Kurz notiert … Oktober 2010

28. Oktober 2010: Hepatitis C : Die DAH weist hin auf Verhaltensänderungen bei Hepatitis-C-Behandlung: neue Medikamenteninformationen

24. Oktober 2010: Trotz seiner langwährenden Freundschaft mit Ernie sei er nicht schwul, lässt Sesamstraßen-Figur Bert erklären.

22. Oktober 2010: Die derzeit angewendeten US-Behandlungsrichtlinien für die Behandlung von Syphilis bei HIV-Positiven haben eine sehr geringe Evidenz-Basis, betont eine Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift.

Mit Ritonavir (Handelsname Norvir®) geboostetes Saquinavir (Invirase®) kann zu Herzrhythmusstörungen führen, berichten Medien. Die US-Packungsbeilage wurde geändert.

Der Pharmakonzern Johnson & Johnson macht Infektionskrankheiten (darunter HIV)  zu einer Priorität seiner Geschäftsaktivitäten.

21. Oktober 2010: Den seltenen Fall einer HIV-Übertragung durch eine Messer-Attacke haben Forscher in Taiwan dokumentiert.

19. Oktober 2010: Auch München braucht einen Gedenkort für schwule NS-Opfer, fordert die Rosa Liste in einem Antrag.

15. Oktober 2010: Zwei HIV-positive Strafgefangene haben vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erfolgreich gegen Russland bzw. gegen die Ukraine geklagt. Sie erhielten Schmerzensgeld in Höhe von 27.000 bzw. 8.000 Euro zugesprochen, ihre medizinische Versorgung sei menschenunwürdig.

Die ARGE muss die Fahrtkosten zur Substitutionsbehandlung übernehmen, urteilte das Sozialgericht Wiesbaden.

Aids könne eine „Art von immanenter Gerechtigkeit“ für den Missbrauch der Liebe sein, meint der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz von Belgien.

14. Oktober 2010: Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat ihre Richtlinie zur Behandlung der HIV-Infektion bei Frauen und Kindern aktualisiert.

13. Oktober 2010: Über 80.000 Menschen im Iran seien an Aids erkrankt, meldet der unabhängige Sender ‚Radio Zamadeh‘ aus Amsterdam. Offizielle Zahlen liegen bei 22.000.

Der Pharmakonzern Abbott hat mit dem niederländischen Biotech-Unternehmen Qiagen eine Vereinbarung geschlossen über die gemeinsame Vermarktung von Tests auf HIV, Hepatitis C und Humane Papilloma-Viren.

„The Gay Liberation Front’s social revolution“ – Peter Tatchell erinnert in einem Kommentar an die Gründung der Schwulengruppe ‚Gay Liberation Front‚ in London am 13. Oktober 1970.

11. Oktober 2010: Der Vertreib von HIV-Heimtests ist gesetzlich geregelt, (nicht nur) die DAH warnt immer wieder. Nun warnen auch Ärzte vor HIV-Heim-Tests.

Medizinische Leitlinien haben weitreichende Folgen. Entstehen sie immer unabhängig? Über Interessenverflechtungen berichtet „Augen auf beim Leitlinien-Kauf“

9. Oktober 2010: In Paris findet die  erste Internationale Konferenz homosexueller Muslime (CALEM Conférence des associations LGBT européennes et musulmanes) statt – unter Beteiligung der beiden einzigen offen homosexuellen Imame.

7. Oktober 2010: Uridin hilft nicht gegen Fettschwund bei HIV-Positiven (Lipoatrophie), zeigte eine US-Studie.

6. Oktober 2010: Erstmals soll ein ‚therapeutischer Impfstoff‚ eine „funktionale Heilung“ erreicht haben – bei SIV, einer ‚Affen-Variante‘ von HIV. In einer Gruppe mit der Substanz des Unternehmens VIRxSYS Corporation geimpfter Affen soll die HIV-Vermehrung unter Kontrolle und das Voranschreiten der Erkrankung aufgehalten worden sein.

5. Oktober 2010: Wegen Unwirksamkeit beendet der Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) alle seine Studien zum Herpes-Impfstoff „Simplirix“.

4. Oktober 2010: Klassischer Fall von Homophobie gepaart mit Serophobie in Indonesien: der Informationsminister macht Schwule für Aids verantwortlich.

„Schwulenhass bleibt ein Thema“, betont Dirk Brüllau vom schwul-lesbischen Netzwerk „Queer Football Fanclubs“ zum Thema Homophobie und Fussball im Magazin „11FREUNDE“.

3. Oktober: Der Brite Robert Edwards erhält den diesjährigen Medizin-Nobelpreis für die Entwicklung der künstlichen Befruchtung. Erst jüngst hatte der G-BA einen Anspruch auf künstliche Befruchtung als GKV-Leistung auch für von HIV betroffene Paare beschlossen.

2. Oktober: US-Präsident Obama entschuldigt sich nach über 60 Jahren für Syphilis-Versuche in den 1940er Jahren. Ohne ihr Wissen wurden 1.500 Menschen in Guatemala mit Syphilis infiziert, um die Wirkungsweise von Penicillin zu untersuchen. Die Teilnehmer hatten keinerlei Möglichkeit einer informierten Einwilligung (informed consent). Die Untersuchungen fanden im Zusammenhang mit dem berüchtigten „Tuskegee Syphilis Experiment“ statt.

1. Oktober 2010: Homosexuelle mit einzubeziehen sei entscheidend für Malawis Kampf gegen Aids, betonte die Vizepräsidentin des afrikanischen Staates, Joyce Banda, bei einem Spitzentreffen religiöser Führer. Schwule und Lesben seien eine Realität in Malawis Gesellschaft, dies dürfe nicht ignoriert werden.

Welche Anforderungen und Bedürfnisse haben Transgender-Männer an HIV-Prävention?, fragt ‚Youths2getherNetwork: „What are transgender men’s HIV prevention needs?“

Sexualaufklärer Oswald Kolle ist bereits am 24. September im Alter von 81 Jahren in den Niederlanden verstorben, wie erst am 1. Oktober bekannt wurde.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hat am 1. Oktober den Verdienstorden des Landes Berlin an 14 Bürgerinnen und Bürger verliehen, darunter auch an Kai-Uwe Merkenich, von 2000 bis 2009 Geschäftsführer des Berliner Aids-Hilfe e.V..

Der von der französischen Staatssekretärin für Sport Rama Yade angekündigte ‚Aktionsplan gegen Homophobie im Sport‚ nimmt Gestalt an, die Arbeitsgruppe, die den Plan entwickeln soll, kam zu einem ersten treffen im Ministerium zusammen.

Guter Posi, böser Posi – Folgen der Biomedikalisierung der Prävention

Guter Posi, böser Posi

Folgen der Biomedikalisierung der Prävention

ein Gast-Kommentar von Phil. C. Langer

Es waren mitunter zwei miteinander zusammenhängende Themen, die vor zwei Jahren auf der Welt-AIDS-Konferenz in Mexiko im Mittelpunkt vielfältiger und kontroverser Diskussionen standen. Während unter dem Schlagwort der „Kombinationsprävention“ eine effektive Zusammenführung von Ansätzen thematisiert wurde, die sowohl auf Veränderungen des Verhaltens und der Verhältnisse als auch auf biomedizinische Interventionsinstrumente zielten, wurden letztere anhand der männlichen Beschneidung als Möglichkeit, die Übertragungswahrscheinlichkeit von HIV beim heterosexuellen Geschlechtsverkehr signifikant zu vermindern, unter die Lupe genommen. Wer nun eine Fortsetzung dieser Diskussionen auf der diesjährigen Welt-AIDS-Konferenz in Wien erwartet hatte, wurde enttäuscht. Von Beschneidung war nur mehr am Rande die Rede, wenn es darum ging, die damals geäußerten sozial- und kulturwissenschaftlichen Bedenken bezüglich der Akzeptanz und der Folgen als „bewiesenermaßen“ gegenstandslos ad acta zu legen. Und auch die Frage, wie die unterschiedlichen Präventionsansätze synergetisch zusammenwirken können, schien überholt zu sein. So wurde in mehreren Vorträgen die Bedeutung antiretroviraler Medikament als neue „magic bullet“ der Prävention auf eine einfache Formel gebracht: ART ist Prävention – oder vielmehr: Eine erfolgreiche Prävention ist letztlich nur durch die ART möglich.

Die Fokussierung auf die ART als privilegiertes Instrument zur Bekämpfung der globalen Pandemie bezieht sich natürlich auf die Erkenntnis, dass die HIV-Übertragungswahrscheinlichkeit von der Viruslast abhängt, die auch in der bekannten EKAF-Stellungnahme ausgeführt wird. Davon ausgehende mathematische Modelle legen in diesem Sinn eine umfassende Therapisierung aller Infizierten nahe. Am Beispiel von Südafrika etwa kommen Grulich et al. zum Ergebnis, dass eine universelle jährliche HIV-Testung aller Menschen über 15 Jahre in Verbindung mit einem sofortigen Beginn der ART nach der Diagnose zu einem absehbaren Ende der Epidemie führen würde: „Die Übertragung kann auf ein niedriges Niveau reduziert werden und die Epidemie kann über eine stetige Abnahme hin zur vollständigen Elimination eintreten, wenn diejenigen, die eine ART erhalten älter werden und sterben.“ (1) In Wien wurden diese statistischen Berechnungen fortgeführt. Die unbehandelte Positiven tauchen darin indes nur mehr als ein kollektives „Reservoir“ der Viruslast auf, das es auszurotten gilt. In der abstrahierten Kollektivierung schien dabei das konkrete Subjekt, der einzelne mit HIV und Aids lebende Mensch, zu verschwinden. Damit erhält die emanzipatorische Forderung nach universellem Zugang zur Therapie eine bedenkliche Schlagseite, sofern sie sich auch als nach universelle Behandlungsforderung verstehen lässt.

