Internationaler Tag gegen Homophobie und Transphobie

„Nur wer selbstbewusst und selbstbestimmt mit der eigenen Sexualität umgeht, kann sich auch wirksam vor HIV schützen. Diskriminierung und Angst vor Gewalt beschädigen das Selbstwertgefühl und oft auch die Fähigkeit, sich um die eigene Gesundheit zu kümmern. Wer sich aus Angst verstecken muss, wird außerdem durch Prävention nicht erreicht. Es ist wissenschaftlich erwiesen: Gesellschaften, die sich erfolgreich mit Homophobie auseinandersetzen, haben größere Präventionserfolge.“
(Dirk Sander, in der Deutschen Aids-Hilfe Referent für Männer, die Sex mit Männern haben)

"Mir reicht's - meine Würde ist unantastbar" Karte der ich-weiss-was-ich-tu - Kampagne gegen Homophobie
"Mir reicht's - meine Würde ist unantastbar" Karte der ich-weiss-was-ich-tu - Kampagne gegen Homophobie

Der „Internationale Tag gegen Homophobie und Transphobie“ wird seit 2005 jedes Jahr am 17.5. begangen. Anlass: Am 17.5.1990 beschloss die Generalversammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Homosexualität aus der Liste psychischer Krankheiten zu streichen. In Deutschland erinnern die Ziffern des Datums 17.5. zufällig auch an den ehemaligen Paragraphen 175 des Strafgesetzbuchs, der von 1872 bis zu seiner endgültigen Abschaffung 1994 in verschiedenen Varianten sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte. Schon in den 1920er Jahren sagte man „geboren am 17.5.“, wenn man Schwule meinte.

Homophobie bezeichnet die irrationale Angst vor Homosexualität, die sich in Abneigung und Feindschaft äußert.

Syrien: Aids-Politik mit ideologischen Scheuklappen

Immer lauter werden die Proteste in Syrien, die Forderungen nach Bürgerrechten und freien Wahlen. Die Aids-Politik in Syrien ist gekennzeichnet von bisher niedriger HIV-Prävalenz, weitgehendem Fehlen von Präventionsmaßnahmen für Sexarbeiterinnen und Schwule sowie zaghaften Schritten nach vorn in den letzten Monaten.

Tunesien, Ägypten, Libyen – und nun seit Wochen auch in Syrien: Menschen kämpfen für Bürgerrechte und Freiheit. Syrien (offiziell Arabische Republik Syrien) ist gemäß seiner Verfassung von 1973 offiziell eine ’sozialistische Volksrepublik‘. De facto dominiert die Baaht-Partei das Land, deren Generalsekretär Staatspräsident Assad ist. Das Regime des Präsidenten Bashar al-Assad geht in den letzten Wochen zunehmend mit militärischer Gewalt gegen Oppositionelle vor – die vor allem freie Wahlen fordern.

Massenproteste in Douma (Vorort von Damaskus) im April 2011 (Foto: syriana2011)
Massenproteste in Douma (Vorort von Damaskus) im April 2011 (Foto: syriana2011)

Über die Situation der HIV-Epidemie und die Lage HIV-Positiver in Syrien sind Informationen nur sehr spärlich und lückenhaft verfügbar. Versuche eines Überblicks:

HIV: Epidemiologische Situation in Syrien

Die HIV-Prävalenz in Syrien ist niedrig – UN-Berichten zufolge eine der niedrigsten im Nahen Osten. Genaue Daten zur Zahl der HIV-Infizierten in Syrien sind kaum verfügbar. Auch der Aids-Organisation der Vereinten Nationen UNAIDS scheinen keine offiziellen epidemiologischen Daten zu HIV und Aids in Syrien vorzuliegen – das „epidemiological fact sheet“ für Syrien ist leer.

Einer Ende 2008 veröffentlichten offiziellen Statistik der Regierung Syriens zufolge lebten damals 552 Menschen mit HIV im Land.
Ende 2005 hatte ein syrischer Bericht von 369 HIV-Infizierten gesprochen, 221 syrische Staatsbürger sowie 148 Ausländer. 106 Menschen seien bisher in Syrien an den Folgen von Aids gestorben.
Eine auf der Internationalen Aids-Konferenz 2004 in Bangkok vorgestellte Studie an 186 syrischen HIV-Positiven stellte bei 43% (!) eine Ko-Infektion mit Hepatitis C fest. In dieser Gruppe habe die sexuelle HIV-Übertragung nur einen Anteil von 11,3% gehabt, 83,7% seien iv-Drogengebraucher.
Eine nicht verifizierbare aktuelle Meldung von ‚epharmapedia‘ (12.04.2011) zitiert Dr. Jamal Khamis, Leiter des Nationalen Aids-Programms Syriens, es gebe 693 HIV-Infizierte in Syrien. 49% hätten sich durch „illegale sexuelle Beziehungen“ infiziert, 17% bei ehelichem Sex, 5% durch Blut und Blutprodukte aus dem Ausland, 11% durch homosexuelle Beziehungen und 3% durch illegale Drogen. Nur 113 syrische HIV-Positive erhalten seiner Aussage zufolge antiretrovirale Behandlung.

Experten gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl HIV-Infizierter höher liegen dürfte als die offiziell genannten Werte. Selbst syrische Experten sprechen von „etwa 5.000 Fällen“ (NAP Manager Dr. Haytham Sweidan laut ‚Syria Today‘)).

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Syrien: Die Situation HIV-Positiver

HIV-Positive in Syrien sehen sich mit einem enormen Ausmaß an Stigmatisierung konfrontiert. Stigmatisiert – nicht „nur“ als HIV-Positive/r, sondern oft auch als Drogengebraucher/in, Sexarbeiter/in oder Homosexueller.

„Es ist pure Ignoranz“, beschreibt ein HIV-Positiver in einem Artikel in ‚Syria Today‘ seine Situation (die einzige Lagebeschreibung eines HIV-Positiven, die online zu finden war). „Die Behandlung, die wir an den staatlichen Aids-Zentren bekommen, ist gut. Aber die öffentliche Meinung muss sich verändern.“ Positive werden dem Bericht zufolge in Syrien vielfach als ‚gefährlich‘ und ‚abstoßend‘ betrachtet.

Offizielle Aids-Kampagnen täten ein Übriges zum Bild bei, das sich die syrische Bevölkerung von HIV-Positiven mache: eine neue großformatige Kampagne des Gesundheitsministeriums zeige auf einem Plakat ein dunkles Gesicht, vermutlich einen HIV-Positiven. Dazu der Schriftzug „Zweieinhalb Millionen Menschen infizieren sich jedes Jahr mit HIV. Nein zu Drogen. Nein zu außerehelichem Sex.“ Über Möglichkeiten, sich – gerade bei außerehelichem Sex – zu schützen, werde nicht informiert.

Besonders schwierig ist die Situation für Homosexuelle. Gemäß Artikel 520 des Strafgesetzbuchs von 1949 sind homosexuelle Handlungen verboten. Private Veranstaltungen Homosexueller werden immer wieder von Razzien heimgesucht, oft mit Verhaftungen. Die Bildung von Schwulen- und Lesbengruppen wird seitens der Regierung verhindert. Nur wenige Stimmen über homosexuelles Leben dringen aus dem Land – wie die der offen lesbischen Bloggerin Amina A. („A Gay Girl in Damascus“) [13.6.2011: ‚A Gay Girl In Damascus‘ ist ein fiktionales Blog, enthüllte US-Amerikaner Tom MacMaster am 12.6.11].

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HIV: Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen in Syrien

US-Angaben zufolge ist für Ausländer zwischen 15 und 60 Jahren, die sich in Syrien niederlassen wollen, ein HIV-Test Pflicht. Er muss in Syrien bei einer vom Gesundheitsministerium hierfür zugelassenen Einrichtung durchgeführt werden. Auch Ausländer, die eine/n Syrer/in heiraten wollen, müssen einen HIV-Test vornehmen lassen.
Für Kurzzeit-Touristen bestehen nach Angaben von www.hivtravel.org keine Einschränkungen und keine HIV-Test-Vorschriften. Es sei allerdings wahrscheinlich, dass Ausländer mit einer (bekannt gewordenen) HIV-Infektion abgeschoben würden.

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Syrien: Nationale Aids-Strategie und Nationale Aids-Politik

Der vom syrischen Aids-Beauftragten an UNAIDS erstellte „2010 National Composite Policy Index“ vom 18.02.2010 (eine der wenigen umfassenderen Informationsquellen zur Lage der Aids-Politik Syriens) betont, die Datenqualität könne nicht vollständig kontrolliert werden, es sei der erste Bericht seiner Art.

Dieser Bericht gibt einen überraschend offenen Einblick in die Situation des Landes bezüglich HIV-Prävention und Aids-Politik. Ihm lassen sich u.a. folgende Angaben entnehmen:

  • Syrien hat bisher keine multisektorale Strategie gegen HIV. Es gebe bisher keine Nationale Aids-Strategie, insbesondere weil bisher entsprechende Experten sowie finanzielle Mittel fehlen. Zudem mangele es an einem entsprechenden Engagement hochrangiger Politiker.
  • Ein National Aids Center / Rat existiert seit 1987 (Vorsitzender Dr. Rida Said, Gesundheitsminister). Es arbeitet u.a. mit dem Innen-, dem Verteidigungs- und dem Tourismus-Ministerium, der Syrischen Frauen-Organisation sowie der Familienplanungs-Organisation zusammen. Neben regelmäßigen Zahlungen seitens des Gesundheitsministeriums würde seine Arbeit besonders durch verschiedene UN-Organisationen ermöglicht. Seine Aktivitäten würden derzeit durch die Finanzquellen bestimmt, nicht auf Grundlage einer Bedarfsanalyse gesteuert.
  • Die Aktivitäten des National Aids Centers konzentrieren sich bisher auf Frauen und  junge Mädchen. Drogengebraucher, Frauen in Sex-Arbeit sowie Männer die Sex mit Männern haben (MSM) würden nur bei Inhaftierung auf HIV getestet, in den meisten Fällen ohne vorherige und anschließende HIV-Beratung. Zu anderen von HIV bedrohte Gruppen sowie Kinder und Waisen gab es in den beiden dem Bericht vorangehenden Jahren keine Aktivitäten des National Aids Centers.
  • Es gebe staatliche Regelungen für HIV-Tests und HIV-Prävention seitens des Gesundheitsministeriums.
  • Syrien habe, so der Bericht, Nicht-Diskriminierungs-Regelungen oder -Gesetze zum Schutz der von HIV am meisten betroffenen oder bedrohten Gruppen. Sie bezögen sich auf Frauen und junge Menschen, nicht auf andere Gruppen. Ihre Mechanismen seien nicht gut etabliert – die Gesetze seien zwar verabschiedet, ihre Anwendung aber mangelhaft. Das Wissen über Bürgerrechte einschließlich des Rechts auf Gesundheits-Fürsorge sei in der Allgemeinbevölkerung wie auch den am meisten von HIV bedrohten Gruppen begrenzt.
  • Im Jahr 2007 sei eine Situations-Analyse des HIV-/Aids-Programms in Syrien vorgenommen worden. Auf dieser Basis seien einige Präventionsprogramme gestartet worden.
  • HIV-Prävention werde auch durch staatliche Regelungen und Gesetze behindert. Dies betreffe insbesondere Drogengebraucher/innnen, Sex-SArbeiter/innen sowie Männer die Sex mit Männern haben (MSM). Sie seien illegal und in der Gesellschaft nicht akzeptiert.  Es gebe weder entsprechende zielgerichtetet Präventions-Maßnahmen noch harm reduction Programme.
  • Das Nationale Aids-Programm habe keine umfassende Strategie, „Hochrisikogruppen“ zu erreichen.
  • Inzwischen gebe es in jedem Gouvernement Syriens ein Aids-Center. Das Nationale Aids-Programm bemühe sich, über diese allen HIV-Positiven des Landes Zugang zu unentgeltlicher medizinischer Behandlung und antiretroviralen Medikamenten zu ermöglichen. Dies sei nicht ausreichend umgesetzt bei palliativer Behandlung sowie Behandlung HIV-bedingter Infektionen und Cotrimoxazol-Prophylaxe [gegen PcP; d.Verf.]. Zudem stehe bei Therapieversagen durch das Gesundheitsministerium nur eine Second-Line-Therapie zur Verfügung.
  • Dem Land mangele es an Experten in der Behandlung HIV-Infizierter sowie entsprechenden Behandlungs-Richtlinien, insbesondere für Begleiterkrankungen.
  • Für sexuell übertragbare Erkrankungen fehlen entsprechende Anstrengungen.
  • Kondome stehen nur über das Gesundheitsministerium bei Familien- und Schwangerschafts-Beratungsstellen zur Verfügung.
  • Es gebe keine Nationale Einrichtung zum Monitoring der HIV-Infektion und zum zielgerichteten Sammeln epidemiologischer Daten. Daten aus den Aids-Zentren der 14 Gouvernements würden bei Nationalen Aids-Center gesammelt. Dies diene insbesondere der Erfassung der Zahl der HIV-Infizierten sowie der Infektionsrate in der Allgemeinbevölkerung. Daten und Instrumente für „Hochrisikogruppen“ gebe es nicht.

