Deutsche AIDS-Hilfe fordert breite Debatte über das Leben mit HIV

Die Konferenz „Positive Begegnungen“ zum Leben mit HIV und Aids, die heute in Bielefeld zu Ende gegangen ist, hat die Haltung der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. (DAH) zum skandalösen Urteil im Prozess gegen Nadja Benaissa begrüßt: Die Teilnehmenden forderten die DAH auf, sich verstärkt für die notwendigen Anpassungen im Strafrecht und eine stärkere gesellschaftliche Debatte zum Thema gemeinsame Verantwortung einzusetzen. Die Interessen und Lebensrealitäten von Menschen mit HIV und Aids, ihren Partnerinnen und Partnern müssen Eingang in die Debatte finden und aktuelle Studienergebnisse und Forschungserkenntnisse berücksichtigt werden. So zeigen internationale Studien unter anderem von UNAIDS, dass das Strafrecht kein Mittel von Prävention sein kann, im Gegenteil sogar kontraproduktiv wirkt.

Dazu erklärt Carsten Schatz, Mitglied im Bundesvorstand der DAH: „Wir fordern die Justizminister des Bundes und der Länder auf, dem österreichischen Beispiel zu folgen und anzuerkennen, dass bei funktionierender HIV-Therapie Menschen mit HIV nicht infektiös sind. Staatsanwaltschaften müssen angewiesen werden, dies zu berücksichtigen. Darüber hinaus brauchen wir in Deutschland ein Klima, in dem offen über HIV gesprochen werden kann. An diesem Klima mitzuarbeiten, ist Aufgabe von Medien, Politik und der Zivilgesellschaft. Aidshilfe wird sich dieser Aufgabe stellen.“

(Pressemitteilung der DAH)

Nachdenken über Nadja B.

Die Verurteilung von Nadja Benaissa könnte negative Auswirkungen auf die Aids-Prävention haben

Von Barbara Höll

Das Urteil stimmt nachdenklich und die Folgen sind noch nicht absehbar. Auch wenn es der bisherigen Rechtsprechung entspricht, so stellen sich Fragen, die die gesamte HIV-Prävention in Deutschland betreffen. Müssen HIV-Positive Menschen immer auf ein Kondom bestehen? Sind sie allein verantwortlich für die Übertragung und Verbreitung des Virus?

Seit Ende der Neunzigerjahre hat sich das Gesicht von HIV/Aids deutlich gewandelt. HIV ist zu einer nicht heilbaren, aber behandelbaren Infektion geworden, mit einer hohen Lebenserwartung. Die HIV-Medikamente halten den Virus in Schach und senken die Viruslast schon nach kurzer Zeit bis unter die Nachweisgrenze. Nach neueren Erkenntnissen übertragen die so behandelten Patienten den Virus nicht mehr. Nahezu alle HIV-Positive unterziehen sich der Therapie, Frau B. hatte sich damals jedoch noch nicht behandeln lassen.

Das Virus wird heute im Wesentlichen durch Menschen übertragen, die von ihrer HIV-Infektion noch nichts wissen, die also eine sehr hohe Viruslast haben und andere Menschen sehr leicht infizieren können. Deshalb macht es unseres Erachtens schon allein medizinisch keinen Sinn, die Verantwortung allein den HIV-Positiven zuzuschreiben.

HIV-Test ist sinnvoll

Allerdings ist es sinnvoll, dass sich Menschen, insbesondere aus sogenannten Risikogruppen, häufig einen HIV-Test unterziehen. Denn nur so haben sie bei einem positiven Testergebnis die Gelegenheit, möglichst früh die HIV-Präparate einzunehmen und damit Aussicht auf eine lange Lebenserwartung. Zudem gibt ein positives Ergebnis auch die Möglichkeit, verantwortlich mit sich und anderen umzugehen.

Das Urteil könnte kontraproduktiv wirken, denn wer ab und an gerne einmal ohne Kondom Sex haben und nicht mit einem Bein im Gefängnis stehen möchte, unterlässt den HIV-Test – mit verheerenden Folgen für den Krankheitsverlauf, die Viruslast und die potentielle Ansteckungsgefahr anderer. Trotz gegenteiliger Aussagen des zuständigen Richters ist dieses Urteil für HIV-Positive stigmatisierend. Ein Blick in die Leserkommentare der Onlinemedien genügt, um zu erfahren, dass die Forderung nach „lebenslang“ noch milde ist.

Über 25 Jahre nach der Entdeckung des HI-Virus sollte HIV/Aids allen Menschen bekannt sein, wer sich schützen möchte, nehme ein Kondom. HIV-Positive müssen ihre Verantwortung wahrnehmen, aber nicht sie allein. Die Verantwortung für ein Kind trägt schließlich nicht allein die Frau, die nicht die Pille nimmt. Das Strafrecht ist in jedem Fall ein ungeeignetes Mittel in der HIV-Prävention.

Barbara Höll ist lesben- und schwulenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Den Kommentar hat sie gemeinsam mit Bodo Niendel, dem Referenten für Queerpolitik in der Fraktion, verfasst.

„Positive Begegnungen“: Rechtsexperten bemängeln Wissensstand der Justiz

In einem Workshop zum Thema „HIV und Kriminalisierung“ haben sich am 27.8.2010 HIV-Positive, Selbsthilfevertreter und Rechtsexperten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in Bielefeld über die aktuelle Rechtsprechung zum Sex zwischen HIV-Positiven und Nichtinfizierten ausgetauscht. Die Rechtsexperten bemängelten, dass Justiz und Strafverfolgungsbehörden viel zu wenig über das heutige Leben mit HIV wüssten und in den Prozessen aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse nicht ausreichend berücksichtigt würden. Diese Instanzen, so die Workshopteilnehmer, müssten sich daher besser informieren und Gutachter einbeziehen, die auf dem Laufenden sind.

Der Kölner Rechtsanwalt Jacob Hösl unterstützte die Forderung der Teilnehmer, die Rechtsprechung müsse auch die „EKAF-Erkenntnisse konsequenter berücksichtigen“. Gemeinsam mit seiner österreichischen Fachkollegin Wiltrut Stefanek betonte Hösl, dringend notwendig seien Gesetzesnovellierungen. Einen ersten Schritt in diese Richtung habe die österreichische Justizministerin getan: Sie habe ihre Staatsanwaltschaften angewiesen, HIV-Positive nicht mehr zu verurteilen, wenn sie Safer Sex praktizieren. Bisher wurde in Österreich sogar Sex mit Kondom wegen des Restrisikos (z. B. Reißen des Kondoms) als Tatbestand der „potenziellen Gefährdung“ eingestuft. Bestraft wurde man auch dann, wenn es bei einvernehmlichen sexuellen Handlungen in der Partnerschaft zu einer HIV-Infektion kam. Eine ähnliche diskriminierende Rechtssprechung wurde aus der Schweiz berichtet, wo es neben einem Paragrafen zur Körperverletzung auch einen „zum Schutz der Volksgesundheit“ gibt. Diese Gesetze wende man bisher sehr restriktiv an: Bestraft werde immer nur der oder die Positive, auch wenn sich beide Partner auf ungeschützten Sex geeinigt hatten.

Insgesamt wisse man zu wenig über die Strafverfahren, sagten die Rechtsexperten, und die Verfahren seien auch nicht transparent. So werde in Deutschland keine Statistik zu Verurteilungen im Zusammenhang mit HIV geführt. Rechtsanwalt Hösl sind 27 Verurteilungen und zwei Freisprüche aus Deutschland bekannt.

Die Workshop-Teilnehmer forderten abschließend, die HIV-Negativen mit einzubeziehen, wenn es in der Urteilsfindung um Verantwortung gehe, und die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse endlich zur Grundlage politischen Handelns zu machen. Studien z. B. aus den USA und Kanada hätten längst eindrucksvoll belegt, dass die strafrechtliche Verfolgung als Instrument der HIV-Prävention nicht taugt. Die Aidshilfen in Österreich forderte man auf, zum Thema „HIV und Kriminalisierung“ öffentlich Position zu beziehen und hier nicht länger den Kopf in den Sand zu stecken.

(Jörg Litwinschuh / DAH)

Österreich: Kriminalisierung HIV-Positiver beendet

Die Kriminalisierung HIV-Positiver in Österreich wurde mit Weisung der österreichischen Justizministerin an die Staatsanwaltschaft beendet.

In Österreich konnten Menschen mit HIV bisher besonders scharf strafrechtlich verfolgt werden. Selbst bei Befolgung der Safer Sex Regeln war eine Verurteilung möglich – und erfolgte in den 1980er und 90er Jahren auch mehrfach. Grundlage war die Regelung „Gefährdung durch übertragbare Krankheiten“ (§§ 178 & 179 Strafgesetzbuch).

Diese Kriminalisierung HIV-Positiver wurde nun im Vorfeld der XVIII. Internationalen Aids-Konferenz beendet, wie der Rechtsanwalt Dr. Helmut Graupner (Rechtskomitee Lambda) in einem Artikel für das österreichische Szenemagazin ‚Xtra!‘ berichtet.