Die angedeutete Entwicklung wird in den Sozialwissenschaften als Biomedikalisierung bezeichnet (2). Der Begriff beschreibt einen Prozess, in dem nichtmedizinische Probleme als medizinische Probleme definiert und behandelt werden. Die damit einhergehende Ausweitung der medizinischen Deutungs- und Handlungsmacht auf psychosoziale und soziokulturelle Phänomene betrifft weite Lebens- und Erfahrungsbereiche auch jenseits von HIV und Aids: Zu den oft angeführten Beispielen gehören die extensive medikamentöse Behandlung des Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndroms (ADHS) bei Kindern, die monokausale Erklärung depressiver Störungen durch ein biochemisches Ungleichgewicht im Hirn, wodurch psychotherapeutische Möglichkeiten zu bloßen Begleitverfahren degradiert werden, und die pharmaindustriellen Möglichkeiten zur Behebung erektiler Dysfunktion, für die Viagra® steht, der die aktuell unter dem Schlagwort „Neuroenhancement“ laufende Diskussion um den Einsatz amphetaminhaltiger Medikamente zur Leistungssteigerung ohne medizinische Indikation.

Seit einigen Jahren wird von unterschiedlicher Seite auf eine umfassende Biomedikalisierung von HIV und Aids hingewiesen, die vielfältige Einflüsse der Biomedizin in Bereichen begründet, die außerhalb der rein medizinischen Behandlung der HIV-Infektion und ihrer physischen Folgen liegen – also zum Beispiel in der Psychologie, der Politik, im Recht oder der Prävention. Die aktuelle präventive Bedeutung der ART, auch im Hinblick auf ihre Nutzung als PEP und PrEP, sowie der Beschneidung, des HIV-Tests, aber auch die Neuverhandlung der Rolle von Ärzten, die über die Behandlung hinaus Deutungshoheit auch in der Prävention erlangen, sind Ausdruck dieser Biomedikalisierung. Unabhängig von den unbestrittenen Perspektiven, die sich durch die ART auch für die Prävention, nicht zuletzt als Beitrag zur Destigmatisierung von Positivsein und zur Integration von Positiven in Arbeit ergeben, gibt es doch auch „Nebenwirkungen“ dieser Biomedikalisierung für HIV-Positive, die thematisiert werden sollten.

Denn folgt man der argumentativen Linie, die unter Berufung auf ein festgesetztes, gesamtgesellschaftliches Allgemeingut von den mathematischen Modellen zur antiretroviralen Elimination der identifizierten „Reservoirs“ von Nichtbehandelten führt, so werden moralische Zuschreibungen erkennbar, die zwischen „guten“ und „bösen“ Positiven unterscheiden. So ist letztlich die umfassende Testung aller möglichen oder wahrscheinlichen Infizierten Voraussetzung ihrer umfassenden Behandlung. Wie aber ist dies mit dem Prinzip der Freiwilligkeit der Testentscheidung zu vereinen? Führt dies nicht zur Einführung des in den USA bereits bestehenden Opt-Out-Modells, demzufolge die HIV-Testung im Kontext ärztlicher Routineuntersuchungen mit gemacht wird, sofern kein expliziter Widerspruch erfolgt? Wie erscheint dabei ein Mensch, der sich trotz erkannter Risikokontakte nicht testen lassen will, obwohl es für Viele psychologisch durchaus wichtig sein kann, sich längere Zeit mehr oder weniger bewusst mit der möglichen Infektion auseinanderzusetzen, bevor sie durch die Diagnose „objektiv“ und „manifest“ wird.

Im Sinne der präventiven Durchmedikalisierung des „Reservoirs“ würde sich auch die Frage eines „richtigen“ Therapiebeginns – und damit der eigenen Entscheidung dazu – erübrigen: Die ART wäre sofort und für alle, unabhängig von dem gesundheitlichen Zustand und der Bereitschaft des Einzelnen durchzusetzen. Was aber wäre zu tun, wenn ein Mensch mit bekannter HIV-Infektion die Therapie nicht beginnen möchte? Wie weit geht man, die Freiheit des Einzelnen angesichts des ökonomisch und kollektivhygienisch definierten Allgemeinwohls einzuschränken? In diesem Sinn führen scheinbar wertfrei vorgebrachte Argumente der biomedizinischen Prävention schnell zu einer vermeintlich „objektiven“ Alternativlosigkeit der Implementierung, die dann indes moralische Bewertungen subjektiven Verhaltens mit sich bringt und sich in juristische Fragen übersetzen lässt.

Im Anschluss an den französischen Philosophen Michel Foucault kann man dies als Ausdruck der modernen Bio-Macht eines neoliberalen Staates verstehen, die einst gesellschaftlich definierte Bereiche wie Gesundheit/Krankheit in den Zuständigkeitsbereich des Individuums verlagert und zu einem Problem der individuellen Selbstsorge und Eigenverantwortlichkeit macht: „Das Spezifikum der neoliberalen Rationalität liegt in der anvisierten Kongruenz zwischen einem verantwortlich-moralischen und einem rational-kalkulierenden Subjekt. Sie zielt auf die Konstruktion verantwortlicher Subjekte, deren moralische Qualität sich darüber bestimmt, dass sie die Kosten und Nutzen eines bestimmten Handelns in Abgrenzung zu möglichen Handlungsalternativen rational kalkulieren. Da die Wahl der Handlungsoptionen als Ausdruck eines freien Willens auf der Basis einer selbstbestimmten Entscheidung erscheint, sind die Folgen des Handelns dem Subjekt allein zuzurechnen und von ihm selbst zu verantworten.“ (3)

Paradoxerweise ermöglicht die Zuweisung individueller Handlungsverantwortung es dem Staat aber nicht nur, sich aus seiner Verantwortung zurückzuziehen, sondern eröffnet ihm auch neue strategische Möglichkeiten der Kontrollausübung, was in der Diskussion um die Anwendung des Strafrechts auf mögliche Infektionssituationen erkennbar wird. Der HIV-Positive erscheint als „Risikofaktor“, den es mithilfe juristischer (oder ökonomischer) Instrumente zu sanktionieren gilt; so hat es etwa rechtskräftige Verurteilungen von HIV-Positiven wegen ungeschützten Geschlechtsverkehrs gegeben – selbst wenn dieser einvernehmlich oder ohne signifikantes Übertragungsrisiko vollzogen worden ist –, und es liegen auch Berichte vor, wonach Krankenkassen versucht haben, (vermeintliche) HIV-Überträger in Regress zu nehmen. Hinzu kommt eine der für die strukturelle Prävention fatalen Folgen einer Schwächung des sense of community durch eben jene Differenzierung zwischen „guten“ und „bösen“ HIV-Positiven: zwischen denjenigen also, die sich „richtig“ – also: rational, moralisch, verantwortlich, präventionsgerecht, safe(r) – verhalten, und denjenigen, die sich „falsch“ – also: den Präventionsnormen widersprechend, unverantwortlich, unmoralisch, „gemeinschaftsschädigend“ – verhalten.

Vielleicht sollten wir – statt dieses Spiel moralischer Zuschreibungen mitzumachen – doch noch einmal an die Diskussion in Mexiko anknüpfen und die Frage stellen, welchen spezifischen Ort biomedizinische Ansätze und Instrumente im Kontext einer umfassenderen „Kombinationsprävention“ haben kann und wo ihre Grenzen liegen. In diesem Sinne ginge es dann nicht zuletzt darum, die Herstellung eines politischen und gesellschaftlichen Rahmens sowie individueller psychosozialer und ökonomischer Ressourcen als unverzichtbare Voraussetzung eines eigenverantworteten, gesundheitsbewussten Verhaltens zu verstehen. Und hier ist sicherlich noch genug zu tun.

Referenzen:
(1) Granich et al. (2008). Universal voluntary HIV testing with immediate antiretroviral therapy as a strategy for elimination of HIV transmission: a mathematical model. Lancet Online vom 26. November 2008.
(2) Kippax, S., & Holt, M. (2009). The State of Social and Political Science Research Related to HIV: A Report for the International AIDS Society.
(3) Lemke, T. (2007). Gouvernementalität und Biopolitik. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.

Dieser Artikel erschien zuerst in ‚Projekt Information Juli / August 2010‘
Vielen Dank an Phil C. Langer und Projekt Information für die Genehmigung der Übernahme!

HIV-Testwochen wieder ab 1. Oktober

Ab 1. Oktober startet die Kampagne „ich weiss, was ich tu!“ der Deutschen Aids-Hilfe wieder die „HIV-Testwochen“.

Vom September bis November 2009 fanden sie zum ersten Mal statt, die „HIV-Testwochen“ der Kampagne „ich weiss, was ich tu!“ der Deutschen Aids-Hilfe. 2010 folgt die Fortsetzung, vom 1. Oktober bis zum 15. November werden im Rahmen der Kampagne zum zweiten Mal bundesweite Testwochen stattfinden.

HIV - Testwochen
HIV - Testwochen

Im Jahr 2009 konnten im Rahmen der „HIV-Testwochen“ in allen 16 Bundesländern insgesamt 63 Testangebote in 51 Städten realisiert werden. Knapp 3.000 Personen beteiligten sich, knapp 60% davon Männer, die Sex mit Männern haben.