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Syrien: Aktuelle Entwicklungen der Aids-Politik 2011

Aktuell allerdings scheint sowohl die syrische als auch die internationale Politik dem Thema HIV in Syrien mehr Aufmerksamkeit zu schenken:

  • Im März 2011 startete Syrien in Kooperation mit der ILO (International Labor Organisation) ein Projekt zur Aids-Bekämpfung im Arbeitsleben. Es soll auch dazu dienen, die 2010 beschlossenen ILO-Empfehlungen zu HIV/Aids am Arbeitsplatz umzusetzen.
  • Von Juli 2011 bis Juni 2016 führt das UNDP United Nations Development Programme mit 1,7 Mio. US-$ finanzieller Unterstützung des Globalen Fonds (GFATM) ein Projekt durch, das sich zum Ziel gesetzt hat, die HIV-Prävalenz in Syrien unter 1% in den Bevölkerungsgruppen mit hohem Infektionsrisiko und unter 0,1% in der Allgemeinbevölkerung zu halten. Dieses Projekt soll sich insbesondere auch wenden an Sexarbeiterinnen, Drogengebraucher/innen sowie Männer die Sex mit Männern haben.
    Aufgrund der aktuellen politischen Situation in Syrien und dem massiven Vorgehen der Regierung gegen Oppositionelle ist allerdings eine Durchführung des UNDP-Projekts derzeit mehr als fraglich. Einer aktuellen Reuters-Meldung zufolge soll das 5-Jahres-Programm für Syrien aufgeschoben werden.

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siehe auch:
ondamaris: Ägypten: Mubarak, das hieß auch Verfolgung und Gewalt gegen HIV-Positive
ondamaris: HIV/Aids in Libyen: wenig Fakten und ein inszenierter Schau-Prozess

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weitere Informationen:
UNAIDS: epidemiological fact sheet Syria
UNAIDS: 2010 National Composite Policy Index (NCPI) report Syria (pdf)
UNGASS Country Progress Report 2010 Syrian Arab Republic (pdf)
UN April 2009: Upgrading HIV and AIDS facilities in Syria
redorbit 02.12.2005: Syria Reports 369 Persons Infected With HIV/AIDS
US Department of State: Syria – country specific information
www.hivtravel.org: Syria (eingesehen 07.05.2011)
wikipedia: LGBT rights in Syria
ILO: HIV and AIDS and the world of work in Syria
UNDP: Syria HIV MARPS
Adwan ZS: Seroepidemiology of HCV-HIV co-infection in Syria
epharmapedia 12.04.2011: 693 HIV Positive Cases in Syria, Mostly at Damascus
Syria Today März 2010: Treating the Taboo
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PrEP: Studie in Afrika mangels Wirkung vorzeitig abgebrochen (akt.4)

Eine Studie zur Prä-Expositions-Prophylaxe bei Frauen in Afrika ist vorzeitig abgebrochen worden. Es sei höchst unwahrscheinlich, dass die verwendete Medikamenten-Kombination bei der Prävention von HIV-Übertragungen effektiv sei, so die Begründung für den vorzeitigen Abbruch.

Nach einer planmäßigen Zwischen-Auswertung von Daten der ‚FEM-PrEP-Studie‘ stellte das Independent Data Monitoring Committee (IDMC) fest, die in der Studie verwendete Medikamenten-Kombination Emtricitabin (FTC) plus Tenofovir (Handelsname Truvada®) sei mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage, in der Studien-Population eine Wirksamkeit zur Verhinderung von HIV-Infektionen zu zeigen, selbst wenn die Studie bis zum ursprünglich geplanten Endpunkt und mit der ursprünglich geplanten Teilnehmerinnen-Zahl fortgesetzt werde.

Family Health International (FHI) als Träger der Studie hat sich darauf hin dazu entschlossen, die Studie geordnet zu beenden. Endgültige Auswertungen der Studienergebnisse lägen noch nicht vor, heißt es. Es sei derzeit nicht möglich zu sagen, ob Truvada geeignet sei zur Verhinderung von HIV-Infektionen bei Frauen.

„FHI subsequently concurred and has therefore decided to initiate an orderly closure of the study over the next few months. The final analyses have not yet been conducted. At this time, it cannot be determined whether or not Truvada works to prevent HIV infection in women.“

Im Rahmen der radomisierten, plazebokontrollierten Phase-III-Studie ‚FEM-PrEP‘, die FHI gemeinsam mit Forschungspartnern in Afrika durchführte, sollte untersucht werden, ob die Kombination von Emtricitabin und Tenofovir (Truvada®) geeignet ist, als Prä-Expositions-Prophylaxe bei HIV-negativen Frauen mit einem hohen HIV-Infektions-Risiko eine HIV-Infektion zu verhindern.

FHI bezeichnete die derzeitigen Daten und den Abbruch der Studie als enttäuschend. Es gebe eine Reihe von möglichen Gründen für dieses Ergebnis, darunter niedrige Therapietreue (Adhärenz), ein echtes Fehlen eines Effekts (im Gegensatz zu Männern), oder andere noch zu ermittelnde Gründe.

Die Studie hatte bisher 3.752 Frauen zwischen 18 und 35 Jahren in Kenia, Südafrika und Tansania untersucht und 1.951 bereits in die Studie aufgenommen. Ursprünglich war die Teilnahme von insgesamt 3.900 Frauen vorgesehen. Bis 18. Februar2011  gab es unter den Studien-Teilnehmerinnen (die bis dahin durchschnittlich 12 Monate an der Studie teilgenommen hatten) eine Rate neuer HIV-Infektionen von 5%. 56 neue HIV-Infektionen wurden bei den Teilnehmerinnen diagnostiziert. Die Zahl der HIV-Neu-Diagnosen war in der Gruppe der Frauen, die Truvada® erhielten, gleich groß wie in der Gruppe der Frauen, die Plazebo (eine Pille ohne Wirkung) erhielten:

„As of February 18, the approximate rate of new HIV infections among trial participants was 5 percent per year. A total of 56 new HIV infections had occurred, with an equal number of infections in those participants assigned to Truvada and those assigned to a placebo pill.“

Besonders überraschendes Ergebnis der Studie: Frauen in der Truvada®-Gruppe wurden mit größerer Wahrscheinlichkeit schwanger als die in der Plazebo-Gruppe, obwohl alle hormonelle Kontrazeptiva nahmen. Bisher sind keine Wechselwirkungen zwischen Truvada® und hormonellen Kontrazeptiva bekannt.

Das britische HIV-Informations-Portal aidsmap bezeichnete es angesichts der von iPrEx überraschend deutlich abweichenden Ergebnisse von FEM-PrEP als eine Möglichkeit, dass antiretrovirale Medikamente in unterschiedlichen Populationen ein unterschiedliches Maß an Wirksamkeit zeigen. Damit könne der Präventions-Effekt deutlich vom Kontext abhängig sein:

„One possibility raised by the early closure of the FEM-PrEP study is that antiretroviral drugs may show different levels of effectiveness in preventing new infections according to the populations and locations in which they are studied. In other words, the prevention impact of antiretrovirals may be highly dependent on the context rather than on biological differences between the populations studied.“

Die US-Arzneimittelbehörde CDC reagierte auf die Studienergebnisse mit dem Hinweis, derzeit bestehe für die Anwendung von PrEP bei Frauen keine Grundlage:

„Given today’s results, CDC cautions against women using PrEP for HIV prevention at this time.“

Die Studie FEM-PrEP war finanziert worden von der U.S. Agency for International Development sowie der Bill & Melinda Gates Foundation. Die Medikamente stellte Hersteller Gilead zur Verfügung.

In zwei weiteren Studie wird derzeit das Konzept einer Prä-Expositions-Prophylaxe mit Truvada® bei Frauen untersucht:
– die ‚Partners‘-Studie untersucht 4.700 serodifferente Paare (Frau/Mann; serodifferent = ein HIV-Partner infiziert, der andere nicht) in Kenia und Uganda, Ergebnisse werden 2013 erwartet.
– Die ‚Vice‘-Studie vergleicht orales Tenofovir (Viread®), orales Truvada® und ein vaginales Gel mit Tenofovir bei 5.000 heterosexuellen Frauen in Südafrika, Uganda und Simbabwe; Ergebnisse werden ebenfalls 2013 erwartet.

Das Konzept einer Prä-Expositions-Prophylaxe (kontinuierlich oder zeitweise Aids-Medikamente nehmen vor einem möglichen Infektions-Risiko, um eine Infektion mit HIV zu verhindern) ist derzeit experimentell und auch unter Fachleuten umstritten.
Truvada® (Hersteller: Gilead) kostet in Deutschland derzeit 833,82 € (Monats-Packung mit 30 Tabletten). Für wenig entwickelte Staaten sind jedoch generische Versionen von Tenofovir und Emtricitabine (die Wirkstoffe von Tuvada®) erhältlich, die minimal nur 100€ pro Jahr kosten.

Erst im November 2011 hatte die ‚iPrEx-Studie für Aufmerksamkeit und Begeisterung gesorgt. Sie hatte bei HIV-negativen Männern eine 44%ige Schutzwirkung einer bestimmten Medikamenten-Kombination als PrEP gezeigt – aber auch viel Kritik und Fragen aufgeworfen.

Dennoch hatten die USA bereits kurz darauf vorläufige Richtlinien für PrEP vorgestellt. Das US-Magazin Time erklärte PrEP euphorisch zum ‚bedeutendsten medizinischen Durchbruch 2010‚. Auch die Europäer stellten ein Konzept-Papier zu PrEP zur Diskussion.

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Aktualisierung
18.04.2011, 21:00: Der Kurs der Aktie von Gilead, Hersteller von Truvada®, fiel nach Veröffentlichung des Studien-Abbruchs um 3,1%. (Bloomberg)
18.04.2011, 22:30: Der US-amerikanische Healthcare Provider Aids Healthcare Foundation forderte unterdessen, Gilead müsse seine  Zulassungsantrag von Truvada als PrEP stoppen.
19.04.2011, 09:30: Das US – National Institute of Allergies and Infectious Diseases (NIAID) betont, der Bedarf an weiterer Forschung auf diesem Gebiet sei offensichtlich. Man werde alle Teilnehmer der Vice-Studie (s.o.) über die Ergebnisse von FEM-PrEP informieren: „NIAID will continue with the VOICE study while informing all current participants about the FHI findings as soon as possible.“
Die International Aids Vaccine Initiative IAVI bezeichnete die Ergebnisse von FEM-PrEP als „enttäuschend“. Man habe in den vergangenen Monaten bedeutende Fortschritte auf diesem Gebiet gesehen. Trotz dieses Rückschlags trage FEM-PrEP auch zu einem besseren Verständnis von Prävention bei.

