HIV und Sex: soll ich es sagen oder schweigen? – Gedanken einer HIV-positiven Frau

„Wie können wir HIV-positive Frauen mit dem Geheimnis „HIV-positiv“ umgehen, ohne auf Sex zu verzichten?“, fragt Saskia Schreiner, und ergänzt „Unser Leben ist stressig genug, daher sollte etwas, das Spaß und Befriedung bereitet nicht noch zusätzlich kompliziert sein.“

Doch – unkompliziert ist das Leben mit HIV nicht …

Der Text erschien zuerst im „Rainbow Magazin“ der Aids-Hilfe Stuttgart (Ausgabe 66 Frühjahr 2011).

HIV und Sex: soll ich es sagen oder schweigen? – Gedanken einer HIV-positiven Frau

Saskia Schreiner (Pseudonym)

Ich weiß nicht, wie es anderen ging. Als ich im sonnigen Monat August 2010 auf dem Weg zur Arbeit am Kiosk vorbeikam und bei einem flüchtigen Blick auf die Zeitungsständer die Schlagzeilen der Bild-Zeitung zum Prozess gegen die No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa las „HIV – Sex – Haft“, hat mich das nicht unberührt gelassen. Beim Lesen der Schlagzeilen oder der ausführlichen Berichte in der Stuttgarter Zeitung über die Details des Sexuallebens von Nadja Benaissa kam in mir eine bedrückte Stimmung auf, mehr noch, ich solidarisierte mich mit der Angeklagten und fühlte mich ebenfalls kriminalisiert. Warum ist das so?

Soll ich es sagen oder lieber schweigen?

HIV ist ein Tabu-Thema und wer als HIV-Infizierte ein sexuell erfülltes Leben lebt, hat gleich mehrere Probleme, vor allem dann, wenn man sich bewusst dafür entscheidet, die HIV-Infektion nicht öffentlich zu machen. Mir hat man vor 24 Jahren, im Alter von 28, die Diagnose HIV mitgeteilt. Ich habe mich dafür entschieden, meine Infektion nicht öffentlich zu machen. Die Hauptbeweggründe waren und sind vor allem beruflich bedingt, die Angst vor Diskriminierung am Arbeitsplatz und bei der Arbeitssuche, aber auch Angst vor Diskriminierung im alltäglichen Leben. Das Geheimnis für sich zu behalten, ist einfacher gesagt als getan, vor allem im Privatleben und in Partnerschaften. Nadjas Leben, zumindest wie es in der Presse wiedergegeben wurde, zeigt, wie schwierig es ist, als HIV-Infizierte etwas Normalität ins Leben zu bringen. Nicht nur ihr geht es so, sondern auch den vielen Infizierten hier in Deutschland und in aller Welt.

Ich frage mich: Was können wir HIV-positive Hetero-Frauen aus dem Prozess lernen? Wie können wir mit dem Geheimnis „HIV-positiv“ umgehen, ohne auf Sex zu verzichten? Unser Leben ist stressig genug, daher sollte etwas, das Spaß und Befriedung bereitet nicht noch zusätzlich kompliziert sein. Das ist es aber, denn HIV und Sex sind nicht voneinander zu trennen. Das zeigt der Prozess gegen Nadja sehr deutlich; die Bild-Zeitung hat das Tabu-Thema im Sommerloch schonungslos medial umgesetzt.

Ich finde es sehr mutig und authentisch, wie Nadja ihre Beziehungen und ihr Sexualleben beschreibt. Sie beschreibt damit erst mal nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich wird der Sachverhalt dadurch, dass sie weiß, dass sie HIV-positiv ist.

Nadja macht Mut über ein tabuisiertes Thema zu sprechen

Nach meiner HIV-Diagnose – das war in den 1980er Jahren, als Politiker wie Herr Gauweiler kundtaten, dass man HIV-Positive „wegschließen“ müsste – habe ich mir natürlich die Frage gestellt, ob Sexualität in einem Leben mit HIV überhaupt Platz hat. Ich habe mich dafür entschieden.

In den zurückliegenden 24 Jahren meines Lebens mit HIV und Sex gab es viele Situationen, die für mich und meine Partner nicht problemfrei waren. Ähnlich wie Nadja musste auch ich lernen, was es heißt, HIV und Sex als Normalität des eigenen Lebens zu akzeptieren. Ein Entkommen gibt es nicht. Bei diesem Thema ist man völlig auf sich selbst gestellt. Ich selbst habe lange gebraucht, für mich einen ’gehbaren’ Weg zu finden. Auch heute muss ich mir immer wieder Zeit für das Thema „HIV und Sex“ nehmen, denn Vorbilder gibt es hierzu kaum. Hinzu kommt, dass auch ich in einer Familie aufgewachsen bin, die nicht über Sex redet und über HIV schon gar nicht.

Meine Reaktion auf die Prozessschlagzeilen um Nadja hat mir gezeigt, wie verletzlich ich bin. Die Schwäche, die ich empfinde, die Opferhaltung, in die ich hineinrutsche, versuche ich in Stärke umzuwandeln, indem ich darüber schreibe. Schreiben ist für mich umso wichtiger, weil ich meine Krankheit geheimhalte und nicht über HIV sprechen kann – bis auf wenige Ausnahmen. Vor kurzem habe ich einer Freundin erzählt, dass ich HIV-positiv bin, denn sie fragte immer wieder nach: „Da ist doch irgendetwas, das dich belastet?“ Irgendwann, als wir zusammen im Auto saßen, habe ich es ihr gesagt. Ich weiß, dass mein Geheimnis bei ihr gut aufgehoben ist.

Als ’Nebenwirkung’ meiner allgemeinen Geheimhaltung habe ich eine gewisse Sprachlosigkeit zum Thema HIV und AIDS entwickelt. Hinzu kommt meine Erfahrung, dass es nicht einfach ist, mit Partnern über dieses Thema zu sprechen. In der Regel wird es kurz angesprochen, dann wird schnell das Thema gewechselt.

Der Medienrummel um Nadja hat mich bewogen, einige Erfahrungen aus meinem Leben mit HIV und Sex zu Papier zu bringen. Wichtig ist mir, daß wir den Mut haben, darüber außerhalb der Gerichtsräume zu sprechen und dabei eine Kultur entwickeln, die das Thema enttabuisiert. Das hilft uns selbst und darüber hinaus auch anderen.

Kurz zusammengefasst die Kerngedanken, die mir im Umgang mit HIV und Sex wichtig sind:

– Jede Beziehung und partnerschaftliche Situation ist anders. Daher gibt es keine Vorgehensweise, über HIV und Sex zu sprechen, die für alle und grundlegend richtig ist.

– Das Thema „HIV und Sex“ hat bei mir auch nach über 20 Jahren immer noch eine Stress-Komponente. Es liegt an mir, den Stress möglichst gering zu halten. Nur ich kann dafür sorgen. Nicht zu übersehen ist, dass Beziehungen – egal welcher Art – auch ohne HIV nicht stressfrei sind. In vielen Partnerschaften existiert eine gewisse Sprachlosigkeit beim Thema Sex; es fällt schwer, eigene sexuelle Wünsche zu äußern. Daher mag es hilfreich sein, wenn wir als Frauen mit HIV uns austauschen und gegenseitig unterstützen.
Da ich nicht bei der ersten sexuellen Begegnung weiß, ob dies der Partner fürs Leben ist, ob die sexuelle Beziehung ein „one-night-stand“ bleibt oder sich mehr aus dem Abend zu zweit entwickelt, liegt es an der Situation und der Person, ob ich es über die Lippen bringe und mich entscheide zu sagen „Ich bin HIV-positiv“.
Wenn ich es nicht sage, erwächst es häufig aus dem Gedanken „Was geschieht, wenn mein Partner mein Geheimnis kennt? Was ist, wenn er es anderen erzählt?“ Diese Angst ist real, denn vor Diskriminierung im Freundeskreis, in der Verwandtschaft und am Arbeitsplatz ist keine/r sicher.

Ein weiterer Gedanke, der dazu führt, es zu verschweigen, ist: „Was tue ich, wenn die Person, mit der ich Sex haben möchte, sich von mir abwendet, wenn ich ihr sage, dass ich HIV-positiv bin?“ Das tut weh und in einer Stimmung emotionaler Nähe und Sehnsucht kann es passieren, dass man das existierende Risiko verdrängt. Was passiert dann? Spätestens am nächsten Morgen beim Aufwachen beginnt ein Tag voller Sorge und Panik. Es kostet sehr viel Kraft, diese belastenden Situationen auszuhalten.

Ein weiterer Gedanke bestimmt manchmal das Vorgehen: „Meine Viruslast ist so gering, da bin ich als Frau auf der sicheren Seite und werde wohl kaum den Partner anstecken.“ So kann ungeschützter Geschlechtsverkehr begründet werden, jedoch mit den gleichen Sorgen und Ängsten am nächsten Tag.

– Manchmal denke ich auch: „Warum muss ich die ganze Verantwortung und Belastung tragen, mich und den anderen zu schützen? Ist nicht die andere Person für das eigene Tun verantwortlich, wenn sie nicht auf ein Kondom besteht?“

– Wenn möglichst wenig Personen von meiner Infektion erfahren sollen und ich mir das belastende Für und Wider beim kuscheligen Beisammensein ersparen möchte, dann genieße ich Sex, vor allem Schmusen, oralen Sex, lecken, knutschen etc. – und da können locker mal zwei Stunden tollster Zweisamkeit vergehen. Wenn es zum Geschlechtsverkehr kommt, habe ich das Kondom bei der Hand. Wenn ich hier proaktiv vorgehe, habe ich bisher keinen Mann erlebt, der das nicht akzeptiert, wenn auch zähneknirschend. Das ist für mich die einfachste und stressärmste Variante von Sex mit HIV, denn sie verhindert – so die aktuelle Gesetzeslage -, dass ich mich wegen Körperverletzung und Ansteckung strafbar mache.

– Meine Erfahrung ist, dass es auch in mehrjährigen eheähnlichen Partnerschaften nicht einfach ist, mit Männern über das Thema HIV und Sex zu sprechen. Immer muss ich das Thema vorbringen, muss ich einschätzen, wann eine Situation passt, um etwas, das mich bewegt oder bedrückt, anzusprechen.

Solange HIV und AIDS tabuisiert und kriminalisiert wird, wird sich zu diesem Thema wohl kaum jemand offen äußern – auch ich werde es nicht tun. Wie Nadja habe auch ich über Sex und das Risiko einer Infektion mit meinem Arzt immer wieder besprochen, nicht aber mit allen meinen Partnern. Ich habe medizinische Studien gelesen, bin zu Vorträgen zu diesem Thema gegangen und bin froh um die Angebote der AIDS-Hilfe und AIDS-Stiftung. Die Verantwortung für mein eigenes Handeln nimmt mir aber niemand ab und die Gesellschaft, in der ich lebe, ist, wie sie ist.

Für HIV-Positive ist das Thema „HIV und Sex“ Teil ihres Lebens. Wie der Prozess gegen Nadja zeigt, ist dies für Nichtbetroffene beziehungsweise diejenigen, die ihren HIV-Status nicht kennen, keineswegs der Fall.

Ich habe einige Wünsche an alle Beteiligten und die Gesellschaft:

  • Ich wünsche mir, dass Betroffene – einschließlich der Ärzte, Selbsthilfeorganisationen etc. – offener und unverkrampfter über HIV und Sex reden, sich austauschen und wenn möglich auch gegenseitig unterstützen. Dadurch gewinnen wir an Selbstbewusstsein und Lebensqualität.
  • Um dem Thema die Irrationalität zu nehmen, ist mehr Forschung, Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit erforderlich.
  • Eine HIV-Infektion führt aufgrund vieler Vorurteile eher zu Schweigen und zur Isolation als zu Offenheit. Unsere Gesellschaft braucht mehr Offenheit im Umgang mit HIV-Infizierten und tabuisierten Themen wie Sex und HIV. Darüber zu reden und zu schreiben ist eine Möglichkeit das Schweigen und die Isolation aufzubrechen.
  • Ich wünsche mir, irgendwann einmal nicht mehr den Druck zu verspüren, über ein Thema wie dieses unter einem Pseudonym zu schreiben.

Vielen Dank an ‚Saskia Schreiner‘ für den Text sowie an die Aids-Hilfe Stuttgart für die Genehmigung der Übernahme!