Graupner erläutert:

„Hochoffiziell hat die Justizministerin in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage letzten Mai mitgeteilt, sie habe die Staatsanwaltschaften unterrichtet, dass Anklagen bei Befolgung der Safer Sex Regeln unzulässig sind.“

Die Entkriminalisierung HIV-Positiver in Österreich reicht aber noch weiter – das EKAF-Statement („keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs„) ist in Östereich bei der Justiz angekommen. Graupner weiter:

„Darüber hinaus hat sie auch jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung getragen, wonach HIV-positive Personen unter erfolgreicher antiretroviraler Therapie (Viruslast seit mindestens sechs Monaten unter der Nachweisgrenze) nicht infektiös sind. Auch in diesen Fällen besteht keine ernsthafte Ansteckungsgefahr. Sie ist weit geringer als bei Safer Sex von HIV-Positiven mit nachweisbarer Viruslast. Auch bei ungeschützten Kontakten darf es, so die Ministerin erfreulicherweise, keine Anklagen mehr geben, wenn die Viruslast der HIV-positiven Person auf Grund einer erfolgreichen Therapie Null ist.“

Das Österreichische Justizministerium erläutert in einem Schreiben an die Österreichische Aids-Gesellschaft:

„Nach den neuesten Forschungsergebnissen soll selbst mit dem ungeschützten Geschlechtsverkehr einer HIV-infizierten Person dann keine Ansteckungsgefahr verbunden sein, wenn sich die infizierte Person konsequent einer wirksamen antiretroviralen Therapie unterzieht; unter dieser Voraussetzung wäre auch mit einem ungeschützten Geschlechtsverkehr kein sozial inadäquates Risiko mehr verbunden.“

Die Österreichische Aids-Gesellschaft kommentiert

„Die Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz ist ein weiterer Schritt zur Entkriminalisierung und Entstigmatisierung von HIV-Positiven.“

weitere Informationen:
Schreiben des Österreichischen Justizministeriums an die Österreichische Aids-Gesellschaft (pdf)
Antwort des Österreichischen Bundesministeriums für Justiz auf eine Kleine Anfrage (pdf)
Parlamentarische Anfrage (pdf)
Dr. Helmut Graupner: „Justizministerin beendet Kriminalisierung HIV-Positiver“, in: Xtra! Nr. 08/2010, S. 16
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zur Diskussion gestellt: „HIV und Strafrecht: Vier Prinzipien“

Am Montag, 16. August 2010 beginnt in Darmstadt der Prozess gegen Nadja Benaissa. HIV und der strafrechtliche Umgang mit HIV geraten wieder in den Blickpunkt von Medien und Öffentlichkeit. Gibt es sinnvolle Prinzipien, wenn „HIV vor Gericht“ steht, z.B. um eine wirksame Prävention nicht zu gefährden und Stigmatisierung von HIV-Positiven zu vermeiden?
Ein Gastbeitrag von Silke Eggers, Karl Lemmen, Marianne Rademacher, Holger Sweers und Stefan Timmermanns – verbunden mit der Bitte um intensive Diskussion und Kommentare:

Einladung zur Diskussion
HIV und Strafrecht: Vier Prinzipien

Heute, am 16. August 2010, hat vor dem Amtsgericht Darmstadt der Prozess gegen die Sängerin Nadja Benaissa begonnen. Immer wieder landen Fälle vor Gericht, in denen es um (potenzielle) HIV-Übertragungen geht. In der Bundesgeschäftsstelle der Deutschen AIDS-Hilfe e. V. (DAH) hat eine kleine Arbeitsgruppe vier Prinzipien zu diesem Thema formuliert, die ihrer Ansicht nach gelten sollten.

Die Gruppe stellt das Papier im DAH-Blog unter blog.aidshilfe.de zur Diskussion und lädt herzlich zu Anmerkungen und konstruktiver Kritik ein.

Die Kriminalisierung der HIV-Übertragung ist kein Mittel der Prävention, sondern wirkt sich kontraproduktiv aus: Sie lässt die Illusion entstehen, der Staat habe HIV unter Kontrolle und HIV-Positive trügen die alleinige Verantwortung für den Schutz vor einer HIV-Übertragung. Wenn Menschen aber glauben, dass allein die HIV-Positiven für den Schutz vor HIV verantwortlich sind, kann dies dazu führen, dass sie ihr eigenes Schutzverhalten vernachlässigen.

Hinzu kommt: Nur eine Person, die weiß, dass sie HIV-positiv ist, kann strafrechtlich belangt werden. Die Kriminalisierung der HIV-Übertragung führt unter Umständen dazu, dass Menschen sich nicht auf HIV testen lassen – nach dem Motto: Wer nicht getestet ist, kann strafrechtlich nicht verantwortlich gemacht werden. Darüber hinaus leistet sie der Stigmatisierung von HIV-Positiven Vorschub, was einem selbstbewussten Umgang mit der HIV-Infektion im Wege stehen kann.

Auf der anderen Seite gibt es aber durchaus Fälle, in denen die HIV-Übertragung eine strafrechtliche Bedeutung hat, zum Beispiel, wenn das Gegenüber arglistig getäuscht wurde, Vertrauen ausgenutzt wurde oder eine Ansteckung beabsichtigt war.

In jedem Fall aber sollten, wenn HIV vor Gericht eine Rolle spielt, folgende Prinzipien gelten:

1. Bei sexuellen Begegnungen gilt das Prinzip der geteilten Verantwortung.

HIV-Prävention bedeutet in unserem Verständnis, dass alle Beteiligten lernen müssen, sich nicht auf andere zu verlassen, sondern den Schutz vor HIV in die eigene Hand zu nehmen. Daraus folgt für uns zum Beispiel, dass von Menschen mit HIV bei Gelegenheitskontakten oder am Beginn neuer Beziehungen nicht gefordert werden kann, ihre Infektion offenzulegen – wohl aber, dass sie ihre Verantwortung für den Schutz vor einer HIV-Übertragung wahrnehmen wie ihre Partner/innen auch.

Wir gehen dabei vom Prinzip der geteilten Verantwortung aus. Eine einseitige Zuschreibung von Verantwortung an Menschen mit HIV ist nicht nur ethisch unhaltbar, sondern auch kontraproduktiv für die Verhütung von HIV-Übertragungen (siehe Einleitung).

Geteilte Verantwortung heißt für uns, dass wir die Partner/innen in sexuellen Begegnungen – ob HIV-positiv getestet, ungetestet oder HIV-negativ getestet – grundsätzlich „auf gleicher Augenhöhe“ sehen, als freie und gleichberechtigte Menschen, die auf der Grundlage von Informationen und Kommunikation gemeinsame Entscheidungen treffen oder den Schutz vor einer Übertragung in die eigene Hand nehmen können.

Es kann allerdings Fälle geben, wo diese gleiche Augenhöhe nicht gegeben ist, zum Beispiel, wenn ein Partner/eine Partnerin aufgrund von Alkohol- und Drogenkonsum nur noch eingeschränkt handlungsfähig ist, bei Abhängigkeiten, Zwang oder verminderten kognitiven Fähigkeiten. In solchen Fällen kommt dem Gegenüber in der überlegenen Position eine größere Verantwortung zu. Wir sehen daher die Einzelne/den Einzelnen nie allein mit ihrer/seiner Verantwortung, sondern immer auch die Mitverantwortung der anderen (bzw. für die anderen).

2. Auch HIV-Positive haben das Recht auf Unvoreingenommenheit.

Viele juristische Auseinandersetzungen um (potenzielle) HIV-Übertragungen finden im Kontext enttäuschter Beziehungswünsche statt. Richter sind auch hier gefordert, Menschen mit HIV unvoreingenommen zu begegnen, ihnen also nicht per se weniger Glaubwürdigkeit beizumessen als Nichtinfizierten. Dazu gehört gegebenenfalls auch, sich vom medial gezeichneten Bild der „verantwortungslosen Positiven“ freizumachen. Wichtig ist, dass sich Öffentlichkeit und Justiz nicht vor den Karren von „Beziehungsabrechnungen“ spannen lassen.

3. Im Spannungsfeld zwischen Recht und Prävention ist ein differenziertes und sensibles Vorgehen nötig.

Die DAH beschäftigt sich mit dem Thema Recht und HIV vor allem aus zwei Perspektiven:
• aus der Perspektive der Menschenrechte
• aus der Perspektive der Prävention.

HIV-Prävention im Sinne von „New Public Health“ will Menschen zum selbstbestimmten und verantwortungsvollen Umgang mit HIV und Aids befähigen. Die deutsche Linie der HIV- und Aidsbekämpfung ist gerade deshalb so erfolgreich, weil sie von der Mündigkeit und Verantwortung jedes einzelnen Menschen ausgeht. Und weil sie z. B. dafür sorgt, dass HIV-Positive nicht stigmatisiert werden, sondern ihre schwierige Situation im Umgang mit dem „gesellschaftlichen Makel“ HIV anerkennt.

Wenn (potenzielle) HIV-Übertragungen juristisch aufgearbeitet werden, müssen Justiz und Medien daher differenziert und sensibel vorgehen – und sollten mögliche Folgen für die Prävention beachten. „Mediale Treibjagden“ auf angeblich verantwortungslose HIV-Positive z. B. verschärfen das Stigma HIV und dürften es Menschen mit HIV eher erschweren, ihren HIV-Status offenzulegen und damit ihren Partner(inne)n einen verantwortungsvollen Umgang mit der Infektion zu ermöglichen.

4. Das veränderte Leben mit HIV erfordert eine veränderte Rechtsprechung.

Die bisherige Rechtsprechung orientierte sich an einem Bild von HIV, das mit hohen Übertragungswahrscheinlichkeiten (zum Beispiel beim Sex ohne Kondom), schnellem Siechtum und Tod verbunden war. Die HIV-Infektion ist aber inzwischen zu einer behandelbaren chronischen Erkrankung geworden. Wer sich heute mit HIV infiziert, kann bei rechtzeitiger Diagnose und Behandlung mit einer annähernd normalen Lebenserwartung rechnen.

Außerdem kann durch eine antiretrovirale Therapie die Übertragungswahrscheinlichkeit wirksam gesenkt werden. Solche Veränderungen müssen stärker in die Rechtsprechung einfließen. Galt bisher das Einbringen eines Kondoms in die sexuelle Kommunikation als ausreichender Beweis, eine HIV-Übertragung verhindern zu wollen, stellt sich die Frage, ob die korrekt angewendete „Viruslastmethode“ heute nicht gleichermaßen bewertet werden müsste, bietet sie doch eine vergleichbare Sicherheit (vgl. hierzu das DAH-Positionspapier „HIV-Therapie und Prävention“ vom April 2009).