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weitere Informationen:
fhi 18.04.2011: FHI to Initiate Orderly Closure of FEM-PrEP
Fact Sheet zur FEM-PrEP-Studie (pdf, englisch)
FEM-PrEP Key Findings (pdf, englisch)
towleroad 18.04.2011: African Study of ‚Aids Prevention‘ Drug Truvada halted
aidsmap 18.04.2011: Study of HIV drug for prevention in women closes, judged unlikely to show effect
CBCnews 18.04.2011: AIDS prevention pill study halted
CDC 18.04.2011: Results of FEM-PrEP Clinical Trial Examining Pre-Exposure Prophylaxis (PrEP) for HIV Prevention Among Heterosexual Women
New York Times 18.04.2011: AIDS Prevention Pill Study Halted; No Benefit Seen
The Body 18.04.2011: PrEP Ineffective for Women? Study on Truvada for HIV Prevention Is Unexpectedly Cut Short
IAVI Blog 18.04.2011: Oral PrEP Trial in Women Stopped Early
NIAID 18.04.2011: The FEM-PrEP HIV Prevention Study and Its Implications for NIAID Research
Caprisa 18.04.2011: CAPRISA thanks FHI for important interim FEM-PrEP trial results
IAVI 18.04.2011: IAVI Responds to the News of Planned FEM-PrEP Trial Closure
DAH 19.04.2011: Präventionsstudie mit HIV-Medikamenten abgebrochen
Ärzteblatt 19.04.2011: Medizin Truvada: HIV-Präventions­studie gestoppt
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‚Test and Treat‘ – Gefahr für ganzheitliche HIV-Prävention ?

Insbesondere in den USA wird in einigen Regionen massiv eine ‚test and treat‘ – Strategie zur Bekämpfung der HIV-Epidemie gefördert. Doch dies könnte nicht ausreichen für eine erfolgreiche HIV-Prävention, zeigt eine neuere Studie – und könnte zudem sowohl ganzheitliche HIV-Prävention als auch die Arbeit von Aids-Organisationen gefährden, befürchten andere.

Insbesondere in den USA wird breit über die Möglichkeiten der Strategie ‚test and treat‘ diskutiert. Eine jetzt publizierte Studie hat untersucht, ob mit dieser Strategie die HIV-Epidemie in den USA kontrolliert werden könnte – und kommt zu dem Ergebnis, ‚test and treat‘ allein sei nicht ausreichend.

“test and treat”, dieses Konzept meint ‘umfassende Testung auf HIV und sofortige antiretrovirale Behandlung aller Personen, die als HIV-positiv diagnostiziert werden‘, unabhängig davon ob eine antiretrovirale Behandlung im individuellen Fall tatsächlich auch medizinisch erforderlich ist:

„a strategy of universal voluntary HIV testing for persons aged ≥15 years and immediate administration of antiretroviral therapy for those found to be positive“ (Joep Lange; s.u.)

Doch ‚test and treat‘ könnte in der Praxis auf Probleme stoßen – und sich allein als nicht ausreichend erweisen, die HIV-Übertragung weitestgehend zu unterbinden. Zu diesem Schluss kommen Forscher in einer Mitte März veröffentlichten Untersuchung.

„Aids“ – russische 90 Rubel Briefmarke 1993 (wikimedia commons / Vizu)

Verspätete HIV-Diagnose, ein niedriges Maß an (dauerhafter) Überweisung an HIV-Spezialisten sowie suboptimale Therapietreue könnten die Möglichkeiten von ‚test and treat‘ unterminieren, die Übertragung von HIV massiv zu reduzieren.

Die Autoren äußern die Befürchtung, diese Problem könnten die Wirksamkeit von ‚test and treat‘ insgesamt gefährden:

„poor engagement in care for HIV-infected individuals will substantially limit the effectiveness of test-and-treat strategies“ (Gardner et al.; abstract; s.u.)

Selbst im besten Szenario, so die Autoren, habe ein Drittel aller HIV-Positiven in den USA [einschließlich derjenigen, die nicht von ihrem positiven HIV-Status wissen, d.Verf.] eine nachweisbare Viruslast und könne somit potentiell HIV auf andere Personen übertragen.

Besser als ‚test and treat‘ allein, so der Amsterdamer Aids-Experte Joep Lange in einem den Artikel begleitenden Kommentar, könne vor diesem Hintergrund eine ‚kombinierte Prävention‘ sein.

In den USA wird derzeit von manchen Experten massiv der Ansatz ‚test and treat‘ gefördert. Soweit, dass bereits Befürchtungen geäußert werden, hierbei könnten ganzheitliche Präventions-Ansätze gefährdet werden. So könne ‚test and treat‘ auch dazu führen, dass Aids-Organisationen zunehmend weniger Mittel zur Verfügung gestellt werden, befürchten zum Beispiel Organisationen in Kalifornien.

Bereits 2010 hatte eine Studie aus China Hinweise darauf geliefert, dass das Konzept ‚test and treat‘ im realen Leben komplexer und problematischer sei als in der Theorie erwartet.  Auch in Deutschland sind zudem Warnungen vor einer zunehmenden Medikalisierung der HIV-Prävention und deren Folgen zu hören.

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Eine bemerkenswerte Situation, eine Debatte die staunen lässt.

Bemerkenswert ist zum einen, mit welcher Intensität manche Experten die baldmögliche Einführung der Strategie ‚test and treat‘ befürworten und herbeizureden versuchen. Und angesichts neuer Daten und Erfahrungen fragen, ob denn ‚test and treat‘ genug ist – oder was ansonsten noch zu unternehmen sei.

Bemerkenswert ist vor allem aber, dass derzeit nur wenige Experten noch generell hinterfragen, wie verantwortbar das Konzept ‚test and treat‘ ist.

De facto bedeutet ‚test and treat‘, dass nicht nur breit auf HIV getestet wird, sondern auch, dass möglichst jede erkannte HIV-Infektion sofort und dauerhaft antiretroviral behandelt wird. Sofort – dies bedeutet auch: als HIV-positiv getestete Menschen werden antiretroviral behandelt, unabhängig davon, ob es für ihre individuelle (persönliche, medizinische, Lebens-) Situation überhaupt erforderlich, passend und sinnvoll ist.

Hier drohen nicht nur individuelle Gesundheit und individuelle Freiheitsrechte (z.B. das Recht, selbst über einen etwaigen Therapiebeginn zu entscheiden) unter die Räder zu geraten – was schlimm genug ist.

Sondern hier werden auch gesellschaftspolitische Akzente verschoben – mit weitreichenden Folgen. Test and treat, diese Strategie stellt den (vermeintlichen) gesamtgesellschaftlichen Nutzen (der erhofften Senkung der Anzahl der HIV-Neuinfektionen) über die individuelle Freiheit.

Die Freiheit des Einzelnen wird dabei potentiell dem höheren Wohl der ‚Volksgesundheit‘ untergeordnet. Eine Politik, die nach den Debatten um die Grundausrichtung der Aids-Politik längst überwunden schien. Eine Politik, die letztlich bitter an den Bayrischen Massnahmen-Katalog und seine freiheitsfeindlichen Tendenzen erinnert.

Diese Debatte jedoch wird kaum geführt – statt dessen werden Optimierungs-Möglichkeiten von ‚test and treat‘ vorgeschlagen.

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weitere Informationen:
Gardner EM et al. The spectrum of engagement in HIV care and its relevance to test-and-treat strategies for prevention of HIV infection. Clin Infect Dis 52: 793-800, 2011 (abstract)
Lange JMA. “Test and Treat”: is it enough? Clin Infect Dis, 52: 801-02, 2011 (Intro)
aidsmap 25.03.2011: Test-and-treat not enough to control HIV epidemic in the US
Bay Area Reporter 24.03.2011: New prevention plan likely to shuffle money for AIDS orgs
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Risikofaktoren für Hepatitis C bei HIV-Positiven – ist Blut das Problem, nicht Sperma ?

Bei HIV-positiven schwulen Männern treten gehäuft Ko-Infektionen mit Hepatitis C auf. Eine jetzt publizierte deutsche Studie hat sich intensiv mit den möglichen Risikofaktoren einer Hepatitis-C – Übertragung beschäftigt.

Warum infizieren sich besonders HIV-positive schwule Männer scheinbar leichter mit Hepatitis C? Diese Frage untersuchten Forscher um Axel J. Schmidt vom Robert-Koch-Institut Berlin. Sie wollten feststellen, welche Faktoren das Risiko bei HIV-positiven schwulen Männern erhöhen, sich mit Hepatitis C zu infizieren.

Zwischen 2006 und 2008 untersuchten sie eine Gruppe von 101 schwulen HIV-positiven Männern (die Mehrzahl aus Berlin) – 34, die sich mit Hepatitis c infizierten, und 67 als Kontroll-Gruppe. Die Studie wurde jüngst online in der Open-Access- Fachzeitschrift ‚PLoS One‘ (Public Library of Science) publiziert.

Unabhängig von einander erwiesen sich in der untersuchten Gruppe folgende Risiko-Faktoren als mit einer Hepatitis C – Infektion assoziiert:

  • mit Sex assoziierte rektale Blutungen (rektal = im Enddarm / After; „anorectal trauma with subsequent visible bleeding“),
  • rezeptives Fisten („sich fisten lassen“) ohne Benutzung von Handschuhen,
  • Gruppen-Sex, und
  • Kokain oder Amphetamine schnupfen (sniefen / durch die Nase inhalieren; „consumption of nasally-administered drugs (NADs)“).

Fisten

Die Forscher wiesen auf einen deutlichen Zusammenhang zwischen von den Teilnehmern berichteten proktologischen (analen) chirurgischen Eingriffen, hohen Sex-Partner-Zahlen, Gruppen-Sex, Anwendung von PDE5-Hemmern (Viagra® etc.) mit dadurch langandauerndem analem Sex, und rezeptivem analem Sex („sich ficken lassen“) hin. Sie vermuten, dass ein Teil der chirurgischen Eingriffe im Zusammenhang mit analen Feigwarzen oder Feigwarzen im Genitalbereich (Kondylome) steht. Alle üblichen proktologischen chirurgischen Eingriffe seien mit Wunden an der ano-rektalen Schleimhaut sowie erhöhter Wahrscheinlichkeit von Blutungen nach der Operation verbunden.

Die Forscher folgerten, dass Sex-Praktiken, die zu rektalen Blutungen führen, sowie der Gebrauch von Drogen durch die Nase in Settings mit erhöhter Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) von Hepatitis C Risikofaktoren für eine akute Hepatitis C sind. Sie vermuten, dass sowohl die gemeinsame Benutzung von Geräten zum Sniefen / Aufnahme von Drogen durch die Nase (auch bei einer lädierten Nasenschleimhaut ist Übertragung von Blut-Partikeln möglich) als auch das Teilen von Sexpartnern sexuelle Übertragungswege von Hepatitis C sein könnten.

Die Forscher weisen in ihrem Bericht deutlich darauf hin, dass ihrer Ansicht nach Blut und nicht Sperma das für eine Übertragung von Hepatitis C kritische Medium sei.

Sie betonen, dass Kondome und Handschuhe nur dann Schutz böten, wenn sie bei jedem Partner gewechselt werden. Bei Verwendung des gleichen Kondoms oder Handschuhs mit mehreren Sexpartnern könnten diese geradezu als ‚Vektor‘ der Übertragung von Hepatitis C von einem rezeptiven Sexpartner zum nächsten dienen (Vektor-Hypothese). Dies bedeute auch, der (aktive) Sexpartner könne Hepatitis C womöglich vom einen (passiven) Sexpartner auf einen zweiten (passiven) Sexpartner übertragen – ohne selbst mit Hepatitis C infiziert zu sein.

Die gemeinsame Benutzung von Gleitmitteln könne ebenfalls ein Risiko darstellen (Blutpartikel können in das auch von anderen benutzte Gleitmittel gelangen und so eine Übertragung möglich werden). Besitzer von Sex-Clubs sollten darauf achten, dass Gleitmittel (auch die Behälter für Gleitmittel) nicht mehr von mehreren Sex-Partnern benutzt werden.

Erste Ergebnisse der Studie waren bereits in einem prämierten Poster auf dem 12. Europäischen Aids-Kongress im November 2009 in Köln vorgestellt worden (siehe „Hepatitis C: ist Blut-Kontakt das Problem ? „). Nun wurde die Studie publiziert und steht online zur Verfügung (siehe „weitere Informationen“ am Ende des Artikels).