Es ist bekannt dass sich das „Krankenhaus mit Menschen die HIV positiv sind schwer tut“

Das folgende Gespräch habe ich mit Klaus (der Name ist ein Pseudonym) der HIV-positiv ist, am Tag nach seiner Entlassung aus einem Krankenhaus (OP wegen analer Fistel /Morbus Crohn) geführt.

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Als ich wie vereinbart 3 Tage vor der OP um 11.30 Uhr auf der Station der Inneren/Infektions-Abteilung des hiesige Krankenhauses erschien, empfing man mich recht kühl und distanziert. Normalerweise hätte ich auf der chirurgischen Abteilung aufgenommen werden sollen. Aber aus mir nicht bekannten, nicht kommunizierten Gründen hatte mir die Verwaltung ein Einzelzimmer auf der Inneren /Infektions-Abteilung zugewiesen.

In meiner Krankenakte waren auf einem Blatt das rot umrandet war meine Krankheiten, HIV, Morbus Crohn und meine ausgeheilte Hepatitis B angegeben. Hinweise, Kurzinfos auf Krankheiten wie man sie manchmal noch auf einem Schild das am Fußende der Krankenbetten angebracht ist findet, so dass sie für jedermann offensichtlich sind, das gab es nicht.

Während der Dauer meines Aufenthaltes und ganz besonders nach der OP hatte ich immer das Gefühl, dass sich das Personal auf der Station wegen meines Status ‚HIV-positiv‘ mir gegenüber sehr zurückhaltend verhalten hat. Ein abschätziges Wort oder dass man mich offen diskriminiert hatte habe ich nicht gehört bzw. erfahren.

Was die OP betrifft: ich wurde mit der Begründung dass man nach meiner OP den OP-Saal einer besonderen Reinigung / Desinfizierung unterziehen musste als letzter operiert.

Es war mehr ein Gefühl das ich hatte. Die Tage nach der Operation ließen mich da schon hellhöriger werden. Die Wundversorgung war sehr unregelmäßig. So nach dem Motto „ der liegt eh auf dem Zimmer. Wenn was ist dann wird er sich schon melden. Wenn der sich nicht meldet, wir melden uns nicht“. Eine regelmäßige Wundversorgung, ein Kontrollieren der Wunde, das Auswaschen der Wunde besonders während der ersten Tage nach der OP fand nicht statt.

Als ich die Schwestern darauf ansprach, sagten sie: „Ja ja, das machen wir nachher“. „Nachher“ ist aber niemand gekommen.

Der Sozialdienst des Krankenhauses hat den Kontakt zu einem examinierten Krankenpfleger hergestellt, der sich nach meiner Entlassung bei mir melden würde. Dieser „Wundmanager“ würde dann die Versorgung und Pflege meiner Wunde durch einen Pflegedienst in die Wege leiten, was in der Folge dann auch reibungslos verlief.

Am Tag nach meiner Entlassung nach hause setzte sich der „Wundmanager“ mit mir in Verbindung. Ich erzählte ihm das was die Wundversorgung i.e. der Verbandswechsel, Duschen der Wunde im Krankenhaus betrifft aufgrund meiner HIV-Infektion sehr unregelmäßig stattfand.

„Ja,“ sagte er, „es ist bekannt dass sich das Krankenhaus mit Menschen die HIV-positiv sind schwer tut.“

Berlin Patient Interview : „Ich bin von HIV geheilt“

Timothy Ray Brown hat sich lange nicht gegenüber Medien geäußert. Timothy Ray Brown ist der „Berlin Patient“, der erste Mensch, der von einer HIV-Infektion „geheilt“ wurde. Nun hat er erstmals im Fernsehen gesprochen.

„I’m cured of HIV. I had HIV but I don’t anymore“ – dies ist der zentrale Satz von Timothy Ray Brown. „Ich bin von HIV geheilt. Ich hatte eine HIV-Infektion, aber ich bin nicht mehr HIV-infiziert.“

Die Geschichte des Timothy Ray Brown: Ein heute 45jähriger Mann aus den USA, der damals in Berlin lebte, erkrankt an Leukämie. Zudem ist er seit 1995 mit HIV infiziert. Mediziner an der Berliner Charité begannen 2006/07 mit einer innovativen Behandlung: statt dem Patienten “nur” eine ‘normale’ Stammzelltherapie zukommen zu lassen, benutzten sie Stammzellen eines Knochenmark-Spenders, bei dem aufgrund einer seltenen Mutation (ca. 3 – 5% der Bevölkerung) ein bestimmter Korezeptor (CCR5) fehlt – den jedoch HIV wiederum zur Infektion von Zellen benötigt.
Resultat der komplizierten Behandlung: der Mann ist von Leukämie geheilt – und derzeit HIV-negativ.

Erstmals trat Timothy Ray Brown nun im Fernsehen auf – in einem Exklusiv-Interview, das Hank Plante mit ihm für den US-Sender CBS (CBS local San Francisco) führte, und das über die erste „funktionelle Heilung“ (functional cure) berichtet:

Berlin Patient Interview

Brown wird inzwischen medizinisch weiter betreut am San Francisco General Hospital sowie am ‚Medical Center‘ der University of California, San Francisco.

Der Berliner Mediziner Dr. Gero Hütter wurde Mitte 2010 vom AIDS Policy Project in San Francisco und San Franciscos Supervisor Ross Mirkarimi im Rathaus von San Francisco ausgezeichnet – für “die erste funktionale Heilung von HIV/Aids”.

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Stammzell-Transplantationen (wie bei Timothy Ray Brown) sind eine sehr schwierige und riskante Prozedur. Diese „funktionelle Heilung“ von HIV bei Timothy Ray Brown ist kein Ansatz, der sich bei vielen HIV-Positiven problemlos wiederholen ließe. Aber sie zeigt einen Weg, eröffnet Hoffnung – Hoffnung auf eine Intensivierung der Forschung für eine realistische Heilung von HIV.

[ via towleroad]

Großbritannien: de facto Behandlungsverbot – ein HIV-positiver Zahnarzt berichtet

HIV-Positive mit Problemen beim Zahnarzt – kein seltener Fall. Aber wie sieht die Situation aus, wenn der Zahnarzt HIV-positiv ist?

HIV-Positive stoßen immer wieder auf Probleme, wenn sie eine Behandlung beim Zahnarzt benötigen. ‚Keine Zeit‘, Termine an Rand-Zeiten, oder gar Behandlungs-Verweigerung – immer wieder machen HIV-Positive diese Erfahrungen beim Zahnarzt.

In einer gemeinsamen Stellungnahme betonen Deutsche Aids-Gesellschaft DAIG und Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter dagnä: Bei der Behandlung HIV-Infizierter beim Zahnarzt gelten keine über Standardhygiene hinaus gehenden hygienischen Anforderungen. Und auch das Robert-Koch-Institut RKI betont: mit HIV beim Zahnarzt – routinemäßige Hygiene genügt.

Doch – wie ist die Situation ‚anders herum‘? Wenn nicht der Patient, sondern der Zahnarzt HIV-positiv ist?

Ein britischer HIV-positiver Zahnarzt berichtet im ‚Guardian‘ über seine Erfahrungen.

Allan Reid weiß seit 2007 von seiner HIV-Infektion. Zunächst hält er seine Infektion geheim, doch wenige Monate später outet ihn ein Boulevard-Blatt mit Sensations-Berichterstattung über den ‚Zahnarzt, der Tausende von Patienten behandelte, ohne ihnen zu sagen dass er HIV-positiv ist‘. Von einem Moment zum anderen war seine Karriere beendet. Selbst sein Haus musste er verkaufen – nach Verlust seines Berufs konnte er die Abzahlungen nicht mehr leisten.

In Großbritannien haben HIV-positive Zahnärzte de facto ein Berufsverbot zu befürchten. Der britische Zahnärzte-Verband betrachtet dies als ’nicht gerechtfertigt und ungesetzlich‘ und fordert eine Änderung der seit 20 Jahren (mit einer Revision 2007) geltenden Regelungen der britischen Gesundheitsverwaltung.

Anders die Situation in Deutschland: in einem Artikel des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahr 1999 (auch) zur Situation HIV-positiver Zahnärzte (ähnlich so bereits auch 1991) heißt es:

„Bei positivem Testausfall sollten keine ärztlichen oder zahnärztlichen Eingriffe mehr vorgenommen werden, die eine Verletzungsgefahr für die operierende Person selbst beinhalten und somit auch eine Infektionsgefahr für den jeweiligen Patienten. Alle anderen ärztlichen Tätigkeiten können ohne Vorbehalt ausgeübt werden. HIV-infizierte Ärzte/Ärztinnen oder Zahnärzte/-ärztinnen sollen gegebenenfalls ihr Tätigkeitsfeld einschränken oder in ein anderes wechseln.“

Aktuellere Empfehlungen, insbesondere unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit hochwirksamer Therapien,  zur Frage HIV-positiver Zahnärzte gibt es in Deutschland nicht. Als Anhaltspunkt kann jedoch ein Beschluss (2010) eines Expertengremiums dienen (siehe „HIV-infiziert und im Gesundheitssystem – was ist zulässig?„), das für HIV-infizierte Chirurgen (!) feststellt

„Das Expertengremium hat in dem vorliegenden Fall einstimmig den Beschluss gefasst, dass bei einer derzeitigen Viruslast unter der Nachweisgrenze sowohl für HIV als auch für HCV keine Einschränkungen der beruflichen Tätigkeit des Chirurgen erforderlich sind.“

Weltweit ist bisher nur ein Fall von Übertragungen von HIV durch einen HIV-positiven Zahnarzt bekannt. Für viel Aufregung sorgte Anfang der 1990er Jahre ein HIV-positiver Zahnarzt in Florida, der vermutlich sechs Patienten mit HIV infizierte.

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weitere Informationen:
The Guardian 17.05.2011: Dentists with HIV face ‚unfair‘ treatment
Annals of Internal Medicine 15.01.1996: The 1990 Florida Dental Investigation: Theory and Fact (abstract)
Annals of Internal Medicine 01.12.1994: Lack of HIV Transmission in the Practice of a Dentist with AIDS (abstract)
Bundesärztekammer und Bundesministerium für Gesundheit (1991) gemeinsame Empfehlung „Ärzte für freiwilligen HIV-Test“. Dt
Ärztebl 1991; 88: 2962–2963 (gekürzt: Epid Bull 7/97: 42)
Zahnärztliche Mitteilungen 01.02.2000: Die Wogen sind noch nicht geglättet
Epidemiologisches Bulletin 34/1999: Zur Problematik der nosokomialen Übertragung von HIV
Dr. Klaus Korn: HIV-infizierte Mitarbeiter im Gesundheitswesen – was dürfen sie (nicht)? In: Retrovirus-Bulletin 01/2010 (pdf)
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USA: Zwang zu veralteten Aids- Medikamenten für Positive mit niedrigem Einkommen in South Carolina

HIV-Positive mit geringem Einkommen im Gesundheitsprogramm ‚Medicaid‘  müssen im US-Bundesstaat South Carolina zukünftig zunächst generische Aids-Medikamente der „ersten Generation“ wie AZT nehmen. Dies beschloss der Senat des Bundesstaats.

Menschen mit besonderer Bedürftigkeit erhalten in den USA Medizin-Leistungen über das staatliche Programm ‚Medicaid‘. Über 46 Millionen Bürger der USA erhalten Leistungen aus Medicaid.

Im US-Bundesstaat South Carolina sollen HIV-Positive, die Leistungen von Medicaid erhalten, zukünftig aus Kostengründen gezwungen werden, zunächst Aids-Medikamente der ‚ersten Generation‘ zu verwenden, die als Generika erhältlich sind. Hierzu gehören in den USA Didanosin (Handelsname Videx®), AZT (Handelsname Retrovir®) und Stavudin (Handelsname Zerit®). Erst wenn ein Arzt anschließend feststellt, dass generische Aids-Medikamente nicht ausreichend wirksam sind, darf er/sie die anderen (kostenintensiveren weil patentgeschützten) Aids-Medikamente verordnen.

Vergleichbare Regelungen sollen auch für Patienten mit Krebs oder psychischen Störungen gelten. Eine entsprechende Regelung, die ab 1. Juli 2011 Anwendung finden soll, beschloss der Senat des US-Bundesstaats South Carolina Anfang Mai 2011. Der Senat verspricht sich von der Neuregelung aufgrund einer Schätzung der US-Gesundheitsverwaltung jährliche Einsparungen in Höhe von 991.000 US-$. Da zukünftig mehr Aids-Medikamente aus dem Patentschutz fallen und auch als Generika erhältlich sein werden, dürften die Einsparungen zukünftig steigen.