Für das Jahr 2010 sind für die „HIV-Testwochen“ vermehrt ‚aufsuchende‘ Testangebote geplant. Auch die Testwochen 2010 sollen sich wie schon 2009 schwerpunktmäßig an Männer wenden, die Sex mit Männern haben. Über alle Angebote und Termine wird ein gemeinsamer „Testkalender“ informieren.

weitere Informationen:
Kampagne „ich weiss, was ich tu!
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Österreich: Warnung vor HIV-Heimtests

Das Österreichische Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen warnt vor diesen In-vitro-Diagnostika, da sie eine eine HIV-Infektion nicht verlässlich nachweisen oder ausschließen können: HIV Heimtest, AIDS Schnelltest (Blut), HIV Heimtest, AIDS Schnelltest (Urin)

Die beiden Heimtests wurden in Österreich und in der lik in Verkehr gebracht und sind für die Anwendung durch medizinische Laien bestimmt. Sie werden vor allem über das Internet vertrieben.

Diese In-vitro-Diagnostika können eine HIV-Infektion nicht belegbar mit der geforderten Verlässlichkeit nachweisen oder ausschließen. So können falsch negative Diagnosen zu weiteren HIV-Infektionen und positive Diagnosen ohne ärztliche Betreuung zu unüberlegten Reaktionen der Anwender führen.

HIV Bluttest 2010 (Foto: basg.at)
HIV Bluttest 2010 (Foto: basg.at)

Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) / AGES PharmMed empfiehlt daher dringend, die Medizinprodukte „HIV Heimtest, AIDS Schnelltest (Blut)“ und „HIV Heimtest, AIDS Schnelltest (Urin)“, nicht zu verwenden.

(Quelle: AGES PharmMed / Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen)

siehe auch:
ggg.at 03.08.2010: Bundesamt warnt vor HIV-Schnelltests – „Können Infektion nicht verlässlich nachweisen oder ausschließen“
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Frankreich: HIV-Test-Zentren für Schwule

Die französische Gesundheitsministerin Bachelot plant, ab kommendem Jahr in Frankreich 10 Zentren für HIV-Tests einzurichten, die sich speziell an Homosexuelle wenden.

Roselyn Bachelot, die französische Gesundheitsministerin, plant Änderungen an der französischen Aids-Politik. Dies teilte sie am Rand der Welt-Aids-Konferenz in Wien mit.

Roselyne Bachelot-Narquin, französische Gesundheitsministerin
Roselyne Bachelot-Narquin, französische Gesundheitsministerin

Zwei wesentliche Elemente der von ihr geplanten Änderungen:
– vermehrte HIV-Testung der Allgemeinbevölkerung („renforcement du dépistage au sein de la population générale“), und
– zehn Homo-HIV-Test-Zentren ab 2011 und unter Beteiligung von NGOs („Sur des groupes plus ciblés, et en particulier les gays, je veux ouvrir, dès 2011, 10 centres de dépistage dans lesquels les associations interviendront“:
Diese Änderungen kündigte Bachelot in einem Interview mit der französischen Tageszeitung ‚Liberation‘ an. Bei den geplanten ‚Homo-HIV-Test-Zentren‘ seien allerdings noch einige rechtliche Fragen zu klären.

In Sachen HIV-Test sei ihr vorrangiges Ziel, zu entstigmatisieren, zu banalisieren.

Zur Frage von Drogen-Konsumräumen äußerte sich Bachelot zuzrückhaltend; man müsse sich zunächst mit den Beteiligten abstimmen. Ein Bericht des staatlichen Instituts INSERM (Institut National de la Santé Et de la Recherche Médicale) hatte sich jüngst für ‚Druckräume‘ ausgesprochen.

Vertreter von Aids-Organisationen zeigten sich enttäuscht von Bachelots Interview. „Ein Schritt vor, und frei zurück“, kommentierte ein Vertreter von Aides. Auch was die geplanten Test-Zentren angeht, zeigte er sich enttäuscht. man wolle nicht zum Kaffee-Kochen degradiert werden, sondern selbst Tests anbieten können.

In dem Interview kündigte Bachelot an, Frankreich werde sein finanzielles Engagement im internationalen Kampf gegen Aids mit jährlich 300 Millionen Euro fortsetzen. Hinzu kämen 160 Mio. € für UNITAID, die internationale Einrichtung zum Erwerb von Medikamenten gegen HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose.

weitere Informationen:
Liberation 19.07.2010: Bachelot : «Il faut banaliser le dépistage anonyme et gratuit»
Yagg 19.07.2010: Roselyne Bachelot: « Il faut banaliser le dépistage anonyme et gratuit »
ACT UP Paris 19.07.2010: Roselyne Bachelot-Narquin à Vienne
Yagg 19.07.2010: Vienne 2010: Les associations très déçues par l’interview de Roselyne Bachelot
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HIV & Aids in Deutschland 2009 – HIV-Neudiagnosen stabil (akt.)

2.856 Menschen haben sich im Jahr 2009 neu mit HIV infiziert. Dies geht aus dem ‚Jahresbericht 2009 zu HIV und Aids in Deutschland‘ hervor, den das Robert-Koch-Institut soeben veröffentlicht hat.

„Keine nennenswerte Veränderung bei der Gesamtzahl der HIV-Neudiagnosen“ meldet das Robert-Koch-Institut. 2.856 Menschen haben sich im Jahr 2009 neu mit HIV infiziert (2008: 2.843); bei 489 Menschen wurde 2009 eine Neu-Erkrankung  an Aids berichtet (mehrere Diagnosejahre) .
Der umfangreiche „Jahresbericht 2009 zu HIV und Aids in Deutschland“ wurde im Epidemiologischen Bulletin Nr. 22 /2010 des Robert-Koch-Instituts (RKI) veröffentlicht.

„Der Jahresbericht im Epidemiologischen Bulletin 22/2010 beschreibt die Entwicklung und die Situation bei den HIV-Infektionen und AIDS-Erkrankungen im Jahr 2009. Tabellarische und grafische Übersichten ergänzen und veranschaulichen die Auswertungen aus den Meldedaten.“

Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) stellen unverändert die größte Gruppe unter den HIV-Neudiagnosen. Zur Verteilung auf die unterschiedlichen Gruppen vermeldet das RKI

„Betrachtet man die Entwicklung der HIV-Neudiagnosen in den verschiedenen Betroffenengruppen, so steigt die absolute Zahl der HIV-Neudiagnosen bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), im Jahr 2009 gegenüber dem Vorjahr (2008) geringfügig um 3,3 % an (von 1.575 auf 1.629); die Zahl der Personen mit Angabe eines heterosexuellen Infektionsrisikos (HET) nimmt ebenfalls um 3,2 % zu (von 410 auf 423). Bei Konsumenten intravenös verabreichter Drogen (IVD) ging die Zahl neu diagnostizierter HIV-Infektionen um 20 % zurück (von 125 auf 100), bei Migranten aus Hochprävalenzländern (HPL) um 6,3 % (von 300 auf 281). Die Zahl der HIV-Neudiagnosen, bei denen keine Angabe zum Infektionsrisiko vorliegt (k. A.), bleibt praktisch konstant (417 vs. 412).
Die Absolutzahl der HIV-Neudiagnosen bei Frauen in Deutschland (n = 461) hat sich gegenüber dem Vorjahr (n = 465) nicht verändert, die Zahl der HIVNeudiagnosen bei Männern steigt leicht von 2.348 auf 2.377 an“.

Zur regionalen Entwicklung der HIV-Neudiagnosen sowie der Altersverteilung bei MSM bemerkt das RKI

„Die größten Veränderungen wurden in Hamburg (Anstieg von 91 auf 137), Rheinland-Pfalz (Anstieg von 32 auf 49), Berlin (Rückgang von 338 auf 313) und Mecklenburg-Vorpommern (Rückgang von 19 auf 10) registriert.“

„Berücksichtigt man die rückläufige Größe der jüngeren Alterskohorten, ergibt sich im Jahr 2009 die höchste Zahl an HIV-Neudiagnosen pro 100.000 Männer in der Altersgruppe der 25- bis 29-jährigen MSM, gefolgt von den 30- bis 39-jährigen und dann bereits von den 21- bis 24-jährigen.“

Der Jahresbericht geht auch auf die (gezielt an MSM gerichteten) ‚iwwitTestwochen‚ (September bis November 2009) ein:

„Bundesweit wurden 63 Testangebote in 51 Städten und allen 16 Bundesländern realisiert … Die Testwochen hatten insgesamt knapp 3.000 Teilnehmer, davon ca. 57 % MSM. … Insgesamt 66 bestätigt positive HIV-Tests wurden im Rahmen der Testwochen berichtet. Bezogen auf die Gesamtzahl der 2.535 berichteten durchgeführten HIV-Tests bedeutet dies eine Positivenrate von 2,6 %.“

Das RKI sieht „keine Anhaltspunkte dafür, dass sich im Zeitraum der Testwochen …die Anzahl von gemeldeten HIV-Erstdiagnosen verglichen mit den vorangegangenen Jahren wesentlich verändert hat“.