Berlin, im August 2010

Silke Eggers, Karl Lemmen, Marianne Rademacher, Holger Sweers, Stefan Timmermanns

Freispruch oder Verurteilung – und das Schweigen der Fachgesellschaften (akt.)

Eine erfolgreiche Therapie reduziert die Infektiosität – aber welche Konsequenzen hat das? Insbesondere vor Gericht? Zwei Fachgesellschaften können nicht zu einer gemeinsamen Haltung finden. Die Leidtragenden: die Rechtssicherheit – und Menschen mit HIV, die mit dem Vorwurf der Körperverletzung vor Gericht stehen.

Wenn HIV-Positive vor Gericht stehen, spielt bei der Beurteilung der Frage, wie eine etwaige bzw. mögliche Übertragung von HIV juristisch zu beurteilen ist, neben vielen anderen immer wieder auch die Frage eine Rolle, ob der Positive infektiös war – oder ob aufgrund erfolgreicher Therapie ein reales Infektionsrisiko kaum gegeben war.

Gerichte haben diese Frage in Deutschland in den letzten beiden Jahren immer wieder in unterschiedlichem Umfang berücksichtigt – und sind zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Verkürzt gesagt, von Verurteilung trotz erfolgreicher Therapie bis Freispruch, eben aufgrund erfolgreicher Therapie (und fehlender Infektiosität) – das Spektrum der Urteile ist breit.

Ein Unding, findet der Blogger „diego62“, und wundert sich. Irritiert wendet er sich an die Bundesregierung, bittet um Klarheit. Wie steht es mit der Frage des EKAF-Statements, der Frage der stark reduzierten Infektiosität bei erfolgreicher Therapie, und deren Einbeziehung und Bewertung vor Gericht?
Der Blogger betont in seiner Anfrage an das Bundesministerium für Gesundheit

„Nur in deutschen Gerichten vermisst man diesen Sachverhalt in den Urteilen der letzten Monate. Hier werden, je nach dem der Gutachter den Verhalt auslegt, sehr unterschiedliche Urteile [gefällt; d.Verf.].“
und erläutert seine Anfrage
„Es kann nicht sein, dass hier ein HIV-Positiver unter Nachweisgrenze wegen schwerer (versuchter) Körperverletzung verurteilt wird, weil dem Gutachter/Richter die EKAF-Studie egal oder unbekannt ist und anders wo in einem gleichen Fall ein Freispruch gefällt wird.“

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) betont in seiner Antwort den verfassungsmäßigen Grundsatz der  Gewaltenteilung – ein Ministerium könne keinen „Einfluss auf die rechtsprechende Gewalt nehmen“.
Zugleich betont das BMG die Bedeutung möglicher Stellungnahmen von Fachgesellschaften:

„Bei verallgemeinerungsfähigen Fragestellungen wirken sich allerdings Veröffentlichungen von juristischen Fachkreisen und insbesondere die Rechtsprechung der Obergerichte und des Bundesgerichtshofs vereinheitlichend auf die Rechtsprechung aus.“

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Das Statement der EKAF Eidgenössischen Kommission für AIDS-Fragen (keine Infektiosität bei erfolgreicher HIV-Therapie ohne andere STDs) hat nach seinem Erscheinen im Januar 2008 (!) bei HIV-Positiven, in Aidshilfen sowie in medizinischen Fachkreisen zu teils aufgeregten Diskussionen geführt. Diese Aufregung hat sich inzwischen gelegt, was einst umstritten war, ist längst weitgehend einhellige Meinung. Nationale und Internationale Organisationen wie UNAIDS und UNDP unterstützen EKAF-Statement und Viruslast-Methode (siehe Nachtrag 09.10.2010).

Das Potential, das in der Stellungnahme liegt, ist auf Seiten von Epidemiologen längst erkannt, bis hin zu Diskussionen über neue Strategien wie „test and treat“ (eine Viruslast unter der Nachweisgrenze senkt drastisch die Infektiosität, dadurch sinkt in Folge auch die Zahl der HIV-Neuinfektionen – möglichst viele Positive möglichst früh zu behandeln, könnte also helfen die Zahl der neuen HIV-Infektionen niedriger zu halten).

Die Deutsche Aidshilfe hat nach intensiven Diskussionen inzwischen (seit April 2009 !) längst eine Position zum EKAF-Statement (HIV-Therapie und Prävention – Positionspapier der Deutschen AIDS-Hilfe e. V. (DAH)). Sie kommt hierin zu der klaren Aussage

„Das heißt: Das Risiko einer HIV-Übertragung ist unter den oben genannten Bedingungen so gering wie bei Sex unter Verwendung von Kondomen.
Unsere bisherigen Safer-Sex-Botschaften werden durch diese Aussage sinnvoll und wirksam ergänzt; in der Prävention eröffnen sich dadurch neue Möglichkeiten.“

Die DAH spricht in Übersetzung des EKAF-Statements in die Praxis der Aids-Arbeit von der

„Präventionsmethode „Senkung der Viruslast unter die Nachweisgrenze““

Nicht einigen hingegen können sich – auch zweieinhalb Jahre nach Vorliegen des EKAF-Statements – anscheinend die beiden in Deutschland zuständigen Fachgesellschaften, die Deutsche Aids-Gesellschaft (DAIG) und die Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte für die Versorgung HIV-Infizierter (DAGNÄ).

Diese Uneinigkeit der betreffenden Fachgesellschaften führt zu eben jener Rechtsunsicherheit, die der Blogger in seiner Anfrage an das BMG moniert hat. Eine Rechtsunsicherheit, die bei ihm den Eindruck erweckt, dass

„eine Verurteilung oder ein Freispruch eher vom Gutdünken oder Informationsstand eines Sachverständigen abhängt, nicht jedoch von einer wirklichen Gefährdung durch den Betroffenen.“

Der Blogger steht mit seiner Wahrnehmung nicht allein. Auch Corinna Gekeler und Karl Lemmen (Deutsche Aids-Hilfe) kommen in ihrem Beitrag „(Versuchte) HIV-Übertragungen vor Gericht: Welche Rolle spielt eine nicht nachweisbare Viruslast?“ zu dem Schluss:

„Man kann sich hier im Moment auf nichts verlassen und ist in jedem Fall der „Willkür“ der jeweils geladenen Gutachter ausgeliefert. Zumindest so lange, wie Fachverbände wie DAIG und DAGNAE hier nicht mit einer Stimme sprechen.“

Eine klare und soweit möglich eindeutige Haltung der beiden zuständigen Fachgesellschaften könnte hier, darauf weist das Bundesministerium für Gesundheit in seiner Antwort nochmals explizit hin, zu deutlich mehr Rechtssicherheit vor deutschen Gerichten führen.

DAGNÄ und DAIG hatten zweieinhalb Jahre Zeit, ihre Position zu finden und aus beiden Haltungen eine gemeinsame Stellungnahme zu entwickeln. Allein, eine klare und gemeinsame Haltung fehlt bisher weiterhin. Im Gegenteil, in Gesprächen könnte manchmal der Eindruck entstehen, beide Gesellschaften verträten beinahe entgegengesetzte Meinungen …

Freispruch oder Verurteilung – die Konsequenzen, die nahezu gleiche Sachverhalte aufgrund des Nicht-Berücksichtigens des EKAF-Statements sowie des Fehlens einer gemeinsamen Stellungnahmen der beteiligten Fachgesellschaften haben, sind gravierend. Zu Lasten der Rechtssicherheit, und zu Lasten derjenigen Menschen mit HIV, die mit dem Vorwurf der Körperverletzung vor Gericht stehen.

Zweieinhalb Jahre sollten genügen, seine Position zu finden und mit dem ‚Kollegen‘ abzustimmen – es wird Zeit, dass sich etwas tut, dass beide Fachgesellschaften endlich zu einer den heutigen Realitäten gerecht werdenden gemeinsamen Stellungnahme kommen.

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Nachtrag 14.8., 23:45:
(1) Man kann das Thema auch anders angehen: Prof. Pietro Vernazza, einer der Väter des EKAF-Statements: „Ein weiteres Ziel des EKAF-Statements war gewesen, die in der Schweiz bis dahin recht häufigen Verurteilungen von HIV-Positiven (wegen Gefährdung Anderer trotz Beachtung der genannten Voraussetzungen) zu reduzieren. Dies ist gelungen.“ (nach einem Bericht „EKAF-Statement: 2 Jahre danach „)
(2) Zwar gab es Anfang 2008 den Versuch einer „Gemeinsame Stellungnahme von DAH, DAIG, DAGNÄ, RKI, BZgA, WZB“. Bekannt wurde aus dem Treffen allerdings nur eine „Gemeinsame Stellungnahme – Die bewährten Präventionsbotschaften zum Schutz vor HIV/AIDS gelten nach wie vor“ vom 27.2.2008, gezeichnet damals von BZgA, RKI und DAH – nicht DAIG und DAGNÄ. Diese Stellungnahme sprach von „Gefährdungslage“ und Kondomen als entscheidendem Schutz. Zum Versuch einer gemeinsamen Stellungnahme vermeldet der HIV-Report nach einem Jahr (Ausgabe vom 25.2.2009) lakonisch „nicht miteinander vereinbare Positionen bei den Akteuren“.
(3) Die DAIG ringt sich in einer Stellungnahme vom 23.4.2009 immerhin zu der Aussage durch „Auch durch die erfolgreiche Unterdrückung der Virusvermehrung mittels wirksamer antiretroviraler Therapie wird die Übertragung von HIV deutlich reduziert“ – schließt allerdings kurz darauf an „Sie [die DAIG, d.Verf.] weist jedoch darauf hin, dass diese Annahme überwiegend auf Modellrechnungen beruht und für den einzelnen Menschen weiterhin ein fassbares Risiko der HIV-Infektion besteht.“ Sie betont „Aus Sicht der DAIG lässt sich das Problem der HIV-Übertragung nicht strafrechtlich lösen.“ Neuere Stellungnahmen der DAIG zum EKAF-Statement und der Frage der Infektiosität bei HAART, auch angesichts neuer wissenschaftlicher Publikationen, sind nicht bekannt.
(4) Von der DAGNÄ sind keine Stellungnahmen zum EKAF-Statement bekannt.