Ob auch Faktoren wie verschiedene Nebenwirkungs-Spektren der Aids-Medikamente erster Generation im Vergleich mit denen mit späterer Zulassung oder die Lebensqualität der betroffenen HIV-Positiven in der Debatte eine Rolle spielten, ist nicht bekannt.

Didanosin und AZT gehören zu den ersten je zugelassenen Medikamenten gegen HIV. Didanosin wird wegen seiner Nebenwirkungen (mitochondriale Toxizität) üblicherweise in Europa nicht mehr in Erst-Therapien eingesetzt, sondern nur als Ausweich-Medikament genutzt. Auch AZT ist für seine Nebenwirkungen (u.a. ebenso mitochondriale Toxizität) bekannt. Stavudin (Handelsname Zerit®) soll in Europa aufgrund seiner Toxizität nur in antiretroviralen Therapien eingesetzt werden, wenn keine anderen Alternativen bestehen, teilte die europäische Arzneimittelbehörde EMA im Februar 2011 mit.

‚Medicaid‘ ist eine sozialhilfeartige Leistung. Es ist „ein Gesundheitsfürsorgeprogramm in den USA, das die Bundesstaaten organisieren und Bundesstaat und Bundesregierung paritätisch finanzieren. … Zielgruppe sind Personenkreise mit geringem Einkommen, Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen. Das Programm wird weitgehend aus Steuermitteln betrieben. Der Erhalt von Leistungen ist an eine Bedürftigkeitsprüfung geknüpft.“ (wikipedia)

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weitere Informationen:
Bloomberg 03.05.2011: Senate resumes debate on SC’s $5.8B spending plan
The Sun News 28.04.2011: Senators: Generic drugs can trim Medicaid costs
Go Upstate 27.04.2011: SC lawmakers halt access to brand-name drugs
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HIV-Foren im Internet

Schenkt man der ARD – ZDF Onlinestudie Glauben, so nutzten im Frühjahr 2010 49 Millionen Menschen ab 14 Jahren wenigstens gelegentlich das Internet. Dies entspricht einem Bevölkerungsanteil von 69,4 Prozent. Ca. 57 Millionen Einwohner sind somit in der Lage auf Informationen die im WWW zur Verfügung stehen, von zu Hause aus zuzugreifen.

Insofern ist es schon aus diesem Grund naheliegend und logisch dass Menschen, die HIV positiv sind oder Grund zu der Annahme haben dass sie es möglicherweise sein könnten, sich des Internets als Informationsmedium bedienen.

Im deutschsprachigen Raum – Österreich, Schweiz, Deutschland – gibt es 3 HIV Foren/Communities, deren Mitglieder zum überwiegenden Teil HIV positiv bzw. Angehörige von Menschen sind, die HIV-positiv sind, sowie unzählige Angebote diverser Anbieter mit den unterschiedlichsten Interessen wo Menschen im Kontext eines Risikokontaktes/Verhaltens und einer möglichen HIV Infizierung um Rat fragen können.

Foren für HIV-Positive

Die beiden ältesten Foren im deutschsprachigen Raum sind das forum-positiv.de und das Lhiving.com Forum. Sie wurden, darf man den unendlichen Weiten des Cyberspace Glauben schenken im Jahr 2003 bzw. 2004 ins Leben gerufen. In ihrer damaligen Form existieren beide allerdings heute nicht mehr.

In den gegenwärtigen HIV-Foren „Lhiving.com“, „Forumhiv.de“ und „Forum-positiv.de“ begegnen sich Menschen die HIV-positiv sind und/oder deren Angehöre mit dem Ziel, sich untereinander auszutauschen bzw. miteinander kommunizieren.

Jedes Forum unterliegt, bedingt durch die Dynamik seiner Mitglieder, (s)einem eigenen Prozess was den Umgang mit der Thematik HIV betrifft. Dies bietet die Möglichkeit dass jeder das Forum findet das ihm entspricht, i.e. wo er/sie sich wohl fühlt. Hier bewahrheitet sich das bekannte Sprichwort das „Viele Wege führen nach Rom“.

Das zentrale Thema aller Foren ist „die gegenseitige Unterstützung von Menschen mit der chronischen Erkrankung HIV“. Das geht von Fragen zum Thema „Frühberentung, Ausstellen eines Schwerbehinderten-Ausweises, Abschluß einer Versicherung bis hin zu dem umfangreichen Thema dessen, was das „Leben mit HIV“ in Bezug auf die Gesundheit betrifft. Angefangen von Werten der üblichen Routineuntersuchungen, über Beginn einer Therapie, von Nebenwirkungen einer Therapie  bis hin zu Nebenwirkungsmanagement.

Was in diesen Foren stattfindet ist das, was man im englischen als Peer Support bezeichnet. Es findet ein Austausch statt von „Gleichgesinnten“, von Menschen die mit einer gleichen Situation „dem Infiziert-sein mit dem Virus HIV“ konfrontiert sind. Eine Krankheit, „HIV“ ist Teil ihres Lebens geworden. Sie sind krank aber sie definieren sich nicht über die Krankheit. Dies ist, wenn auch mitunter bedingt durch die Dynamik des Virus der sie in ihrem Alltag mal mehr, mal weniger beeinträchtigt, das Ziel von vielen. Durch das Teilen von Problemen und Lösungen, den Erfahrungen eines jeden Einzelnen, werden Bewältigungsstrategien entwickelt die man durch das kommunizieren unter und miteinander jedem zur Verfügung gestellt werden. Dies steht auch für den Aspekt dass es Hoffnung gibt, was besonders für diejenigen von Bedeutung ist, die erst vor kurzem mit der Diagnose „Sie sind HIV positiv„ konfrontiert worden sind.

Diese Art des Peer Support, der gegenseitigen Unterstützung von Gleichgesinnten ohne Ratschläge, Tips oder Hilfe von professioneller Seite, ist die direkteste Form der Umsetzung einiger Empfehlungen der Denver Prinzipien.

Stellt Euch selbst Eure Aufgaben und entwickelt Eure eigenen Strategien.

Engagiert Euch auf allen AIDS Veranstaltungen (In Foren) und tut dies gleichberechtigt mit anderen Teilnehmern. Tauscht mit ihnen Erfahrungen und Erkenntnisse aus.

Eine der ersten Sätze die man von Mitglieder wenn sie sich angemeldet haben immer wieder liest, sind:

Zunächst möchte ich schreiben, wie dankbar ich für dieses Forum bin. Hat mir schon einigermaßen geholfen, nicht aus dem Fenster zu springen.

Seit einiger Zeit bin ich stiller Mitleser und heute habe ich mich hier angemeldet. Euer Forum hat mir besonders in der ersten Zeit nachdem mir ein Arzt gesagt hat das ich HIV positiv bin, sehr geholfen.

Dies wirft auch ein Licht auf das mangelnde Verständnis und die ungenügende Begleitung von Ärzten wenn sie Menschen mit der Diagnose „Sie sind HIV positiv„ konfrontieren. Im Jahr 2011, 30 Jahre nach HIV in Deutschland ist dies gelinde gesagt eine Schande insbesondere wenn man weiß dass es sich nicht um Einzelfälle handelt.

Ob real oder virtuell, wenn Menschen an einem Ort zusammenkommen, miteinander kommunizieren, prallen mitunter die unterschiedlichsten Meinungen und Standpunkte aufeinander. IdR geht es friedlich und humorvoll zu. Aber auch Streiten und hitziges Debattieren ist ein Teil der Kommunikationskultur. Insbesondere wenn man sich vor Augen hält dass das Virus keine gesellschaftlichen Barrieren kennt und dass jeder Einzelne sich in seiner Sozialisation vom Anderen unterscheidet.

Mit einer Krankheit zu leben, HIV positiv zu sein, macht den Menschen per se nicht zu einem besseren, verständnisvolleren oder mitfühlendem Menschen. So wie wir uns vor unserer Diagnose „Sie sind HIV positiv“ in unserem Verhalten individuell unterschieden haben, so unterscheiden wir uns auch in unserem Alltag mit HIV. Fast jeder empfindet die Diagnose „Sie sind HIV positiv“ anfangs als ein einschneidendes Erlebnis, eine Krise in seinem Leben. Eine Krise ist eine Bedrohung. Sie beinhaltet den Aspekt der Gefahr. Gleichzeitig birgt eine Krise auch das Potential einer Chance zu einer Veränderung in sich. Dies wahrzunehmen, zu akzeptieren und zu leben ist kein leichter Weg, da es immer um das Loslassen, um Abschied nehmen von alten Gewohnheiten, Verhaltensmuster geht.

Foren zum „um Rat fragen“

Was die Eingangs erwähnten Angebote diverser Anbieter mit den unterschiedlichsten Interessen wo Menschen im Kontext eines Risikokontaktes/Verhaltens und einer möglichen Infizierung um Rat fragen können betrifft, so möchte ich nur kurz, auf die meiner Erfahrung/Meinung nach wichtigsten Plattformen eingehen.

Da wäre als Erstes die Plattform Med1 – Gesundheit im Internet – Forum „HIV und AIDS“ zu nennen. Diese ist soweit mir bekannt die größte Plattform an die sich Menschen um Rat und Hilfe wenden, wenn sie meinen einen Risikokontakt im Kontext zu einer möglichen HIV Infektion gehabt zu haben. Die Auskünfte  und Hilfestellungen sind idR fachlich qualifiziert. Zwar finden mitunter heftige Diskussionen statt, aber nur selten greift ein Moderator regulierend ein. Quelle

Ein anderes Forum das die Bezeichnung „Klein und Fein“ wie kein Anderes zu Recht trägt, ist das Forum
1. Dezember: Welt – Aids – Tag
In diesem Forum beantworten Ihnen Gisela Staack und Günther Frank (Fachdienst Gesundheit des Kreises Stormarn) alle Fragen rund um das Thema Aids. Quelle

Es zeichnet sich durch Sachlichkeit, Menschlichkeit und Respekt der beiden Moderatoren gegenüber den Rat und Hilfesuchenden aus wie ich es selten erlebt habe.

Ein weiteres Forum an das sich Rat und Hilfesuchende wenden ist das Lifeline Forum. Die Auskunftgebenden sind u.A. die gleichen Personen wie im Med1 Forum. In beiden Foren handelt es sich um Personen die diese Funktion ehrenamtlich, in ihrer Freizeit machen. Auf Grund ihrer beruflichen Tätigkeit sind sie fachlich dazu qualifiziert.

Auf die übrigen Foren werde ich nicht weiter eingehen. Ein gutes Kriterium um einem Forum „wo man Rat und Hilfe sucht auf den Zahn zu fühlen“ ist es wenn man „kritische Fragen stellt“. Da gibt es Foren wo Moderatoren einen hauseigenen Löschdienst zu beschäftigen scheinen. Ein Blick ins Impressum und auf den Betreiber ist sehr oft hilfreich. Manchmal kann man sich des Gedankens nicht erwehren, dass es sich hier in erster Linie um die Akquise von Geldern/Spenden mit dem Hintergrund des Social Media Marketing handelt. Insbesondere wenn man weiß, das die Informationen auf die man sich letztendlich beruft idR auf die Arbeit der AIDS-Hilfen im deutschsprachigen Raum zurückzuführen sind.

In diesem Zusammenhang möchte ich nicht versäumen auf die Arbeit (ich kann den Aufschrei jetzt schon hören : grins) von Stephan Dahl hinzuweisen.

Peer-Support via the Internet: What kind of support is sought by individuals with chronic conditions online. pdf datei

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Dies ist der erste Beitrag des neuen ondamaris-Mitarbeiters alivenkickin – herzlich willkommen! (d.Hg.)

Positive Begegnungen 2012: Bewerber/innen für die Vorbereitungsgruppe gesucht

Die Deutsche AIDS-Hilfe sucht engagierte Menschen, die sich aktiv an der inhaltlichen Vorbereitung der im August 2012 stattfindenden Konferenz zum Leben mit HIV und Aids beteiligen wollen.

Die „Positiven Begegnungen – Konferenz zum Leben mit HIV und Aids“ sind die größte Selbsthilfekonferenz in Europa. Bereits seit 1990 führt die Deutsche AIDS-Hilfe mit ihren Selbsthilfenetzwerken Konferenzen von Menschen mit HIV und Aids und ihren An- und Zugehörigen durch, die sich im Lauf der letzten zehn Jahre zu dem entwickelt haben, was sie auch in den kommenden Jahren auszeichnet: eine Konferenz, die von Menschen mit HIV und Aids aus allen Betroffenengruppen und ihren An- und Zugehörigen vorbereitet und durchgeführt wird.