Das RKI veröffentlicht auch erste Daten der „HIV Inzidenz-Studie“, die Aufschluss darüber liefern soll, wie hoch der Anteil der kürzlich (vergangene fünf Monate) erworbenen HIV-Infektionen unter den HIV-Neudiagnosen ist. Aufgrund der Daten einer ersten Zwischenauswertung (Zeitraum 1.3.2008 bis 28.2.2009; 1.512 Proben von gesicherten Erstdiagnosen, Proben „weitgehend repräsentativ für alle HIV-Neudiagnosen in Deutschland“) stellt das RKI fest

„Der Anteil kürzlich erworbener („rezenter“) HIV-Infektionen betrug bei Probanden aus der Gruppe MSM 36 %, bei i. v. Drogengebrauchern 37 %, bei Menschen mit heterosexuellem Transmissionsrisiko 31 % und 15 % bei Personen, die aus Hochprävalenzregionen stammen.
Erhöhte Anteile rezenter HIV-Infektionen wurden vor allem bei jüngeren Probanden (< 30 Jahre) gemessen (z. B. 54 % rezente Infektionen bei MSM < 30 Jahre in Berlin).“

Die Daten des Jahresberichts (außer Inzidenzstudie) basieren auf Meldungen an das RKI bis zum 01.03.2010.

Update 07.06.2010 22:30 Uhr: Die DAH sieht sich in ihrer Arbeit bestätigt:

„Wir begrüßen, dass sich seit 2007 der in den Jahren davor beobachtete Anstieg der HIV-Neudiagnosen deutlich verlangsamt hat. Die Zahl der Neudiagnosen bei Männern, die Sex mit Männern haben, ist im Berichtszeitraum nur geringfügig um 3,3 Prozent angestiegen,“ so Jörg Litwinschuh, Pressesprecher der Deutschen AIDS-Hilfe. „Wir sehen den Erfolg unserer Konzepte der strukturellen Prävention bestätigt – insbesondere unserer zielgruppenspezifische Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU zur Intensivierung der HIV-Prävention und Gesundheitsförderung bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM): www.iwwit.de.“

weitere Informationen:
HIV-Infektionen und AIDS-Erkrankungen in Deutschland
Jahresbericht zur Entwicklung im Jahr 2009 aus dem Robert Koch-Institut
in: Epidemiologisches Bulletin 22/2010
aidshilfe.de 07.06.2010: HIV/AIDS-Jahresbericht: keine nennenswerte Veränderung bei HIV-Neudiagnosen

HIV-Übertragung: Frische HIV-Infektionen hochgradig an Neu-Infektionen beteiligt

Eine neue Studie zeigt erneut, dass frisch erworbene HIV-Infektionen zu einem bedeutenden Teil an neuen HIV-Übertragungen beteiligt sind.

Forscher um Frederick Hecht untersuchten, welcher Zusammenhang zwischen der Viruslast einer neu mit HIV infizierten Person und der des übertragenden Partners besteht. Ein eindeutiger Zusammenhang, stellten sie fest: die Viruslast bei einer frischen HIV-Infektion wird bestimmt von der Viruslast des übertragenden Partners.

Die Forscher stellten in ihrer Studie etwas weiteres fest: nahezu zwei Drittel der Teilnehmer, die HIV übertrugen, waren selbst erst kurze Zeit mit HIV infiziert.

Die Forscher hatten 24 HIV-Positive identifizieren können, die erst sehr kurze zeit mit HIV infiziert sind. Diese teilten freiwillig mit, von welcher Person sie möglicherweise HIV erworben haben könnten. Diese wiederum wurden auf freiwilliger Basis kontaktiert; so konnten insgesamt 23 „Quell-Individuen“ identifiziert werden (einer hatte zwei Studienteilnehmer identifiziert). Die Übertragungen wurden mit phylogenetischen Untersuchungen bestätigt. Alle Teilnehmer waren schwule Männer.

Damit verstärken sich Hinweise, dass Menschen mit frischer HIV-Infektionen zu einem bedeutenden Teil an HIV-Neu-Infektionen beteiligt sind. Unterschiedlichen Studien gehen davon aus, dass die Hälfte bis zwei Drittel aller Neu-Infektionen mit HIV erfolgen im Kontakt mit Menschen, die selbst frisch mit HIV infiziert sind.

weitere Informationen:
Hecht et al.: „HIV RNA level in early infection is predicted by viral load in the transmission source“, AIDS 24 (abstract)
aidsmap 08.03.2010: Viral load in early HIV infection predicted by that of transmitting partner
aidsmap 26.03.2007: Primary HIV infection responsible for half of all HIV transmission in Quebec
iwwit-Blog 10.03.2010: Die Last mit der Viruslast
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Bemerkenswerterweise berichten weder die Studie noch der Bericht auf aidsmap, wie mit dem Problem der durch das Studiendesign bedingten Dokumentation von potentiell straf- oder versicherungsrechtlich relevanten Fragen umgegangen wurde.

Verantwortung stärken, Angebote ausweiten- Mehr Mut bei der AIDS-Prävention

Verantwortung stärken, Angebote ausweiten. Mehr Mut bei der AIDS-Prävention

Zum Welt-AIDS-Tag 2009 erklärt Axel Blumenthal, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):

Die Zahl der HIV-Neuinfektionen unter Männern, die Sex mit Männern (MSM) haben, hat sich im vergangenen Jahr stabilisiert. Das ist ein Beleg für die qualitativ gute zielgruppenspezifische Arbeit der Deutschen AIDS-Hilfe. Ein Warnsignal ist hingegen der Anstieg der Syphilis-Infektionen. Es zeigt, dass die Bemühungen zur Aufklärung über HIV/AIDS und andere sexuell übertragbare Krankheiten verstärkt werden müssen.

Die neue Regierung sollte dringend die sachfremden und rigiden Beschränkungen aufheben, denen die Präventionsarbeit für MSM bislang unterliegt. Es müssen adäquate, zielgruppenspezifische, barriere- und diskriminierungsfreie Möglichkeiten der Information und Aufklärung geschaffen werden.

Wir fordern, dass die vielversprechende „Ich weiß was ich tu“ -Kampagne der Deutschen Aidshilfe auch in Mainstream-Medien beworben werden darf. Bisher wurde hierauf – mit falscher Rücksicht auf konservative Teile der Gesellschaft – verzichtet. Es darf nicht sein, dass Männer, die sich gar nicht als schwul verstehen, erst nach Informationen suchen müssen.

Auch der Öffentliche Gesundheitsdienst muss das Angebot erweitern. Vielfach fehlen kostenlose und anonyme Screenings für sexuell übertragbare Krankheiten. Außerdem müssen Fortbildungsangebote genutzt und erweitert werden. Nicht zuletzt sollte auch die Ärzteschaft stärker in die Verantwortung einbezogen werden. Fehlende oder gar falsche Beratung, verpasste Untersuchungen oder nicht diagnostizierte Infektionen mit Syphilis und Tripper werfen kein gutes Licht auf die Beratungsstandards. Es kann nicht angehen, dass es immer noch ein Glücksfall ist, jemanden finden zu können, der den Betroffenen diskriminierungsfrei hilft.

Männer, die Sex mit Männern haben, kann man nur erreichen, wenn man die Aufklärungswelt nicht einfach streng in homo und hetero teilt. Das Leben ist vielfältig, die Präventionsarbeit sollte es auch sein.

(Pressemitteilung des LSVD)

Niederlande: HIV-Zwangstest für Vergewaltiger

Gegen Vergewaltiger kann in den Niederlanden zukünftig vom Staatsanwalt ein HIV-Zwangstest angeordnet werden. Dies sieht ein entsprechendes Gesetz ab Sommer 2010 vor.

Das niederländische Parlament plant, dass Vergewaltiger zukünftig zu einem HIV-Test gezwungen werden können. Das Gesetz wurde bereits Mitte Oktober 2009 beschlossen.

Mithilfe des neuen Gesetzes könne festgestellt werden, ob ein Verdächtiger mit HIV oder anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen infiziert sei, die auf das Opfer übertragen werden könnten, begründete ein Vertreter des niederländischen Justizministeriums das Gesetz. Das Gesetz stelle die Interessen der Opfer höher.

Das neue Gesetz tritt am 1. Juli 2010 in Kraft. In der ersten Lesung des Gesetz-Entwurfs hatten Aids-Organisationen noch versucht, die Sinnhaftigkeit des Gesetz zu hinterfragen, waren jedoch (auch nach einem Wechsel des Justizministers) nicht erfolgreich.

Wie weit kann ein solches Gesetz von Nutzen sein? Wie weit kann es mehr als plakative Politik sein?

Sinnvoll könnte es sein, vergewaltigte Frauen vor einer HIV-Infektion zu schützen. Dazu bedürfte es einer PEP (einer Post-Expositions-Prophylaxe), der Gabe von Aids-Medikamenten. Sinnvoll und potentiell nützlich ist diese PEP nur innerhalb weniger Stunden nach einem Infektionsrisiko, hier also einer Vergewaltigung. Greifen könnte ein solcher ‚HIV-Zwangstest für Vergewaltiger‘ also bei einem Täter,m der sich einem HIV-Test verweigert – nur innerhalb weniger Stunden nach der Vergwaltigung. Nur – wie viele Vergewaltiger werden sozusagen „auf frischer Tat ertappt“?

Zu späteren Zeitpunkten (wenn eine etwaige HIV-Infektion bereits etabliert wäre), könnte ein HIV-Test der Frau (und nicht so sehr des Vergewaltigers) sinnvoll sein – um der Frau rechtzeitige Beratung, Behandlung und evtl. Therapie zukommen zu lassen.
Und hinsichtlich etwaiger strafrechtlicher Fragen für den Fall einer HIV-Übertragung bei einer Vergewaltigung dürfte es auch in den Niederlanden auch jetzt schon strafrechtliche Vorschriften geben …

So bleiben zahlreiche Fragen, Fragen nach dem Sinn dieses ‚HIV-Zwangstests für Vergewaltiger‘. Letztlich jedoch läuft es auf eine Frage hinaus – ist diese Art von Politik wirklich mehr als nur billiger Populismus?

weitere Informationen:
AFP 10.11.09: Dutch Law Forces Rapists to Undergo HIV Test
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Epidemiologisches Bulletin HIV/Aids 2009

Das Robert-Koch-Institut hat wie schon in vergangenen Jahren anlässlich des Welt-Aids-Tags 2009 eine gesamte Ausgabe des ‚Epidemiologischen Bulletins‘ dem Thema HIV/Aids gewidmet.