Nachtrag 09.10.2010:
UNAIDS hat sich vor dem Human Rights Council zur Reduktion der HIV-Transmission durch Therapie geäußert und auch auf das EKAF-Statement verwiesen, sich jedoch nicht zur Frage des Kondomgebrauchs geäußert.

 

 

Diego62 19.07.2010: Rechtssicherheit
Diego62 13.08.2010: Antwort vom Bundesministerium für Gesundheit
Deutsche Aids-Gesellschaft (DAIG)
Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte für die Versorgung HIV-Infizierter (DAGNÄ)
„HIV-Transmission und Schutzmöglichkeiten für diskordante Paare – Gemeinsame Stellungnahme von DAH, DAIG, DAGNÄ, RKI, BZgA, WZB“. in: HIV-Report 04/2008 (pdf)
BZgA, RKI, DAH 27.02.2008: Gemeinsame Stellungnahme – Die bewährten Präventionsbotschaften zum Schutz vor HIV/AIDS gelten nach wie vor
„The Year After“. in: HIV Report 01/2009 (pdf)
infekt.ch 01.02.20210: EKAF-Statement: 2 Jahre danach
DAIG / presseportal 23.04.2009: Stellungnahme der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG) zur Frage der Infektiosität von Patienten unter HIV-Therapie
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10 Gründe gegen die Kriminalisierung der Übertragung von HIV

Am 16. August beginnt der Prozess gegen Nadja Benaissa. Angesichts des Gerichtsverfahrens gegen Nadja Benaissa wird eine brisante Frage diskutiert: Dürfen HIV-positive Menschen bestraft werden, weil sie ungeschützten Sex hatten?

Ostersamstag 2009: Die Polizei verhaftet No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa. Der Vorwurf: Ansteckung eines Sexpartners mit HIV. Die Boulevardmedien stürzen sich auf den Fall.

August 2010: Der Fall Nadja Benaissa wird endlich vor Gericht verhandelt. Hat der Popstar die Chance auf ein faires Verfahren? Wird die Verantwortung aller Beteiligten endlich unvoreingenommen geklärt?

Die Prominenz von Nadja Benaissa wirft ein grelles Licht auf eine schwierige Debatte: Dürfen HIV-positive Menschen bestraft werden, weil sie ungeschützen Sex haben? Hinter der Diskussion steht die legitime Angst vor der Übertragung von HIV. Aber auch oft der Wunsch, den HIV-Positiven die alleinige Verantwortung für Safer Sex in die Schuhe zu schieben.

Helfen Strafen wirklich weiter?
Eine nähere Analyse zeigt: Eine leichtfertige Kriminalisierung der HIV-Übertragung verhindert keine Neuinfektionen. Im Gegenteil: Sie schadet eher. Sie verringert auch nicht die Gefährdung von Frauen – ein Argument, das in Afrika häufig genannt wird.

Das Gerichtsverfahren gegen Nadja Benaissa nutzt die Deutsche AIDS-Hilfe, um klarzustellen: Jeder Mensch hat Anspruch auf ein faires Verfahren. Eine leichtfertige Verurteilung jeder HIV-Übertragung kann sich zum gefährlichen Unsinn auswachsen.

Zehn Gründe, warum die voreilige Kriminalisierung von HIV-Positiven der Prävention mehr Schaden zufügt, als sie nutzt.

Die Bestrafung einer HIV-Übertragung…
1. … ist nur dann gerechtfertigt, wenn HIV böswillig übertragen wird, um anderen zu schaden.
Für diese Einzelfälle gibt es längst strafrechtliche Bestimmungen – zum Beispiel den Tatbestand der Körperverletzung.

2. … dämmt die Ausbreitung von HIV nicht ein.
HIV wird vor allem beim Sex und beim gemeinsamen Drogengebrauch übertragen – dahinter stecken in beiden Fällen komplexe menschliche Bedürfnisse; sie lassen sich nicht mit dem stumpfen Werkzeug des Strafrechts kontrollieren.

3. … untergräbt alle Bemühungen zur Vorbeugung.
Wenn die Übertragung von HIV strafbar ist, wird sich jeder zweimal überlegen, ob er einen HIV-Test macht. Denn in einem Prozess kann Nichtwissen das beste Mittel der Verteidigung sein. Dazu kommt: Ein Strafgesetz vermittelt trügerische Sicherheit. Nicht nur die Menschen mit HIV tragen Verantwortung – jeder sollte Schutzmaßnahmen ergreifen, unabhängig von seinem HIV-Status.

4. … verbreitet lähmende Angst.
Wer fürchtet, ins Gefängnis zu kommen, der schweigt. Dabei ist es wichtig, offen über Aids zu reden. Jeder soll sich angstfrei informieren und testen lassen können. HIV-Positive sind keine gefährlichen Kriminellen, sondern Menschen wie alle anderen auch – mit Verantwortung, Würde und unveräußerlichen Menschenrechten.

5. … verschafft Frauen keine Gerechtigkeit, sondern bringt sie in Gefahr.
In vielen afrikanischen Ländern soll die Strafverfolgung Frauen und Mädchen vor einer Ansteckung mit HIV durch untreue Partner oder sexuelle Gewalt schützen. Doch leider sind es vor allem die Frauen selbst, die angeklagt werden. Denn im Gegensatz zu den Männern erfahren sie meist früher und weit häufiger von einer Infektion, zum Beispiel durch Untersuchungen während der Schwangerschaft. Im Extremfall könnten sie sogar wegen der Ansteckung ihrer eigenen Kinder belangt werden.

6. … würde ausufernde Gesetze erfordern und oftmals Verhalten bestrafen, das gar nicht schuldhaft ist.
Es bringt nichts, das Strafrecht über die willentliche HIV-Übertragung hinaus auszudehnen. Stattdessen sollte der Staat seine Bürgerinnen und Bürger dabei unterstützen, ohne Angst HIV-Tests in Anspruch zu nehmen, ihren HIV-Status offenzulegen und Safer Sex zu praktizieren.

7. … wäre oft ungerecht, selektiv und ineffektiv.
Beweise dafür, dass jemand von seiner HIV-Infektion wusste, oder was genau mit dem Sexualpartner besprochen wurde, sind schwer zu erbringen – schließlich geht es um einen sehr intimen Bereich. Dieser große Ermessensspielraum, öffnet der Willkür Tür und Tor. Oft werden dann nur die Menschen bestraft, die sowieso schon am Rande der Gesellschaft stehen, etwa Migranten und Flüchtlinge, Ausländer und Sexarbeiter.

8. … ignoriert die tatsächlichen Herausforderungen an die HIV-Prävention.
Oft ist die Verfolgung von HIV-Positiven nur ein bequemes Mittel für die Regierung, die gesamte Last der Prävention auf die Menschen mit HIV abzuwälzen. Viel sinnvoller ist es, die Menschen darüber aufzuklären, wie sie sich vor einer Ansteckung mit HIV schützen und wie sie die Weitergabe von HIV vermeiden können.

9. … ist sinnlos! Stattdessen müssen alle Bestimmungen, die der HIV-Vorbeugung und der -Behandlung im Weg stehen, reformiert werden.
Das Gesetz ist ein nützliches Werkzeug im Kampf gegen HIV – wenn man damit besonders bedrohte Gruppen stärkt und ihnen Zugang zu HIV-Dienstleistungen garantiert. Auch das Strafrecht kann helfen – und zwar zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt. Nur so können sich die von HIV besonders bedrohten Menschen ohne Angst um ihre Gesundheit kümmern.

10. … ist wirkungslos. Effektiv sind nur Maßnahmen, die auf den Menschenrechten basieren.
Die Menschenrechte betonen die Würde aller Menschen – einschließlich der sexuellen Freiheit. Sie sorgen für ein Umfeld, in dem jeder gesundheitsbewusst, verantwortlich und geschützt Entscheidungen über sein Leben und seine Gesundheit treffen kann.
Wichtige Voraussetzungen dafür sind: (1) frei zugängliche Informationen über HIV und die Übertragungsmöglichkeiten; (2) ein wirkungsvoller Schutz vor Gewalt – vor allem für Jugendliche, Frauen und Minderheiten; (3) der Schutz vor willkürlichen Festnahmen und Diskriminierung – auch für Homosexuelle und Menschen, die Sexarbeit machen oder Drogen gebrauchen.

(Presseerklärung der DAH vom 19.07.2010)

Kurz notiert … August 2010

21. August 2010: In China wurde erneut ein Aids-Aktivist festgenommen. Er hatte sich für Entschädigungen für diejenigen Chinesen eingesetzt, die durch Blutkonserven mit HIV infiziert wurden.

17. August 2010: Eingetragene Lebenspartnerschaften müssen künftig bei der Erbschaftssteuer wie Ehepaare behandelt werden. Eine entsprechende Entscheidung veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht am 17.8.2010.

14. August: Die Stadt Rotterdam hat ein Cruising-Gebiet im ‚Kralingse Bos‘ mit kleinen hölzernen Pfählen (darauf Regenbogen-Aufkleber mit Füßen) kenntlich gemacht, berichtet minorités. Drei Millionen Bürger nutzen den Park, so die verantwortlichen, und jeder solle für seine Zwecke sein Gebiet finden. Der Sinn des ganzen auch: sexuelle Aktivitäten außerhalb des markierten Gebiets werden künftig als Ordnungswidrigkeit bestraft.