Die im August 2012 stattfindende Konferenz bietet über vier Tage (Donnerstag bis Sonntag) in rund 30 Workshops für etwa 350 Teilnehmer/innen ein vielfältiges Angebot zu aktuellen Themen rund um HIV und Aids. Auf Podiumsdiskussionen können zudem mit Expert(inn)en aus Selbsthilfe, Medizin, Recht, Medien aktuelle Fragen aus der Gesundheits- und Sozialpolitik sowie Grundsätzliches zur Prävention diskutiert.

Adressaten

Die Konferenz richtet sich an alle oben genannten Selbsthilfeebenen und deren aktive Protagonist(inn)en, d.h. Adressaten aus den Zielgruppen der Aidshilfearbeit, die sich bürgerschaftlich engagieren oder auch erwerbsmäßig im Bereich Prävention, Selbsthilfe- und Gesundheitsförderung tätig sind. Um die anstehenden inhaltlichen Auseinandersetzung führen zu können, bedarf es Teilnehmer/innen, die bereit und in der Lage sind, über ihr Leben (mit ihren Krankheiten) zu reflektieren und zu abstrahieren. Die also über ihr persönliches Schicksal hinausblicken und die innere Bereitschaft zur Offenheit und Selbstreflexion haben. Ebenso bedarf es einer Bereitschaft zur inhaltlichen Vertiefung sowie das Gelernte im Rahmen einer Multiplikatorentätigkeit weiterzugeben. Um diese Kriterien im Vorfeld der Konferenz zumindest annähernd zu eruieren, wird ein Anmeldebogen entwickelt und im Rahmen des Anmeldeverfahrens ausgewertet.

Europäisierung der Konferenz

Zum ersten Mal ist es 2009 gelungen, Vertreter/innen aus der Schweiz und Österreich in die Vorbereitung zu integrieren. In einer partnerschaftlichen Kooperation sollen die beiden Nachbarländer – wie auch beispielsweise in der Präventionsarbeit bei MSM – einbezogen werden. Waren in der Vergangenheit einzelne Vertreter beider Länder anwesend, so soll auch weiterhin konzeptionell und gezielt kooperiert und Synergien genutzt werden. Auch dies ist ein weiterer wichtiger Schritt hinsichtlich einer länderübergreifenden Präventionsarbeit im deutschsprachigen Raum.

Aufgaben

Die Mitglieder der Vorbereitungsgruppe haben die Aufgaben, das Programm der Konferenz inhaltlich vorzubereiten. Dazu zählen die Themenfindung, die Bestimmung der Veranstaltungsformen, die Bestimmung und Einladung von Moderator(inn)en, Referent(inn)en sowie Hilfe bei der direkten Durchführung der Konferenz vor Ort.

Dazu werden 4 bis 5 Treffen der Vorbereitungsgruppe im Laufe von ca. eineinhalb Jahren geplant.

Organisatorische Planungen sowie die Planung eines „Kulturprogramms“ sind nicht Aufgabe der Vorbereitungsgruppe. Vorschläge hierzu aus der Gruppe sind willkommen.

Das erste Treffen wird am 15. bis 17. Juli 2011 stattfinden.

Bewerbung

Zur inhaltlichen Vorbereitung sucht die Deutsche AIDS-Hilfe Menschen, die sich aus Erfahrung und Kenntnis der Lebenssituation von Menschen mit HIV und AIDS an der inhaltlichen Vorbereitung und Durchführung der „Positiven Begegnungen“ aktiv beteiligen.

Aus der Reihe der Bewerber/innen wird der Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe die Vorbereitungsgruppe berufen. Bewerbungsschluss ist der 31.05.2011. Bewerbungen bitte per Fax/Brief an die Deutsche AIDS-Hilfe (s. beigefügtes Formular).

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Bewerbung PoBE2012 Vorbereitungsgruppe (pdf)

Solidarität ist Zusammengehörigkeit, ist Mitmenschlichkeit – Michèle Meyer im Interview

Was bedeutet Solidarität? Ganz allgemein, und unter uns Positiven? Hat jede/r HIV-Positive erst einmal meine Solidarität? Ein Interview mit Michèle Meyer.

Michèle Meyer ist Präsidentin von LHIVE, der Schweizer Organisation für Menschen mit HIV und Aids, und hat u.a. die Welt-Aids-Tags-Rede 2009 in der Frankfurter Paulskirche gehalten: „Wenn Würde nicht gleich Würde ist – ein Spagat„.

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Michèle, Solidarität – was heißt das für dich, zunächst ganz allgemein?

Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker.“ (Che Guevara)
Solidarität ist für mich ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Ein Prinzip der Mitmenschlichkeit. Es kann und soll auch in Haltung und Handlung erkennbar sein, bzw. praktisch werden. Es heißt für mich: für einander eintreten, sich gegenseitig helfen, aus „freien Stücken“.

‚Aus freien Stücken‘ – heißt das auch, Solidarität ist ‚bedingungslos‘?
Oder muss man sich den Anspruch auf Solidarität vorher ‚erwerben‘?

Das ist wie mit der Würde, nicht? Ich meine, Solidarität als Grundlage/ Grundhaltung ist bedingungslos.

Wenn sich jedeR die Solidarität zuerst verdienen muss, werden wir uns kaum einig wem sie gebührt, geschweige denn wie sie zu verdienen wäre.
Genauso vehement, wie wir eintreten für unsere Diversität, den Reichtum unserer Vielfalt, und genauso vehement wie wir nicht hinnehmen in Verallgemeinerungen oder normativen Zwängen unterzugehen, genauso vehement müssen wir, meiner Meinung nach, Solidarität für alle Menschen mit HIV/AIDS einfordern und praktizieren, auch innerhalb der Communities.

Sonst sind wir nicht nur unglaubwürdig und selbst ausgrenzend, sondern leisten einen gehörigen Beitrag zu den diversen Versuchen von Seiten der Regierungen, Gesundheitssysteme und der Öffentlichkeit, uns mit „divide et impera“ [lat., „teile und herrsche“; politische Strategie den Gegner in Untergruppen aufzuspalten, damit er leichter beherrschbar ist; d.Hg.] nach ihrem Gusto in der Gesellschaft zu positionieren ( und dulden)!

Das heißt, wir positionierten uns im Thema und zeigten unsere Solidarität möglichst frei von Interpretationen oder Bewertung des Individuums und seinem wahrnehmbaren Verhalten, sondern beziehen uns auf die gemeinsamen Interessen, die gemeinsamen Ziele und das prinzipiell mitmenschlich-Handelnde.

Hat Solidarität Grenzen?
In den letzten Tagen wurde ja viel diskutiert – nehmen wir eine konkrete (in Kommentaren angesprochene) Konstellation: ein Positiver belügt, verschweigt wissentlich trotz Nachfrage seinen HIV-Status vor gemeinsamem Sex – Solidarität mit ihm, auch dann?

Natürlich hat Solidarität Grenzen und natürlich hat sie sie nicht!
Sprich: Ich mag solidarisch sein mit allen Menschen mit HIV/AIDS, weil z.b. Diskriminierung, Ausgrenzung, Benachteiligung und oft auch Kriminalisierung  alle betrifft.

Der oder die Einzelne kann mir dabei unsympathisch sein, mehr sogar noch, oder sich selbst unsolidarisch oder nach meinem Verhaltenskodex „falsch“ verhalten. Das ändert aber an der Grundhaltung nichts. Das ändert nur etwas an meinem Bezug nehmen und meinem Engagement in der Sache und dem Mensch persönlich gegenüber!

Michèle Meyer (Foto: privat)
Michèle Meyer (Foto: privat)

Kurz ein Beispiel: in unserer Charta [die Charta von LHIVE; d.Hg.] steht klar und deutlich, dass wir solidarisch sind mit allen Menschen mit HIV/AIDS sind und als Organisation danach handeln. Insbesondere wenn Menschen wegen ihres Serostatus benachteiligt / ausgegrenzt etc. werden. Aber wer unsere Charta nicht unterschreibt, weil er oder sie vielleicht die „durban declaration“ [Erklärung von Durban; Erklärung zahlreicher Wissenschaftler, dass HIV die Ursache von Aids ist; d.Hg.] nicht akzeptiert und somit zu den AIDS-Dissidenten zu zählen ist, kann nicht Mitglied sein, geschweige denn stimmberechtigt. Hier kommen also im Bezug nehmen und im Handeln dem Individuum gegenüber Bedingungen zum Tragen.

Das von Dir genannte Beispiel enthält natürlich viel moralischen Zündstoff und scheint auf den ersten Blick klar bewertbar zu sein. Aber: warum wurde geschwiegen oder gelogen, welche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen stecken dahinter, die ein solches Verhalten begünstigen? Und sind es nicht diese, die trotzdem Solidarität fordern?

Und selbstredend ist ein Arschloch ein Arschloch, und es fällt mir schwer solidarisch mit ihm oder ihr zu sein. Und auch ich bin nicht gefeit, mich manchmal von Moralin leiten zu lasen und auch mal vorschnell zu urteilen.
Trotzdem meine ich, dass jedes Mal gut hingeguckt werden muss, um was es genau geht in der Sache! Und wem was nutzt …

Denn wie wollen wir zu wirklichen Veränderungen bei Stigma, Selbststigma, Kriminalisierung  kommen, wenn wir uns nicht klar positionieren? Indem wir selbst solches NICHT auf uns und andere anwenden?

Solidarität verlangt Empathie und vielleicht auch immer wieder gemeinsames Aushandeln von Zielen und Haltungen. Ob uns das fehlt?

Was heißt Solidarität für dich ganz praktisch, Solidarität unter und mit HIV-Positiven?

Das ist wahrscheinlich eine „never-ending-story“…
… trotzdem ein, zwei Antworten:

Solidarität heißt für mich, dass wir uns in öffentlichen Konflikten, zum Beispiel, nicht gegenseitig in den Rücken fallen. Sondern in der Sache zusammenstehen.
…Dass wir immer oder meist auch global Bezug nehmen zu den Themen.
….Dass innerhalb unserer eigenen Communities wir hellhörig sind bei internen Ausgrenzungen und Anfeindungen
…Dass Menschen mit HIV/AIDS keine Menschen 2. oder 3. Klasse sind, für niemanden.
…Dass unsere Serostatus niemandem das Recht gibt uns zu bewerten und einzuordnen.
…Dass die Community oder Communities nicht versucht, andere chronisch Kranke auszublenden, zu übertönen oder gar auszustechen und vice versa!
…Dass ich, wenn ich mich öffentlich äussere, a) immer versuche möglichst zu betonen,  nur ein Beispiel von vielen zu sein, und b) immer Bezug nehme auf ganz unterschiedliche Problemstellungen bzw. Lebenshintergründe und Auswirkungen der HIV-Infektion.

Und Solidarität heißt auch zu erleben, dass eine Bekannte mir diesen 1. Dezember 100.- CHF geschickt hat, einfach so, aus Solidarität und weil sie mein Engagement schätzt.
Oder dass eine andere Mutter mit HIV/AIDS extra nach Wien fährt an den Kongress um mich zu unterstützen und zu entlasten!

Liebe Michèle, danke für das Interview!

Erwerbsunfähigkeits-Versicherung für HIV-Positive

Erstmals ist eine elementare Absicherung gegen Erwerbsunfähigkeit jetzt auch für HIV-Positive möglich.

Ein Verlust oder eine deutliche Beeinträchtigung der eigenen Arbeitskraft durch Unfall oder Krankheit stellt ein existentielles Risiko dar, das viele Menschen gerne absichern möchten. Doch Versicherungen gegen das Risiko einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sind für HIV-Positive (wie auch für Menschen mit manch anderer Erkrankung) bisher nicht möglich – ein positiver HIV-Test ist ein Ausschluss-Grund.

Nun jedoch gibt es eine Möglichkeit, auch mit positivem HIV-Status eine Erwerbsunfähigkeits-Versicherung abzuschließen. Dies berichten ‚Projekt Information‘ und Deutsche Aids-Hilfe.

Erstmals bietet ein Versicherer eine Erwerbsunfähigkeits-Versicherung an, die eine erleichterte Gesundheitsprüfung aufweist – und damit auch für HIV-Positive unter bestimmten Bedingungen zugänglich ist.