Zum Umgang mit akuter Hepatitis C wurden neue Empfehlungen als Ergebnis einer europäischen Konsensus-Konferenz im Dezember 2010 veröffentlicht.

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Viele schwule Männer, besonders viele HIV-positive schwule Männer sorgen sich wegen der Risiken einer Infektion mit Hepatitis C, zumal die Wege einer sexuellen Übertragung lange unklar waren. Die Studie von Schmidt und Kollegen könnte nun nicht nur Aufschluss geben, wie eine sexuelle Übertragung von Hepatitis C stattfindet – sie könnte auch Grundlage für praktische Wege der Infektions-Vermeidung sein:

Als praktische Ergebnisse ließe sich aus der Arbeit für Bemühungen, das Risiko einer Übertragung von Hepatitis C zu reduzieren, ableiten:

  • beim Ficken für jeden Sexpartner ein neues Kondom (keine Benutzung von Kondomen mit mehreren Sexpartnern),
  • beim Fisten für jeden Sexpartner ein neuer Handschuh (keine Benutzung von Handschuhen mit mehreren Fist-Partnern),
  • bei Sex ohne Kondom bzw. ohne Handschuh: bei jedem Partnerwechsel Schwanz bzw. Hand vorher waschen (um das Risiko einer Übertragung von Blut-Partikeln von einem passiven Partner auf den nächten zu senken),
  • jedem sein eigenes Schmiermittel – beim Sex keine von mehreren benutztes Gleitmittel (und Gleitmittel-Behälter),
  • bei Gebrauch von Drogen durch die Nase für jeden seine eigenen Utensilien / Röhrchen zum Sniefen.

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weitere Informationen:
PlOS One: Axel J. Schmidt, Jürgen K. Rockstroh et al.: Trouble with Bleeding: Risk Factors for Acute Hepatitis C among HIV-Positive Gay Men from Germany—A Case-Control Study (online)
Akute Hepatitis C bei HIV-Positiven: neue Empfehlungen
Situationsbericht Hepatitis in Deutschland
Hepatitis C: 2009 15% weniger Neu-Diagnosen
Proktologische Lehrstunde

catie 31.05.2011: German researchers dig deep to understand how hepatitis C virus is transmitted sexually

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Danke an Armin Schafberger (DAH) für Feedback zu den Empfehlungen!

Copyright für die Grafik bei Axel J. Schmidt

HIV/Aids in Libyen: wenig Fakten und ein inszenierter Schau-Prozess

Nach Tunesien und Ägypten kämpfen auch in Libyen Tausende Bürger für ihre Freiheit. Libyen hat sich lange gerade gegenüber westlichen Staaten weitgehend abgeschirmt – auch zur Situation der HIV-Epidemie in dem nordafrikanischen Staat sowie zu Lebensrealitäten HIV-Positiver in Libyen ist nur wenig bekannt. Bekannt wurde Libyen eher mit dem inszenierten „HIV-Prozess“ gegen bulgarische Krankenschwestern.

Libyen ist seit dem Putsch von 1969 offiziell eine „Arabische Republik“ (offiziell bisher: Sozialistische Libysch-Arabische Volks-Dschamahirija). Gut 6,3 Millionen Menschen leben in dem nordafrikanischen Staat, der bis zu einer Gebietsreform aus den drei Provinzen Tripolitanien, Cyrenaika und Fessan bestand.

Den Vereinten Nationen zufolge ist Libyen mit einem ‚Human Development Index‘ von 0,755 (Human Development Report des UNDP ) das am stärksten entwickelte Land des afrikanischen Kontinents.

HIV und Aids in Libyen

Offizielle Daten zur Anzahl der mit HIV infizierten Menschen in Libyen sind kaum publiziert. UNAIDS schätzte 2005 die Prävalenz von HIV bei Erwachsenen in Libyen als ‚gering‘ (unter 0,2%) ein. Eine 2004/05 durchgeführte Seroprävalenz-Studie an 65.000 Personen habe eine Prävalenz von 0,13% (90 HIV-Infektionen) ergeben. 2008 habe das nationale libysche Zentrum für Infektionskrankheiten die Zahl von 11.152 HIV-Infektionen (kumulativ) genannt, davon 8.654 bei libyschen Staatsbürgern.

Haupt-Übertragungsweg von HIV ist in Libyen laut UNAIDS iv-Drogenkonsum. Der Anteil wird auf bis zu 90% geschätzt. Insbesondere  Haftanstalten seien ein Ausbreitungsraum der HIV-Infektion.

Eine im Rahmen von ‚Cablegate‘ von Wikileaks geleakte Depesche der Libyschen US-Botschaft vom 19.12.2008 geht davon aus, dass die tatsächlichen Zahlen HIV-Infizierter in Libyen deutlich höher seien. Dr. Muhammad Sammud, Leiter von Libyens HIV/Aids-Präventions-Programm, habe anlässlich des Welt-Aids-Tages (2008) als „seltenen Einblick in das libysche Gesundheitswesen“ 70.000 HIV-Infizierte als realistisch genannt. Iv-Drogenkonsum und „riskantes Sexualverhalten“ seien die Haupt-Übertragungswege. Aufgrund der Probleme, in Libyen belastbare Zahlen zu erhalten, könne die tatsächliche Zahl HIV-Infizierter noch höher liegen. Die ersten HIV-Infektionen in Libyen seien bereits 1985 bekannt geworden und zurück zu führen auf HIV-kontaminierte aus Europa importierte Blutprodukte.

Libyen habe, betont UNAIDS 2005, wie zahlreiche Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas, kein ausreichendes Monitoring-System für HIV. Dies betreffe insbesondere Bevölkerungsgruppen mit einem erhöhten HIV-Infektionsrisiko wie iv-Drogengebraucher/innen, Männer die Sex mit Männern haben (MSM) sowie Sexworker.

Seit Ende 2002 hat Libyen offiziell ein Nationales Aids-Programm. 2009 einigten sich Libyen und die Europäischen Union auf eine Kooperation im Aids-Bereich, in deren Rahmen unter Leitung der Liverpool School of Tropical Medicine ein Aids-Programm für das nordafrikanische Land entwickelt werden sollte. Dies wurde von der EU mit einer Million Euro unterstützt.

Vom 15. bis 19. März 2010 fand nach Jahren voll Diskussionen und hohr Schranken die erste ‚Libysche Aids Konferenz‘ in Benghasi statt, veranstaltet von der ‚Baylor College of Medicine International Pediatric AIDS Initiative‘ des US-amerikanischen ‚Texas Children’s Hospital‘).

Antiretrovirale Behandlung steht laut ‚Country report‘ allen libyschen Staatsbürgern, die darum bitten, unentgeltlich zur Verfügung. Sie erfolge über die Zentral-Pharmazie des libyschen ‚National Center for Infectious Diseases Prevention and Control‘ (NIDCC). Zahlen, wie viele HIV-Positive in Libyen derzeit antiretrovirale Therapie erhalten, sind nicht bekannt.

Das United Nations Development Program UNDP veranstaltet ‚Empowerment Programme‘ für HIV-positive Frauen und Mädchen in Libyen (unterstützt u.a. von der niederländischen Regierung). Es gibt im Aids-Bereich eine einzige Nicht-Regierungs-Organisation in Libyen: die 2002 gegründete ‚Association to Care for Infected Children‘. Sie setzt sich laut UNAIDS in Zusammenarbeit mit dem Libyschen Roten Halbmond insbesondere in gegen Stigmatisierung und Diskriminierung HIV-infizierter Kinder.

Für besondere internationale Aufmerksamkeit sorgte jahrelang der ‚HIV-Prozess‘ in Libyen:

Der „HIV-Prozess“ – Libyen gegen bulgarische Krankenschwestern

Fünf bulgarische Krankenschwestern (Kristijana Waltschewa, Nasja Nenowa, Walentina Siropulo, Walja Tscherwenjaschka und Sneschana Dimitrowa) und der palästinensischstämmige Arzt Aschraf al-Hajuj (seit Juni 2007 mit bulgarischer Staatsangehörigkeit) wurden von der libyschen Staatsanwaltschaft beschuldigt, hunderte libyscher Kinder in der Kinderklinik des Zentralkrankenhauses ‚El-Fateh‘ in Benghazi vorsätzlich mit HIV infiziert zu haben. Über insgesamt acht Jahre und mehrere Schauprozesse zog sich die Affäre hin.

Die Angeklagten wurden schließlich zum Tode verurteilt. Internationale Proteste waren die Folge. Zahlreiche Staaten und internationale Organisationen forderten die Freilassung der Inhaftierten. 2007 wurden die Todesstrafen in lebenslange Freiheitsstrafen umgewandelt, nachdem ‚Entschädigungszahlungen‘ an die betroffenen Familien geleistet worden waren. Die Verurteilten wurden am 24. Juli 2007 nach Bulgarien ausgeflogen und dort vom bulgarischen Staatspräsidenten umgehend begnadigt.

Kurz nach der Freilassung bestätigte Gaddafis Sohn Saif al-Islam al-Gaddafi einem Bericht des ‚Spiegel‘ zufolge, dass die Festgenommenen misshandelt und politisch missbraucht worden seien. Zudem sei der Prozess eine Inszenierung gewesen – die Kinder seien schon vor Ankunft des Arztes und der Krankenschwestern aus Bulgarien mit HIV infiziert gewesen.

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weitere Informationen:
UNAIDS: UNGASS Country Progress Report – Libyan Arab Jamahiriya, 31.05.2010, Reporting period: January 2008–December 2009 (pdf)
EU-Kommission 02.09.2009: EU and Libya to develop HIV/AIDS strategy
SpON 09.08.2007: Bulgarische Krankenschwestern – Gaddafi-Sohn bestätigt Folter und Schauprozess
Baylor College of Medicine 17.03.2010: BIPAI hosting first Libyan national HIV/AIDS conference
Liverpool School of Tropical Medicine 03.08.2009: A National HIV/AIDS Strategy for Libya
UNDP 24.11.2010: Dutch Government contributes to UNDP Libya Projects on HIV/AIDS and Gender Equality
The Telegraph 31.01.2011: US-Depesche „HIV infection rates in Libya may be significantly higher than previously estimated
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Ägypten: Mubarak, das hieß auch Verfolgung und Gewalt gegen HIV-Positive

In Ägypten demonstriert in großem Umfang die Bevölkerung für Freiheit, kämpft für ihre Rechte und den Rücktritt des bisherigen Präsidenten Mubarak. Freiheit, keine Verfolgung und Repressionen mehr – das wünschen sich vermutlich auch viele Menschen mit HIV in Ägypten.

Bis Ende 2009 wurden in Ägypten 3.919 HIV-Infektionen gemeldet, davon 2.920 bei Ägyptern. Ägypten hat auf Ebene der Gesamt-Bevölkerung derzeit eine niedrige HIV-Prävalenz. Die Zahl der HIV-Neudiagnosen steigt (2001 bis 2005: 1.040 Neudiagnosen, 2006 bis 2009 1.255 Fälle). Per Ende 2008 schätzten UNAIDS und die WHO die Zahl der insgesamt in Ägypten mit HIV infizierten Menschen auf zwischen 7.100 und 19.000.

Die meisten HIV-Übertragungen erfolgen sexuell (71%), davon heterosexuell 49,5% und homosexuell 22,9% (Daten nach Country Progress Report UNAIDS). Jüngere Studien deuten darauf hin, dass in Ägypten derzeit eine konzentrierte Epidemie bei Männern, die Sex mit Männern haben, stattfindet.

23,7% der erwachsenen HIV-Infizierten und 27% der HIV-infizierten Kinder erhalten in Ägypten antiretrovirale Therapie.

Die derzeitig gültige Nationale Aids-Strategie umfasst den Zeitraum 2007 bis 2011; seit 1998 hat Ägypten eine multisektorale Aids-Strategie. Leiter des Nationalen Aids-Programms ist Dr.Ehab Abdelrahman. Dem Policy Index zufolge ist ein Mensch mit HIV an der Koordinierung des Nationalen Aids-Programms beteiligt. Finanziert werden Maßnahmen der Aids-Bekämpfung aus Mittel nationaler Organisationen, bilateralen Programmen sowie durch den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria und anderen Einrichtungen der Vereinten Nationen.