Die am 24.11.2009 vorab veröffentlichte Ausgabe 48/2009 des Epidemiologischen Bulletins enthält die Beiträge

* Zum Verlauf der HIV-Epidemie in Deutschland bis Ende 2009
Der Beitrag beschreibt den Verlauf der Epidemie und erläutert wesentliche Eckpunkte, die den Verlauf der Neuinfektionen beeinflusst haben. Dabei werden auch die Manifestationen des Krankheitsbildes AIDS berücksichtigt.

* Zur Situation in Deutschland – Eckdaten

* Späte Diagnose und später Behandlungsbeginn in Deutschland
Der Artikel analysiert die Entwicklungen bei der Diagnostik und Therapie und gibt den erreichten Stand wieder. Weitere Verbesserungen werden in sechs Empfehlungen zusammengefasst.

* Ergebnisse der AIDS-Impfstoffstudie in Thailand
In dem Beitrag werden Durchführung und Ergebnis der in Thailand durchgeführten AIDS-Impfstoffstudie vorgestellt und kommentiert.

Robert-Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin Nr. 48/2009

siehe auch „HIV 2009: die Situation in den Bundesländern

siehe auch:
DAH-Blog 24.11.2009: Zahl der HIV-Neuinfektionen weiter stabil
Bundesministerium für Gesundheit 24.11.2009: HIV-Neuinfektionen stabilisiert – Neueste Zahlen zeigen den Erfolg von Prävention und Aufklärung
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Empfehlungen zur HIV-Testung

Am 22.10.2009 fand in Hannover ein Experten-Wokshop zur HIV-Testung statt. Als Dokumentation im Folgenden die aus diesem Workshop formulierten Empfehlungen:

Expertenworkshop zur HIV‐Testung, Hannover 22.10.2009

Am 22. Oktober 2009 haben sich ca. 40 Expertinnen und Experten auf Einladung des Vorsitzenden des Gemeinsamen Wissenschaftlichen Beirates des BMG, Herrn Prof. Schmidt und dem Vorsitzenden der Deutschen AIDS‐Gesellschaft, Herr Prof. Rockstroh zu einem Fachaustausch in Hannover getroffen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen aus den Bereichen Medizin, Public Health und Ethik/Recht und repräsentierten Kliniken, Schwerpunktambulanzen, Aidshilfen, Betroffenenorganisationen, wissenschaftliche Institute, die Länder sowie internationale Organisationen (UNAIDS, WHO, ECDC, Europäische Kommission).

Ausgangssituation
Die Prävalenz von HIV‐Infektionen ist in Deutschland relativ niedrig: nach Schätzung des Robert‐Koch‐Instituts liegt die HIV‐Prävalenz in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung (15‐60 Jahre, ~51 Mio. Menschen) bei 0,12%. Je nach Definition („späte“ Diagnose: T‐Helferzellzahl zum Zeitpunkt der Diagnose <350 Zellen/μl; „fortgeschrittene HIV‐Erkrankung“: T‐Helferzellzahl zum Zeitpunkt der Diagnose <200 Zellen/μl) werden derzeit ca. ein Drittel der HIV‐Infektionen spät bzw. zu spät diagnostiziert, oder die Betroffenen gelangen aus anderen Gründen erst in einem fortgeschrittenen Stadium der HIV‐Infektion in eine qualifizierte medizinische Betreuung.

In den letzten Jahren wurden HIV‐Testangebote im Rahmen der Schwangerschafts‐vorsorgeuntersuchungen und durch zielgruppenspezifische Kampagnen für MSM ausgebaut und verbessert. Die epidemiologischen Daten und Erkenntnisse in Deutschland weisen darauf hin, dass i.v. Drogenkonsumenten, die in anderen Ländern teilweise einen schlechten Zugang zum medizinischen Versorgungssystem haben, in Deutschland gut erreicht werden und relativ häufig auf HIV getestet werden, so dass HIV‐Infektionen in dieser Gruppe vergleichsweise früh diagnostiziert werden.

Dagegen erfolgt die HIV‐Diagnose bei einem überdurchschnittlich hohen Anteil von Migranten aus Hochprävalenzregionen und bei Menschen mit heterosexuellem Transmissionsrisiko spät. In absoluten Zahlen jedoch bleiben Männer mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten auch bei den „Spätdiagnosen“ die zahlenmäßig größte Gruppe.

Die bisherige Testpraxis in Deutschland beruht überwiegend auf klienten‐initiierter HIV‐Testung (client initiated counselling and testing: CICT), die in der Regel in Gesundheitsämtern, Aidshilfen und Arztpraxen nach einer individuellen Beratung durchgeführt wird. Diese Testangebote werden auch zielgruppenadaptiert im Rahmen von Aktionswochen und Kampagnen beworben. Durch Ärzte empfohlene Tests (provider‐initiated testing) finden statt im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen, in Therapie‐ und Substitutionseinrichtungen für i. v. Drogenkonsumenten/innen und in der klinischen Versorgung zur Differentialdiagnostik. Im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge wurde sie durch entsprechende Änderung der Richtlinien ausgebaut. Darüber hinaus empfehlen medizinische Fachgesellschaften die HIV Testung bei Vorliegen einer Tuberkulose, einer weiteren sexuell übertragbaren Infektion oder einer chronischen Hepatitis B oder C. Derzeit existieren in Deutschland jedoch außer den STI‐Beratungsstellen der Gesundheitsämter nur wenige Einrichtungen, die sich auf die Diagnose und Behandlung von sexuell übertragbaren Infektionen und die Beratung Betroffener spezialisiert haben. Zur Reichweite des provider‐initiated testing insgesamt liegen keine Daten vor. In welchem Ausmaß außerhalb dieser Indikationen in klinischen Einrichtungen getestet wird, ist nicht bekannt.

Bisher bieten Ärzte selbst bei Vorliegen von Erkrankungen, die auf eine HIV‐Infektion hinweisen (HIV‐Indikatorerkrankungen, z.B. Herpes zoster bei jungen Patienten) noch zu selten einen HIV‐Test an; die in Deutschland bereits bestehenden Leitlinien und Empfehlungen für eine ärztlich initiierte Testung werden daher nur unzureichend umgesetzt.

Ein HIV‐Test ist ein medizinischer Eingriff und darf in Deutschland nur nach vorheriger Aufklärung durch den behandelnden Arzt und nach erfolgter Einwilligung durch den Patienten durchgeführt werden. Lediglich im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungen dürfen Blutuntersuchungen auch ohne das Einverständnis des Betroffenen durchgeführt werden. Entsprechend wären Screening‐Untersuchungen auf HIV, die ohne bewußte Einwilligung des Patienten durchgeführt werden (z.B. Einverständniserklärung im Kleingedruckten eines Behandlungsvertrags ohne expliziten Hinweis auf die Möglichkeit, diese Passage zu streichen), mit dem derzeit geltenden deutschen Recht nicht vereinbar. Der Testende muss den Getesteten über das Ergebnis des Testes aufklären. Bei einem positivem Testergebnis insbesondere auch über die mögliche Infektiosität.

Unter den Experten bestand Konsens darüber, dass

o die gegenwärtige Situation, in der geschätzt ein Drittel der HIV‐Neudiagnosen erst in einem fortgeschrittenen Stadium der HIV‐Infektion erfolgen, nicht befriedigend ist
o fortgesetzte Anstrengungen erforderlich sind, um die Testrate und ‐frequenz bei Menschen mit erhöhten Risiken für eine HIV‐Infektion zu erhöhen.

Empfehlungen
1. HIV‐Testung muss grundsätzlich freiwillig und mit informiertem Einverständnis der Getesteten erfolgen. Die Testung muss begleitet sein von einer den konkreten Umständen angepaßten Beratung vor dem Test und einer ausführlichen Beratung zum Testergebnis nach dem Test, oder, falls dies nicht möglich ist, von der Weiterverweisung an eine andere Einrichtung, wo eine solche qualifizierte Beratung erfolgen kann. Zur Testberatung gehört auch, die Notwendigkeit wiederholter Testung bei Fortbestehen von Infektionsrisiken anzusprechen. Etwa die Hälfte der neu mit HIV diagnostizierten Personen in Deutschland ha t sich vor der HIV‐Diagnose bereits mindestens einmal mit negativem Ergebnis auf HIV testen lassen.

2. Ein allgemeines HIV‐Screening in medizinischen Einrichtungen in Deutschland ist angesichts der vergleichsweise niedrigen HIV‐Prävalenz in der Gesamtbevölkerung weder sinnvoll noch wünschenswert.