Die Voraussetzungen für den Abschluss sind u.a.:
– Es besteht noch keine Erwerbsunfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit
– Es ist bisher noch keine Versicherung wegen Erwerbsminderung / -unfähigkeit, Pflegebedürftigkeit oder Berufsunfähigkeit abgelehnt worden.

Zudem sollte beachtet werden, dass es sich um eine private Erwerbsunfähigkeits-Versicherung handelt, nicht um eine Berufunfähigkeits-Versicherung. Dies bedeutet, dass die Leistungspflicht erst eintritt, wenn man generell erwerbsunfähig ist (also nur noch weniger als 3 Stunden am Tag arbeiten kann), nicht aber wenn man „nur“ in seinem Beruf nicht mehr arbeiten kann.

Der private Versicherungsmakler Holger Grönig weist auf seiner Internetseite ‚HIV und Versicherungen‚ auf die Bedingungen des Tarifs hin:

„Es können bis zu 1250 € Rente im Monat abgesichert werden, die nach einer Karenzzeit von 5 Jahren greift. Sollte die EU auf Grund eines Unfalls eintreten, ist die Rente auch schon vorher fällig. Eine Voraussetzung zum Abschluss ist, dass noch keine Ablehnung seitens einer Berufsunfähigkeitsversicherung stattgefunden hat.“

In ‚Projekt Information‘ kommentiert der freie Versicheurngsmakler Micha Schrammke die neue Versicherungs-Möglichkeit

„Besonders für jüngere HIV-Positive eröffnet sich hier die Chance auf eine sonst bislang unzugängliche finanzielle Risikovorsorge.“

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weitere Informationen:
Elementare Absicherung gegen Erwerbsunfähigkeit jetzt auch mit HIV möglich. in: Projekt Information Januar / Februar 2011, Jg. 19 Nr. 1

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„Duschen? Das geht für HIV-Positive bei uns aber nicht. Wir können nicht jedesmal alles desinfizieren.“

Als HIV-Positiver läuft man auch im Jahr 30 von Aids immer noch Gefahr, den bizarrsten Situationen, den unterschiedlichsten Formen von Stigmatisierung und Diskriminierung ausgesetzt zu sein.

Zahnärzte verweigern die Behandlung, Kliniken drohen Behandlungsverweigerungen an, oder Personal erweist sich als unvorbereitet und ungeeignet, mit der Situation adäquat umzugehen.

Ein beispielhafter Bericht eines Patienten, so erlebt im Januar 2011 (Patient und Ort der Behandlung sind ondamaris bekannt):

Umgang mit HIV an einer deutschen Uniklinik im Jahr 2011

Seit Jahren bin ich nun positiv, seit Jahren nehme ich meine Medikamente und seit Jahren bin ich zum Glück unter der Nachweisgrenze. Das schützt mich natürlich nicht vor anderen, sagen wir mal, altersbedingten Erkrankungen. So kam es, dass ich mich im Januar einer stationären Hämorrhoidenoperation unterziehen musste (Klammermethode nach Longo) und wenn man schon dabei ist, davor noch eine Darmspiegelung erfolgen sollte. Alles war mit dem netten Doktor O., der den Eingriff auch ausführen sollte, besprochen und meine HIV Infektion war auch aktenkundig.

An einem Montag wurde ich aufgenommen und in einem Zweibettzimmer untergebracht.
Das WC musste man sich mit dem Nachbarzimmer teilen (also für 4 Personen gedacht).
Dann interviewten mich nacheinander die Stationsärztin, die Narkoseärztin und noch eine Medizinstudentin. Allen buchstabierte ich meine Dauermedikation: „Pre was? Prezista mit `Z´ und Isentress mit doppel `S´, nicht mit `D´, mit `T´… I s e n t r e s s !“
Ok, kein Drama, es ist eh nur ein kleiner Eingriff. Auf dem OP Plan war ich für Dienstag 9:00 eingeplant und meine OP Vorbereitungen beschäftigten mich noch bis zum Abend.

Ich will mich gar nicht darüber beschweren, dass es in Zeiten künstlicher Aromen ein Unding ist, dass die 3 Liter Abführlösung nach einer ausgewürgten Salzlauge schmecken muss.
Das war unnötig aber auch kein Drama.

Auch will ich mich gar nicht darüber aufregen, dass die vorgesehene Dormicum vor der OP vergessen wurde. Es war ja schon kurz vor 9:00 und ich wurde in den OP gefahren.
Ein bisschen nervös wurde ich ja dann doch noch: „War es die richtige Entscheidung? Hoffentlich machen die keinen Fehler und hoffentlich gibt es mit mir keine Komplikationen.
Schon komisch sooo eingeschläfert zu werden; hoffentlich werde ich auch wieder wach…
Na und hoffentlich gibt es hier keine multiresistenten Keime von denen man ja so viel hört. Wäre ja schon doof wegen so einer kleinen Geschichte sich noch was anderes, Unnötiges einzufangen. Man schleppt ja schon genug mit sich rum“ (die Gedanken die man sich eben so macht, bevor man sein Leben in die Hände wildfremder Menschen legt !).

So, gleich wird der Zugang gelegt. Eine Dame, die wohl für Instrumente und Reinigung zuständig ist, schaut noch in meine Patientenakte und dann ertönt aus ihr :
„Das geht so aber nicht! Der Patient muss nochmal zurück auf die Station. Er ist ja positiv !
Ich kann doch nicht den OP zwischendurch grundreinigen. Er muss als Letzter dran! “

„Ähhm … aber das war doch allgemein bekannt ! seit Wochen ! und den 3 Ärzten gestern hab ich es doch auch noch gesagt und sie hatten den OP Plan vor der Nase ! Das ist jetzt nicht Ihr Ernst ! Und ich bin unter der Nachweisgrenze“ (vielleicht hilft das ja, denk ich mir).

Sie guckt genervt „Das hat die Sekretärin bei der Aufnahme wohl vergessen, da können wir nichts für, aber die Regeln sind so, sie kommen als Letzter dran !“ und dreht sich um und will auch gar nicht weiter mit mir sprechen und schon werde ich rausgeschoben mit einem „Ähhm“ auf den Lippen. Sagte sie ich sei das Letzte ?? Nein irgendwas anderes, aber ich komme mir gerade so vor. Ich bin platt, sprachlos, fassungslos !
Kein „Tut mir leid, es verschiebt sich noch etwas. Keine Sorge wir regeln das gleich, Alles wird gut“ . Nein, natürlich nicht! Die Alte war genervt dass sie wegen mir fast noch mal den ganzen OP hätte putzen müssen !

Ich bin zurück auf dem Zimmer. Was war das? Ein Film? Bin ich noch unter Narkose oder bin ich zu empfindlich? Ich steh auf und geh ins Stationszimmer und frage was das sollte.
Es hätten mich 3 Ärzte gestern besucht und alle wussten doch bescheid. “ Wie kann sowas denn passieren?? Ist ihnen denn klar dass es für den Patienten nicht gerade der richtige Zeitpunkt ist für solche Diskussionen? (Ich werde lauter) So mal eben kurz vor der OP?? “
“ Da können wir doch nichts dazu“ schallt es unisono von allen Seiten, „wir sind doch nur das Pflegepersonal. Die Regeln sind aber so. Sie sind in 2 Stunden dran“.

Überleg, überleg…. macht es noch Sinn sich hier operieren zu lassen ? Habe ich das nötige Vertrauen in den Laden? In das Personal? Der Doktor O. war ja ganz nett gewesen, aber der war nicht im OP. Was machen die mit mir hier wenn ich in Narkose bin? Ich bin denen völlig ausgeliefert. Und übrigens…..Was heisst „Dann muss ich den OP noch mal reinigen“ ???

Wird er denn nicht nach jedem Patienten so gereinigt dass keine Gefahr für den Nächsten besteht? Was ist wenn einer positiv ist, ohne es zu wissen. Wie machen die das?
Oder wenn jemand vor mir Hepatitis C hat und es ist nicht bekannt. Es wurde hier ja kein Blut vorher abgenommen. Wie machen die das mit Notfällen? Komm ich jetzt als Letzter in eine Dreckskammer voller blutiger Binden und Keime? Bin ich am Ende gefährdet ???

Und überhaupt dieser Ton mit dem ich hier abgefertigt werde! Ich muss meinen Hausarzt auf Handy erreichen! Es ist nur die Sprechstundenhilfe da, den ich aber schon lange kenne.
Ich erzähl ihm was hier passiert und frage mich gleichzeitig „Übertreibe ich jetzt das Ganze? Bin ich jetzt nur zu sensibel? Hält er mich am Ende für bescheuert?
Kurzum, er findet die richtigen Worte:“Das tut mir echt leid für dich. Das ist eine Schweinerei!
Das war früher bei Zahnärzten auch so. Wir kriegen heute noch solche Geschichten zu hören. Beruhige dich, alles wird gut…..“
Ok… jemand hat verstanden worum es geht. Ich bin also nicht völlig bescheuert! Es ist kein Film, es ist real. Das Thema HIV ist halt nicht glasklar geregelt. Jetzt bin ich nun mal in so eine Situation gekommen. Ich fange plötzlich an zu heulen; das passiert mir sonst nie.
Ich glaube das nennt man einen Anfall. Oder Weltschmerz? Egal.

Ich mache jetzt die OP und gut ist… Leckt mich doch alle am Arsch!
Die Narkoseärztin rammt mir das Zeug rein und ich bin weg. Kein Wort wurde gesprochen als ich rein kam. Es hat mich auch echt keiner angeschaut! Kein Wort, kein Blick, Nichts .

Ich wache auf und gehe direkt pinkeln. Die Kompressen am Hintern sind voller Blut. Ich denke das ist normal. Ich lasse mir Kompressen geben. Keiner sagt was ich mit der Wunde machen soll. Ich werfe die alte Kompresse ins Klo und lege mir eine neue Kompresse ein.

Ich hab seit 26 Std. nichts gegessen. Ich bekomme was. Am nächsten Tag gehe ich auf Toilette und alles ist soweit ok. Der Stationsarzt schaut sich die Wunde an: „alles normal“.
Später fällt mir ein dass ich seit 2 Tagen nicht geduscht habe und dass es in den Zimmern ja keine Duschen gibt. Wahrscheinlich sind sie auf der anderen Flurseite für die gesamte Station. Da ich noch kein Handtuch bekommen habe, gehe ins Stationszimmer und treffe 5 Krankenschwestern an. Der Stationsarzt sitzt am Computer.

„Ich würde gerne duschen.“ ————— Schweigen —————————
5 Krankenschwestern schauen mich grossen Augen an und schweigen (das ist kein Witz!)
Eine der Schwestern bricht das Schweigen und sagt: „Das geht jetzt bei uns nicht.“ (???) Ähhmm ——– Ok ———- nochmal auf RESET :
„Ich würde gerne duschen.“ Sie: “ Ja das geht bei uns nicht. Wir können nicht jedes Mal wenn sie dann duschen das Bad neu desinfizieren!“

Wie jetzt ?? ——– Es dämmert mir so langsam ——- Der Film geht also noch weiter!
Ach wenn das ein Film ist kann ich ja mal eine neue Rolle spielen:

“ W O L L E N S I E M I C H H I E R A L L E V E R A RS C H EN ???“ (brüll, brüll) Ich benutze seit 2 Tagen die Gemeinschaftstoilette für 4 Patienten und muss da die blutigen Kompressen austauschen und jetzt wollen sie mir erzählen sie müssten die Dusche nach mir desinfizieren ?? Da stimmt ja wohl was nicht !“

Die Schwester darauf: “ Ja, das mit der Toilette hätte so auch nicht sein dürfen ! “

„Na daran hätten sie ja mal früher denken sollen. Es war bekannt dass ich komme und das ich Positiv bin. Was soll dass alles ?? (brüll, brüll) “
Der Stationsarzt schaut kurz auf. „Was ist los ?“ ——- „Ich würde gerne duschen.“
“ Selbstverständlich können sie duschen“.

Ich dreh mich auf der Stelle um, hole meine Duschsachen, klau mir ein Handtuch aus dem Wagen, will auch niemanden mehr fragen wo die Dusche überhaupt ist und finde ihn……. „Dieser Raum wird gerade renoviert “ Aha! Die Tür ist aber aufgeschlossen und ich gehe einfach rein. Der Raum ist zwar völlig verdreckt aber die Dusche funktioniert. Scheiss drauf! Vielleicht gibt es noch eine andere Dusche, aber hier bin ich wohl alleine und bekomme auch keinen Stress mit den bescheuerten Schwestern! Wahrscheinlich hol ich mir bei dem ganzen Dreck hier noch schön die Keime in die Wunde ————— die Wunde ?!?