Nach eigenen Angaben (Composite Policy Index) hat Ägypten Anti-Diskriminierungs-Regelungen zum Schutz einiger der von HIV am meisten bedrohten Bevölkerungsgruppen -genannt werden Frauen und junge Menschen. Für Männer, die Sex mit Männern haben, iv-Drogengebraucher, Insassen von Haftanstalten sowie Migranten gebe es keine Anti-Diskriminierungs-Regelungen. In bestehenden Anti-Diskriminierungs-Regelungen werde HIV nicht explizit erwähnt.

In den vergangenen Jahren kam es immer wieder (insbesondere 2007/2008) zu Verfolgung und Verhaftung von HIV-Positiven. Gesetze und Regelungen, die zur Kriminalisierung Homosexueller eingeführt wurde, werden auch zur Verfolgung von HIV-Positiven instrumentalisiert. HIV-positive Ausländer wurden deportiert – insgesamt 722 zwischen 1986 und 2006, 90% von ihnen Afrikaner. 2008 protestierte Amnesty International und forderte in einer Aktion vor dem Brandenburger Tor Menschenrechte auch für HIV-Positive in Ägypten.
Die Weltbank forderte Mitte 2010  stark verbesserte Aids-Prävention bei Homosexuellen im Mittleren Osten, auch Ägypten.

Die Datenbank über Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Menschen mit HIV www.hivtravel.org führt auf, dass Menschen, die sich über 30 Tage in Ägypten aufhalten wollen (zu Arbeits- oder Studien-Zwecken) zwingend einen HIV-Test beim Zentrallabor des Gesundheitsministerium machen müssen (im Ausland durchgeführte Tests würden nicht anerkannt). HIV-Positive würden sofort des Landes verwiesen.

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weitere Informationen:
United Nations General Assembly (UNGASS): Egypt – 2010 Country Progress Report (pdf)
UNGASS: Egypt – National Composite Policy Index 2010 (pdf)
UNAIDS: Epidemiological Fact Sheet on HIV and AIDS, 2009 (pdf)
HIVtravel.org Ägypten
aidsmap 21.07.2010: Deportations of people with HIV widespread; activists‘ tactics differ
housingworks 02.02.2011: Mubarak’s AIDS Legacy: Torture, Deportation and Arrest for HIV-Positive People
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(auf der Startseite verwendetes Foto: Proteste gegen den ägyptischen Präsidenten Mubarak am 30. Januar 2011 in Kairo; Foto: wikimedia / BanyanTree)

Larry Kramer: Aids – eine Pest, die bewusst zugelassen wurde

Aids ist die neue Pest – und die Verantwortlichen haben sie bewusst zugelassen, beschönigen und belügen uns. Mit starken Worten kritisiert US-Autor und Aids-Aktivist Larry Kramer die Situation 30 Jahre nach Beginn der Aids-Krise.

„Ich möchte dein Herz brechen – aber ich befürchte, nach dem Lesen werden mehr Menschen sauer auf mich sein als mir zustimmen.“ So beginnt der Autor, Gründer von ACT UP und langjährige US- Aids-Aktivist Larry Kramer einen Kommentar auf den Internetseiten des US-Nachrichtensenders CNN.

Larry Kramer (Foto: actup.org)
Larry Kramer (Foto: actup.org)

Kramer beschreibt in seinem Kommentar zehn „Realitäten“:
1. Aids sei in jeder Hinsicht eine Pest, eine Plage – nur traue niemand sich, dies auch auszusprechen.
2. Zu viele Menschen empfänden explizit Hass gegen diejenigen, die von Aids am meisten betroffen seien: Schwule und Farbige.
3. Ebenso würden zwei Bevölkerungsgruppen als geradezu entbehrlich betrachtet: Menschen, die nicht Sex haben auf die gleich Weise wie sie [die Mächtigen], und Menschen die Drogen nehmen um eine Welt besser aushalten zu können, die sie als elend empfinden.
4. Aids hätte nicht zu einer Plage werden müssen – es wurde aber hingenommen, dass dies geschieht.
5. Aids ist eine Plage, die nicht verschwinden wird. Sie wird schlimmer.
6. Es gebe keine Heilung, und die zur Erforschung einer Heilung eingesetzten Mittel  seien äußerst gering – bezeichnend für ein Land und eine Welt, die diese Plage nicht beenden wollten.
7.Es gebe keinen Anreiz für Pharmaunternehmen, eine Heilung zu finden – sie verdienten Milliarden mit Medikamenten zu stark überhöhten Preisen, die HIV-Infizierte nehmen müssen. Medikamente, die uns (so Kramer) nur am Leben lassen, aber gerade noch infiziert genug, um möglicherweise andere zu infizieren.
8.  Alle Präventionskampagnen bisher seien „zu dumm, nutzlos, feige“ um irgend etwas zu bewirken.
9. Weder in den USA noch sonst irgendwo auf der Welt gebe es unter den Verantwortlichen jemanden Nützliches, und dieser Mangel an anständigen, verantwortungsvollen und humane Führern bestehe seit Beginn der Epidemie 1981. Diejenigen in Verantwortung belügen uns (nach Kramers Ansicht); er betrachte sie als Mördern gleich.
10. Inzwischen sei einer von fünf schwulen Männern in den USA HIV-positiv, und über 50% davon wüssten es nicht. So wie sich die Situation entwickele, könnten bald alle Schwulen der USA HIV-positiv sein – und einer Reihe von Menschen würde dies gefallen.

Trotz all dieser erschreckenden Fakten und Aussagen – niemand rege sich auf. Die Herrschenden belügen uns wenn sie behaupten, die HIV-Epidemie sei unter Kontrolle,  allerdings sei HIV zu kompliziert, um es auszurotten.

Wir sollten ihnen, so Kramer, nicht glauben, aus einer Vielzahl von Gründen (die er einzeln benennt, von fehlenden Heirats- und Adoptions-Rechten bis fehlender Chancengleichheit).

Die Aids-Plage finde jetzt statt. Dieser Plage wurde es absichtlich erlaubt stattzufinden. Der Hass finde immer wieder erneut einen Weg.

Bei einigen US- Aids-Aktivisten stößt Kramers Kommentar auf Zustimmung. So kommentierte Eric Sawyer, endlich spreche mal jemand die Wahrheit aus. Andere wiesen darauf hin, dass Kramer Themen außer acht gelassen habe, wie die Kriminalisierung HIV-Positiver.

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Larry Kramer ist u.a. auch der Gründer von ACT UP. In Deutschland und (bis auf die Ausnahme Paris) Europa ist ACT UP inzwischen kaum mehr als ein Mythos. Anders in den USA – hier ist der Geist, die Grundhaltung, die ACT UP zugrunde lag, wach – auch und vor allem immer wieder in mahnenden Worten Larry Kramers.

Larry Kramer ist bekannt dafür, oft sehr deutliche Worte zu finden. Ihm wird gelegentlich der Vorwurf gemacht, über das Ziel hinaus zu schießen. Und er hat nach Ansicht einiger Kritiker auch aus dem Aids-Bereich manchmal eine eigenwillige, verzerrte Sichtweise oder Perspektive auf Sachverhalte.

So scheint Kramer (wie viele US-Aktivisten) das EKAF-Statement und seine Bedeutung weiterhin außer Acht zu lassen. Und er geht implizit von der Situation in den USA aus – nicht alle Präventions-Kampagnen in Europa erscheinen als „zu dumm, nutzlos, feige“. Hinzu kommt, Kramer argumentiert vor dem Hintergrund einer Situation in den USA, die aufgeheizt ist und differenzierte Debatten nicht befördert (ein kurzes Stöbern in den Kommentaren unter dem CNN-Kommentar gibt einen lebhaften Eindruck).

Doch all die womöglich berechtigte Kritik an Kramers Argumentation und besonders Art, sie zu präsentieren ändert nichts daran:

Kramer wirft wichtige Fragen auf, weist auf Tabus und nicht thematisierte Probleme hin – von der schwierigen Rolle und dem problematischen Verhalten der Pharmaindustrie über das Schweigen vieler Schwulen (-organisationen) bis zum Schwiegen oder Versagen vieler Politiker.

Normalisierung? Weit gefehlt – auch dies sagt Kramers ‚Weckruf‘.

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weitere Informationen:
Larry Kramer Kommentar auf CNN 14.01.2011: AIDS is a plague allowed to happen
und auf actup.org
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Jahreswechsel 2011 (Teil 2): gewagter Blick nach vorn

Nach dem Blick darauf, welche wichtigen Ereignisse und Gedenk-Anlässe sich 2011 jähren werden („2011 – Blick zurück nach vorn„), heute ein Blick darauf, welche Themen im Jahr 2011 im Mittelpunkt stehen könnten:

Quo vadis, HIV-Therapie? Und was ist mit Heilung von HIV?

Seit Zeiten der Aids-Konferenz von Vancouver hat sich die therapeutische Situation für HIV-Positive in Industriestaaten sehr entspannt. Zahlreiche neue Medikamente sind in den letzten 15 Jahren zugelassen worden, zudem weitere Wirkstoff-Klassen hinzu gekommen.
Doch in den vergangenen Jahren ist die Zahl der Pharmaunternehmen, die an Medikamenten gehen HIV forschen, zurück gegangen. Einige Unternehmen sind – teils aus Rendite-Gründen – aus dem HIV-Bereich ‚ausgestiegen‘, andere von Wettbewerbern übernommen worden. Zudem, die Entwicklungs-Pipeline derjenigen Unternehmen, die weiter an HIV forschen, scheint derzeit nicht eben gut gefüllt zu sein. Wie geht es weiter mit der HIV-Therapie? Werden auch zukünftig ausreichend neue (und bezahlbare) Medikamente erforscht und auf den Markt gebracht?

Die Grundlagenforschung hat einige bemerkenswerte Fortschritte dabei gemacht zu verstehen, warum einige Menschen trotz HIV-Infektion nicht erkranken (‚elite controller‘), und wie HIV in viralen Reservoirs erreicht werden könnte. Oftmals handelt es sich um kleine Forschungseinrichtungen oder Projekte mit sehr begrenztem Budget.
Wann kommt die Erforschung von Möglichkeiten zur Heilung von HIV wieder auf die politische und die Forschungs-Agenda? Und was unternehmen wir, um mehr Druck zu machen? Oder reicht uns etwa die Perspektive, lebenslang Pillen nehmen zu müssen?

Fortschritt – nur für reiche Staaten?

Die Situation hat sich für Positive verbessert – weltweit, auch in weniger entwickelten Staaten. Die Zahl der Menschen mit HIV, die Zugang zu antiretroviraler Therapie haben, konnte in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert werden.
Doch immer noch haben schätzungsweise zehn Millionen (!) HIV-Positive weltweit keinen Zugang zu wirksamen Medikamenten gegen HIV. Und selbst für Positive, die Zugang zu ersten HIV-Therapien haben, stellt sich die Frage, was wenn die erste Kombi versagt? Oft steht nur eine begrenzte Anzahl Medikamente in bezahlbaren Versionen zur Verfügung – und danach?
Werden Industriestaaten, werden auch Positive in Industriestaaten ihrer Verantwortung gerecht?

Quo vadis, HIV Prävention?

Wie geht es weiter mit der HIV-Prävention? Kondome und das Propagieren von ’safer Sex‘ waren einst das einzige wirksame Mittel der HIV-Prävention (bis auf diejenigen Menschen, die immer noch an die Wirksamkeit und Praktikabilität von Abstinenz als Methode der HIV-Prävention glauben).
Doch immer mehr wirksame Werkzeuge der Prävention stehen absehbar zur Verfügung oder kündigen sich an: Viruslast-Methode, Mikrobizide, Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP), experimentelle Impfstoffe.
Wie entwickelt sich HIV-Prävention zukünftig weiter, in Industriestaaten und in weniger industriell entwickelten Staaten? Und: in Zeiten zunehmender Medikalisierung der Prävention – welchen Platz haben nicht-medizinische Konzepte der Prävention, welche Rolle haben strukturelle Prävention und Sozialwissenschaften zukünftig, für Aidshilfe, für Szenen, für die Politik?
‚Testen und direkt behandeln‘ (test and treat), Sexpartner bei positiven Testergebnis direkt benachrichtigen – erleben wir eine Akzent-Verschiebung? Droht ein Roll-Back zu ‚old public health‘, zu längst überwunden geglaubten Mitteln der Gesundheitspolitik? Wie gehen wir damit um, wie stärken wir den freiheitlichen Ansatz der Aufklärung , Information und Entscheidungsfreiheit?

