Deutsch-Österreichische Empfehlungen zur HIV-Postexpositionsprophylaxe (Stand Januar 2008 – Kurzfassung)
DAH 25.10.2010: HIV-Positiver zu Schadensersatz verurteilt
Steven Milverton 31.10.2010: Ver-urteilt
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