Vom Personal hat mir noch keiner gesagt was ich mit der Wunde machen soll. Ich erinnere mich aber daran, dass mir ein Freund mal sagte, dass man Wunden an der Stelle mit viel Wasser abduschen soll, damit der angesammelte `Schmodder´ abfliessen kann.
Ich hoffe das stimmt und ich hoffe es kommt jetzt kein braunes Wasser aus der Leitung (das wäre zu krass :-). Ich lege vorsichtig meine Duschsachen übereinander um möglichst wenig Kontakt zu irgendeinem Objekt in diesem Raum zu haben. Nach mir muss man desinfizieren! Ja nee…. iss klar 🙂 !!

Was soll ich sagen? Der nette Doktor O. entließ mich am Freitag. Er hatte in die Akte groß reingeschrieben: NATÜRLICH KANN DER PATIENT DUSCHEN !.

Ich packte meine Sachen und holte den Entlassungsbrief aus dem Stationszimmer.
Die Schwestern waren da und ich kam noch auf die glorreiche Idee von ihrem reichen Erfahrungsschatz profitieren zu können und fragte: „Wie ist das denn nochmal mit den Klammern? Wie lange bleiben die normalerweise drin?“ Sie: „Was für Klammern?“
Ich: „Ja, ich hatte doch die Klammer-OP nach Longo“ Sie: „Sie haben keine Klammern.“
Ich: „Wie, ich habe keine Klammern?“ Sie “ H E L G A !!!
Weisst Du was von Klammern bei der Longo OP? 2.Schwester: “ Nein, was für Klammern?“
Ich: „Mir wurde gesagt es werden Titanklammern eingesetzt die nach ca. 3 Wochen mit
ausgeschieden werden“. Sie: „Ach da ist grad ein Chirurg auf dem Flur, den können wir
ja mal fragen. Wissen sie was von Klammern bei der Longo ?“
Chirurg: „Ja klar, die können bis zu einem halben Jahr drinbleiben und müssen entfernt werden, wenn die nicht rausgehen“ (Ich: schluck, ich geh dann mal besser…Tschüss!)

In der Hoffnung das das mit dem halben Jahr nicht stimmt fiebere ich meinem Nachsorgetermin nächste Woche bei Dr. O. entgegen. Es bleibt also noch spannend.

Ich kenne sehr freundliches und sehr kompetentes Pflegepersonal an deutschen Kliniken.
In grossen Lehrkrankenhäusern mit wechselndem Personal fühlt man sich vielleicht nicht so verantwortlich dafür wie es den Patienten geht. Sowas ist echt schade!
Nächster Gedanke: Wenn es nicht wirklich sein muss, soll ich nächstes Mal überhaupt erzählen dass ich positiv bin ?? Ende

Großbritannien: ‚Life plus‘ – neuer Service für HIV-Positive

Der britische Gesundheitsminister hat am 27. Januar 2011 einen neuen Gesundheits-Service für HIV-Positive in Großbritannien eingeweiht: ‚Life plus‘.

Andrew Lansley, britischer Gesundheitsminister (Konservative), weihte am 27. Januar 2011 im ‚Lambeth Wing‘ des Guy’s and St Thomas‘ Hospital in London ‚Life plus‘ ein, einen neuen Dienst für Menschen mit HIV. St. Thomas liegt in Süd-London, dem Bezirk Großbritanniens mit der höchsten HIV-Prävalenz; die Klinik ist zudem führend in HIV-Behandlung und -Therapie.

Ziel von ‚Life plus‘ sei es, Menschen mit HIV dabei zu unterstützen ein längeres und gesünderes Leben zu führen. Gleichzeitig soll mit dem Angebot auch der National Health Service (NHS) entlastet werden, der sich mit steigenden Behandlungskosten für HIV-Positive konfrontiert sieht. Der NHS solle sich auf klinische Expertise konzentrieren dort, wo sie am meisten benötigt werde.

‚Life plus‘ soll online-Angebote, persönliche Gesprächs- und Beratungsangebote und Telefonberatung mit einander kombinieren. Hierdurch soll ein personalisierter Service für Menschen mit HIV kosteneffizient angeboten werden können. Das Angebot konzentriert sich auf Regionen, in denen besonders viele Menschen mit HIV leben, wie (neben London) Brighton, Birmingham, Cardiff, Glasgow und Manchester.

Unterstützt wird der Dienst von einem online-Angebot: http://www.myhiv.org.uk/. In ganz Großbritannien sollen hierdurch HIV-Positive Zugang zu persönlich angepassten interaktiven Diensten haben, einschließlich der Möglichkeit, privat und abgesichert ihre Gesundheits- und Behandlungs-Informationen zu speichern, um diese ständig verfügbar zu haben.

myHIV.org.uk - Screenshot (02.02.2011)
myHIV.org.uk - Screenshot (02.02.2011)

‚Life plus‘ wurde entwickelt gemeinsam vom Terrence Higgins Trust (THT) und den HIV-Organisationen George House Trust sowie NAM unter Beteiligung von HIV-Positiven. Finanziert wurde die Entwicklung von der Elton John Aids Foundation.

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weitere Informationen:
www.myhiv.org.uk
pinkpaper.com 27.01.2011: Secretary of State for Health to unveil new HIV service today
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Irland: HIV-infizierter Chirurg erstreitet Schadenersatz

Ein Chirurg in Irland, der sich 1997 bei einem Patienten mit HIV infizierte, hat vor Gericht Schadenersatz in nicht genannter Höhe von seinem früheren Arbeitgeber erstritten.

Bei einem orthopädischen Chirurgen wurde 1997 nach grippeähnlichen Symptomen eine HIV-Infektion diagnostiziert. Nun erstritt er Schadenersatz von seinem Arbeitgeber in ungenannter Höhe.

In den drei Monaten vor der Diagnose habe er über einhundert Patienten operiert, so dass es unmöglich sei festzustellen, bei welchem Patienten er sich infiziert haben könnte. Er habe bei den Operationen zahlreiche Nadelstich-Verletzungen erlitten – unglücklicherweise habe ihn ‚eine davon erwischt‘, zitiert ihn ein Medienbericht. Zudem müsse er bei seiner Arbeit Schrauben, Sägen und Meißel verwenden, auch hier komme es zu dem Risiko einer Kontamination mit Blut aus Operationswunden.

Der Chirurg klagte vor dem High Court gegen seinen Arbeitgeber, das Krankenhaus. Sein HIV-positiver Serostatus sei das Ergebnis des Verhaltens der Klinik, sowohl des Fehlens einer HIV-Testung von Patienten als auch der Abwesenheit von adäquaten Risikomanagement-Strategien, Infektionskontroll-Politiken sowie Trainings- und Ausbildungs-Programmen.

Das beklagte Krankenhaus bestritt die Ansprüche. Es wies in einer Stellungnahme darauf hin, es sei nie untersucht worden, ob der Chirurg seine HIV-Infektion auch auf anderem Weg als während der Arbeit erworben haben könne.

Seit seiner Diagnose darf der Mann nicht mehr als Chirurg arbeiten. Er leidet seitdem an Depressionen sowie körperlichen Symptomen seiner HIV-Infektion. Seine Frau und er seien sehr betrübt und hätten Sorgen, ob sie jetzt noch Kinder haben könnten.

Vor dem High Court wurde eine Einigung erzielt. Der Chirurg erhielt Schadenersatz. Die Höhe des Betrages wurde nicht genannt.

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weitere Informationen:
RTE News 26.01.2011: Surgeon settles HIV High Court action
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Quebec: Freispruch für HIV- positive Frau – die bewegende Geschichte von Diane

Eine HIV-positive Frau aus Québec, in erster Instanz verurteilt wegen vermeintlichem ungeschütztem Sex mit ihrem Partner, wurde in zweiter Instanz freigesprochen. Eine Geschichte um Liebe, Beziehung und Gewalt in der Beziehung- und den Umgang von Gerichten mit HIV-Positiven.

Diane (nicht ihr tatsächlicher Name) wurde in Québec 2008 angeklagt und verurteilt, weil sie ihrem ehemaligen Partner, mit dem sie vier Jahre zusammen war, nicht vor dem Sex ihren Serostatus mitgeteilt hatte. Im Dezember 2010 wurde sie vom Berufungsgericht freigesprochen.

Diane hatte sich vermutlich bei ihrem vorigen Partner und Ehemann mit HIV infiziert. Seit 1988 war sie mit ihm verheiratet, 1991 starb ihr Ehemann an den Folgen von Aids. Beide wussten bis zu dieser Zeit nicht von ihren HIV-Infektionen. 1991, kurz vor dem Tod seines Vaters,  kam ihr gemeinsamer Sohn zur Welt; er ist HIV-negativ.

Diane plante für den Fall ihrer möglichen (und zur damaligen Zeit angesichts nicht sehr wirksamer Therapien nicht unwahrscheinlichen) Erkrankung und eines etwaigen Todes – sie bemühte sich z.B. um mögliche Pflegeeltern für ihren Sohn. Doch sie lebt, länger als sie selbst es ursprünglich für möglich gehalten hatte – und lernte im Sommer 2000, am Rand eines Fußballspiels ihres Sohnes, einen Mann kennen, Vater eines Mitschülers ihres Sohnes. Eine Beziehung entwickelte sich.

Diane besprach sich die ganze Zeit über mit ihren Ärzten, nahm antiretrovirale Therapien – und als ihre Beziehung auch sexuell wurde, schützte sie sich. Ihre Ärzte hatten ihr, wie jeder HIV-positiven Person, gesagt, wenn sie für Schutz (Kondom) Sorge trage, sei in ihrer Situation der Partner nicht gefährdet, sondern in jedem Fall auf der sicheren Seite. Entsprechend verhielt sie sich – und teilte ihren Serostatus zu Beginn ihrer Beziehung (vor dem ersten Sex) dem neuen Partner zunächst nicht mit. Sie sorgte sich -ihr neuer Partner war selbst Vater eines Mitschülers ihres Sohnes- vor allem auch, bei einem unüberlegten Bekanntwerden ihres HIV-Status könne ihr Sohn diskriminiert werden.

Bevor beide zum zweiten Mal mit einander intim wurden, informierte sie ihren neuen Partner über ihren HIV-Status – er hatte begonnen von großer Liebe und gemeinsamer Zukunft zu sprechen. Er reagierte zunächst schockiert, mehrere Wochen hatten sie keinen Kontakt. Dann nahm er erneut Kontakt zu ihr auf, erklärte ihr seine Liebe, er wolle mit ihr zusammen leben. Ihr Serostatus war offensichtlich kein Hindernis.

Drei Jahre, bis 2003, lebten sie als Paar glücklich zusammen. Dann verschlechterte sich ihre Beziehung gravierend. ihr Partner wurde zunehmend kontrollierend, beschimpfte sie, stritt um die Erziehung ihres Sohnes. Schließlich beendete Diane von sich aus die Beziehung.

Ihr ehemaliger Partner wollte sich scheinbar mit dem Ende der Beziehung nicht abfinden. Im Dezember 2004 erwachte sie im Krankenhaus – wo sie eingeliefert worden war, mit Verletzungen an Kopf, Gesicht und Hals. Ihr Sohn, selbst am Arm verletzt beim Versuch seine Mutter zu schützen, hatte den Notruf gerufen, ihr damit das Leben gerettet.

Ihr ehemaliger Partner wurde für diese Aggression 2005 angeklagt und verurteilt. Kurz vor Verkünden des Urteils enthüllte er – offenbar in einem verzweifelten Versuch, freigesprochen zu werden – vor Gericht, dass Diane HIV-Positiv ist. Er warf ihr vor, beim ersten Kontakt ungeschützten Sex mit ihm gehabt zu haben, und ihm ihrem Serostatus nicht offenbart zu haben.

Diane, selbst Opfer der gewalttätigen Angriffe ihres (HIV-negativen) Ex-Partners, wurde nun wegen „krimineller Aggression“ angeklagt. 2008 wurde sie vom Gericht Saint-Valentin für schuldig befunden und zu zwölf Monaten Haft verurteilt. Der Richter hielt sie, obwohl sie sogar ihre gesamten medizinischen Akten und Berichte ihrer HIV-Spezialisten vorgelegt hatte, für nicht glaubwürdig. In seinem Urteil verkündet er zwei ‚fundamentale Verantwortungen‘ HIV-Positiver (in Kanada): ihrer Partner/innen vor Sex umfassend über ihren Gesundheitszustand zu informieren, und alles zu unternehmen, damit sexuelle Kontakte das kleinste nur denkbare Risiko bedeuten.