Kriminalisierung – wie agieren?

Die Zahl der Fälle, in denen Staatsanwälte gegen HIV-Positive ermitteln, in denen HIV-Positive vor Gericht stehen, scheint zu steigen. Eine erstaunliche Entwicklung – die medizinische Situation entspannt sich, die juristische scheint sich zu verschärfen.
Wie reagieren wir auf die zunehmende Zahl an Ermittlungen und Verfahren gegen HIV-Positive? Und wie wollen wir zukünftig agieren, um den Trend zunehmender Kriminalisierung zu brechen, deutlicher sichtbar zu machen, dass Kriminalisierung kontraproduktiv ist?

Alles normal? Der problematische Begriff ‚Normalisierung‘

Der Begriff ‚Normalisierung‘ wird zunehmend auch von Aidshilfe und HIV-Positiven benutzt. Doch – wie ’normal‘ ist es tatsächlich, heute mit HIV zu leben?
Für viele HIV-Positive ist ihr persönliches Leben mit HIV alles andere als ’normal‘ – ob es sich nun um eine an Aids erkrankte Frau, einen HIV-positiven Migranten mit illegalem Aufenthaltsstatus oder einen HIV-positiven Schwulen in höherem Lebensalter handelt, um nur drei Beispiele zu nennen.
Die Verwendung des Begriffes ‚Normalisierung‘ setzt – bewusst und unbewusst – neue Bilder vom Leben mit HIV. Wie viel Potential zu neuer Stigmatisierung und Selbst-Stigmatisierung liegt auch in diesen neuen Bildern?

Drei Dimensionen hat diese Debatte um ‚Normalisierung‘ (mindestens):
– Wie gehen wir mit dem, was derzeit ‚Normalisierung‘ genannt wird, um, und welche Konsequenzen ziehen wir?
– Wie gelingt die Gratwanderung zwischen einer Beschreibung einer tatsächlichen Verbesserung der Situation, und dem Vermeiden neuer Stigmatisierung oder Verharmlosung?
– Und: wird die Formulierung ‚Normalisierung‘ überhaupt je zutreffen? Selbst bei optimaler medizinischer Situation, selbst bei weitgehend abgebauten gesellschaftlichen Nachteilen und Problemen (was derzeit bei weitem nicht erreicht ist) – die HIV-Infektion  wird nie „normal“ sein, es wird immer implizit Stigma an ihr (und damit am HIV-Infizierten) haften. Der Makel der Normabweichung, von Sex Drogen Lust. Kann dieser Makel einfach ‚weg-normalisiert‘ werden? Und falls nicht – was bedeutet dies für uns? Brauchen wir andere Begriffe? Andere Strategien?

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Jahreswechsel 2011 (Teil 1): Blick zurück nach vorn

2011 wird Aids 30. Im März 1981 geht Gaetan Dougas (‚patient zero‘) wegen brauner Flecken zum Arzt, die später als Kaposi Sarkom diagnostiziert werden. Und der erste wissenschaftliche Aufsatz über das, was später Aids genannt wird, erscheint. 2011 hat aber auch das Erfolgskonzept hochwirksamer antiretroviraler Therapien Jubiläum – vor 15 Jahren war ‚Vancouver‘.

Zahlreiche Ereignisse jähren sich im Jahr 2011. Jahreswechsel – Blick zurück und Blick nach vorn. Heute: der Rückblick – was geschah vor zehn, fünfzehn, zwanzig, ja vor fünfundzwanzig oder dreißig Jahren zum Thema HIV / Aids? Welche bedeutenden Anlässe, welche Gedenk-Tage jähren sich 2011?

Im zweiten Teil am 6. Januar folgt dann ein Blick nach vorn – welche Themen könnten 2011 von großer Bedeutung sein?

15 Jahre Vancouver – der große Durchbruch

Der wohl wichtigste Event, der sich 2011 zum 15. Mal ‚jährt‘: die Aids-Konferenz von Vancouver. In Vancouver fand vom 7. bis 12. Juli 1996 unter dem Motto „One World, One Hope“ die XI. Internationale Aids-Konferenz statt.
Doch diese Konferenz war mehr als „nur“ eine „normale“ Aids-Konferenz. Vancouver wurde schnell zum Synonym für einen neuen  Aufbruch, für neue Hoffnung. Für eine neuen Wirkstoffklasse, die Proteasehemmer. Statt nur wenige Monate wirksamer Medikamente wie bis dahin gab es mit Vancouver den lange erhofften, erwarteten Durchbruch, wirksame Dreier-Kombinationen. Medikamente verschiedener Wirkstoffklassen mit einander kombiniert erreichten eine bis dahin fast undenkbare Wirksamkeit. Beinahe schon tot Geglaubte standen wieder auf, hatten plötzlich wieder Leben vor sich (darunter auch der Initiator von ondamaris).
Vancouver war und ist Synonym für Hoffnung – dass es doch gibt, was lange unmöglich schien: (Über-) Leben mit HIV und Aids. Und so wurde die Aids-Konferenz in Vancouver 1996 im Nachhinein auch zu dem, was lange undenkbar schien: dem Ende des großen Sterbens.

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Rückblicke

1981 – vor 30 Jahren

Der kanadische Flugbegleiter Gaetan Dugas aus Quebec City geht wegen auffälliger brauner Flecken auf der Haut zum Arzt. Wegen dieses Kaposi Sarkoms muss Dugas bald seinen Beruf aufgeben. Er stirbt am 30.3.1984. Dugas wird später lange Zeit als “Patient Null” (patient zero) bezeichnet, von dem die Epidemie ausgegangen sein soll.
Der Wissenschaftler Michael Gottlieb informiert im Juni in einem Bericht im  “Morbidity and Mortality Weekly Report” (MMWR) über eine ungewöhnliche Konstellation von Pilzinfektionen und Lungenentzündungen (PcP) bei fünf ansonsten scheinbar völlig gesunden jungen schwulen Männern aus Los Angeles. Offenbar ist das Immunsystem bei den Männern zusammengebrochen. Dieser Bericht gilt als die erste wissenschaftliche Veröffentlichung zu Aids.
Im New York Native erscheint im November ein Artikel von Michael Callen und Richard Berkowitz “Wir wissen, wer wir sind: Zwei schwule Männer erklären der Promiskuität den Krieg”.

1986

In der DDR wird beim Minister für Gesundheitswesen die ‘AIDS-Beraterkommission’ eingerichtet. Zu ihrem führenden Kopf avanciert schnell Prof. Dr. Niels Sönnichsen.
Erstmals wird ein HIV-infizierter Drogengebraucher in einer Stockholmer Seuchenklinik in Zwangsquarantäne gehalten.
Am 1. Januar bezieht die Deutsche AIDS-Hilfe DAH ihre ersten eigenen Arbeitsräume in der Berliner Straße 37 in Berlin.
Mit der Bekanntgabe der NIH, das bisher gegen Krebs (wirkungslos) eingesetzte Medikament AZT könne eventuell den Krankheitsverlauf verlangsamen, nimmt die AIDS-Forschung eine entscheidende Wende: erstmals zeichnet sich ein Medikament gegen HIV ab.
Die Internationale Kommission für Virus-Taxonomie benennt LAV und HTLV III um in “Human Immuno Deficiency Virus” (HIV). DAH und BVH (Bundesverband Homosexualität) veranstalten am 4. Juni einen “Aktionstag gegen Zwangsmaßnahmen” der Bayrischen Regierung.
Die DAH veröffentlicht das weltweit erste Unterrichtsmaterial zu HIV/Aids, das bald vom schweizerischen Bundesamt für Gesundheitswesen sowie vom österreichischen Gesundheitsministerium übernommen wird.
Rolf Rosenbrock veröffentlicht sein Buch “AIDS kann schneller besiegt werden” und prägt damit in der Folgezeit wesentlich die HIV/Aids-Prävention in Deutschland mit.

1991 – vor 20 Jahren

Vor zwanzig Jahren streiten sich Robert Gallo und Luc Montagnier darum, wem von beiden die Ehre der ersten Entdeckung des Humanen Immondefizienz-Virus HIV gebührt.
Das von der Künstlergruppe Visual AIDS in New York entwickelte Red Ribbon wird als internationales “AIDS Awareness” – Symbol eingeführt.
Auf Initiative des Referates ‘Medizin und Gesundheitspolitik’ der DAH wird die EATG European Aids Treatment Group gegründet.
Der Orden der Schwestern der Perpetuellen IndulgenzACT UP Deutschland wird gegründet (Mutterhaus in Berlin).
Aktivisten protestieren im September 1991 mit einer Stör-Aktion im Dom zu Fulda anlässlich des Abschluss-Gottesdienstes der Bischofskonferenz lautstark gegen die Positionen der katholischen Kirche zu Aids.
Mit ddI (Didanosin, Handelsname Videx®) wird im Oktober 1991 das zweite Medikament gegen Aids in den USA zugelassen.
Am 20. Juni stirbt Tennisprofi Michael Westphal an den Folgen von Aids. Der Schauspieler Brad Davis (u.a. Fassbinders ‚Querelle‘) stirbt am 8. September 1991. Am 7. November 1991 erklärte der Basketballstar ‚Magic‘ Earvin Johnson, dass er HIV-positiv ist.

1996

Vor fünfzehn Jahren wird UNAIDS als Aids-Organisation der Vereinten Nationen gegründet.
Deutsche Aids-Stiftung ‘positiv leben’ und nationale AIDS-Stiftung schließen sich zur ‘Deutschen AIDS-Stiftung’ zusammen.
Die Ära der HAART (highly active antiretroviral therapy) beginnt (siehe oben Konferenz von Vancouver).
Das New York Times Magazine betont in einem Artikel mit dem Titel “The End of AIDS: The Twilight of an Epidemic” die Hoffnungen, die mit den neuen Proteasehemmern verbunden sind.

2001 – vor 10 Jahren

Vor zehn Jahren bekommt Südafrika nach einer Einigung mit 39 Pharmaunternehmen Rechtssicherheit – kostengünstige generische Versionen von Aids-Medikamenten könne im Land vertrieben werden.
Am 1. Juni 2001 stirbt Nkosi Johnson im Alter von 12 Jahren an den Folgen von AIDS. Weltweit bekannt geworden war der südafrikanische Junge während der Welt- AIDS-Konferenz in Durban, als er mit seiner Botschaft ans Mikrofon trat “Wir sind normale menschliche Wesen. Wir können laufen, wir können sprechen.”
Parallel zum 8. Deutschen AIDS-Kongress findet vom 4. bis 7. Juli 2001 in Berlin die erste Veranstaltung unter dem Namen “Positive Begegnungen” statt.
Nach den Terror-Anschlägen auf das World-Trade-Center am 11.9.2001 befasst sich in einer Rede vor der United Nations University in Tokio am 2. Oktober 2001 UNAIDS-Direktor Peter Piot mit dem Zusammenhang zwischen AIDS und Sicherheit.

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Gedenken

Im Jahr 2011 jähren sich zahlreiche Todestage. Genannt seien nur – stellvertretend für viel zu viele weitere – Oliver Trautwein († 13.2.1996) und Ingo Schmitz († 22.5.1996) sowie Ronald M. Schernikau († 20.10.1991), Dieter Runze († 25.2.1991) und Freddy Mercury († 24.11.1991).

Ein Gedenk-Tag ist mir persönlich besonders: Am 20. August 1996 starb Rio Reiser – der Mensch, der immer wieder unvergleichliche Worte fand …

Und die Tränen von gestern wird die Sonne trocknen,
die Spuren der Verzweiflung wird der Wind verweh’n.
Die durstigen Lippen wird der Regen trösten
und die längst verlor’n Geglaubten
werden von den Toten aufersteh’n.