12. August 2010: „The normal heart„, das semi-autbiographische Stück von US-Aktivist Larry Kramer, wird von Ryan Murphy („Glee“, „Eat Pray Love“) verfilmt. Mark Ruffalo wird die Hauptrolle spielen, einen jüdischen Schwulen-Aktivisten, der Ende der 1980er Jahre den Beginn der Aids-Epidemie erlebt.

11. August 2010: Ein 34-jähriger Hamburger wurde freigesprochen von dem Vorwurf, zwei Frauen wissentlich mit HIV infiziert zu haben. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Callboy zum fraglichen Zeitpunkt von seiner HIV-Infektion nicht wusste.

9. August 2010: „Homo-Ehe = 166 Euro, Hetero-Ehe = 40 Euro“ – SpON schreibt über das teure Ja-Wort bei Homo-Ehen in Baden-Württemberg.

6. August 2010: Guyana (Südamerika) diskutiert die Einführung eines Spezial-Gesetzes gegen HIV-Positive ‚Criminal Responsibility of HIV Infected Individuals‘.

4. August 2010: Ein HIV-positiver 34-jähriger Mann muss sich seit 4. August in Hamburg wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht verantworten. Ihm wird vorgeworfen, zwei Frauen mit HIV infiziert zu haben.
Die US-Medikamentenbehörde FDA hat ihre Entscheidung über eine etwaige Zuzlassung der Substanz Tesamorelin (geplanter Handelsname Egrifta®) für die Behandlung ungewöhnlicher Fettansammlungen bei HIV-Infektion auf den Herbst verschoben.

3. August 2010: Die ‚Bettencourt-Affäre‚ um Liliane Bettencourt, L’Oréal-Erbin und reichste Frau der Welt und möglicherweise illegale Parteispenden bewegt beinahe ganz Frankreich. ‚Yagg‘ thematisiert eine etwaige ‚schwule Komponente‘ und den Umgang der Medien damit: hatte der 2007 verstorbene Ehemann und konservative Politiker André Bettencourt eine Affäre mit dem Schriftsteller und Fotografen François-Marie Banier? Und wird diese Affäre derzeit in den französischen Medien als Tabu behandelt?

1. August 2010: In Köln wurden am Abend des 31. Juli die ‚Gay Games‚ eröffnet. Eine Veranstaltung voll Events, Trubel, Aktion – sowie bemerkenswertem und  kontrovers diskutiertem Aids-Gedenken (siehe queer.de Liveblog 31.7.2010 14:22 #5). Die Aidshilfe Köln organisierte in Mitten des Gay-Games-Trubels einen Ort der Stille und des Gedenkens an Menschen, die an den Folgen von Aids gestorben sind: im ‚Spanischen Bau‘ im Rathaus Köln wird vom 30.7. bis 6.8. die Ausstellung „International Memorial Quilts“ gezeigt.

Bereits Anfang Juli wurde der Proteasehemmer Atazanavir in der Europäischen Union auch für den Einsatz bei Kindern und Heranwachsenden zwischen 6 und 18 Jahren zugelassen.

Welt-Aids-Konferenz Wien: Kurz-Berichte 19.07.2010 (akt.2)

In Wien findet vom 18. bis 23. Juli 2010 die XVIII. Welt-Aids-Konferenz statt. Im Folgenden Kurzberichte über einige wichtige Themen, die auf der Konferenz behandelt wurden. Diese Übersicht wird im Verlauf der Konferenz fortlaufend aktualisiert.

Kriminalisierung der HIV-Infektion: Europa und USA an trauriger Spitzen-Position

Weltweit wurden bisher mindestens 600 Menschen deswegen verurteilt, weil sie HIV übertrugen oder andere Personen dem Virus aussetzten. Die bei weitem meisten Verurteilungen seien in Nordamerika und Europa erfolgt, wurde über einen ‚global criminalisation scan‘ von GNP+ (Global Network of People Living with HIV) berichtet.
Die Vortragende, Moono Nyambe, betonte, Norwegen und Schweden seien weltweit ‚führend‘, wenn man die Anzahl der Verurteilungen in Relation setze zur Zahl der Menschen mit HIV, die im jeweiligen Land leben.

GNP+: Global Criminalisation Scan
aidsmap 19.07.2010: North America and Western Europe lead the world in criminalising HIV transmission and exposure

Heilung von HIV muss Priorität werden

Eine Heilung von HIV sei wissenschaftlich machbar und zudem zunehmend notwendig, betonte Sharon Lewin von der Monash University in Melbourne.
Auch wenn die antiretrovirale Therapie zunehmend erfolgreich sei, die chronischen Entzündungsprozesse trügen dazu bei, dass auch erfolgreich therapierte HIV-Positive an Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden und stürben. Zudem sei antiretrovirale Therapie nicht bei jedem Patienten eine machbare Langzeit-Lösung.
Auf einer Vor-Konferenz hatte Dr. Gero Hütter erneut über die ‚Heilung‘ des so genannten ‚Berlin Patient‘ berichtet. Die zeige, dass Ansätze der Heilung machbar seien.
Die Deutsche Aids-Hilfe kommt in Sachen ‚Berlin Patient‘ zu dem Fazit „Das Verfahren ist nicht allgemein auf andere HIV-Positive übertragbar. Dazu ist die Therapie zu gefährlich und nebenwirkungsreich. Aber in der Charité scheint die erste Heilung eines HIV-Patienten gelungen zu sein.“
Medizin-Nobelpreisträgerin Francois Barré-Sinoussi hingegen skeptisch, hält das völlige Entfernen von HIV aus dem Körper eines Infizierten für “sehr schwer bis unmöglich“.

aidsmap 19.07.2010: Cure for HIV infection must now be major scientific priority, Vienna AIDS conference hears
vienna.at 18.07.2010: HIV- Entdeckerin: Heilung eher unmöglich
ondamaris 03.06.2010: Auszeichnung für Berliner Arzt – für “erste funktionale Heilung von HIV/Aids”
POZ 19.07.2010: Strategies for a Cure Reviewed in Vienna
blog.aids2010 21.07.2010: Towards a Cure: HIV Reservoirs and Strategies to Control Them
DAH 29.07.2010: Was macht eigentlich … der „HIV-Geheilte“?

Schroffe Einstellungen Treiber der HIV-Epidemie in Ost-Europa

Eine ‚Untergrund-HIV-Epidemie‘ nehme in Ost-Europa und Zentral-Asien inzwischen ein beängstigendes Ausmaß ein, betonte UNICEF. Drogengebrauch, risikoreicher Sex und gravierende soziale Stigmatisierung seien die Haupt-Gründe. Die Verantwortlichen im Sozial- und Gesundheitsbereich in zahlreichen Staaten unternähmen kaum etwas für junge Menschen, stattdessen seien diese Kriminalisierung und Strafverfolgung ausgesetzt, selbst wenn sie sich um HIV- und Präventions-Informationen bemühen.

UNICEF 19.07.2010: Young of Central Asia and Eastern Europe suffering Blame and Banishment
Aids Treatment News 19.07.2010: Harsh attitudes fuel Eastern Europe HIV epidemic
SpON 19.07.2010: Unicef-Studie: Osteuropa droht Aids-Epidemie
UNICEF 19.03.2010: HIV-positive Kinder und Jugendliche ausgegrenzt und diskriminiert
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Kurz notiert … Juli 2010

29. Juli 2010: ‚Berlin Patient‚: „Das Verfahren ist nicht allgemein auf andere HIV-Positive übertragbar. Dazu ist die Therapie zu gefährlich und nebenwirkungsreich. Aber in der Charité scheint die erste Heilung eines HIV-Patienten gelungen zu sein.“ So kommentiert die Deutsche Aids-Hilfe aktuelle Berichte zum ‚Berlin Patient‚.
Wie strategisch weiter umgehen mit der Kriminalisierung der HIV-Infektion? Roger Pebody berichtet auf aidsmap über verschiedene Ansätze: „Three tactics to stem the tide of criminal prosecutions

26. Juli 2010: Tibotec (Tochter von Johnson&Johnson) hat am 26.7.2010 die US-Zulassung des NNRTI Rilpivirine (TMC278) beantragt.

23. Juli 2010: Die Pharmakonzerne Merck (MSD), Tibotec und Gilead verhandeln mit UNITAID, der internationalen Einrichtung zum Erwerb von Medikamenten gegen HIV/AIDS, Malaria und Tuberkulose, über einen Patent-Pool zu HIV-Medikamenten für sich entwickelnde Staaten.  ViiV, Joint Venture von Pfizer und GSK, scheint sich nicht beteiligen und eher alleine gezielt lizenzieren zu wollen (siehe 18.7.20109.

18. Juli 2010: Ist eine Heilung von HIV möglich? Medizin-Nobelpreisträgerin Francois Barré-Sinoussi ist skeptisch, hält das völlige Entfernen von HIV aus dem Körper eines Infizierten für „sehr schwer bis unmöglich„.
Auf den Einfluss rechter christlicher (US-)Kirchenkreise auch auf internationale Aids-Bekämpfung weisen Sean Cahill und Lyndel Urbano auf The Body hin: „The Christian Right: Wrong on AIDS
Der Pharmakonzern ViiV (eine Bündelung der Aids-Sparten von Pfizer und GlaxoSmithKline) kündigte an, sein gesamtes HIV/Aids-Portfolio (einschließlich Pipeline) Generika-Herstellern in der sog. Dritten Welt unentgeltlich verfügbar machen zu wollen. Die Medikamenten-Versorgung in den ärmsten Staaten der Welt solle so verbessert werden. Diese Initiative gelte für 69 Staaten.

17. Juli 2010: HIV breitet sich in Osteuropa und Zentralasien besonders bei Kindern, Jugendlichen und Frauen weiter aus. „HIV trifft vor allem Kinder am Rande der Gesellschaft“

16. Juli 2010: Aus Anlass der Wiener Welt-Aids-Konferenz bespricht „Spoiler Art“ HIV & Aids in Superhelden-Comics.

15. Juli 2010: Merck (MSD) stoppt die gesamte weitere Entwicklung des CCR5-Hemmers Vicriviroc. Grund seien enttäuschende Daten aus einer Phase-II-Studie, teilte der Hersteller mit.