Am 14. März soll Diane ihre Haftstrafe antreten – ihr damals 17 Jahre alter Sohn würde allein bleiben müssen, bei Freunden. Sie hat einen Zusammenbruch, wird ins Krankenhaus eingeliefert. Ihr Anwalt beschließt kurz darauf mit ihrer Zustimmung, Berufung gegen das Urteil einzulegen.

Am 13. Dezember 2010 wird ihr Fall in Berufung erneut verhandelt, vor dem ‚Cour d’appel‘ von Québec. Das Berufungsgericht stellt fest, ein Fakt sei in der ersten Instanz nicht berücksichtigt worden – ihre Viruslast sei im fraglichen Jahr 2000 bereits unter der Nachweisgrenze gewesen. Selbst Mediziner hatten bestätigt, dass in diesem Fall das Infektionsrisiko „sehr minimal“ gewesen sei. Diane wird einstimmig freigesprochen.

Ihre Geschichte erzählte Diane exklusiv der kanadischen Positiven-Organisation und -Plattform ‚Fréquence VIH‘. Diane wurde bei ihrem Rechtsstreit stark unterstützt von der Gruppe COCQ-SIDA (Coalition des organismes communautaires québécois). Beide Gruppen unterstützen Diane auch beim Sammeln von Spenden für ihre Prozess-Kosten bzw. mit einem Rechtsanwalt. Sie bezeichneten den Fall als ‚herausragendes Beispiel für die Diskriminierung HIV-Positiver‘.

Einer ihrer Anwälte forderte nach dem Urteil den kanadischen Gesetzgeber auf, nun das kanadische Strafgesetz an die neuen Realitäten (Viruslast / Infektiosität) anzupassen und zu präzisieren, wann überhaupt noch strafrechtliche Verfolgung möglich sei.

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weitere Informationen:
seronet.fr 15.12.2010: Pénalisation: un acquittement au Québec qui fait date
COCQ-SIDA
Fréquence VIH
Interview mit Diane auf Fréquence VIH (html, dort ‚document audio‘)
Fréquence VIH: Défendre „Diane“, c’est aussi nous défendre toutes et tous
Canadian HIV/Aids Legal Network
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Erektionsprobleme: HIV-Positiver erstreitet Entschädigung wegen Diskriminierung

Eine Entschädigung von 30.000 $ hat ein HIV-positiver Mann in Australien vor Gericht erstritten – die Behandlung seiner Erektionsproblem war nach Bekanntwerden seines HIV-Status abgebrochen worden.

Ein etwas ungewöhnlicher Fall von Diskriminierung HIV-Positiver wird aus Australien berichtet: ein Mann wandte sich im Dezember 2008 in Sydney an das ‚Advanced Medical Institute‘. Er wollte sich dort wegen Erektionsproblemen behandeln lassen. Das Unternehmen wirbt in seinem Internetauftritt groß mit Slogans wie „Erektionsprobleme können behandelt werden“.

Er sprach persönlich mit einer Krankenschwester des Unternehmens, zudem telefonisch mit einem Arzt. Er berichtete dort auch über seine medizinische Situation, auch seine HIV-Infektion, sowie seine Medikamente. Zur Behandlung seiner Erektionsprobleme wurde ihm eine Behandlung empfohlen, die unter anderem aus Injektionen und Gels bestehen sollte.

Nachdem er die Kosten für ein acht Monate dauerndes Behandlungs-Programm bezahlt hatte, erhielt der Mann eine Spritze mit injizierbarem Material sowie eine Packung Gel. Beides wandte er den Vorschriften entsprechend an.

Kurze Zeit später jedoch erhielt er von dem Unternehmen die Nachricht, aufgrund seines HIV-Status kämen für ihn weitere Injektionsbehandlungen nicht in Betracht. Dies sei auf eine erst jüngst erfolgte Gesetzesänderung zurückzuführen. Er erhielt die bereits bezahlten Behandlungskosten nur zum Teil (1.295$) zurück erstattet.

Vor Gericht argumentierte das beklagte Unternehmen, es fühle sich verpflichtet die öffentliche Gesundheit vor der möglichen Verbreitung von Infektionskrankheiten zu schützen. Eine Behandlung der Erektionsprobleme könne möglicherweise eine HIV-positive Person wieder befähigen, sexuelle Kontakte mit anderen Personen zu haben, bei denen aufgrund der Anwendung der Injektionen Kontakt mit Blut des HIV-Infizierten möglich sei.

Der Direktor des Unternehmens betonte vor Gericht, er stimme mit seinen Ärzten überein, dass HIV-Positiven keine Injektionsbehandlungen verordnet werden sollten.

Das Gericht betonte in seinem Urteil, dass keiner der vom beklagten Unternehmen benannten Zeugen irgendwelche besonderen Erfahrungen in der Behandlung der HIV-Infektion hatte. Der Arzt des Klägers hatte im Verfahren darauf hingewiesen, dass bei adäquater Aufmerksamkeit für Hygiene und Prophylaxe keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit bestehe.

Das Gericht entschied am 7. Dezember 2010, die Behandlungsverweigerung sei aus Sicht der öffentlichen Gesundheit nicht begründbar gewesen. Es sprach dem Mann wegen Diskriminierung eine Entschädigung in Höhe von 30.000 $ zu. Zusätzlich muss das Unternehmen ihm die bereits bezahlten Behandlungskosten in Höhe von 1.995 $ ersetzen.

Das Unternehmen kündigte an, gegen das Urteil in Berufung gehen zu wollen.

weitere Informationen:
Perth Now 07.12.2010: HIV-positive man wins erection compensation
Medical Observer 07.12.2010: Erectile clinic fined for HIV discrimination
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lch wollte nie wieder Sex haben.

lch wollte nie wieder Sex haben.

Marcel ist 21 Jahre alt, lebt in Essen und arbeitet als Angestellter bei der Stadt

Homo? Hetero? Bi? Ich war verwirrt
Seit etwa eineinhalb Jahren lebe ich in meiner eigenen Wohnung, ganz in der Nähe von meinem Elternhaus. Zu meinen Eltern hatte ich immer ein sehr gutes Verhältnis. Elf Jahre lang war ich ein Einzelkind, dann wurde meine kleine Schwester geboren, sie war eine richtige Nachzüglerin.

So mit 13 oder 14 ist mir aufgefallen, dass ich Jungs mag. Anfangs haben mich allerdings manche Mädchen auch noch interessiert. Deshalb wusste ich erst mal nicht, was ich eigentlich bin: Homosexuell? Heterosexuell? Bisexuell? Ich habe dann einige Erfahrungen gemacht, auch mit Mädchen, und es hat sich herausgestellt, dass ich schwul bin. Mit Mädchen, das hat irgendwie überhaupt nicht gepasst.

Diese Klarheit war für mich wichtig, und dann konnte ich es auch anderen erzählen. Zu Hause war es zunächst mein Vater, mit dem ich ein sehr gutes Verhältnis habe. Seine Reaktion: „Du bist mein Sohn, und es bleibt alles so, wie es ist.“ Meine Mutter hat es auch ganz gut aufgefasst. Allerdings war sie zunächst ein bisschen enttäuscht, da ich es dann wohl nicht sein werde, der ihr Enkelkinder schenken wird. Meine Eltern haben mich aber immer unterstützt und das ist für mich sehr wichtig!

In der Schule habe ich mich dann auch geoutet – und zwar gleich vor der ganzen Klasse. Mein Lehrer hat mir dabei den Rücken gestärkt. Ich hatte mich darauf vorbereitet, dass vielleicht nicht alle begeistert und verständnisvoll reagieren werden. Aber es gab keine Probleme – im Gegenteil! Ein Mitschüler war so ein typischer Machotyp, der immer den Mädchen hinterhergelaufen ist und sehr gut aussah. Ich hatte gedacht, dass er ein Problem mit Schwulen haben würde. Aber er sagte: „Warum sollen wir das nicht akzeptieren? Du musst ja auch akzeptieren, dass ich auf Mädchen stehe.“ Diese Reaktion hat mir gezeigt, dass man Leute nicht voreilig als intolerant und oberflächlich einschätzen sollte.

Klar wusste ich, dass es HIV gibt – aber das war alles sehr oberflächlich
So mit 18 Jahren bin ich das erste Mal in die Szene gegangen. Klar wusste ich da schon, dass es so etwas wie HIV gibt, aber es war für mich nicht sichtbar. Es gab da niemanden, der gesagt hätte: „Hallo, hier bin ich und ich habe HIV.“ Ab und an wurden irgendwo Kondome, aber das war alles sehr oberflächlich. Vielleicht ist diese Erfahrung einer der Gründe dafür, dass ich heute einen ganz anderen Blick auf diese Sache habe.

Aber eins nach dem anderen: Den ersten Sex hatte ich mit meinem ersten Freund, als ich 18 Jahre alt war. Ich war mit ihm etwa anderthalb Jahre zusammen. Anfangs haben wir Kondome verwendet. Als es ernster wurde mit uns, haben wir jeder einen HIV-Test gemacht, uns das Ergebnis gegenseitig gezeigt und dann auf Kondome verzichtet. Ich hatte dafür genügend Vertrauen zu ihm. Bis zum Ende dieser Beziehung habe ich über Safer Sex nicht mehr nachgedacht. Vielleicht habe ich es mir da ein bisschen zu leicht gemacht. Aber ich glaube bis heute, dass er nicht fremdgegangen ist – genau wie ich.

Nach der Trennung wollte ich mich dann mal ein bisschen austoben. Auch da habe ich nur Safer Sex gemacht. Nicht aus Angst davor mich anzustecken, sondern einfach weil ich verstandesmäßig wusste, dass man sich mit Kondomen vor HIV und einigen anderen sexuell übertragbaren Krankheiten schützen kann.

Dann ist es doch passiert …
Wie kommt es dann, dass ich trotzdem HIV-positiv bin? Ich hatte jemanden kennen gelernt, und die Sache entwickelte sich in Richtung Beziehung. Alles lief super und nach ein paar Wochen hatte ich das Gefühl, dass er das auch so sah. Deswegen habe ich mich darauf eingelassen, ohne Kondom mit ihm zu schlafen. Ich hatte Vertrauen zu ihm und in meiner vorherigen Beziehung war ja auch alles gut gegangen. Ich habe gedacht: Wenn er mich mag, dann will er mir nicht wehtun. Wenn er HIV-positiv wäre, würde er keinen ungeschützten Sex mit mir haben. Dass es Leute gibt, die gar  nicht wissen, dass sie HIV-positiv sind, daran habe ich nicht gedacht.

Ich glaube, dass sehr viele Ansteckungen auf so eine Weise entstehen: Man vertraut jemandem, aber es gibt eigentlich noch gar keine richtige Beziehung und man weiß noch nicht genug vom anderen. Oder der Partner geht eben doch fremd. Es gibt Leute, die oberflächlich lieb und nett wirken, aber in Wirklichkeit ist denen egal, was mit dir passiert. Deswegen möchte ich gerade jungen Leuten erzählen, wie wichtig es ist, sich in solchen Situationen zu schützen.

Ich selbst habe sogar damals noch gedacht, dass es besser wäre, wenn wir ein Kondom benutzen würden. Nach dem Sex kamen dann auch Zweifel und Ängste auf. Die hab ich dann aber erst mal verdrängt: Warum sollte ausgerechnet ich bei diesem einen Mal zur falschen Zeit am falschen Ort mit der falschen Person Sex gehabt haben?

Nach zwei Wochen kamen die ersten Symptome: eine Grippe und eine Entzündung der Mundschleimhaut. Obwohl ich meinem Arzt davon erzählt hatte, was passiert war, gab er mir einfach nur Antibiotika. Die haben auch erst mal geholfen – aber die Angst blieb. Na ja, ich hab dann einen Test gemacht. Und der war positiv.

Am Anfang habe ich noch gedacht: Ich bin selber schuld – total blöd, naiv und dumm
Als ich auf dem Gesundheitsamt mein Ergebnis bekommen hatte, bin ich direkt nach Hause gefahren und habe mich schlafen gelegt. Ich war traurig, klar – aber das richtige Gefühlschaos kam erst ein paar Tage später. Ich habe mich erst mal zurückgezogen, mit niemandem gesprochen. Irgendwann hat meine Mutter mich gefragt, was denn los sei, warum ich mich so abschotte. Und da habe ich es ihr gesagt. Das war ein sehr emotionaler Moment.