(Text und Musik: Rio Reiser und R.P.S. Lanrue / Ton Steine Scherben, Land in Sicht, 1975)

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HIV / Aids Jahresrückblick 2010 (Teil 3)

Das Jahr 2010 bietet für Menschen mit HIV eine gemischte Bilanz: einige gute Nachrichten, aber auch Stigmatisierung und Kriminalisierung – der dritte Teil des ‘HIV / Aids Jahresrückblick 2010′ – September bis Dezember 2010.

Diskussionen über das Engagement Deutschlands beim internationalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria – und Diskussionen um die Zukunft der Vertretung HIV-positiver Interessen in Aids-Kongressen. Zahlreiche Menschen mit HIV standen in Deutschland vor Gericht, einige wurden zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt. Eine Studie zu Prä-Expositons-Prophylaxe sorgt für Aufmerksamkeit. Besondere mediale Aufmerksamkeit erhält das neue Buch von Nadja Benaissa.

Eine Übersicht über wichtige Ereignisse des Jahres 2010 zum Thema HIV / Aids – heute der dritte Teil des ‘HIV / Aids Jahresrückblick 2010′ – September bis Dezember 2010:

September 2010

Mehr statt weniger – Ärzte ohne Grenzen macht mit Aktionen am 9. September auf Finanzierungslücken der Gesundheitsversorgung in ärmeren Ländern aufmerksam.
Zieht sich Deutschland aus der Finanzierung des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose zurück? Die DAH warnt vor einem Rückzug. Entwicklungs-Minister Niebel reagiert auf einen Brief von Rockstar Bono. Schließlich einigt sich der UN-Gipfel – Kritiker sind enttäuscht.
„Kein medizinisch relevantes Infektionsrisiko bei antiretroviral behandelten HIV-Patienten beim Geschlechtsverkehr“,sagt die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage.
In China befindet sich wieder ein Aids- Aktivist in Foltergefahr.

Oktober 2010

Ab 1. Oktober finden wieder HIV-Testwochen der Kampagne „ich weiss was ich tu!“ statt.
Auch Paare, bei denen einer oder beide Partner HIV-positiv sind, haben nach einer entsprechenden Entscheidung des gemeinsamen Bundesausschusses die Möglichkeit, die Herbeiführung einer Schwangerschaft durch künstliche Befruchtung als Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Anspruch zu nehmen.
Die Deutsche Aids-Gesellschaft hat einen “erneute Stellungnahme” zum EKAF-Statement vorgelegt. Sie stimmt darin in Teilen der Position von EKAF und DAH zu. Ende des Monats veröffentlicht auch die dagnä erstmals ihre Position zum EKAF-Statement.
HIV-Medikamente als Mittel der Aids-Prävention – ein viel diskutiertes Konzept in den letzten Monaten.  Eine Studie aus China zeigt, dass auch bei ‚test and treat‘ im realen Leben manchmal einiges anders laufen kann als in der Theorie erwartet.
Bei der Behandlung HIV-Infizierter beim Zahnarzt gelten keine über Standardhygiene hinaus gehenden hygienischen Anforderungen, betonen DAIG und dagnä in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Zu 1.140 Euro Schadenersatz wurde ein HIV-positiver Mann in Köln verurteilt, wegen Sex ohne Kondom. Er musste dem Kläger 75% der Kosten für Medikamente erstatten.
Bewegt sich die katholische Kirche in der Kondom-Frage? In der Schweiz jedenfalls gibt’s (vereinzelt) Kondome von der Kirche, und Papst Benedikt äußert sich erstmals fallweise positiv zu Kondom-Verwendung.

November 2010

„Positiv zusammen leben – aber sicher!“ gestartet. Im Mittelpunkt der neuen Welt-Aids-Tags-Kampagne stehen HIV-positive Menschen, die authentisch Einblick in ihr Leben geben und von ihren alltäglichen Erfahrungen berichten.
In Berlin wird ein Millionen-Betrug eines Apothekers mit Aids-Medikamenten aufgedeckt.
Die Zahl der HIV-Neudiagnosen hat sich in Deutschland 2010 weiter stabilisiert, teilt das RKI mit. Auch die Zahl der Aids-Toten ist in Deutschland leicht rückläufig.
Die vorbeugende Einnahme bestimmter antiretroviraler Medikamente könnte das Risiko einer HIV-Infektion deutlich reduzieren – darauf scheinen Ergebnisse der ersten “PrEP-Studie” ‘iPrEx’ hinzudeuten. Die Studie wird kontrovers diskutiert, viele Fragen zu PrEP bleiben auch nach iPrEx offen.
HIV und die Arbeitswelt – in zwölf Foto-Motiven thematisiert ein neuer Wandkalender wichtige Fragen zu HIV im Erwerbsleben. Das US-Magazin ‚Time‘ erklärt PrEP zum ‚Bedeutendsten medizinischen Durchbruch 2010‘.

Dezember 2010

„Über können Sollen und wollen Dürfen“ – ondamaris-Herausgeber Ulrich Würdemann macht sich in der Paulskirchen-Rede am 1. Dezember 2010 Gedanken zur Zukunft der Interessenvertretung HIV-Positiver.
Tätowieren wäre effizienter und ehrliche„, kommentiert Michèle Meyer Bemühungen in der Schweiz, dass frisch HIV-positive Getestete ihre Sexpartner per SMS informieren.
Ein 65jähriger HIV-positiver Mann aus dem niedersächsischen Celle muss sich seit dem 6. Dezember 2010 in Lüneburg vor Gericht verantworten. Ihm wird Missbrauch in 403 Fällen vorgeworfen.
Cablegate – die Veröffentlichung Tausender US-Diplomaten-Depeschen durch die Enthüllungsplatform Wikileaks – fördert auch einige Aussagen im Kontext HIV/Aids zutage – von Banalem bis Korruption.
Erstmals seit 2003 wurden im Jahr 2009 wieder weniger als 3.000 Syphilis-Neudiagnosen mitgeteilt, so das Robert-Koch-Institut.
In der online-Ausgabe der Fachzeitschrift AIDS werden Empfehlungen zum Umgang mit akuter Hepatitis C bei HIV-Infizierten veröffentlicht.

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Der erste Teil des ‚HIV / Aids Jahresrückblick 2010‘ – Januar bis April 2010 ist am 13.12.2010 erschienen. Der zweite Teil (HIV / Aids Jahresrückblick 2010 (Teil 2) Mai bis September) erschien am 20.12.2010.

HIV / Aids Jahresrückblick 2010 (Teil 2)

Das Jahr 2010 bietet für Menschen mit HIV eine gemischte Bilanz: einige gute Nachrichten, aber auch Stigmatisierung und Kriminalisierung – der zweite Teil des ‘HIV / Aids Jahresrückblick 2010′ – Mai bis August 2010.

Diskussionen über die Zukunft der Vertretung HIV-positiver Interessen in Aids-Kongressen. Ermittlungen gegen Aids-Leugner. Zahlreiche Menschen mit HIV standen in Deutschland vor Gericht, einige wurden zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt. Besondere mediale Aufmerksamkeit erhält das Urteil gegen Nadja Benaissa Ende August.

Eine Übersicht über wichtige Ereignisse des Jahres 2010 zum Thema HIV / Aids – heute der zweite Teil des ‘HIV / Aids Jahresrückblick 2010′ –Mai  bis August 2010:

Mai 2010

Anfang Mai 2010 stellt die Deutsche AIDS-Hilfe DAH einen unter Beteiligung einiger Community-Vertreter/innen gemeinsam mit der DAIG Deutsche AIDS-Gesellschaft erarbeiteten Entwurf für eine Erklärung zu den zukünftigen Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongressen (DÖAKs) zur Diskussion.
Anfang Mai 2010 beginnt die Universität Berkeley mit Ermittlungen gegen Peter Duisberg. Er gilt seit vielen Jahren als eine der zentralen Figuren der Aids-Leugner.
Der chinesische Aids-Aktivist Wan Yanhai verlässt China und flieht in die USA.
Am 19. Mai 2010 startet “Born HIV Free”, die neue Kampagne des  Globalen Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria zur Bekämpfung der Mutter-Kind-Übertragung von HIV.

Juni 2010

Jürgen Windeler, bisher Leiter des Fachbereichs evidenzbasierte Medizin des Medizinischen Diensts der Krankenkassen, wird ab 1.9.2010 neuer Chef des IQWIG.
Der Berliner Mediziner Dr. Gero Hütter wird vom AIDS Policy Project in San Francisco und San Franciscos Supervisor Ross Mirkarimi im Rathaus von San Francisco ausgezeichnet – für “die erste funktionale Heilung von HIV/Aids”.
Am 4. Juni startet europaweit die größte Befragung schwuler Männer, die es je gegeben hat. In der Studie ‚EMIS‘ werden europaweit Schwule über HIV, andere sexuell übertragbare Infektionen und ihr Safer-Sex-Verhalten befragt.
Die seit 4 Jahren bestehende Informationsplattform www.aids-laenderberichte.de geht am 14. Mai frisch renoviert an den Start.
Die erfolgreiche öffentlich-private Partnerschaft in der Aidsprävention zwischen dem Verband der privaten Krankenversicherung e.V. (PKV) und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)wird weitere 5 Jahre fortgeführt.
Auf ihrer “99th Session of the International Labour Conference, 2010″ verabschiedet die ILO die “Resolution concerning the promotion and the implementation of the Recommendation on HIV and AIDS and the world of work, 2010″.

Juli 2010

Für eine Verpflichtung, an ‘Orten sexueller Begegnungen” kostenlos Kondome auszulegen, gebe es keine gesetzliche Grundlage, stellt die Bundesregierung in einer Unterrichtung fest. Der Safe-Environment-Ansatz solle auf kommunaler und Länder-Ebene ausgebaut werden.
Namibia hat mit Wirkung ab 1. Juli 2010 seine Einreisebeschränkungen für HIV-Positive aufgehoben.
Am 13. Juli geht das Portal www.aidshilfe.de neu gestaltet online.
Vom 18. bis 23. Juli findet in Wien die XVIII. Welt-Aids-Konferenz statt (Bericht 19.7., Bericht 20.7., Bericht 21.7., Bericht 22.7., Bericht 23.7.)
Die Gemeinsame Erklärung der Deutschen AIDS-Hilfe und der Deutschen AIDS-Gesellschaft zur Beteiligung der deutschsprachigen Communities am Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress wird präsentiert.

August 2010

Die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut, STIKO, hat ihre Impfempfehlungen aktualisiert und im Epidemiologischen Bulletin 30/2010 veröffentlicht. Die aktualisierten Empfehlungen enthalten auch Hinweise zu Impfungen bei HIV-Infektion.
Das Österreichische Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen warnt vor bestimmten HIV-Heimtests, da sie eine eine HIV-Infektion nicht verlässlich nachweisen oder ausschließen können.
Am 16. August beginnt der Prozess gegen Nadja Benaissa. Am 26. Augiust wird die Pop-Sängerin verurteilt. Die DAH bedauert das Urteil.
Ein HIV-positiver Kläger kann sich vor dem Bundessozialgericht durchsetzen: der vom Träger der Grundsicherung abgelehnte Mehrbedarf für Hygiene ist rechtens.
Am 26. August 2010 beginnt in Bielefeld  die größte europäische Selbsthilfekonferenz für HIV-Positive, die ‚Positiven Begegnungen 2010‚.

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Der erste Teil des ‚HIV / Aids Jahresrückblick 2010‘ – Januar bis April 2010 ist am 13.12.2010 erschienen. Der dritte Teil (September bis Dezember) erscheint am 27.12.2010.

Quebec: Freispruch für HIV- positive Frau – die bewegende Geschichte von Diane

Eine HIV-positive Frau aus Québec, in erster Instanz verurteilt wegen vermeintlichem ungeschütztem Sex mit ihrem Partner, wurde in zweiter Instanz freigesprochen. Eine Geschichte um Liebe, Beziehung und Gewalt in der Beziehung- und den Umgang von Gerichten mit HIV-Positiven.