3. Eine gezielte Vermehrung von Angeboten zur freiwilligen Testung auf HIV verknüpft mit einer qualifizierten Beratung ist erwünscht und notwendig. Die Durchführung der HIV‐Testung ist dabei kein eigenständiges Ziel sondern Teil einer HIV/AIDS Gesamtstrategie, die auch präventive, gesundheitsfördernde und kurative Maßnahmen einschließt.

o Angeboten werden sollten Testmöglichkeiten wie bisher durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst, Nicht‐Regierungs‐Organisationen und das medizinische
Versorgungssystem. Anonyme und kostenlose Testangebote können die Akzeptanz eines Testangebots erhöhen.
o Zielgruppenspezifische Testermutigung und möglichst niedrigschwellige Testangebote sollten gestärkt und weiter ausgebaut werden. Die ‚Testwochen’ im Rahmen der Kampagne ‚Ich weiß was ich tu’ der Deutschen Aids Hilfe, bei denen in Institutionen‐übergreifender Zusammenarbeit Beratung und HIV‐Ak‐Tests in geeigneten Settings für besonders betroffene Gruppen angeboten werden, weisen in die richtige Richtung.
o Die Testermutigung für Migranten/innen aus Hochprävalenzregionen muss in einen breiteren Kontext gesundheitsfördernder Maßnahmen für diese Personengruppe eingebettet werden. Insbesondere muss sichergestellt sein, dass alle Personen, bei denen eine HIV‐Infektion diagnostiziert wird, einen ausreichenden Zugang zum medizinischen Versorgungssystem in Deutschland erhalten – auch Personen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus und Krankenversicherungsschutz. Dies erfordert unter anderem eine engere Zusammenarbeit zwischen dem medizinischen Versorgungssystem, dem öffentlichen Gesundheitsdienst und Nichtregierungsorganisationen.

4. Möglichkeiten ärztlich initiierter Testung sollten stärker als bisher genutzt werden. Dies erfordert folgende Maßnahmen und Strukturen:

o Anlässlich der Untersuchung auf andere sexuell übertragbare Erkrankungen sollte die Frage eines HIV‐Testes regelmäßiger als bisher üblich angesprochen werden.
o Niedrigschwellige STI‐Test‐ und Beratungsangebote sollten ausgebaut werden und ihr Angebot sollte sich vor allem an besonders betroffene Gruppen und Gruppen richten, für die Zugangsbarrieren zum regulären Versorgungssystem bestehen
o Das Wissen nicht‐HIV‐spezialisierter Ärzte/innen über HIV‐Indikatorerkrankungen muss verbessert werden.
o Die Fähigkeit zur Kommunikation mit Patienten/innen über HIV‐Risikofaktoren und die Kompetenz der Ärzte/innen zur Testberatung und Testmitteilung muss gestärkt werden.
o Die Deutsche AIDS‐Gesellschaft (DAIG) wird gebeten, im Kontakt mit anderen Fachgesellschaften und Organen der ärztlichen Selbstverwaltung entsprechende Fortbildungsmaßnahmen für Ärzte/innen zu implementieren.

5. Diskriminierung und soziale Ausgrenzung von HIV‐Infizierten wirken sich demotivierend auf die HIV‐Testbereitschaft von gefährdeten Personen und Personengruppen aus. Zwar ist beim Abbau von Diskriminierung HIV‐Infizierter in Deutschland schon viel erreicht worden, weitere Anstrengungen sind aber notwendig. Sowohl innerhalb betroffener Bevölkerungsgruppen als auch im medizinischen Versorgungssystem, beim Kontakt mit Behörden, am Arbeitsplatz und im sozialen Umfeld erfahren auch heute noch in Deutschland viele HIV‐Infizierte bei der Offenlegung ihrer Infektion Diskriminierung und Ausgrenzung. Weitere und kontinuierliche Anstrengungen zum Abbau der Diskriminierung von Betroffenen sind daher notwendig.

Es besteht ein Recht auf Nichtwissen. Eine Entscheidung gegen die Durchführung eines angeratenen HIV‐Testes ist zu akzeptieren und darf nicht zu Benachteiligungen führen.

6. Es besteht die Notwendigkeit, die Weiterentwicklung von HIV‐Testangeboten in Deutschland wissenschaftlich zu evaluieren und zu begleiten und somit ihre Qualität zu sichern. Dazu müssen auch Daten zur Reichweite, Inanspruchnahme und Qualität bestehender und neuer Testangebote erhoben und ausgewertet werden.

Für den Expertenworkshop GWB und DAIG

Dr. Ulrich Marcus, Prof. Dr. Jürgen Rockstroh, Prof. Dr. Reinhold E. Schmidt

cui bono ?

Es wird in Deutschland wie auch auf europäischer Ebene und international viel diskutiert in letzter Zeit, über das weitere Vorgehen in Sachen HIV-Testungen. Opt-in oder opt-out? Und vielleicht gleich test-and-treat?

Viele Beweggründe, über HIV-Tests nachzudenken, sind sicher ehrenwert. Die Zahl der späten Diagnosen zu senken, die Zahl derjenigen Positiven zu mindern, die sehr spät eine Behandlung erhalten.

Dass allerdings per Definition (dessen was ein ‚late presenter‘ ist, siehe „Funken bei Aids-Kongress-Eröffnung„) die Zahl derjenigen Menschen, die in diese Definition fallen, drastisch erhöht wird, erscheint fragwürdig. Noch vor kurzen galten 50 oder 100 CD4 als Grenze, um von „late presenter“ zu sprechen, dann 200 CD4. Den Wert nun per definitionem auf 350 hochzusetzen – erhöht zwangsläufig (und auf fragwürdige Weise) die Zahl der hiervon betroffenen Menschen, und ergibt dann erst das per Zahlenspielen herbei definierte vermeintliche „Versagen des öffentlichen Gesundheitssystems“. Eine klassische Skandalisierungs-Strategie; so schafft man sich die eigene Handlungs-Grundlage nebst Begründung selbst …

Hinzu kommt: nachdenklich stimmt dabei vielleicht, wer so alles diskutiert. Und mit welcher Perspektive.

Da diskutieren unter anderem HIV-Behandler, auf Einladung der Pharma-Industrie, und mit Beteiligung einiger Aids-Organisationen.

HIV-Behandler leben u.a. auch davon, eine möglichst große Anzahl HIV-Patienten zu behandeln. HIV-Medikamenten-Hersteller leben auch davon, eine möglichst große Menge (eh bekanntermaßen nicht gerade preisgünstiger) HIV-Medikamente abzusetzen. Und manche Aids- und Patienten-Organisationen ‚leben‘ auch davon, eine möglichst große Anzahl Klienten zu betreuen oder (vorzugeben) zu ‚vertreten‘.

Ist es bei dieser Interessenlage noch ein Wunder, wenn Ärzte, Pharmaindustrie und so manche Aids-NGO massive HIV-Test-Kampagnen  fordern und fördern? Und im Hintergrund gleich mit an Behandlungs-Strategien à la „test and treat“ feilen? Das ganze auf Symposien und Meetings, großzügig gesponsert von der Pharmaindustrie?

Das lässt Fragen aufkommen …
Wird hier wirklich immer und überwiegend interessen-neutral gehandelt? Oder im Interesse der Menschen, die von der Entscheidung betroffen sind? Oder nicht doch mit mit Blick auf die jeweils ganz eigenen Interessen? Die Frage muss gestellt werden …

Cui bono?
Wem zum Vorteil?

HIV-Test: wie sieht es bei den Nachbarn aus?

Wie geht es weiter in Sachen HIV-Test? In Deutschland ist ein Expertengremium gerade dabei, Vorschläge zu formulieren – aber wie sieht es in unseren Nachbarländern aus?

2006 änderten die USA ihre HIV-Test-Politik. Die Centers for Disease Control (CDC) empfahlen im September diesen Jahres „voluntary HIV testing for everyone“ – den freiwilligen HIV-Test für jedermann zwischen 13 und 64 Jahren, ohne Berücksichtigung etwaiger Risikosituationen, sowie jährliche HIV-Tests für Menschen mit Risiko-Situationen. Sämtliche Tests wurden als opt-out empfohlen (sie sollten durchgeführt werden, es sei denn der Patient lehne dies explizit ab).

In Deutschland zeichnet sich keine prinzipielle Änderung der erfolgreichen Aids-Politik und in dieser der HIV-Test-Politik ab, wie erst jüngst ein Experten-Hearing (siehe „Bericht HIV-Testungsansatz im deutschen Gesundheitswesen„) erneut zeigte. HIV-Tests sollen ausgeweitet und an veränderte Gegebenheiten angepasst werden, es soll jedoch in jedem Fall bei opt-in bleiben.

Wir sieht die Situation aktuell bei unseren Nachbar-Ländern aus?

Frankreich

Über 40.000 Menschen leben Schätzungen zufolge in Frankreich mit dem Virus ohne es zu wissen; pro Jahr finden ca. 7000 HIV-Neuinfektionen statt.
Die HAS (Haute Autorité de Santé, Oberste Gesundheitsbehörde) schlägt, wie die französische Presse berichtet, in einem Bericht an Gesundheitsministerin Roselyn Bachelot eine HIV-Testung der gesamten französischen Bevölkerung zwischen 15 und 70 Jahren vor „um die ungenügende aktuelle Politik auszugleichen“. Risikogruppen sollten zudem jährlich untersucht werden. Der Vorschlag wird auch unterstützt von Dr. Jean Claude Chermann (dem ‚vergessenen‘ Nobelpreisträger für Medizin 2008).

Die französische umstrittene Aktivistengruppe ACT UP Paris begrüßte den Vorschlag und betonte, dieser hätte schon vor Monaten kommen sollen.
Die NGO Aides betonte, man trete schon seit langem für breite systematische HIV-Tests ein, für besonders betroffene Bevölkerungsgruppen bedürfe es eines zielgruppengerechten Angebots. Deswegen fordere Aides die stärkere Unterstützung community-naher Projekte.