Meine Eltern sind dann mit mir zur Aidshilfe gegangen. Es hat ihnen geholfen,
Informationen zu bekommen. So ging es mir selbst ja auch: Ich habe mit professionellen Leuten geredet und dabei mehr und mehr über HIV erfahren. Für mich war es genauso wie für meine Eltern: Mit jedem Schritt wurde es ein bisschen leichter.

"Ich wollte nie wieder Sex haben." - Marcel
"Ich wollte nie wieder Sex haben." - Marcel

Am Anfang habe ich noch gedacht: Ich bin selber schuld – total blöd, naiv und dumm. Heute denke ich, dass nichts davon zutrifft. Ich habe halt einen Fehler gemacht – und das ist einfach nur menschlich. Viele anderen machen den gleichen Fehler und haben vielleicht einfach Glück. Andere machen andere Fehler, nur dass die nicht so schwere Folgen haben. Wenn mir heute jemand erzählen will, ich sei Opfer meiner Dummheit oder Naivität, dann denke ich: „Leck mich, pass lieber auf dich selber auf!“

Meine Offenheit hilft auch mir selbst, mit der Infektion umzugehen
Ich versuche jetzt, mit der HIV-Infektion zu leben, so gut es geht. Dazu gehört für mich auch, darüber zu sprechen, privat genauso wie auf Facebook, in meinem Blog und in meinem Youtube-Kanal. Ich will mich nicht verstecken, weder in der Familie und bei Freunden noch bei der Arbeit. Ich möchte erreichen, dass sich die Menschen mit HIV auseinandersetzen und Vorurteile abbauen. Im Netz habe ich bisher keinen anderen HIV-Positiven in meinem Alter gefunden, der aus seinem Leben erzählt. Also tue ich das.

Meine Offenheit hilft auch mir selbst, es ist ein bisschen wie eine Therapie. Wenn ich über meine Erlebnisse erzähle oder schreibe, kann ich sie gleichzeitig mit ein bisschen Abstand betrachten und sortieren.

Im privaten Bereich habe ich mit dieser Strategie bisher überhaupt keine schlechten Erfahrungen gemacht. Auch bei der Arbeit gab es keine Probleme. Im Gegenteil, ich bekomme viel Unterstützung. Im Internet ist das anders, da gibt’s schon Menschen, die mich angreifen. Das geht bis hin zu Morddrohungen. Oft höre ich zum Beispiel: „Wenn du nicht schwul wärst, dann wäre dir das auch nicht passiert.“ Dahinter steckt Schwulenhass. Ich denke, die Leute, die sowas sagen, haben Frust und trampeln dann eben auf anderen rum.

Manchmal habe ich fünf E-Mails am Tag, in denen ich beleidigt werde, zum Beispiel als „Virenschleuder“. Wenn ich bedroht werde, zeige ich das bei der Polizei an. Ansonsten antworte ich auf solche Sachen nur, wenn falsche Behauptungen drinstehen, zum Beispiel dass HIV eine Schwulenkrankheit ist. Das lasse ich dann so nicht stehen.

Die Leute sind insgesamt viel zu wenig aufgeklärt über HIV. Viele sprechen von Aids, wenn sie HIV meinen. Das hat man in der Berichterstattung über Nadja Benaissa gut sehen können. Da hieß es dann: „der Aids-infizierte Todesengel“ Aber das stimmt ja nicht: Sie hat das Virus, nicht Aids. Und die Infektion ist heute eine chronische Krankheit, die nicht mehr zu Aids führen muss – bei allen Problemen und Nebenwirkungen der Medikamente, die damit verbunden sind. Ich wünsche mir sehr, dass solche Informationen in die Köpfe kommen!

Wie wenig sogar Ärzte manchmal aufgeklärt sind, zeigt mir das Verhalten meines Zahnarztes. Ich habe ihn darüber informiert, dass ich positiv bin, damit er die entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen ergreifen kann – für ihn und für mich. Aber er wollte mich dann nicht mehr behandeln, weil er seine Patienten und seinen Ruf gefährdet sah! Diese Erfahrung machen viele HIV-Positive. Ich habe das akzeptiert, auch wenn ich natürlich weiß, dass keinerlei Gefahr besteht, wenn der Zahnarzt sich an alle Hygieneregeln hält.

Diskriminierung und Zurückweisung sind ohnehin ein großes Thema. Nicht jeder kann an seinem Arbeitsplatz oder bei Freunden so einfach über seine Infektion sprechen wie ich. Manchmal werde ich auf Partys von Leuten angesprochen, die auch positiv sind, es aber auf jeden Fall geheim halten wollen. Oft merke ich dann, wie unglücklich sie damit sind – obwohl es ihnen gesundheitlich nicht schlecht geht. Der Grund ist nur das, was sie in ihrem sozialen Umfeld erleben. Deswegen vertrete ich den Standpunkt, dass die Diskriminierung viel schlimmer ist als die gesundheitlichen Auswirkungen von HIV.

Natürlich frage ich mich auch, warum ich so offen sein kann und kaum schlechte Erfahrungen mache. Ich denke, das liegt einfach daran, dass ich mit mir Reinen bin. Man muss sich selber akzeptieren, dann ist es einfacher, mit dem Druck von außen umzugehen. Meine Erziehung hat viel dazu beigetragen, dass ich so selbstbewusst bin. Meine Eltern haben mir beigebracht, nicht auf die anderen zu achten, sondern auf mich. Es geht nicht um das, was man nach außen darstellt, sondern um das, was man ist, um die Persönlichkeit.

Nur weil ich damit so offen mit meiner Infektion umgehe, erwarte ich das aber nicht von jedem. Es ist nicht notwendig, anderen davon zu erzählen, um zu wissen, was man wert ist und sich zu akzeptieren.

Ich wollte nie wieder Sex haben
Ich stehe noch ganz am Anfang mit meiner Infektion: Das Testergebnis habe ich im Sommer 2009 bekommen, infi ziert habe ich mich relativ kurz davor. Bis auf ein paar kleine Ausnahmen geht es mir gesundheitlich sehr gut. Eine Therapie mache ich noch nicht, denn meine Blutwerte sind recht gut.

Was sich als erstes verändert hat, war mein Sexleben: Ich hatte wochenlang keinen Sex. Ich habe mich nicht einmal selbst befriedigt. Irgendwie hatte ich Angst vor dem, was da passiert, wenn ich einen Orgasmus habe. Ich habe mein Sperma und auch mein Blut gehasst und ich wollte eigentlich nie wieder Sex haben. Schließlich konnte da wer weiß was passieren, dachte ich.

Das hat eine ganze Zeit angehalten. Beim ersten Onanieren nach dem Testergebnis hatte ich nicht nur Lustgefühle, sondern ich habe mich auch geekelt. Aber dann ist eine Last von mir abgefallen: „So schlimm ist es nicht.“ Heute empfinde ich beim Sex wieder Lust. Aber ich achte sehr auf mich – denn ich möchte das Risiko einer Co-Infektion mit irgendeiner anderen Krankheit so gering wie möglich halten.

Bevor ich mit jemandem Sex habe, sage ich ihm immer, dass ich HIV-positiv bin. Ich sage es, sobald ich das Gefühl habe, da könnte was laufen. Das war am Anfang nicht einfach – aber inzwischen habe ich keine Angst mehr davor, einen Korb zu bekommen. Ich kann sogar verstehen, wenn jemand einen Rückzieher macht, denn ich weiß selber nicht, wie ich früher damit umgegangen wäre.

Die Szene ist ein für mich ein zweischneidiges Schwert
Ich gehe gern und oft in die Szene. Das bedeutet für mich Freiheit, weil’s eben eine Welt ist, wo man so sein kann, wie man ist – egal, ob man jetzt schwul ist, bisexuell, oder hetero. Das alles spielt da kaum eine Rolle – da gibt’s einfach nur Party! Alles mischt sich. Zugleich bedeutet Szene für mich aber, mich mit anderen Leuten austauschen zu können, die auch homosexuell sind.

Leider gibt es in der Szene auch viel Oberflächlichkeit und Intoleranz. Manche Leute glauben offenbar, dass man da nur hingehen darf, wenn man gut aussieht, wenn man cool ist oder tolle Klamotten anhat. Das sehe ich ganz anders! Schwule fordern Toleranz, verbreiten aber untereinander sehr viel Intoleranz. Deswegen ist Szene für mich ein zweischneidiges Schwert: Es macht Spaß, da hinzugehen für ein paar Stunden. Aber ich muss jetzt nicht montags bis sonntags jeden Abend in eine schwule Kneipe gehen – das wäre zu viel des Guten. Die Mischung macht’s.

Fettverlust im Gesicht: Behandlung sicher und machbar – aber Probleme möglich

Rekonstruktive Maßnahmen zur Behandlung des Fettverlusts im Gesicht (Lipoatrophie) sind laut einem Bericht von Forschern machbar und sicher. Dennoch werden zu einem Präparat gehäuft Probleme berichtet.

Fettverlust im Gesicht, eingefallene Wangen, Aussehen wie ein “Totenkopf-Äffchen” – die möglichen Folgen des Lipodystrophie-Syndroms sind im Gesicht besonders auffällig, und von vielen Positiven gefürchtet. Und werden sobald sie auftreten oftmals als stark stigmatisierend erlebt.  Entsprechend ist das Interesse an möglichen Behandlungsmethoden, ihrem Nutzen und ihren Riosiken bei Betroffenen groß.

In der Fachzeitschrift „Aids“ berichten Forscher nun, rekonstruktive Maßnahmen seien generell eine „gut verträgliche und sichere Methode“, um HIV-bezogenen Fettverlust im Gesicht zu behandeln.

Die Forscher erstellten eine Literaturauswertung. Sie konnten insgesamt 27 Publikationen über Studien auswerten, und analysierten unter anderem Behandlungsmethoden (Eigenfett-Behandlung, bio-abbaubare sowie nicht bio-abbaubare Füllstoffe), Nutzen sowie Nebenwirkungen.

Bei allen Methoden können, so der Bericht, sowohl kurzzeitige als auch chronische unerwünschte Wirkungen und Komplikationen auftreten. Es sei überraschend, wie wenig Studien Sicherheit, Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit der Methoden untersucht hätten.

Die Forscher kommen zu dem Schluss, die Behandlungen sollten nur von Experten vorgenommen werden; insbesondere solle Fett-Transfer nur durch Experten in plastischer Chirurgie erfolgen. Biologisch abbaubare Produkte böten ein besseres Sicherheits-Profil; bei ihnen träten weniger Nebenwirkungen auf. Allerdings sei deren Wirk-Zeit oftmals auch nur kurz.

Die Autoren betonen, dass kontrollierte Studien zu Sicherheit und Langzeit-Nutzen der verschiedenen Verfahren erforderlich seien.

Unterdessen berichten die ‚Catie news‘ aus einer niederländischen Studie, dass bei dem als Füllstoff verwendeten Produkt ‚Bio-Alcamid®‘ in den letzten Jahren Nebenwirkungen häufiger als erwartet aufgetreten seien. Bei 3.196 untersuchten (und mit dem Produkt behandelten) Patienten habe es in 5% der Fälle Nebenwirkungen gegeben. Diese Rate an Nebenwirkungen empfänden sie als „zu hoch“. Die niederländische Gesellschaft für kosmetische Medizin empfehle ihren itgliedern nun, Bio-Alcamid® nicht mehr zu verwenden.

Auch Ärzte in Schottland hätten, so der Catie-Bericht weiter, nach anfänglich vorteilhaften Eindrücken einen  hohe Rate an Komplikationen bei Bio-Alcamid® festgestellt. So seien „signifikante Langzeit-Probleme möglich“. Auch Ärzte aus Israel berichteten über Probleme bei Verwendung von Bio-Alcamid®, bei Einsatz bei HIV-negativen Patienten. Und Ärzte aus Kanada berichteten, so Catie, über Probleme, Entzündungen zu behandeln, die bei Bio-Alcamid® aufgetreten seien.

Bereits im März 2009 waren Berichte über mögliche problematische Langzeitfolgen einer Behandlung mit Bio-Alcamid® bekannt geworden.

weitere Informationen:
Guaraldi G et al. Surgical correction of HIV-associated facial lipoatrophy. AIDS, online edition: DOI: 10.1097/QAD.0b013e32833f1463, 2010
aidsmap 02.11.2010: Reconstructive surgery for facial fat loss is feasible and safe for patients with HIV
catie news 05.11.2010: Complications reported in some recipients of Bio Alcamid (online)
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