13. Juli 2010: UNAIDS fordert eine radikale Therapie-Vereinfachung. Damit sollen die Nutzen für die Prävention optimiert werden.

9. Juli 2010: Die Weltbank hat David Wilson zum Leiter ihres globalen HIV/Aids-Programms benannt. Wilson stammt aus Zimbabwe und hat seit 2003 im Auftrag der Weltbank u.a. die Regierungen von Südafrika, Vietnam und China bei ihren Aids-Programmen beraten.

8. Juli 2010: US-Wissenschaftler finden Antikörper, die in der Lage sind, die meisten HIV-Stämme am Eindringen in Zellen zu hindern. Die Entdeckung dieser sehr breit neutralisierenden Antikörper weckt neue Hoffnungen auf die Möglichkeit, wirksame HIV-Impfstoffe entwickeln zu können.

Ein US-Bundesgericht hat entschieden, mit dem US-weiten Verbot von Homo-Ehen (Defense-of-Marriage-Act, DOMA) habe sich der Gesetzgeber zu sehr in Angelegenheiten der US-Bundesstaaten eingemischt, das Verbot sei verfassungswidrig.

7. Juli: Das Bundeskabinett hat die „Arzneimittel-Härtefall-Verordnung“ (pdf) verabschiedet. „Ziel der Verordnung ist es, den Zugang für Schwerstkranke zu neuen Arzneimittelbehandlungen, die sich noch in der Entwicklung befinden, durch ein unbürokratisches und rasches Verfahren zu verbessern.“

6. Juli 2010: Elf Monate alt war Muriel, ein HIV-infiziertes junges Mädchen, das kurz vor Weihnachten 2009 in der Grazer Kinderklinik im LKH lag. Es wurde mit einer Lungenentzündung eingeliefert, in lebensbedrohlichem Zustand. Beide Eltern waren Anhänger eines „Wunderheilers“. Die Mutter ist in Graz am 6. Juli 2010 zu Monaten bedingter Haft verurteilt worden, weil sie ihr Baby mit HIV angesteckt haben soll.

Zahnärzte seien „die am schlechtesten über HIV und Aids informierte Berufsgruppe im medizinischen Bereich“, kritisiert die Deutsche Aids-Stiftung.

4. Juli 2010: Das Landhaus von Jean Cocteau und Jean Marais in Milly-la-Forêt südlich von Paris ist seit Anfang Juli 2010 als Museum umgebaut der Öffentlichkeit zugänglich.

Während insbesondere in Großstädten die Massen zu CSDs strömen und munter feiern, gerät oft in Vergessenheit, dass auch anderes in Deutschland vorkommt: in Schwerin wird der CSD beschimpft und bedroht.

2. Juli 2010: Nadja Benaissa steigt bei der Pop-Band ‚No Angels‘ aus. Benaissa ist seit einigen Wochen krank geschrieben, Mitte August beginnt ihr Prozess. Laut Medienberichten musste sie inzwischen Privatinsolvenz anmelden.

Im Bett mit dem Staatsanwalt?

Über eine beunruhigende Entwicklung in Sachen Kriminalisierung von HIV-Positiven informiert die aktuelle Ausgabe des HIV-Reports der Deutschen Aids-Hilfe.

Schweizer Forscher hatten ermitteln wollen, in welchem Umfang HIV-Übertragungen in der frühen oder in der chronischen Phase der HIV-Infektion stattfinden. Grundgedanke war dabei die derzeit viel diskutierte These, dass besonders in der Phase der frischen HIV-Infektion HIV-Übertragungen stattfinden.

Für ihre Studie verwendeten die Schweizer Forscher Daten aus zwei Schweizer Studien, der Züricher Primoinfektionsstudie (Zurich Primary HIV Infection Study, kurz ZPHI) sowie der Schweizer HIV-Kohortenstudie (SHCS). Die Daten der Studienteilnehmer wurden verglichen, um anhand von Infektionsverläufen zu errechnen (!), wann eine Infektion stattgefunden haben könnte.

Die Forscher konnten mehrere Cluster identifizieren, in denen errechnet (!) wurde, wer wann wen infiziert haben könnte.

Armin Schafberger, Medizin-Referent der DAH, kommentiert im HIV-Report dieses Vorgehen:

„Die Ermittlung von Infektionsketten mittels Kohortendaten erscheint beunruhigend, wenn man weiß, dass die Kriminalisierung der HIV-Übertragung in vielen Ländern eher zunimmt. Staatsanwälte könnten ein Interesse an einer solchen Forschung haben. Die Pseudonymisierung der Kohortenteilnehmer bietet vor staatsanwaltlichen Eingriffen zwar einen guten, aber keinen kompletten Schutz. Die Deutsche AIDS-Hilfe hat 2009 ein Rechtsgutachten zum „Beschlagnahmeschutz von Patientenakten (insbes. im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen) eingeholt. Steffen Taubert berichtete im Kompl@t 4/2009 des Kompetenznetzes zusammenfassend über die Ergebnisse“

Das fragwürdige Verhalten der Schweizer Forscher schockiert. Der Staatsanwalt dürfte sich schon die Hände reiben und prüfen, auf welchem Weg er an die Daten kommen kann. Selbst wenn es sich nur um errechnete Infektionswege und wahrscheinliche Infektionsketten handelt, für einen Ermittlungen begründenden Anfangsverdacht dürften diese Daten vielleicht schon genügen.Ganz abgesehen davon, dass das Vorgehen in der Studie vermutlich geradezu eine Handreichung für interessierte Ermittler sein dürfte …

Mit derartigen Studien und Vorgehensweisen bestärken derartige Forscher einmal mehr Vorbehalte gegen Studien und insbesondere Kohorten, besonders wenn diese nicht völlig anonymisiert (sondern wie im vorliegenden Fall nur pseudonymisiert, also prinzipiell rück-identifizierbar) sind.

HIV-Positiven kann -nicht nur angesichts dieser aktuellen Studie – nur geraten werden, sich äußerst gründlich zu informieren und bedacht zu entscheiden, ob sie an Studien teilnehmen, und wenn ja welche Daten und erst recht welche Bio-Materialien sie von sich zur Verfügung stellen.

Weitere Informationen:
Armin Schafberger: „HIV-Übertragungen in der akuten und chronischen Phase der Infektion„, in: HIV-Report Nr. 01/2010, 30. April 2010
Rieder P et al. (2010) HIV-1 transmission after cessation of early antiretroviral therapy among men having sex with men. AIDS 24(8):1177-1183, May 15, 2010 (abstract)
DAH-Gutachten zum Datenschutz: Beschlagnahme von Patientenakten nicht ausgeschlossen
Kompl@t 4/2009 (pdf)
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UNAIDS: die Menschenrechte der von HIV Betroffenen achten!

UNAIDS fordert alle Staaten auf, die Menschenrechte der von HIV am stärksten betroffenen Gruppen zu achten.

Eine Kriminalisierung einvernehmlichen sexuellen Verhaltens zwischen Erwachsenen stelle eine ernsthafte Gefahr für die Aids-Bekämpfung dar. Dies betonte die Aids-Organisation der Vereinten Nationen UNAIDS aus Anlass des Menschenrechts-Tags am 10. Dezember.

UNAIDS forderte alle Staaten auf, Gesetze aufzuheben und Politiken einzustellen, die es Menschen erschweren, Zugang zu HIV-Dienstleistungen zu erhalten. Zudem forderte UNAIDS zu Gesetzen auf, die Menschen, die mit HIV leben oder von HIV betroffen sind, vor Diskriminierungen schützen.

UNAIDS kritisierte Uganda wegen seines Gesetzentwurfs, mit dem Uganda Homosexuelle und HIV-Positive mit lebenslanger Haft oder Todesstrafe bedroht werden. Dies sei ein schwerwiegender Rückschlag für die HIV-Prävention.

Michel Sidibé, Generaldirekltor UNAIDS
Michel Sidibé, Generaldirekltor UNAIDS

Die Kriminalisierung der Homosexualität sei ein Angriff auf den gesamten Kampf gegen Aids, betonte UNAIDS-Generaldirektor Michel Sidibé. Sie verletze Menschenrechte und die Grundlage nicht nur der Arbeit von UNAIDS, sondern der gesamten vereinten Nationen.

weitere Informationen:
UNAIDS 10.12.2009: UNAIDS urges all countries to respect the human rights of people most affected by HIV (pdf)
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Kriminalisierende Gesetze gefährden Fortschritte im Kampf gegen HIV

Kriminalisierende Gesetze gefährden Fortschritte im Kampf gegen HIV – Schwerpunkt auf Präventivbehandlung setzt Achtung der Menschenrechte voraus

Bemühungen zur HIV-Prävention und viel versprechende antiretrovirale Präventionsmaßnahmen werden durch Strafgesetze erschwert, die sich gegen HIV-Positive und Personen mit erhöhtem Infektionsrisiko richten, so Human Rights Watch heute zum Welt-AIDS-Tages.

Der diesjährige Welt-AIDS-Tag steht unter dem Motto „Universeller Zugang und Menschenrechte“ und verknüpft das Ziel des allgemeinen Zugangs zu HIV-Prävention, -Behandlung und -Pflege mit der Erkenntnis, dass der Achtung der Menschenrechte beim weltweiten Kampf gegen AIDS eine entscheidende Rolle zukommt. Wie sich ein allgemeiner Zugang zu medizinischer Behandlung erreichen ließe, stand im vergangenen Jahr im Mittelpunkt zahlreicher Debatten über antiretrovirale Behandlungsmethoden als Teil einer umfassenden Strategie zur HIV-Prävention. Mathematische Modellrechnungen ergaben, dass die frühe und allgemeine Anwendung antiretroviraler Behandlungsmethoden in Verbindung mit Präventionsprogrammen Neuinfektionen mit HIV endgültig ein Ende bereiten könnte.