Diane (nicht ihr tatsächlicher Name) wurde in Québec 2008 angeklagt und verurteilt, weil sie ihrem ehemaligen Partner, mit dem sie vier Jahre zusammen war, nicht vor dem Sex ihren Serostatus mitgeteilt hatte. Im Dezember 2010 wurde sie vom Berufungsgericht freigesprochen.

Diane hatte sich vermutlich bei ihrem vorigen Partner und Ehemann mit HIV infiziert. Seit 1988 war sie mit ihm verheiratet, 1991 starb ihr Ehemann an den Folgen von Aids. Beide wussten bis zu dieser Zeit nicht von ihren HIV-Infektionen. 1991, kurz vor dem Tod seines Vaters,  kam ihr gemeinsamer Sohn zur Welt; er ist HIV-negativ.

Diane plante für den Fall ihrer möglichen (und zur damaligen Zeit angesichts nicht sehr wirksamer Therapien nicht unwahrscheinlichen) Erkrankung und eines etwaigen Todes – sie bemühte sich z.B. um mögliche Pflegeeltern für ihren Sohn. Doch sie lebt, länger als sie selbst es ursprünglich für möglich gehalten hatte – und lernte im Sommer 2000, am Rand eines Fußballspiels ihres Sohnes, einen Mann kennen, Vater eines Mitschülers ihres Sohnes. Eine Beziehung entwickelte sich.

Diane besprach sich die ganze Zeit über mit ihren Ärzten, nahm antiretrovirale Therapien – und als ihre Beziehung auch sexuell wurde, schützte sie sich. Ihre Ärzte hatten ihr, wie jeder HIV-positiven Person, gesagt, wenn sie für Schutz (Kondom) Sorge trage, sei in ihrer Situation der Partner nicht gefährdet, sondern in jedem Fall auf der sicheren Seite. Entsprechend verhielt sie sich – und teilte ihren Serostatus zu Beginn ihrer Beziehung (vor dem ersten Sex) dem neuen Partner zunächst nicht mit. Sie sorgte sich -ihr neuer Partner war selbst Vater eines Mitschülers ihres Sohnes- vor allem auch, bei einem unüberlegten Bekanntwerden ihres HIV-Status könne ihr Sohn diskriminiert werden.

Bevor beide zum zweiten Mal mit einander intim wurden, informierte sie ihren neuen Partner über ihren HIV-Status – er hatte begonnen von großer Liebe und gemeinsamer Zukunft zu sprechen. Er reagierte zunächst schockiert, mehrere Wochen hatten sie keinen Kontakt. Dann nahm er erneut Kontakt zu ihr auf, erklärte ihr seine Liebe, er wolle mit ihr zusammen leben. Ihr Serostatus war offensichtlich kein Hindernis.

Drei Jahre, bis 2003, lebten sie als Paar glücklich zusammen. Dann verschlechterte sich ihre Beziehung gravierend. ihr Partner wurde zunehmend kontrollierend, beschimpfte sie, stritt um die Erziehung ihres Sohnes. Schließlich beendete Diane von sich aus die Beziehung.

Ihr ehemaliger Partner wollte sich scheinbar mit dem Ende der Beziehung nicht abfinden. Im Dezember 2004 erwachte sie im Krankenhaus – wo sie eingeliefert worden war, mit Verletzungen an Kopf, Gesicht und Hals. Ihr Sohn, selbst am Arm verletzt beim Versuch seine Mutter zu schützen, hatte den Notruf gerufen, ihr damit das Leben gerettet.

Ihr ehemaliger Partner wurde für diese Aggression 2005 angeklagt und verurteilt. Kurz vor Verkünden des Urteils enthüllte er – offenbar in einem verzweifelten Versuch, freigesprochen zu werden – vor Gericht, dass Diane HIV-Positiv ist. Er warf ihr vor, beim ersten Kontakt ungeschützten Sex mit ihm gehabt zu haben, und ihm ihrem Serostatus nicht offenbart zu haben.

Diane, selbst Opfer der gewalttätigen Angriffe ihres (HIV-negativen) Ex-Partners, wurde nun wegen „krimineller Aggression“ angeklagt. 2008 wurde sie vom Gericht Saint-Valentin für schuldig befunden und zu zwölf Monaten Haft verurteilt. Der Richter hielt sie, obwohl sie sogar ihre gesamten medizinischen Akten und Berichte ihrer HIV-Spezialisten vorgelegt hatte, für nicht glaubwürdig. In seinem Urteil verkündet er zwei ‚fundamentale Verantwortungen‘ HIV-Positiver (in Kanada): ihrer Partner/innen vor Sex umfassend über ihren Gesundheitszustand zu informieren, und alles zu unternehmen, damit sexuelle Kontakte das kleinste nur denkbare Risiko bedeuten.

Am 14. März soll Diane ihre Haftstrafe antreten – ihr damals 17 Jahre alter Sohn würde allein bleiben müssen, bei Freunden. Sie hat einen Zusammenbruch, wird ins Krankenhaus eingeliefert. Ihr Anwalt beschließt kurz darauf mit ihrer Zustimmung, Berufung gegen das Urteil einzulegen.

Am 13. Dezember 2010 wird ihr Fall in Berufung erneut verhandelt, vor dem ‚Cour d’appel‘ von Québec. Das Berufungsgericht stellt fest, ein Fakt sei in der ersten Instanz nicht berücksichtigt worden – ihre Viruslast sei im fraglichen Jahr 2000 bereits unter der Nachweisgrenze gewesen. Selbst Mediziner hatten bestätigt, dass in diesem Fall das Infektionsrisiko „sehr minimal“ gewesen sei. Diane wird einstimmig freigesprochen.

Ihre Geschichte erzählte Diane exklusiv der kanadischen Positiven-Organisation und -Plattform ‚Fréquence VIH‘. Diane wurde bei ihrem Rechtsstreit stark unterstützt von der Gruppe COCQ-SIDA (Coalition des organismes communautaires québécois). Beide Gruppen unterstützen Diane auch beim Sammeln von Spenden für ihre Prozess-Kosten bzw. mit einem Rechtsanwalt. Sie bezeichneten den Fall als ‚herausragendes Beispiel für die Diskriminierung HIV-Positiver‘.

Einer ihrer Anwälte forderte nach dem Urteil den kanadischen Gesetzgeber auf, nun das kanadische Strafgesetz an die neuen Realitäten (Viruslast / Infektiosität) anzupassen und zu präzisieren, wann überhaupt noch strafrechtliche Verfolgung möglich sei.

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weitere Informationen:
seronet.fr 15.12.2010: Pénalisation: un acquittement au Québec qui fait date
COCQ-SIDA
Fréquence VIH
Interview mit Diane auf Fréquence VIH (html, dort ‚document audio‘)
Fréquence VIH: Défendre „Diane“, c’est aussi nous défendre toutes et tous
Canadian HIV/Aids Legal Network
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HIV / Aids Jahresrückblick 2010 (Teil 1)

Das Jahr 2010 bietet für Menschen mit HIV eine gemischte Bilanz: einige gute Nachrichten, aber auch Stigmatisierung und Kriminalisierung – der erste Teil des ‚HIV / Aids Jahresrückblick 2010‘ – Januar bis April 2010.

Mehrere Staaten haben ihre Einreiseverbote für Menschen mit HIV aufgehoben. Einige klinische Studien zu experimentellen Impfstoffen, Prä-Expositions-Prophylaxe oder Mikrobiziden lieferten positive Ergebnisse. Zahlreiche Menschen mit HIV standen in Deutschland vor Gericht, einige wurden zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt. Besondere mediale Aufmerksamkeit erhält der Prozess gegen Nadja Benaissa im August.

Eine Übersicht über wichtige Ereignisse des Jahres 2010 zum Thema HIV / Aids – heute der erste Teil des ‚HIV / Aids Jahresrückblick 2010‘ – Januar bis April 2010:

Januar 2010

Das Jahr beginnt mit einer für Menschen mit HIV erfreulichen Änderung: die Aufhebung des seit 1987 bestehende Einreiseverbot für HIV-Positive in die USA tritt in Kraft.
Patientenakten können unter Umständen auch vor Gericht verwertet werden” – zu diesem Schluss kommt ein von der Deutschen Aids-Hilfe (DAH) in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten.
In Österreich wird ein elf Monate altes lebensgefährlich erkranktes HIV-positives Mädchen gegen den Willen der Eltern behandelt – auf Anweisung der Behörden. Die Eltern scheinen Anhänger eines Aids-Leugners zu sein.
Vorstand und Stiftungsrat des IQWIG beschließen am 22. Januar 2010, dass der Vertrag des bisherigen Leiters des Institut, Peter Sawickis, Ende August 2010 ausläuft und nicht verlängert wird.
Ende Januar 2010 wird in Paris die erste französische Aids-Präventions-Broschüre für Trans vorgestellt.
Der französische Philosoph Daniel Bensaïd stirbt am 12. Januar 2010 an den Folgen von Aids. Am 22. Januar 2010 stirbt Stephanie Schmidt, langjährige JES-Aktivistin.

Februar 2010

Nach langem Warten wird in Europa eine neue Formulierung von Ritonavir (Handelsname Norvir®) als hitzestabile Tablette zugelassen.
Ein Dauerthema im Alltag HIV-Positiver: wieder einmal verweigert ein Zahnarzt einem HIV-Positiven die Behandlung.
Die Deutsche Hämophilie-Gesellschaft fordert Anfang Februar 2010 Bundesgesundheitsminister Rösler auf, möglichst bald eine Lösung für die Fortführung der Stiftung “Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen” zu finden.
Das Bundesverfassungsgerichtes erklärt am 9. Februar 2010 die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder und Erwachsene als verfassungswidrig.
Die Staatsanwaltschaft Darmstadt teilt am 12. Februar 2010 mit, dass gegen den Pop-Star Nadja Benaissa Anklage wegen vollendeter und versuchter gefährlicher Körperverletzung erhoben wird

März 2010

Das Gericht sieht in der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung einen Verstoß gegen das Telekommunikationsgeheimnis und erklärte sie für verfassungswidrig.
Facelifting für die Internetseite der erfolgreichen Kampagne „ich weiss was ich tu!“ – seit 8. März 2010 erstrahlt die Site in neuem Glanz.
Ein 25jähriger HIV-positiver Mann wird am 8. März 2010 in Rastatt zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, seinen Partner wissentlich mit HIV infiziert zu haben.
Maxim Popov, usbekischer Aktivist in der Aids-Prävention, wird Anfang März 2010 zu sieben Jahren Haft verurteilt – u.a. wegen ‘antisozialem Verhalten’.
Chinesische Behörden verweigern dem australischen Schriftsteller Robert Dessaix die Einreise zu einem Literatur-Festival in Schanghai – aufgrund seiner HIV-Infektion.
29 europäische und nationale Organisationen fordern Mitte März 2010 den neu gewählten EU-Kommissar Dalli auf, den Gesetzentwurf zu Patienteninformation komplett umzuschreiben, damit er den Interessen der VerbraucherInnen an guter PatientInneninformation gerecht wird.
Ein 48jähriger HIV-positiver Mann wird am 25. März 2010 in Berlin zu fünf Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Er wurde schuldig gesprochen, einen 13jährigen Jungen mehrere Tage sexuell missbraucht zu haben.
Blut-Untersuchungen bei Stellen-Bewerbern sind nur im Ausnahmefall zulässig. Der Autokonzern Daimler unterlag vor der baden-württembergischen Datenschutz-Aufsicht.

April 2010

Der Vorsitzende des Verbandes der privaten Krankenversicherung (PKV), Reinhold Schulte, leitet künftig den Stiftungsrat der Deutschen AIDS-Stiftung.
Am 17. April, dem Welthämophilietag, ruft die Weltgesellschaft der Hämophilen (WFH) alle Hämophiliegesellschaften auf, die Öffentlichkeit auf das Thema Hämophilie aufmerksam zu machen.
Jean Le Bitoux, französischer Aktivist für die Rechte von Schwulen und Lesben und Gründer der französischen Schwulenzeitschrift Gai Pied, stirbt am 20. April 2010 im Alter von 62 Jahren.
Die Volksrepublik China hebt Ende April 2010 ihre Einreisebeschränkungen für Menschen mit HIV auf.