Großbritannien

Die Regierung Großbritanniens hat keine explizit formulierte HIV-Test-Politik.
Die BHIVA (British HIV Association, Vereinigung der britischen HIV-Behandler) hat 2008 in Zusammenarbeit mit der ‚British Infection Society‘ und der ‚British Association for Sexual Health and HIV‘ eine eigene Empfehlung heraus gegeben. In dieser wird eine deutliche Ausweitung der HIV-Testungen empfohlen. Dabei solle eine umfassende Beratung vor dem Test abgeschafft werden zugunsten einer einfachen Herausgabe von Informationen.
Die Empfehlungen betonen, alle Tests sollten ‚opt-out‘ sein (sie sollten durchgeführt werden, es sei denn der Patient lehne dies explizit ab). Derartige Tests sollten auch durchgeführt werden bei
– Frauen in Beratungsstellen zum Schwangerschaftsabbruch,
– Menschen aus Hochprävalenz-Ländern und deren Sex-Partnern,
– allen Patienten mit Tbc, Hepatitis B oder C oder Lymphomen,
– allen Patienten mit einem von mehreren Symptomen, die in einer Liste von Indikator-Symptomen genannt sind, und
– allen Menschen, die neu in ein Krankenhaus eingewiesen werden oder sich neu bei einem niedergelassenen Arzt anmelden in Regionen, in denen die HIV-Prävalenz undiagnostizierter HIV-Infektionen über 1 von 1.000 liege.

Niederlande

In den letzten Jahren hat sich auf der nationalen Ebene nicht sehr viel verändert in Sachen HIV-Testungs-Politik. Offiziell gibt es opt-out für einen HIV-Test nur bei schwangeren Frauen (seit 2004). Opt-out will so viel heißen wie: Schwangere werden informiert (Pflicht des Krankenhauses), dass bei der Blutuntersuchung auch auf HIV getestet wird, sie können dann melden wenn sie dies nicht wollen.
Diese Informationspflicht kann in der Praxis sehr weitläufig interpretiert werden: wenn im Wartezimmer der Abteilung andauernd ein Video läuft, in dem beiläufig gesagt wird, dass auf HIV getestet wird, hat das Krankenhaus seine Informationspflicht erfüllt.
Die meisten HIV-Tests finden in den Niederlanden beim Hausarzt statt. Die HIV-Test-Rate hat sich in den letzten Jahren erhöht. Die größte Steigerung der Testbereitschaft kam nach einer großen Kampagne „Steeds meer mannen weten het!“ (Immer mehr Männer wissen es), innerhalb drei Jahren stieg der Prozentsatz der getesteten MSM von 42% auf 54%.

Danke an M. und Alexander für Informationen!

weitere Informationen:
Centers for Disease Control: Revised Recommendations for HIV Testing of Adults, Adolescents, and Pregnant Women in health Care settings, MMWR 55(RR14), 1-17, 2006
British HIV Association: UK National guidelines for HIV Testing 2008 (pdf)
don’t live in ignorance: how do we expand hiv testing? in: hiv treatment update october 2009
HAS Oktober 2009: Dépistage de l’infection par le VIH en France : stratégies et dispositif de dépistage, Bericht (pdf)
Liberation 21.10.2009: Sida : des tests pour tout le monde ?
Le Monde 21.10.2009: Sida : la Haute autorité de santé pour un dépistage volontaire généralisé
e-llico 26.10.2009: Recommandation de la HAS : Aides veut favoriser la mise en place de projets de dépistage communautaire
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opt-in oder opt-out? Literatur zur Debatte um opt-in und opt-out

Derzeit wird in Deutschland wie auch in zahlreichen Nachbarstaaten darüber diskutiert, ob HIV-Tests weiterhin mit einer opt-in-Strategie durchgeführt werden sollen, oder ob auf einen opt-out-Ansatz gewechselt werden sollte.

Worum geht es? Einige Literatur-Tipps:

international:
WHO 01.06.2007: Guidance on provider-initiated HIV testing and counselling in health facilities(pdf)

die derzeitige Situation in Deutschland:
DAH: Info-Mappe für die Beratung in Aidshilfen
DAH / iwwit: Mindeststandards zum HIV-Test in Aidshilfen (pdf)
DAH: Partizipative Qualitätsentwicklung in der Prävention (pdf)
DAH: Informationen rund um den HIV-Test (pdf)

die Debatte in Europa:
Laar „HIV/Aids Surveillance in Europe: update 2007“ Eurosurveillance Vol. 13 Ausg. 50, 11.12.2008 rapid communication

die Situation in den USA:
CDC MMWR 22.09.2006: Revised Recommendations for HIV Testing of Adults, Adolescents, and Pregnant Women in Health-Care Settings

die US-Perspektive und -Diskussionen:
R. Bayer et al., NEJM 17.08.2006: Changing the Paradigm for HIV Testing — The End of Exceptionalism
New York City Health Information Februar 2006: Making HIV Testing a rouitine part of medical care (pdf)
About.com 23.10.2007: The CDC’s HIV Testing Recommendations
Lyfson / Rybicki: Routine opt-out HIV testing. The Lancet Vol. 369 17.02.2009 (html, Registrierung erforderlich)
Catherine Hanssens: Legal and Ethical Implications of Opt-Out HIV Testing. CID 2007:45 (Suppl 4)
David R. Holtgrave: Costs and Consequences of the US Centers for Disease Control and Prevention’s Recommendations for Opt-Out HIV Testing. PLoS Medicine 12.06.2007
Armstrong, Taege: HIV screening for all: The new standard of care, Cleveland Clinic Journal of Medicine Vol. 74 Nr. 4, April 2007 (pdf)
Galletly, Pinkerton et al.: CDC Recommendations for Opt-Out Testing and Reactions to Unanticipated HIV Diagnoses. AIDS Patient Care STDS. 2008 March; 22(3): 189–193.
Quaseem et al.: Screening for HIV in Health Care Settings: A Guidance Statement From the American College of Physicians and HIV Medicine
Association. Ann Intern Med. 2009;150. (20.01.2009) (html)

das Modell European Guidance:
Coenen, Lundgren et al.: Optimal HIV testing and earlier care: the way forward in Europe. HIV Medicine (2008), 9 (Suppl. 2), 1–5

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Dank an Armin Schafberger und Karl Lemmen (beide DAH) bei der Unterstützung bei der Literatur-Zusammenstellung!

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Fernziel ‚test and treat‘ ?

Auf verschiedenen Ebenen wird über die Zukunft des HIV-Tests diskutiert. Im Blick, langfristig: „test and treat“, die umfassende Testung mit direkt anschließender Behandlung möglichst vieler HIV-Positiver. Chance – oder Gefahr?

„test and treat“, dieser Begriff meint ‚umfassende Testung auf HIV und sofortige antiretrovirale Behandlung aller Personen, die als HIV-positiv diagnostiziert werden‘.

Hintergrund dieser Strategie: die Überlegung, dass bei erfolgreich antiretroviral behandelten HIV-Positiven die Infektiosität sehr deutlich absinkt – und dass, so biostatistische Modellrechnungen, durch eine umfassende antiretrovirale Behandlung möglichst vieler Positiver nicht nur Erkrankungsrate und Sterblickkeit Positiver, sondern vor allem auch die Zahl der HIV-Neuinfektionen deutlich reduziert werden könne. Ein (inzwischen u.a. aufgrund sehr optimistischer Annahmen häufig hinterfragtes und kritisiertes) mathematisches Modell von WHO-Forschern (Lancet 373, 48, 2009) meint gar zu zeigen, dass durch die Strategie eines umfassenden „test and treat“ HIV innerhalb von 50 Jahren ausgerottet werden könne.

Umfangreiche Studien laufen, ob in Südafrika, Uganda oder Asien und Latein-Amerika. Studien sowohl im Bereich theoretischer Modelle, als auch ganz praktisch in Form von Studien, die die Durchführbarkeit und Durchsetzbarkeit testen sollen.

„test and treat“ – diese Strategie scheint auf den ersten Blick weit weg, für Industriestaaten, für moderne Demokratien kaum vorstellbar.
Oder?

Die New York Times berichtet in ihrer Ausgabe vom 26.10.2009:

„Federal health officials are preparing a plan to study a bold new strategy to stop the spread of the AIDS virus: routinely testing virtually every adult in a community, and promptly treating those found to be infected.“

„test and treat“ – diese HIV-Strategie soll in den USA konkret getestet werden, in einem Pilotprojekt sowohl im District of Columbia als auch in der Bronx (beides Gebiete mit für die USA sehr hohen Infektionsraten).Offizielle betonen, dies sei nur der erste Schritt, der der Prüfung der Durchführbarkeit diene.
Worin der Kern des Pilotprojekts bestehen soll? Eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes erläutert der New York Times:

„the key to test and treat would be capturing those who did not volunteer for testing because they did not believe they could be infected —“people who are promiscuous at college, the partygoers, the young professionals who go to the club”.

Die derzeitigen Diskussionen um ‚provider-initiated test‘, um ‚opt-out‘ sind nur der Auftakt – „test and treat“ ist der auf opt-out vermeintlich logisch folgende nächste Schritt im Arsenal von so manchem Aids-Experten. Zahlreiche Forscher arbeiten bereits auf verschiedenen Ebenen daran, diese Strategie zu spezifizieren und zu untersuchen, wie sie durchgesetzt und in der Praxis realisiert werden kann.

„test and treat“ ist keine ungefährliche Strategie. Eine Strategie, die potentiell Grundlagen unserer Gesellschaft bedrohen kann.
Wenn Menschen ohne ihre explizite Einwilligung auf HIV getestet, und dann direkt anschließend forciert mit Medikamenten behandelt werden – ist dies noch vereinbar mit Menschenrechten, mit dem Recht auf freie Entscheidung, mit dem Recht auf Nicht-Wissen, mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung?
Oder wird hier die Freiheit und Autonomie des Individuums geopfert auf dem Altar einer falsch verstandenen“public health“? Für ein „höheres Ziel“ der ‚öffentlichen Gesundheit‘? Ein weiterer Schritt in eine „Gesundheits-Diktatur“?