„Es wird immer deutlicher, dass die Antiretroviraltherapie einen bedeutenden Beitrag zu umfassenden Präventionsstrategien leisten könnte“, so Joe Amon, Direktor der Abteilung Gesundheit und Menschenrechte von Human Rights Watch. „Doch wenn wir Menschenrechtsverletzungen und Strafgesetze, die sich gegen HIV-Positive und Menschen mit einem hohen Infektionsrisiko richten, nicht entgegentreten, lässt sich das Potential solcher präventiver Behandlungsmethoden nicht ausschöpfen.“

In vielen Teilen der Welt kriminalisieren Gesetze HIV-Positive und Personen mit erhöhtem Infektionsrisiko, etwa Prostituierte, Drogenkonsumenten und Homosexuelle. Solche Gesetze leisten der Stigmatisierung und Diskriminierung Vorschub, erschweren den Zugang zu HIV-Aufklärung und
Behandlung und tragen so zur Ausbreitung des Virus bei. Andernorts halten Gesetze, die die Übertragung des HI-Virus unter Strafe stellen, Menschen davon ab, sich auf HIV testen zu lassen. Denn Personen, die ihren HIV-Status kennen, drohen dann Strafen, während jene, die sich ihrer Infektion nicht bewusst sind, nichts zu befürchten haben.

Anfang November veröffentlichte Human Rights Watch eine zehnseitige Stellungnahme zum Entwurf eines neuen HIV/AIDS-Gesetzes in Uganda, der verpflichtende HIV-Tests, den Zwang zur Offenlegung der Ergebnisse sowie Strafen für die „versuchte Übertragung“ von HIV vorsieht. Das ugandische Parlament berät auch über ein Gesetz, laut dem der Einsatz für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender mit sieben Jahren Haft bestraft werden könnte. Bis zu drei Jahre Freiheitsentzug würden jedem drohen, der es unterlässt, eine mutmaßlich schwule oder lesbische Person anzuzeigen. Für HIV-Positive, die einvernehmlichen homosexuellen Geschlechtsverkehr haben, sieht der Gesetzentwurf die Todesstrafe vor, unabhängig vom Risiko einer HIV-Übertragung und selbst wenn der Sexualpartner ebenfalls das HI-Virus trägt.

Seit 2005 haben 14 afrikanische Staaten HIV-spezifische Gesetze erlassen, die es ermöglichen, HIV-Positive für jegliche sexuelle Aktivität zu bestrafen, selbst wenn sie Kondome benutzen und ungeachtet der Meldepflicht und des tatsächlichen Infektionsrisikos. In einer Reihe von Ländern gilt die Übertragung von HIV von der Mutter zum Kind als Straftat, auch wenn antiretrovirale Behandlungsmethoden nicht verfügbar sind. Nach dem Gesetzentwurf in Uganda bleibt zwar die Übertragung von HIV vor oder bei der Geburt straffrei; Mütter können jedoch strafrechtlich verfolgt werden, wenn ihre Kinder sich über die Muttermilch mit dem HI-Virus infizieren.

„In vielen Ländern scheitert die HIV-Prävention nicht am unserer Unfähigkeit, wirksame Präventionsprogramme zu entwickeln, sondern am Unwillen der Regierungen, sie umzusetzen und dafür zu sorgen, dass diese Programme alle Betroffenen erreichen“, so Amon. „Behandlungsmethoden gegen HIV, die im Rahmen umfassender Präventionsprogramme großes Potential besitzen, könnten in ähnlicher Weise sabotiert werden, wenn Regierungen weiter kriminalisierende Gesetze erlassen und die Menschenrechte missachten.“

(Pressemitteilung Human Rights Watch)

Familienministerin Köhler: 2005 noch für Strafrechtsverschärfung „gegen Bareback“

Kristina Köhler, die neue Bundesfamilienministerin, wird als Homo-freundlich gelobt. Doch forderte Köhler vor genau 5 Jahren eine Strafrechtsverschärfung – gegen das „russisch Roulette“ des „Barebacking“.

Die hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Kristina Köhler wird am 30.11.2009 zur neuen Bundesfamilienministerin ernannt.

Kristina Köhler freut sich über schwule und lesbische Paare, berichtet samstagisteingutertag über die neue Familienministerin und ihr offensichtlich im Vergleich zu ihrer Vorgängerin in Sachen Homo-Paaren unverkrampfteres Weltbild.

Kristina Köhler
Kristina Köhler

Unverkrampft – diese Haltung hat Köhler in der Vergangenheit in Sachen Aids zeitweise eher vermissen lassen, scheint es. gay-web meldete auf den Tag genau fünf Jahre vor der geplanten Vereidigung als Familienministerin, am 30.11.2005 über Frau Köhler Folgendes:

„Angesichts der dramatischen Zunahme der HIV-Neuinfektionen unter homo- und bisexuellen Männern in Deutschland, forderten die Wiesbadener Bundestagsabgeordnete Kristina Köhler (CDU) und der Bundesvorsitzende der Lesben- und Schwulen in der Union (LSU) Roland Heintze heute ein schärferes Vorgehen gegen die so genannte „Barebacking“-Szene.“

Köhler forderte damals in ihrer eigenen Pressemitteilung (zu finden auch heute noch auf ihrer Internetseite) eine Verschärfung des Strafrechts:

„Deshalb forderte Kristina Köhler, dass „notfalls auch gesetzliche Schritte geprüft werden müssen“. Dies sei in anderen europäischen Ländern, so zum Beispiel in Österreich oder in der Schweiz, bereits geschehen. In Österreich etwa stelle der § 178 des Strafgesetzbuches die vorsätzliche Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten unter Strafe.“

Köhlers Resümee damals:

„Wir können es nicht zulassen, dass noch länger auf diese dramatische Weise russisches Roulette mit der AIDS-Gefahr gespielt wird.“

Köhler hatte sich in der Vergangenheit gelegentlich auch für Aidshilfe eingesetzt – so indem sie 2005 ihre EC-Karte als „CityCard Wiesbaden zugunsten der AIDS-Hilfe“ aktivierte oder ebenfalls 2005 die Schirmherrschaft über die Ballnacht der Wiesbadener Aidshilfe übernahm.

Danke an Rainer für den Hinweis!

Es bleibt zu hoffen, dass Frau Köhler in den vergangenen 5 Jahren erkannt hat, dass das Strafrecht ein denkbar ungeeignetes Instrument der Prävention ist – auch in der Aids-Prävention. Schließlich gibt es auch nach Ansicht internationaler Experten mindestens zehn Gründe, die gegen die Kriminalisierung von HIV-Exposition oder -Übertragung sprechen.

weitere Informationen:
Kristina Köhler Pressemitteilung 30.11.2005: Russisches Roulette mit der AIDS-Gefahr
gayweb.de 30.11.2005: Russisches Roulette mit der AIDS-Gefahr
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Eine Sängerin, eine Verhaftung – und Gras, das nicht unhinterfragt wachsen sollte

Anfang April, vor vor drei Monaten, wurde eine Pop-Sängerin wegen Verdachts auf HIV-Übertragung verhaftet. Inzwischen hat sie ein Interview zu den Vorgängen gegeben. Ansonsten scheint Ruhe eingekehrt. Zentrale Fragen, die der Fall aufgeworfen hat, sind jedoch weiterhin unbeantwortet.

Frankfurt, 11. April 2009, Ostersamstag. Eine junge Sängerin, aufgrund ihrer Teenie-Band und Grand-Prix-Teilnahme nicht gerade unbekannt, wird vor einem abendlichen Auftritt öffentlichkeitswirksam verhaftet. Verhaftet wegen angeblich bewussten Infizierens von Partnern mit HIV bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr.

In den nächsten Tagen geraten die Medien in Aufruhr, die Schlagzeilen der Titelseiten glühen rot. Aids, Schuld, Gefängnis schreien sie grell. Vorverurteilungen in Reihe, Kriminalisierungs-Phantasien. Die Deutsche Aids-Hilfe protestiert gegen die Verhaftung. In Medien werden alte Mythen und Vorurteile auf’s Neue bemüht. Ein SPD-Politiker bezeichnet HIV-Positive als Biowaffen – und darf das. Schlimmste Erinnerungen werden wach, an Zeiten, die wir -auch in Folge erfolgreicher Prävention- längst überwunden glaubten.

Viele Tage bliebt die junge Frau in Haft. Es bestünde Wiederholungsgefahr, lässt die Staatsanwaltschaft verlauten. Eine Staatsanwaltschaft, die sich mehr um eine sehr aktive Zusammenarbeit mit den Medien als um die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu bemühen scheint: der Presse-Staatsanwalt wandte sich von sich aus an die Medien, Presseinformationen und Weitergabe von Informationen an die Medien folgten, der Presse-Staatsanwalt selbst ist in den folgenden Tagen häufig zu sehender Gast vor den Kameras diverser TV-Stationen. Eine Staatsanwaltschaft, die sich geriert, als wäre sie und nicht BZgA und Aidshilfen für die Aids-Prävention in Deutschland zuständig. Unterstützt von einem Justizminister, der jegliche Kritik als unbegründet zurückweist.

Drei Monate später. Ruhe ist eingekehrt.
Ist „Gras über die Sache gewachsen“?
Sicher nicht. Oder doch?
Was bleibt?

Eine junge Frau und Mutter, unfreiwillig mit persönlichsten Details ans Licht einer sensationsgeilen Öffentlichkeit gezerrt, kann ihre weitere Karriere vermutlich vergessen. Ihr Kind wird vermutlich noch oft konfrontiert werden mit der Frage „Ach, sind Sie nicht …“.