Die derzeitigen Diskussionen und Pilotprojekte scheinen weit weg. Die USA, ja ja.
Nein, so weit weg sind sie nicht. Wer Diskussionen in manchen unserer Nachbarländer verfolgt, wer auf Zwischentöne achtet, der mag hören, dass derartige Strategien auch in Europa zunehmend salonfähig werden. Der in meist eher verschwiegenen Zirkeln nicht selten zu hörende Gedanke, den gesellschaftlichen Nutzen in der Aids-Politik deutlich gegenüber dem individuellen vorzuziehen ist dann nur der erste Schritt vor dem zweiten, die individuellen Freiheiten bewusst einzuschränken.

Es gibt mancherorts eine Agenda hinter den vordergründigen Debatten um eine Intensivierung von HIV-Tests.

Können wir allen Ernstes um der öffentlichen Gesundheit willen eine HIV-Strategie wollen, die in die Freiheit des Einzelnen derart massiv eingreift? Eine Debatte, die nicht wenigen Ärzten, Statistikern und Gesundheitspolitikern überlassen werden darf. Eine Debatte, die breit und früh genug geführt werden muss – bevor verdeckt längst die entscheidenden Weichen gestellt werden.

weitere Informationen:
Regina McEnery: Test and Treat on trial. in: IAVI report Juli/August 2009
New York Times 26.10.2009: Fighting H.I.V., a Community at a Time
POZ 27.10.2009: U.S. to Launch 3-Year Comprehensive “Test and Treat” Study in Bronx and DC
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HIV-Testung – Begrifflichkeiten und Eckdaten

Auf der Expertenanhörung  „HIV-Testungsansatz im deutschen Gesundheitswesen“ am 22. Oktober 2009 in Hannover präsentierte Dr. Ulrich Marcus (RKI) Eckdaten. Der Versuch einer Zusammenfassung auf Basis der Präsentation Dr. Marcus:

Begrifflichkeiten

Klienten-initiierte Testung (CIT, client-initiated test): KlientIn entscheidet sich nach eigener Einschätzung für einen Test und sucht eine Testungsstelle auf
Anbieter-orientierte Testung (PIT, provider initiated test): Der Test wird eine/m PatientIn von Seiten des Behandlers angeboten (Beispiel für deutsche Regelungen: Schwangerenvorsorge, bei Vorliegen einer STI, TB oder Hepatitis B oder C)
opt-in: KlientIn / PatientIn willigt explizit (und nach Beratung) in den HIV-Test ein
opt-out: KlientIn / PatientIn lehnt HIV-Test explizit ab und verhindert dadurch dessen Durchführung

Wo wird getestet, wo sollte getestet werden?

Die größte Zahl an HIV-Tests wird in Deutschland bei niedergelassenen Ärzten durchgeführt (client initiated oder provider initiated). Zusätzlich besteht die Möglichkeit anonymer HIV-Tests in Gesundheitsämtern und bei niedrigschwelligen Testeinrichtungen (client initiated voluntary testing with counseling)
Ein routinemässiges Testangebot (provider initiated testing, mit informed consent) sollte gemacht werden bei Schwangeren (Mutterschutzrichtlinie), STD-Patienten (Deutsche STD-Leitlinien), Tuberkulose-Patienten (Leitlinien des DZK) sowie bei Patienten mit chronischer Hepatitis B bzw. Hepatitis C.
Eine unklare Situation (bundesländerspezifische Regelungen) besteht bei Testangeboten für Asylbewerber und Häftlinge.

Geschätzte HIV-Prävalenz

In der erwachsenen Bevölkerung Deutschlands (15 bis 60 Jahre; 51 Mio.) liegt die HIV-Prävalenz bei 0,12%.
Unter MSM (im Alter von 20 bis 60 Jahren; ca. 750.000 entspr. knapp 3% der männlichen Bevölkerung der Altersgruppen) liegt die HIV-Prävalenz bei 5,3% (wobei sie in Großstädten bei bis zu 10 bis 15% liegen kann). Unter iv-Drogengebrauchern (ca. 200.000 ?) wird eine HIV-Prävalenz von ca. 4% geschätzt (Basis: neuere Daten Gefängnisstudie); unter Migranten aus dem westlichen Subsahara-Afrika ca. 2 bis 4%.
Unter der heterosexuellen Allgemeinbevölkerung zwischen 15 und 60 Jahren, ohne MSM, iv-Drogengebraucher und Migranten aus Hochprävalenz-Ländern (HPL) liegt die HIV-Prävalenz bei 0,02% (bei Blut-Erstspendern unter 0,01%).

Test-Häufigkeit

Von allen MSM ohne positiven HIV-Vortest haben bisher 66% jemals einen HI)V-Test durchführen lassen, darunter 25% in den letzten 12 Monaten. Bei MSM mit hohem Risiko bzw. von der Praxis rekrutierten MSM liegen die Raten deutlich höher (jemals: 89 bis 97%, in den letzten 12 Monaten 47 bis 49%)
Bei MSM mit bestehendem Vor-Test lag der Abstand zum letzten vor dem aktuellen Test vorgenommenen HIV-Test bei durchschnittlich 2,5 Jahren, bei iv-Drogengebrauchern (IVDA) bei 1,8 Jahren. Bei angegebenem Transmissionsrisiko ‚heterosexuell‘ oder ‚HPL‘ hingegen lag der zeitliche Abstand zum letzten Vor-Test bei über 3 Jahren. Dr. Marcus ergänzte, dass es sich bei den Angaben sicher um eine Unter-Schätzung handele, da Angaben zum Vor-Test oftmals nicht vorliegen.

Der Begriff ‚late presenter‘

Dr. Marcus wies darauf hin, dass nicht jede Person, die sich erst sehr spät im Infektionsverlauf in einer Klinik oder Schwerpunktpraxis vorstellt, auch tatsächlich erst spät von ihrem positiven HIV-Status erfährt. Oft kann (in unbekanntem zeitlichem Abstand) schon vorher ein (ggf. z.B. anonymer) HIV-Test (z.B. in einem Gesundheitsamt) liegen, sowie bzw. oder bei einem niedergelassenen Arzt (ohne HIV-Schwerpunkt).
Nur von einem geringen Anteil aller HIV-Erstdiagnosen in Deutschland liegen Angaben zur CD4-Zellzahl bei Test vor (unter 20 bis zu 30% je nach Infektionsrisiko). Die auf diesem geringen Anteil aller Erstdiagnosen basierenden Werte auf alle Erstdiagnosen zu übertragen erscheint zumindest fraglich. Bei denjenigen Menschen, für die Angaben zur CD4-Zellzahl vorliegen, liegt der Anteil derjenigen mit unter 200 CD4-Zellen (stark erhöhtes Risiko opportunistischer Infektionen) bei knapp über 20% (MSM), ca. 25% (IVDA), knapp 40% (hetero), ca 45% (HPL) und über 50% (keine Angabe zum Transmisssionsrisiko).
Der Anteil rezenter Infektionen (Infektion frischer als 6 Monate) liegt bei IVDA bei 37,1%, bei MSM bei 36,4%, hetero 30,7% und HPL 14,9%.

Späte HIV-Diagnose

Eine späte HIV-Diagnose (CDC-Stadium B oder C; 2/3 Anteil an ‚late presentation‘) ist häufiger bei Menschen mit den Infektionsrisiken ‚hetero‘ oder ‚Herkunft aus Hochprävalenz-Regionen‘, am häufigsten bei Personen ohne Angabe zum Infektionsrisiko.
Der Anteil später HIV-Diagnose nimmt mit steigendem Lebensalter zu (unter 30 Jahre ca. 20%, über 60 Jahre ca. 60%). Die Wohnort-Größe hat (mit Ausnahme der Gruppe ohne Angabe zum Infektionsrisiko) keinen erkennbaren Einfluss auf den Diagnose-Zeitpunkt. Die Herkunftsregion hat keinen erkennbaren Einfluß auf den Diagnose-Zeitpunkt, Ausnahmen sind Herkunft aus Subsahara-Afrika sowie Frauen aus Südostasien.

Später Behandlungsbeginn (CD4 unter 200)

Etwa 2% aller in Deutschland mit HIV lebenden Menschen (1.300 bis 1.500) begeben sich erstmals in qualifizierte ärztliche Behandlung, wenn ihr Immunsystem weniger als 200 CD4-Zellen aufweist. Dies entspricht 30% der Neuvorstellungen und 50% der jährlichen HIV-Neudiagnosen.
Ein später Behandlungsbeginn erfolgt bei vermutlich 2 bis 3% der noch unbehandelten aber medizinisch betreuten Menschen mit HIV (400 / 15.000) und bei ungefähr 5% der bis dahin undiagnostizierten Menschen mit HIV ( 1.000 / 20.000). Ein verzögerter Behandlungsbeginn ist häufiger bei IVDA.

Testbarrieren

Testbarrieren werden vor allem gesehen in fehlendem Risikoempfinden, Angst vor v.a. sozialen Konsequenzen, Angst vor Behandlungs-Nebenwirkungen, fehlender Kommunikation zwischen Arzt und Patient über Risiken sowie bei Migranten einem anderen Gesundheitsverständnis, einem Nicht-Vertrautsein mit dem deutschen Gesundheitssystem, konkurrierenden Problemen sowie fehlendem Krankenversicherungsschutz.