“Ich möchte mich dem Ganzen stellen, anderen Mut machen und zur Aufklärung beitragen” – vor kurzem geht die junge Frau dann von sich aus an die Medien, versucht von der Getriebenen wieder selbst zur Handelnden zu werden. Sie sei gegen ihren Willen als HIV-positiv geoutet worden, wolle aber “auf jeden Fall weiter arbeiten und wieder in die Öffentlichkeit”, erzählt Nadja Benaissa im Interview. Über die Vorwürfe selbst schweigt sie, „laufendes Verfahren“.

Doch es bleiben auch so zahlreiche Fragen.

Fragen wie z.B. diese:
–  Wie konnten Patientenakten an der behandelnden Uniklinik beschlagnahmt werden bzw. Kopien der Patientenakten an die Staatsanwaltschaft gelangen?
– Wie sicher sind Patientenakten noch? Was zählt der Beschlagnahmeschutz in der Praxis?
_ Können Patienten noch auf die Vertraulichkeit der Patientenakte und ihres Gesprächs mit dem „Arzt des Vertrauens“ zählen? Oder nicht?
– Wie sicher ist die Vertraulichkeit des Arzt-Patient-Verhältnisses? Werden Patienten hierüber korrekt und verständlich informiert?
– Wie kann erreicht werden, dass Medien zukünftig informierter, sachlicher und ausgewogener berichten? Vorverurteilungen vermeiden?
– Wie steht es um die Medien-Arbeit der Staatsanwaltschaften? Wie weit darf sie gehen, vor allem während laufender Ermittlungen?
– Und wie weit reicht die Verantwortung der Medien?
– Wie sieht es aus um das Verhältnis von Informationsrecht der Öffentlichkeit und Recht des Individuums auf Privat-Sphäre? (Auch diese Frage ist nach dem geplatzten Prozeß weiterhin ungeklärt).
– Wie lässt sich vermeiden, dass mit Blick auf Quoten und Auflagen mutwillig Präventionserfolge gefährdet, um des Umsatzes willen Menschen mit HIV stigmatisiert und diskriminiert werden?
– Wie schaffen Aids-Organisationen es, neue wissenschaftliche und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse (wie das sog. EKAF-Statement zu drastisch reduzierter Infektiosität bei erfolgreicher antiretroviraler Behandlung) auch bei Ermittlern, Anwälten, Staatsanwälten und Richtern bekannt zu machen?
– Und wie schaffen wir es, deutlicher zu machen, HIV ist ein Virus ist – kein Verbrechen? Dass bestehende Gesetze ausreichen, etwaige Straftaten zu verfolgen? Dass Strafrecht kein effizientes Mittel der Prävention ist, im Gegenteil Erfolge der Prävention gefährdet?

Eine junge Frau, bloßgestellt, vorverurteilt, in ihrer Zukunft und ihrem Privatleben beeinträchtigt.

Und viele Frage, die  die Medien und die Staatsanwaltschaft vermutlich wenig interessieren.

Bleibt zu hoffen, dass die Aids-Hilfen und viele Menschen mit HIV und Aids, die sich mit erneuter Stigmatisierung und Diskriminierung auseinander setzen müssen, die Vorgänge nicht vergessen – und sich mit den aufgeworfenen Fragen auseinander setzen.

Besonders die Deutsche Aids-Hilfe ist hier gefragt.
Allein auf das Gras und dessen Wachstum zu setzen reicht nicht.

siehe auch:
SZon 10.07.2009: Haftbefehl gegen Sängerin aufgehoben
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DAH-Blog 11.09.2009: Nadja Benaissa im d@h_blog-Interview: „Ich war wie die WM“
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Kriminalisierung von HIV – aus Angst und Abscheu?

Was bewegt gerade schwule Männer, eine Kriminalisierung von HIV zu fordern? Eine britische Studie kam zu aufschlussreichen Ergebnissen, bis zu „Angst und Abscheu“.

Die fahrlässige HIV-Infektion eines Sexpartners müsse auch mit Mitteln des Strafrechts verfolgt werden, diese Meinung ist immer wieder häufig zu hören. Gerade in Zeiten von Medienhypes wie jüngst nach der Verhaftung einer Sängerin sind oftmals sogar Rufe nach Verschärfungen bestehender Gesetze zu hören.

Gegen die Verbreitung von HIV müsse auch mit den Mitteln des Strafrechts vorgegangen werden, diese Haltung vertreten gerade auch Homosexuelle nicht nur gelegentlich. In Großbritannien ist sogar die Mehrzahl der Homosexuellen dieser Ansicht, wie eine britische Studie zeigte.

Experten verschiedenster Organisationen von Aidshilfe bis UNAIDS betonen seit langem, dass das Strafrecht nicht als Mittel der HIV-Prävention taugt. Woher also diese Haltung, in dieser Häufigkeit?

Der Studie „sexually charged“ zufolge befürworteten 57% der Befragten die Strafverfolgung und Inhaftierung von Menschen, die leichtsinnig einen Sexpartner mit HIV infizieren.

Sigma Reserach: Sexually Charged
Sigma Reserach: Sexually Charged

Die Studie zeigte, dass Männer, die sich noch nie auf HIV testen ließen, diese Ansicht besonders häufig vertreten (63,5%). Männer, die angaben HIV-negativ zu sein, befürworteten diese Ansicht zu 56,3%.
Besonders hoch war die Zustimmung zu Strafverfolgung bei Menschen unter 30 Jahren; bei Menschen mit höherer Bildung (Universität) war die Zustimmung zu Strafverfolgung niedriger als bei Menschen mittlerer oder schlechterer Bildung.

Hingegen zeigten sich kaum Unterschiede hinsichtlich ethnischer Kriterien. Allerdings war eine Befürwortung von Kriminalisierung häufiger als Einstellung anzutreffen bei Männern, die Sex mit Männern und Frauen haben, als bei Männern, die angaben ausschließlich homosexuell zu sein. Je mehr Sexpartner ein Mann im letzten Jahr hatte, desto eher lehnte er eine Kriminalisierung ab.

Männer, die Kriminalisierung befürworteten, waren oftmals auch der Ansicht, der HIV-Positive sei in der alleinigen Pflicht, eine HIV-Übertragung zu verhindern. Einer der Befragten brachte seine Ansicht auf den Punkt „wenn du einmal HIV hast, ist es von da an deine Pflicht dafür zu sorgen, dass du es nicht weitergibst“.

Zudem zeigten die Kriminalisierungs-Befürworter überwiegend deutlich stigmatisierende Ansichten über HIV und hatten kaum zutreffende Ansichten über die Wirksamkeit moderner antiretroviraler Therapien. Viele Befragte gaben als Grund für ihre Ansichten an, eine HIV-Infektion sei immer noch tödlich; einige bezeichneten die Übertragung von HIV als Mord.

Im Rahmen des jährlichen „Gay Men’s Sex Survey“ wurden die Teilnehmer im Jahr 2006 unter anderem auch zu ihren Einstellungen zur Strafverfolgung bei HIV-Übertragung befragt. Insgesamt 8.152 Männer beantworteten die diesbezüglichen Fragen.
Eine Mehrheit dieser Männer (57%) äußerte, es sei „a good idea to imprison people who know they have HIV [and] pass it on to sexual partners who do not know they have it“. Nur 26% lehnten diese Aussage ab, und 18% hatten keine Meinung.

Die Autoren der Studie betonten, aus der Studie ließen sich wichtige Konsequenzen für die weitere HIV-Prävention ableiten. Insbesondere wiesen sie darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der Männer, die eine Kriminalisierung von HIV befürworteten, der Ansicht seien, HIV sei unabwendbar tödlich.
Die Forscher äußerten die Befürchtung, dass ein Aufrechterhaltend dieses Bildes vom „tödlichen Aids“ dazu beitrage, die Stigmatisierung von HIV aufrecht zu erhalten. Dies wiederum beeinträchtige das Umfeld, in dem Prävention stattfinde.

Zudem wiesen die Forscher darauf hin, dass ein Großteil der Männer, die Kriminalisierung befürworten, auch der Ansicht seien, der HIV-Positive sei verpflichtet, dem Sexpartner seine HIV-Status offen zu legen. Angesichts der Tatsache, dass etwa ein Drittel der HIV-Infizierten nicht von ihrer eigenen Infektion wüssten, zudem viele Positive vor einem Offenlegen zurückschreckten, erweise sich diese Meinung als unrealistisches Modell.

Die Autoren der Studie kamen zu dem Schluss, die Realität des Lebens mit HIV werden vielfach immer noch falsch wahrgenommen. Angst und Abscheu, mit der Männer, die Kriminalisierung befürworten, diese „anderen Schwulen“ betrachten, seien offensichtlich. Die Veränderung von HIV und Leben mit HIV sei und bleibe eine der großen gegenwärtigen Herausforderungen.

Die Ansichten, die die Forscher in Großbritannien untersuchten, sind auch bei uns zu finden, ob bei Homo- oder Heterosexuellen. Bedeutender noch, sie sind auch bei Staatsanwälten, Richtern und Politikern zu finden, wie Ermittlungsverfahren und Gesetzesinitiativen immer wieder zeigen.

Ein Grund mehr also, dass sich auch Aids-Hilfen und HIV-Positive mit der Frage beschäftigen sollten, welche Haltungen Menschen dazu bringen, eine Kriminalisierung von HIV zu fordern.

Einen der Wege, mit dieser Situation umzugehen, sie vielleicht aufzubrechen, haben die Forscher implizit aufgezeigt: Bilder des Lebens mit HIV zeigen. Bilder eines Lebens, das inzwischen facettenreicher, vielfältiger geworden ist – und bei weitem nicht nur von Tod und Leid geprägt ist. Bilder vom Leben mit HIV – wer könnte sie treffender zeigen als HIV-Positive selbst?

weitere Informationen:
aidsmap 26.01.2009: Ignorance and stigma provide foundation for gay men’s support of criminalisation of HIV transmission
sigma research: Sexually charged: the views of gay and bisexual men on criminal prosecutions for sexual HIV transmission (pdf)
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